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20.04.2022

Europa

Fragen und Antworten zum Fiskalvertrag

Hier erhalten Sie Antworten auf die am häufigsten gestellten Fragen im Zusammenhang mit dem Fiskalvertrag.

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Was ist der sogenannte Fiskalvertrag?

Der Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion – kurz „Fiskalvertrag“ genannt – bildet die vertragliche Grundlage für die weitere verstärkte finanz- und wirtschaftspolitische Koordinierung. Die Vertragsparteien verpflichten sich darin unter anderem, einheitliche und dauerhaft verbindliche Haushaltsregeln in ihre nationalen Rechtsordnungen aufzunehmen.

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Warum wurde der Fiskalvertrag geschlossen?

Der Fiskalvertrag bezweckt eine Stärkung der Wirtschafts- und Währungsunion, um relativ zur Wirtschaftsleistung zu hohe Staatsschulden schnellstmöglich zurückzuführen und zukünftige übermäßige Staatsverschuldung nachhaltig zu vermeiden. Dabei soll die Haushaltsdisziplin verbessert, gesunde öffentliche Finanzen erreicht und eine verstärkte wirtschaftspolitische Koordinierung und Steuerung ermöglicht werden.

Ursprüngliches Ziel war es, diese Regelungen durch eine Änderung der Unionsverträge einzuführen, doch war dies nicht realisierbar. Vor diesem Hintergrund wurden die von den Staats- und Regierungschefinnen und Regierungschefs am 9. Dezember 2011 vereinbarten inhaltlichen Eckpunkte im Rahmen des völkerrechtlichen Fiskalvertrages umgesetzt, den die Vertreterinnen und Vertreter sämtlicher Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) bis auf jene des Vereinigten Königreichs und Tschechiens am 2. März 2012 unterzeichneten. Durch die seither erfolgte Unterzeichnung des Fiskalvertrags durch Tschechien und Kroatien und den Austritt der Vereinigten Königreichs aus der EU sind mittlerweile alle EU-Mitgliedstaaten zugleich Vertragspartei des Fiskalvertrags.

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Wie und wodurch soll die Haushaltsdisziplin konkret verbessert werden?

Die Vertragsparteien verpflichten sich durch den Fiskalvertrag zur Einführung strikter nationaler Schuldenbremsen, die sicherstellen sollen, dass die gesamtstaatliche Haushaltslage ausgeglichen ist oder einen Überschuss aufweist. Der Vertrag sieht vor, dass das mittelfristige Haushaltsziel der Vertragsparteien ein gesamtstaatliches strukturelles Defizit von 0,5 Prozent des nominalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) nicht übersteigt, solange die Schuldenquote nicht deutlich unter 60 Prozent liegt. Damit geht er über die Anforderungen des bestehenden präventiven Arms des Stabilitäts- und Wachstumspaktes hinaus, der lediglich eine Obergrenze für das gesamtstaatliche strukturelle Defizit von 1 Prozent des BIP vorsieht. Diese Haushaltsvorgabe musste innerhalb eines Jahres nach dem Inkrafttreten des Vertrages durch verbindliche und dauerhafte Regelungen, möglichst auf Verfassungsebene, in das nationale Recht der Vertragsparteien umgesetzt werden.

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Wie wird sichergestellt, dass sich die Vertragsparteien daran halten?

Die Umsetzung der Defizitregel in nationales Recht wird durch ein automatisiertes Klageverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) sichergestellt. Kommt die Europäische Kommission zu dem Schluss, dass eine Vertragspartei die Defizitregel des Fiskalvertrags nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat, wird eine Schiedsklage vor dem EuGH erhoben. Für den Fall der Nichtbefolgung eines Urteils des EuGH über die Nichtumsetzung der Defizitregel sieht der Fiskalvertrag erhebliche Strafzahlungen in Höhe von bis zu 0,1 Prozent des BIP vor.

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Was ist die Quasi-Automatisierung des Defizitverfahrens?

Seit 1993 gelten die sogenannten Maastricht-Kriterien. Sie sehen unter anderem vor, dass die jährliche Neuverschuldung nicht mehr als 3 Prozent des BIP betragen darf. Verstößt ein Mitgliedstaat hiergegen, kann gegen ihn ein Defizitverfahren eingeleitet werden, was letztlich zu Sanktionen führen kann. Dies setzt jedoch eine Entscheidung des Rates mit qualifizierter Mehrheit voraus.

Auf Grund des Fiskalvertrags erfolgen die Eröffnung und alle weiteren Beschlüsse im Rahmen eines Defizitverfahrens hinsichtlich der Nichteinhaltung des 3-Prozent-Defizitkriteriums des Stabilitäts- und Wachstumspaktes quasi-automatisch. D. h. es muss sich eine qualifizierte Mehrheit dagegen aussprechen.

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In welchem Zusammenhang stehen der Fiskalvertrag und der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM)?

Solidarität und Solidität sind zwei Seiten einer Medaille. Die Gewährung von Finanzhilfen durch den ESM ist daher eng mit dem Fiskalvertrag verzahnt. Wer Hilfen aus dem ESM in Anspruch nehmen will, muss den Fiskalvertrag ratifiziert und die Defizitregel in nationales Recht umgesetzt haben.

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Wie stärkt der Fiskalvertrag das Wirtschaftswachstum in der Euro-Zone?

Die Vertragsparteien verpflichten sich mit dem Fiskalvertrag, auf eine gemeinsame Wirtschaftspolitik hinzuarbeiten, die durch erhöhte Konvergenz und Wettbewerbsfähigkeit das reibungslose Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion sowie das Wirtschaftswachstum fördert. Die Vertragspartner stellen sicher, dass alle größeren wirtschaftspolitischen Reformen vorab zwischen ihnen erörtert und gegebenenfalls koordiniert werden.

Die Staats- und Regierungschefinnen und Regierungschefs der Euro-Staaten treffen sich dazu regelmäßig, mindestens zweimal jährlich. Nicht-Euro-Staaten, die den Fiskalvertrag ratifiziert haben, nehmen an den Beratungen zu einzelnen Themenbereichen teil.

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In welchem Zusammenhang steht der Fiskalvertrag mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt?

Wie der Fiskalvertrag enthält der Stabilitäts- und Wachstumspakt Vorgaben für die Budgetdisziplin. Der Fiskalvertrag verschärft und ergänzt die Fiskalregeln des unionsrechtlichen Stabilitäts- und Wachstumspakts, insbesondere durch die Einführung nationaler Schuldenregeln, Verschärfungen des Defizitverfahrens und einer strengeren Vorgabe zum zulässigen Defizit. Außerdem sieht er Maßnahmen zur Verbesserung der wirtschaftspolitischen Koordinierung vor, nämlich u. a. mindestens zweimal jährlich stattfindende Eurogipfel.

Der Fiskalvertrag ist ein völkerrechtlicher Vertrag, während der Stabilitäts- und Wachstumspakt dem Unionsrecht angehört.

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Inwiefern trägt der Fiskalvertrag zur Verbesserung der Strukturen der EU bei?

Mit dem Fiskalvertrag wurden die sogenannten Eurogipfel geschaffen. Dies sind mindestens zweimal jährlich stattfindende informelle Treffen im Vorfeld des Europäischen Rates, bei denen Themen besprochen werden, die im Zusammenhang mit dem Euro und der Steuerung des Euro-Währungsgebietes stehen. Außerdem wurde eine Konferenz von Vertreterinnen und Vertretern der nationalen Parlamente und des Europäischen Parlaments geschaffen, in der die Haushaltspolitik und andere vom Fiskalvertrag erfasste Angelegenheiten besprochen werden.

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Wie wurde der Fiskalvertrag in Deutschland umgesetzt?

In Deutschland existieren umfassende institutionelle und rechtliche Regelungen, die die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen gewährleisten. Mit den verfassungsrechtlich verankerten Schuldenregeln, die zu im Grundsatz ausgeglichenen Haushalte verpflichten, und der begleitenden Einrichtung des Stabilitätsrates ist hierfür auf der Ebene der Haushalte von Bund und Ländern Sorge getragen.

Darüber hinaus wurden mit dem Gesetz zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrages vom 15. Juli 2013 die bestehenden Fiskalregeln ergänzt, um die Vorgaben des Fiskalvertrages und des reformierten Stabilitäts- und Wachstumspakts innerstaatlich weiter abzusichern. Die durch den Fiskalvertrag auf 0,5 Prozent des BIP geänderte maximale Obergrenze des strukturellen gesamtstaatlichen Finanzierungsdefizits wurde gemeinsam mit einem Verweis auf die relevanten Bestimmungen des Vertrages im Haushaltsgrundsätzegesetz verankert. Zudem wurde der Stabilitätsrat damit beauftragt, die Einhaltung der Obergrenze zu überwachen und im Stabilitätsratsgesetz zugleich rechtlich verankert, dass der Stabilitätsrat hierbei durch einen unabhängigen Beirat unterstützt wird. Der unabhängige Beirat hat sich am 5. Dezember 2013 konstituiert.