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08.05.2024

Europa

Fragen und Antworten zum Stabilitäts- und Wachstumspakt

Der Stabilitäts- und Wachstumspakt ist ein zentrales Instrument zur Sicherung der ökonomischen Basis für das Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU). Mit Hilfe des Paktes werden die Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) zu einer stabilitätsorientierten Finanzpolitik angehalten, um im Zusammenspiel mit der auf Preisstabilität ausgerichteten Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) die Voraussetzungen für ein starkes, nachhaltiges und der Schaffung von Arbeitsplätzen förderliches Wachstum zu gewährleisten.

Was ist der Stabilitäts- und Wachstumspakt?

Der Stabilitäts- und Wachstumspakt ist ein regelbasierter Rahmen für die Koordinierung der nationalen Finanzpolitiken in der WWU. Der Pakt wurde geschlossen, um solide öffentliche Finanzen – eine wichtige Voraussetzung für das korrekte Funktionieren der WWU – zu garantieren.

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Welche Regeln umfasst der Stabilitäts- und Wachstumspakt?

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1. Die präventive Komponente

Der präventive Arm wurde entwickelt, um dem Vorwurf entgegenzutreten, dass die alleinige Betrachtung des 3-Prozent-Defizitkriteriums im korrektiven Arm insbesondere in Zeiten des wirtschaftlichen Abschwungs zu einer prozyklischen, abschwungverstärkenden Sparpolitik führen würde. Mit dem präventiven Arm soll eine „Prävention“ vor dem Verletzen des Defizitkriteriums im Konjunkturverlauf sichergestellt werden. Hierbei ist der Aufbau von Puffern durch das Regelwerk vorgesehen. Die sogenannten automatischen Stabilisatoren der öffentlichen Finanzen, d. h. Mehrausgaben und Mindereinnahmen im konjunkturellen Abschwung und niedrigere Ausgaben und höhere Einnahmen im konjunkturellen Aufschwung, können so ihre Wirkung entsprechend entfalten.

Mit der 2024 in Kraft getretenen Reform wurde ein stärker risikobasierter und länderspezifischer EU-Überwachungsrahmen entwickelt. Dieser basiert auf Analysen zur Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen und differenziert zwischen den Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung der fiskalischen und wirtschaftlichen Herausforderungen.

Die Mitgliedstaaten legen nationale mittelfristige finanzpolitisch-strukturelle Pläne, die einen Zeitraum von vier oder fünf Jahren abdecken, je nach der regulären Dauer der Legislaturperiode des betreffenden Mitgliedstaats, vor. Sie sollen Haushalts-, Reform- und Investitionsziele integrieren. Insbesondere sollen sie verbindliche, mehrjährige Fiskalpfade beinhalten, die im Einklang mit konkreten Mindestanforderungen stehen.

Länge der fiskalischen Anpassungsperiode

Die fiskalische Anpassungsperiode beträgt 4 Jahre und kann unter Zusage von Reformen und Investitionen auf 7 Jahre verlängert werden. Dies bedeutet einen langsameren, aber im Ergebnis immer noch ambitionierten Konsolidierungspfad. Dafür muss sichergestellt sein, dass diese zusätzlichen Reform- und Investitionsanstrengungen wachstumsfördernd sind, die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen verbessern und die länderspezifischen Empfehlungen aus dem Europäischen Semester sowie die gemeinsamen Prioritäten der EU adressieren. Inwiefern diese Vorgaben eingehalten werden, soll im Rahmen einer Gesamtschau analysiert werden. Für eine Übergangsphase bis 2026 können die Reform- und Investitionszusagen aus den nationalen Aufbau- und Resilienzplänen positive Berücksichtigung finden.

Fiskalpolitische Anforderungen

Zur Ableitung der fiskalpolitischen Anforderungen sind für Mitgliedsstaaten mit einem Schuldenstand von über 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und/oder einem Defizit von über 3 Prozent des BIP insbesondere drei Elemente vorgesehen, die kumulativ erfüllt sein müssen und aus denen die Europäische Kommission Referenzpfade für die Nettoprimärausgaben ermittelt:

  • Im Rahmen einer Tragfähigkeitsanalyse wird ein Nettoprimärausgabenpfad ermittelt der sicherstellt, dass die projizierte gesamtstaatliche Schuldenstandsquote auf einen plausibel rückläufigen Pfad gebracht wird beziehungsweise mittelfristig unter 60 Prozent verbleibt und das projizierte gesamtstaatliche Defizit unter die 3-Prozent-Grenze des BIP gesenkt und mittelfristig unter diesem Referenzwert gehalten wird.
  • Zudem ist eine Absicherung der Schuldentragfähigkeit vorgesehen mit konkreten quantitativen Vorgaben für den Abbau der Schuldenstandsquote (sogenannter „Debt Sustainability Safeguard“).
  • Schließlich wurde eine Absicherung der Defizitresilienz in den Regeln verankert, die einen angemessenen Sicherheitsabstand des Defizits zum 3-Prozent-Referenzwert von strukturell 1,5 Prozent vorsieht (sogenannter „Deficit Resilience Safeguard“).

Mitgliedsstaaten mit einem Schuldenstand von unter 60 Prozent des BIP und einem Defizit von unter 3 Prozent des BIP können entsprechende technische Information erhalten, um sicherzustellen, dass ihre Staatsfinanzen auf einem stabilen Pfad verbleiben.

Der Ausgabenpfad

Im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts werden die Nettoprimärausgaben als Hauptindikator der europäischen Haushaltsüberwachung etabliert. Dafür werden für die Mitgliedstaaten in ihren mittelfristigen finanzpolitisch-strukturellen Plänen, die einen Zeitraum von vier oder fünf Jahren abdecken, je nach der regulären Dauer der Legislaturperiode des betreffenden Mitgliedstaats, länderspezifische Nettoprimärausgabenpfade festgelegt. Nettoprimärausgaben umfassen dabei die Staatsausgaben ohne Zinsausgaben, bereinigt um diskretionäre einnahmenseitige Maßnahmen, Ausgaben für Programme der Union, die vollständig durch Einnahmen aus den Unionsfonds ausgeglichen werden, nationale Ausgaben für die Kofinanzierung von Programmen, die von der Union finanziert werden, konjunkturelle Komponenten der Ausgaben für Leistungen bei Arbeitslosigkeit und einmalige und sonstige befristete Maßnahmen.

Zur Ableitung der fiskalischen Anforderungen sind für Mitgliedstaaten mit einem Schuldenstand von über 60 Prozent des BIP und/oder einem Defizit von über 3 Prozent des BIP drei Elemente vorgesehen, aus denen die Europäische Kommission Referenzpfade für die Nettoprimärausgaben ermittelt und die bei der Bewertung der vorgelegten Pläne der Mitgliedstaaten überprüft werden:

  • Erstens ist auf Basis einer Tragfähigkeitsanalyse sicherzustellen, dass (a) die projizierte öffentliche Schuldenstandsquote zum Ende des Anpassungszeitraums auf einen plausibel rückläufigen Pfad gebracht oder darauf gehalten wird oder mittelfristig auf einem Niveau unter 60 Prozent des BIP gehalten wird; und dass (b) das projizierte öffentliche Defizit im Anpassungszeitraum unter 3 Prozent des BIP gesenkt und mittelfristig unter diesem Referenzwert gehalten wird. In den Tragfähigkeitsanalysen werden unter anderem die zukünftige Entwicklung der altersbedingten Kosten sowie Risikoszenarien für Zins- und Wachstumsentwicklung berücksichtigt. Der Anpassungszeitraum beträgt regelmäßig vier Jahre mit der Möglichkeit einer Verlängerung um bis zu drei Jahre bei Vorliegen entsprechender Reform und Investitionsvorhaben (Verordnung (EU) 2024/1263, Artikel 6).
  • Das zweite Element umfasst die Absicherung der Schuldentragfähigkeit (sogenannter „Debt Sustainability Safeguard“). Vorgabe ist, dass die projizierte öffentliche Schuldenstandsquote um einen durchschnittlichen jährlichen Mindestsatz sinken muss, der a) 1 Prozentpunkt des BIP beträgt, solange die öffentliche Schuldenstandsquote 90 Prozent des BIP übersteigt; b) 0,5 Prozentpunkte des BIP beträgt, solange die öffentliche Schuldenstandsquote zwischen 60 Prozent und 90 Prozent des BIP liegt (Verordnung (EU) 2024/1263, Artikel 7).
  • Das dritte Element umfasst die Absicherung der Defizitresilienz (sogenannter „Deficit Resilience Safeguard“). Vorgabe ist, dass die Haushaltsanpassung so lange fortzusetzen ist, bis das Defizit des betreffenden Mitgliedstaats einen Sicherheitsabstand von strukturell 1,5 Prozent des BIP gegenüber dem Defizit-Referenzwert von 3 Prozent aufweist. Die jährliche Verbesserung des strukturellen Primärsaldos zur Erreichung des erforderlichen Abstands beträgt dabei 0,4 Prozentpunkte des BIP, beziehungsweise bei Verlängerung des Anpassungszeitraums, 0,25 Prozentpunkte des BIP (Verordnung (EU) 2024/1263, Artikel 8).

Den Mitgliedstaaten, deren öffentliches Defizit 3 Prozent des BIP und deren öffentlicher Schuldenstand 60 Prozent des BIP nicht überschreitet, stellt die Kommission auf Ersuchen des Mitgliedstaats technische Informationen zu dem strukturellen Primärsaldo zur Verfügung, der erforderlich ist, um sicherzustellen, dass das Gesamtdefizit mittel- und langfristig unter 3 Prozent des BIP gehalten wird, und gibt an, ob dies eine Haushaltsanpassung erfordert. Die technischen Informationen berücksichtigen auch die Einhaltung der Absicherung der Defizitresilienz.

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2. Die korrektive Komponente

Defizitverfahren bei Überschreitung des Referenzwertes für den Haushaltssaldo

Mitgliedstaaten sollen bei Überschreiten des Referenzwertes von 3 Prozent des BIP beim Haushalsdefizit ihr übermäßiges Defizit mit jährlichen nominalen Abbauschritten beim strukturellen Saldo von mindestens 0,5 Prozent des BIP als Richtwert reduzieren. Für eine Übergangszeit bis 2027 kann die Europäische Kommission bei der Berechnung der jährlichen Abbauschritte die gestiegenen Zinszahlungen berücksichtigen.

Schuldenbasiertes Defizitverfahren

Mitgliedstaaten mit Schuldenstandsquoten über 60 Prozent des BIP müssen den fiskalischen Anpassungspfad aus dem präventiven Arm einhalten. Die Abweichung von den Vorgaben werden auf einem Kontrollkonto festgehalten. Für das Kontrollkonto gelten quantitative Schwellenwerte von 0,3 Prozent des BIP jährlich und 0,6 Prozent des BIP kumuliert. Wenn diese Schwellenwerte überschritten sind und das Haushaltsdefizit 0,5 Prozent des BIP übersteigt, wird die Europäische Kommission die Einleitung eines Defizitverfahrens prüfen.

Relevante Faktoren

Relevante Faktoren können von der Europäischen Kommission bei der Bewertung zur möglichen Eröffnung von Defizitverfahren herangezogen werden. Diese Faktoren können die Eröffnung eines Defizitverfahrens begünstigen („aggravating factor“) oder als abmildernd angesehen werden („mitigating factor“). Die Europäische Kommission untersucht dabei u. a. die wirtschaftliche und fiskalische Gesamtsituation des Mitgliedstaates, einschließlich der Tragfähigkeitsrisiken sowie die Qualität der öffentlichen Finanzen, was die Ausgabenstruktur und Ausgabenprioritäten (u. a. für Verteidigung) miteinschließt. Im defizitbasierten Defizitverfahren werden bei Mitgliedstaaten mit einer Schuldenstandsquote von über 60 Prozent des BIP relevante Faktoren nur berücksichtigt, wenn das Defizit nahe bei 3 Prozent liegt und die Überschreitung nur vorübergehend ist.

Ablauf Defizitverfahren

  • 1. Schritt: Die Europäische Kommission erstellt einen Bericht, in dem sie die Hintergründe für die Einleitung des Defizitverfahrens erläutert (Artikel 126 Absatz 3 AEUV). Die Erstellung des Berichts ist bei Überschreiten der Referenzwerte für die Kommission zwingend. Wenn nur die „Gefahr eines übermäßigen Defizits besteht“, ist der Bericht fakultativ. Der Bericht wird im Wirtschafts- und Finanzausschuss (WFA) beraten, der daraufhin eine Stellungnahme abgibt (Artikel 126 Absatz 4 AEUV). Vertritt die Kommission nach Prüfung aller in ihrem Bericht zu berücksichtigenden relevanten Faktoren, z. B. der Entwicklung der mittelfristigen Wirtschaftslage, und nach Stellungnahme des WFA die Auffassung, dass ein übermäßiges Defizit vorliegt oder sich ergeben könnte, legt sie dem betreffenden Mitgliedstaat eine Stellungnahme vor („Frühwarnung“) und unterrichtet den ECOFIN-Rat (Artikel 126 Absatz 5 AEUV, Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung (EG) 1467/97).
  • 2. Schritt: Der ECOFIN-Rat entscheidet auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des betreffenden Mitgliedstaats mit qualifizierter Mehrheit über das Bestehen eines übermäßigen Defizits (Artikel 126 Absatz 6 AEUV). Der Rat beschließt dabei ohne Berücksichtigung der Stimme des betreffenden Mitgliedstaats (Artikel 126 Absatz 13 AEUV). Hält er ein übermäßiges Defizit für gegeben, richtet er gleichzeitig Empfehlungen an den betreffenden Mitgliedstaat (Artikel 126 Absatz 7 AEUV) und setzt ihm eine Frist von höchstens sechs Monaten für das Ergreifen wirksamer Maßnahmen. In ernsten Fällen kann die Frist auf drei Monate verkürzt werden. (Artikel 3 Absatz 4 der Verordnung (EG) 1467/97). Ferner wird eine Frist für die Korrektur des übermäßigen Defizits gesetzt.
  • 3. Schritt: Das Land hat nun innerhalb der gesetzten Frist Zeit, wirksame Maßnahmen zu ergreifen. Damit ruht das Verfahren. Wird den Empfehlungen durch den Mitgliedstaat nicht gefolgt, so stellt der Rat dies auf Empfehlung der Kommission mit qualifizierter Mehrheit fest – unter Nichtberücksichtigung der Stimme des betreffenden Mitgliedstaats – und veröffentlicht gegebenenfalls seine Empfehlungen (Artikel 126 Absatz 8 i. V. m. 13 AEUV). Der ECOFIN-Rat erstattet dem Europäischen Rat über das Nichtergreifen wirksamer Maßnahmen Bericht (Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung (EG) 1467/97).
  • 4. Schritt: Innerhalb von zwei Monaten nach der Feststellung kann der Rat mit qualifizierter Mehrheit beschließen, den Mitgliedstaat mit der Maßgabe in Verzug setzen, innerhalb einer weiteren Frist von vier Monaten Maßnahmen zum Defizitabbau zu treffen (Artikel 126 Absatz 9 Satz 1 i. V. m. 13 AEUV; Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung (EG) 1467/97). Der betreffende Mitgliedstaat erstattet dem Rat nach der Inverzugsetzung über dessen Anpassungsbemühungen Bericht und veröffentlicht den Bericht (Artikel 126 Absatz 9 Satz 2 AEUV; Artikel 5 Absatz 1a) der Verordnung (EG) 1467/97). Die Kommission kann außerdem eine Überwachungsmission vor Ort durchführen, um die aktuelle Wirtschaftslage im Mitgliedstaat zu überprüfen und mögliche Risiken oder Probleme im Zusammenhang mit der Umsetzung der Ziele zu ermitteln (Artikel 10a der Verordnung (EG) 1467/97).
  • 5. Schritt: Falls das betreffende Land dem Beschluss des Rates zu Maßnahmen zum Defizitabbau nicht Folge leistet, so kann der Rat auf Empfehlung der Kommission mit qualifizierter Mehrheit wahlweise oder kumulativ folgende Sanktionsmaßnahmen ergreifen (Artikel 126 Absatz 11 AEUV; Artikel 11 f., 16 der Verordnung (EG) 1467/97).
  • 6. Schritt: In jedem Folgejahr beurteilt der Rat erneut, ob der betreffende Mitgliedstaat den Empfehlungen des Rates nachgekommen ist (Artikel 126 Absatz 9 Satz 1 AEUV). Falls der Rat die weitere Nichtbefolgung feststellt, kann der Rat mit qualifizierter Mehrheit beschließen, die Sanktionen zu verschärfen (Artikel 126 Absatz 11 AEUV, Artikel 12 Absatz 2 der Verordnung (EG) 1467/97).

Sanktionen

Im Rahmen eines Defizitverfahrens gemäß Artikel 126 AEUV in Verbindung mit den Verordnungen (EG) 1467/1997 und (EU) 1173/2011 können Sanktionen, z. B. in Form von Bußgeldern, gegen einen Euro-Mitgliedstaat verhängt werden, wenn dieser die an ihn gestellten fiskalischen Anforderungen nicht erfüllt. Darunter fällt zum Beispiel die Umsetzung geeigneter Maßnahmen zur Korrektur eines übermäßigen Defizits.

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Was ist die allgemeine und nationale Ausweichklausel des Stabilitäts- und Wachstumspakt?

Die sogenannte allgemeine Ausweichklausel (Verordnung (EU) 2024/1263, Artikel 25) legt fest, dass es den Mitgliedstaaten im Fall eines schweren Konjunkturabschwungs im Euro-Währungsgebiet oder in der Union als Ganzes vom Rat auf Empfehlung der Kommission gestattet werden kann, von ihrem Nettoprimärausgabenpfad abzuweichen, sofern dadurch die mittelfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen nicht gefährdet wird. Der Rat legt für eine solche Abweichung eine zeitliche Begrenzung von einem Jahr fest. Der Zeitraum kann verlängert werden, sofern der schwere Konjunkturabschwung im Euro-Währungsgebiet oder in der Union als Ganzes andauert.

Die sogenannte nationale Ausweichklausel (Verordnung (EU) 2024/1263, Artikel 26) legt fest, dass es einem Mitgliedstaat bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, die sich der Kontrolle des Mitgliedstaats entziehen und erhebliche Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen des betreffenden Mitgliedstaats haben, auf Ersuchen des Mitgliedstaats und auf Empfehlung der Kommission vom Rat gestattet werden kann, von seinem Nettoprimärausgabenpfad abzuweichen, sofern durch diese Abweichung die mittelfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen nicht gefährdet wird. Der Rat legt für eine solche Abweichung eine zeitliche Begrenzung fest. Der Zeitraum kann verlängert werden, sofern die außergewöhnlichen Umstände andauern.

Die korrektive Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakt sieht vor, dass im Fall eines begründeten Abweichens vom Nettoprimärausgabenpfad aufgrund der oben genannten Ausweichklauseln, Kommission und der Rat davon absehen können, ein übermäßiges Defizit im Rahmen ihrer Bewertung festzustellen (Verordnung (EG) 1467/97, Artikel 2 Absatz 5).

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Was sind die zentralen Haushaltsfristen und Berichtspflichten?

Aus den Vorgaben der geltenden Verordnungen [(EU) 2024/1263, (EU) Nr. 472/2013 und 473/2013] ergeben sich folgende zentrale Haushaltsfristen:

  1. Bis spätestens 30. April des letzten Jahres vor Inkrafttreten des neuen Plans muss jeder Mitgliedstaat einen nationalen mittelfristigen finanzpolitisch-strukturellen Plan bei der Europäischen Kommission einreichen. In dem Plan soll der Mitgliedstaat insbesondere seinen haushaltspolitischen Pfad sowie seine prioritären öffentlichen Reformen und Investitionen darlegen. Die Annahme des Plans erfolgt durch Billigung des Rates auf Basis einer Empfehlung der EU-Kommission. Die Billigung soll spätestens 12 Wochen nach Einreichung des Plans erfolgen. Im Reformjahr 2024 sollen die Pläne im Rahmen einer Ausnahmeregelung für den ersten Plan im Herbst vorgelegt werden.
  2. Bis spätestens 30. April in den Folgejahren des Plans muss jeder Mitgliedstaat jährlich einen Fortschrittsbericht über die Umsetzung des nationalen mittelfristigen finanzpolitisch-strukturellen Plans veröffentlichen. Der Bericht enthält insbesondere Informationen über die Fortschritte bei der Umsetzung des Nettoprimärausgabenpfads sowie der Umsetzung relevanter Reformen und Investitionen.
  3. Die Übersendung der sogenannten Maastricht-Meldung, mit der die Mitgliedsstaaten jeweils vor dem 1. April und dem 1. Oktober Daten zum staatlichen Finanzierungssaldo und zur Verschuldung an die Europäische Kommission übermitteln.
  4. Bis zum 15. Oktober muss jedes Mitglied des Euroraums einen nationalen Haushaltsentwurf der EU-Kommission vorliegen. Diese werden geprüft und gegebenenfalls zurückgewiesen. In einem solchen Fall müsste ein Land einen überarbeiteten Haushaltsentwurf vorlegen.
  5. Bis zum 31. Dezember muss jedes Mitglied des Euroraumes seinen Haushalt für das folgende Jahr in seinem nationalen Parlament verabschiedet haben.

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Auf welchen Rechtsgrundlagen basiert der Stabilitäts- und Wachstumspakt?

Eine stabilitätsorientierte Finanzpolitik ist Grundvoraussetzung, um im Zusammenspiel mit der unabhängigen auf Preisstabilität ausgerichteten Geldpolitik der EZB die Voraussetzungen für ein starkes, nachhaltiges und der Schaffung von Arbeitsplätzen förderliches Wachstum zu gewährleisten. „Gesunde öffentliche Finanzen“ gehören daher zu den richtungweisenden Grundsätzen, die der AEUV für die Tätigkeiten der Mitgliedstaaten und der Union vorsieht.

Konkretisiert wird dies durch die Bestimmungen in Artikel 121 AEUV über die multilaterale Überwachung sowie in Artikel 126 AEUV über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit. Die in Artikel 126 AEUV genannten Referenzwerte für die Beurteilung der nationalen Haushaltsdisziplin werden durch ein Protokoll (Nr. 12) über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit, das Bestandteil des Primärrechts ist, definiert. Das Primärrecht sieht zudem vor, dass der Rat sekundärrechtliche Vorschriften zur Konkretisierung erlässt.

Auf dieser Grundlage wurde der Stabilitäts- und Wachstumspakt entwickelt, der sich nach der jüngsten Reform aus den folgenden Bestandteilen zusammensetzt:

  • Verordnung (EU) 2024/1263 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2024 über die wirksame Koordinierung der Wirtschaftspolitik und die multilaterale haushaltspolitische Überwachung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) 1466/97 des Rates,
  • Verordnung (EG) 1467/97 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2024/1264 des Rates vom 29. April 2024,
  • Richtlinie 2011/85/EU des Rates vom 8. November 2011 über die Anforderungen an die haushaltspolitischen Rahmen der Mitgliedstaaten, zuletzt geändert durch Richtlinie (EU) 2024/1265 des Rates vom 29. April 2024,
  • Verordnung (EU) Nr. 1173/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die wirksame Durchsetzung der haushaltspolitischen Überwachung im Euro-Währungsgebiet.

Das geänderte Regelwerk ist seit dem 30. April 2024 in Kraft.