- Am 25. Juli 2017 ist das Gesetz zur Aufhebung der Gesetze über Bergmannssiedlungen in Kraft getreten.
- Das Bergmannssiedlungsvermögen ist verwertet, ein seit fast 100 Jahren bestehendes Treuhandverhältnis damit beendet.
- Das seit Jahrzehnten umstrittene Thema konnte erfolgreich abgeschlossen werden.
Historie
Das Bergmannssiedlungsvermögen (BSV) war ein Treuhandvermögen, das nach dem Ersten Weltkrieg in den Jahren 1920 bis 1924 durch eine Kohleabgabe zur Errichtung von Bergmannswohnungen entstanden war. Es wurde von eigens eingerichteten Treuhandstellen verwaltet, deren Anteilseigner jeweils die Gewerkschaften und die Unternehmen der Kohlewirtschaft waren. Die Treuhandstellen, die eigentlich zinsgünstige Darlehen für den Bau von Bergmannswohnungen vergeben sollten, entwickelten sich im Laufe der Zeit zu Wohnungsunternehmen mit eigenem Wohnungsbestand. Mit fast allen Treuhandstellen wurden die Treuhandverhältnisse bis zum Jahr 2007 durch unterschiedliche Lösungen beendet. Verblieben war als letzte Treuhandstelle zur Verwaltung des BSV noch die Wohnungsbaugesellschaft für das Rheinische Braunkohlenrevier GmbH (WBG) in Köln.
Ursprünglich gab es elf Treuhandstellen, von denen zwei bereits bis zum Jahr 1927 wieder aufgelöst worden waren.
Das Treuhandvermögen BSV war gesetzlich begründet: In dem Gesetz über Bergmannssiedlungen vom 10. März 1930 war die Verwaltung des BSV durch die Treuhandstellen und die Aufsicht des Reichs geregelt. Damit im Zusammenhang stand das Zweite Gesetz über Bergmannssiedlungen vom 2. Mai 1934, das eine entschädigungslose Enteignung der Treuhandstellen durch das Deutsche Reich vorsah.
Verwertungsgrund
Das wohnungspolitische Ziel der Förderung von Bergarbeiterwohnungen ist längst entfallen. Der Bund war daher seit längerem bestrebt, das noch in der WBG verbliebene BSV zu verwerten. Rechtliche Einordnung, Umfang und Wert des BSV waren jedoch umstritten. Um in der Angelegenheit eine langwierige und kostenintensive gerichtliche Klärung mit ungewissem Ausgang zu vermeiden, wurde eine vergleichbare Lösung angestrebt, wie sie im Jahr 2007 mit der Treuhandstelle für Bergmannswohnstätten im Rheinisch-Westfälischen Steinkohlenrevier GmbH in Essen (THS) erzielt worden war. Mit dieser hatte der Bund seinerzeit einen Vergleich geschlossen und erhielt zur Abgeltung seiner Ansprüche aus dem BSV eine Ablösezahlung.
Verwertungsobjekt
Die WBG ist eine am 19. März 1920 gegründete Gesellschaft, die im linksrheinischen Braunkohlenrevier in den Bereichen Bau, Betreuung, Bewirtschaftung und Verwaltung sowie Erwerb und Veräußerung von Wohnungen tätig ist. Gesellschafter waren die RWE Power AG in Essen/Köln und die Vermögensverwaltungs- und Treuhandgesellschaft mbH der IG Bergbau und Energie in Hannover, eine Tochtergesellschaft der bundesweiten IG Bergbau, Chemie, Energie. Beide Gesellschafter hielten das Stammkapital der Gesellschaft je zur Hälfte. Der Bund war kein Gesellschafter, aber Inhaber des BSV, das auf der Passivseite der Bilanz der WBG separat ausgewiesen war. Er hat keine Rückflüsse aus dem BSV erhalten.
Zum Ende des Jahres 2016 bewirtschaftete die WBG im eigenen Bestand 1.308 Wohnungen, 800 Garagen und 250 Stellplätze sowie eine Kindertagesstätte als gewerbliche Einheit. Darüber hinaus war sie im Bauträgergeschäft tätig und verwaltete Wohnungen für Dritte. Zum Jahresende 2016 beschäftigte sie 27 Mitarbeiter.
Die Interessen des Bundes bei der Verwaltung nahm ein Beauftragter für das BSV wahr, der gegen Beschlüsse der Gesellschaft, die das BSV betrafen, Einspruch erheben konnte. Nach dem Übergang der fachlichen Zuständigkeit für das BSV zum 1. Januar 2014 vom für das Bauwesen zuständigen Bundesministerium auf das BMF war auch der Bundesbeauftragte hier angesiedelt.
Verwertungsverfahren
Nach dem Vergleich mit der THS wurden – mit Unterbrechungen – auch mit den Gesellschaftern der noch verbliebenen Treuhandstelle WBG entsprechende Gespräche geführt – seit Anfang des Jahres 2014 dann vom BMF. Ziel war es, auch bei der WBG das Treuhandverhältnis gegen Zahlung einer Ablösesumme zu beenden. Die Verhandlungen kamen jedoch lange nicht voran, weil die Positionen der beiden Seiten unvereinbar erschienen: Nach Ansicht der Gesellschafter sollte dem Bund lediglich die seit 1956 unverändert gebliebene Bilanzposition „BSV“ zustehen. Schon eine gewisse Verzinsung dieses Betrags wurde als Entgegenkommen gegenüber dem Bund dargestellt. Aus Sicht des Bundes war dies nicht akzeptabel.
Vor dem Hintergrund der inhaltlichen wie prozeduralen Diskrepanzen kamen die Vergleichsgespräche lange nicht von der Stelle. Erst nach weiteren langwierigen und komplizierten Verhandlungen konnte eine Lösung gefunden werden, bei der die WBG an die Vivawest GmbH in Essen verkauft wird und die Ansprüche des Bundes aus dem Treuhandvermögen durch die Zahlung eines Ablösebetrags abgegolten werden.
Als Ergebnis wurde am 9. Februar 2017 zwischen dem Bund und den Gesellschaftern der WBG ein Vergleich geschlossen, der mit einem am selben Tag geschlossenen Kaufvertrag zwischen den WBG-Gesellschaftern und der Vivawest GmbH gekoppelt ist. Der Vergleich stand zunächst unter dem Vorbehalt der haushaltsrechtlichen Genehmigung, die das BMF am 17. März 2017 erteilte. Vergleich und Kaufvertrag konnten zudem erst wirksam werden, wenn die WBG nicht mehr den Bindungen der Gesetze über Bergmannssiedlungen unterliegt.
Gesetzgebungsverfahren
Damit Vergleich und Kaufvertrag in Kraft treten konnten, musste das gesetzlich begründete Treuhandverhältnis des Bundes aufgehoben werden. Andernfalls hätten die Vertragsparteien von den Verträgen zurücktreten können. Wegen des nahenden Endes der Legislaturperiode musste das entsprechende Gesetzgebungsverfahren daher zügig nach der Beurkundung der Transaktion im Februar 2017 eingeleitet werden.
Der Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung der Gesetze über Bergmannssiedlungen konnte bis zum 13. Februar 2017 im BMF abgestimmt werden. Die anschließende Ressortabstimmung war am 8. März 2017 beendet. Die beteiligten Verbände der Wohnungswirtschaft hatten sich bereits am 1. März 2017 für den Gesetzentwurf ausgesprochen.
Am 29. März 2017 wurde der Gesetzentwurf vom Kabinett beschlossen. Er wurde am 31. März 2017 an den Bundesrat als besonders eilbedürftig übersandt, damit das Gesetzgebungsverfahren bis zur parlamentarischen Sommerpause abgeschlossen werden konnte. Nach Art. 76 Abs. 2 Grundgesetz konnte der Gesetzentwurf damit bereits nach drei Wochen dem Deutschen Bundestag zugeleitet werden, der ihn als Drucksache 18/12049 am 27. April 2017 in erster Lesung an den Haushaltsausschuss überwies. Der Bundesrat beschloss in erster Beratung am 12. Mai 2017, gegen den Gesetzentwurf keine Einwendungen zu erheben.
Der Deutsche Bundestag nahm den Gesetzentwurf am 1. Juni 2017 an. Am 7. Juli 2017 erhob auch der Bundesrat keine Einwendungen gegen das Gesetz. Nach der Ausfertigung durch den Bundespräsidenten am 17. Juli 2017 wurde das Gesetz am 24. Juli 2017 im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl.I S. 2531) und trat am darauffolgenden Tag in Kraft.