Besteuerungsverfahren

Durch ihr breites Aufgabenspektrum stellen die Finanzämter diejenige Steuerverwal­tungsebene dar, zu der der Steuerpflichtige im Besteuerungsverfahren den meisten Kontakt hat. Als Steuerpflichtiger gelten dabei alle natürlichen und juristischen Personen, die durch ein Steuerrechtsverhältnis verpflichtet sind (§ 33 Abgabenordnung - AO). Sie haben in der Regel eine Steuererklärung abzugeben. Die Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung ergibt sich aus den Einzelsteuergesetzen (z. B. §§ 25, 46 Einkommensteuergesetz - EStG) oder wenn das Finanzamt den Steuerpflichtigen zur Abgabe einer Steuererklärung auffordert. In der Steuererklärung müssen alle steuerlich relevanten Sachverhalte vollständig und wahrheitsgemäß erklärt werden.

Allgemein geregelt ist das Besteuerungsverfahren in der Abgabenordnung (AO). Die AO unterscheidet mehrere Abschnitte des Besteuerungsverfahrens: So sind das Festsetzungs- und Erhebungsverfahren notwendige Bestandteile eines jeden Besteuerungsverfahrens. Daneben existieren noch die Verfahrensabschnitte Vollstreckungs- und Einspruchsverfahren, die im Besteuerungsverfahren nur bei Bedarf durchlaufen werden, sowie das Straf- und Bußgeldverfahren als eigenständiges Verfahren.

Abbildung des Ablaufs des Besteuerungsverfahrens BildVergroessern
Quelle:  Bundesministerium der Finanzen

Die in der Abbildung „Ablauf des Besteuerungsverfahrens“ fettgedruckten Verfahrensabschnitte werden nachfolgend näher erläutert.

Ermittlungs- und Festsetzungs-/Feststellungsverfahren

Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens hat das Finanzamt die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen, die für die Besteuerung bedeutsam sind, von Amts wegen zu ermitteln. Es bestimmt dabei Art und Umfang der Ermittlungen (§ 88 AO). Hierzu hat der Steuerpflichtige alle für die Besteuerung erheblichen Tatsachen wahrheitsgemäß offen zu legen (§ 90 AO).

Konkret bedeutet dies, dass ein Steuerpflichtiger, der gesetzlich verpflichtet ist oder vom Finanzamt aufgefordert wird, eine Steuererklärung abzugeben, diese nach bestem Wissen auszufüllen und dem Finanzamt einzureichen hat. Diese Erklärung prüft der nach der internen Geschäftsverteilung des Finanzamts zuständige Bearbeiter der Veranlagungsstelle. Hierbei kann er auch auf Informationen aus so genannten Kontrollmitteilungen oder steuerlichen Datenbanken zugreifen. Sind Angaben gleichwohl unklar oder ergänzungsbedürftig, kann der Bearbeiter den Steuerpflichtigen um weitere Aufklärung bitten. Anschließend setzt er die Steuer durch einen Steuerbescheid fest. Der Steuerbescheid stellt einen schriftlichen Verwaltungsakt dar, der mit Bekanntgabe an den Steuerpflichtigen wirksam wird. Mit dem Steuerbescheid verbunden wird die Aufforderung, die festgesetzte Steuer innerhalb einer bestimmten Frist (in der Regel ein Monat) zu entrichten.

Ist die Steuer festgesetzt, sind sowohl das Finanzamt als auch der Steuerpflichtige an die Steuerfestsetzung gebunden. Eine Änderung der Steuerfestsetzung ist nur möglich, wenn eine Korrekturvorschrift (§ 172 ff. AO) dies zulässt. Steuern können unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) oder mit einem Vorläufigkeitsvermerk (§ 165 AO) festgesetzt werden. Sofern die Festsetzungsfrist (bei Steuern in der Regel 4 Jahre) abgelaufen ist, kann die Steuerfestsetzung nicht mehr geändert, aufgehoben oder berichtigt werden (Festsetzungsverjährung). Der Beginn der Festsetzungsfrist kann hinausgeschoben (§ 170 AO) und deren Ablauf gehemmt werden (§ 171 AO).

Bei einer Steueranmeldung (z. B. Umsatzsteuer- oder Lohnsteueranmeldung) hingegen berechnet der Steuerpflichtige die Steuer selbst, meldet diese beim Finanzamt an und führt sie ab. Eine Steueranmeldung steht einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 168 Satz 1 AO). Weist die vom Steuerpflichtigen berechnete Steueranmeldung ein Guthaben aus, so muss das Finanzamt erst zustimmen, bevor die Steueranmeldung als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gilt und das Guthaben erstattet werden kann. Sofern die Finanzbehörde keine Änderung an der Steueranmeldung vornimmt oder dem vom Steuerpflichtgen errechneten Guthaben zustimmt, ergeht kein Bescheid.

Im Besteuerungsverfahren hat der Steuerpflichtige demnach sowohl allgemeine als auch spezielle Mitwirkungspflichten besonders in Form von Erklärungs- und Auskunftspflichten zu erfüllen. Aber auch die Finanzbehörden sind an bestimmte Grundsätze gebunden: Sie haben die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Insbesondere haben sie sicherzustellen, dass Steuern nicht hinterzogen oder leichtfertig verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergünstigungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden. Die Finanzbehörden ermitteln den Sachverhalt von Amts wegen (Untersuchungsgrundsatz). Dabei haben sie auch die für den Steuerpflichtigen günstigen Umstände zu berücksichtigen. Das bedeutet aber nicht, dass das Finanzamt jeder Position in der Steuererklärung im Detail nachgehen und für jeden Steuerabzug umfangreiche Nachweise anfordern muss. Wenn keine besonderen Umstände vorliegen und die Steuererklärung vollständig und plausibel ist, kann es den Angaben des Steuerpflichtigen auch ohne Nachfragen Glauben schenken und die Steuer auf dieser Basis festsetzen.

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Quelle:  Bundesministerium der Finanzen

Die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen, d. h. der rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse, an die die Besteuerung anknüpft, bildet grundsätzlich einen unselbständigen Teil der Steuerfestsetzung, der lediglich der Begründung des Steuerbescheides dient. Daher kann ein Steuerpflichtiger nicht einzelne Besteuerungsgrundlagen, sondern nur den Steuerbescheid als Ganzes durch Einspruch anfechten (vgl. § 157 Abs. 2 AO). Besteuerungsgrundlagen für die Einkommensteuer sind z. B. der Arbeitslohn oder der Gewinn aus Gewerbebetrieb, aber auch die Höhe der Spenden oder die Krankenversicherungsbeiträge.

Für bestimmte Fälle hat der Gesetzgeber jedoch ausdrücklich eine gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen angeordnet (§ 179 Abs. 1 AO). Das bedeutet, dass einzelne Besteuerungsgrundlagen, die z. B. für eine Einkommensteuerfestsetzung von Bedeutung sind, in einem gesonderten Bescheid festgestellt werden. Im Feststellungsverfahren wird dabei nicht die Steuer selbst festgesetzt, sondern es werden nur die Besteuerungsgrundlagen, z. B. der Gewinn aus Gewerbebetrieb, ermittelt und verbindlich festgestellt. Der Feststellungsbescheid besitzt Bindungswirkung für die nachfolgende Steuerfestsetzung, d. h. dass bei der Steuerfestsetzung die Besteuerungsgrundlagen so berücksichtigt werden müssen, wie sie im Feststellungsbescheid festgestellt worden sind. Feststellungsbescheide stellen Grundlagenbescheide dar, die hinsichtlich der in ihnen getroffenen Feststellungen selbständig durch Einspruch anfechtbar sind.

Der Feststellungsbescheid soll im Interesse der Verfahrensökonomie, der Rechtssicherheit und einer gleichmäßigen Besteuerung die steuerrechtliche Bedeutung bestimmter Besteuerungsgrundlagen mit Bindungswirkung für den Steuerbescheid regeln. Gesondert festgestellt werden insbesondere die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit, wenn sich der Betrieb eines Steuerpflichtigen in einem anderen Finanzamtsbezirk befindet als sein Wohnsitz. Erzielen mehrere Steuerpflichtige gemeinsam Einkünfte aus derselben Einkunftsquelle, z. B. einer Grundstücksgemeinschaft, erfolgt eine gesonderte und einheitliche Feststellung. In diesem Fall wird nicht nur die Höhe der Einkünfte festgestellt, sondern auch die Verteilung auf die einzelnen Beteiligten.

Gibt der Steuerpflichtige keine Steuererklärung ab, kann das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen schätzen (§ 162 AO) oder die Abgabe der Erklärung mit Zwangsmitteln durchsetzen (§§ 328 ff. AO). Bei verspäteter oder unterlassener Abgabe der Steuererklärung kann zudem ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden (§ 152 AO). Soweit die Steuergesetze nichts anderes bestimmen, gilt nach § 149 Abs. 2 AO für Steuererklärungen, die sich auf ein Kalenderjahr beziehen (z. B. Einkommensteuer-, Körperschaftsteuer-, Gewerbesteuererklärung, Umsatzsteuerjahreserklärung) grundsätzlich eine fünfmonatige Frist für die Abgabe der Steuererklärung. Die Finanzbehörden können diese Frist verlängern (§ 109 AO). Für von Angehörigen der steuerberatenden Berufe angefertigte Steuererklärungen werden die Fristen durch Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder grundsätzlich bis zum Ende des Folgejahres allgemein verlängert.

Erhebungsverfahren

Als Erhebungsverfahren (§§ 218 AO ff.) wird der Teil des Besteuerungsverfahrens bezeichnet, in dem die zuvor festgesetzte Steuer durch das Finanzamt erhoben oder erstattet wird. Steuern können nur erhoben werden, wenn sie entstanden, festgesetzt und fällig sind. In dem Abschnitt über das Erhebungsverfahren in der AO ist beispielsweise normiert, wann eine Steuer fällig, unter welchen Bedingungen eine Steuer gestundet oder erlassen werden kann, wann die Verjährung des Steueranspruchs eintritt oder wann Säumniszuschläge bei verspäteter Entrichtung der fälligen Steuer entstehen.

Vollstreckungsverfahren

Entrichtet der Steuerpflichtige fällige Steuern nicht fristgemäß, können diese vom Finanzamt zwangsweise beigetrieben werden. Grundlage hierfür ist der Steuerbescheid. Die Beitreibung obliegt der Vollstreckungsstelle des Finanzamtes. Der Steuerbescheid dient dabei als vollstreckbarer Titel. Die Beantragung eines vollstreckbaren Titels bei Gericht ist nicht erforderlich. Folgende Vollstreckungsmöglichkeiten stehen dem Finanzamt zur Verfügung:

Die Vollstreckungsstellen der Finanzämter können auch für die Vollstreckung nichtsteuerlicher Ansprüche anderer staatlicher Stellen (z. B. Bußgelder) zuständig sein, wenn sie durch entsprechende Gesetze oder Rechtsverordnungen hierzu ermächtigt worden sind.

Rechtsbehelfsverfahren / Änderungs- bzw. Berichtigungsverfahren

Der Steuerpflichtige hat verschiedene Möglichkeiten, gegen ihn gerichtete Verwaltungsakte, beispielsweise einen Steuerbescheid, vorzugehen. Dies kann im Rahmen eines Rechtsbehelfsverfahrens, aber auch durch Antrag auf Änderung oder Berichtigung geschehen.

Bei offensichtlichen Unrichtigkeiten, wie beispielsweise Schreib- und Rechenfehlern, kann der Steuerpflichtige einen Berichtigungsantrag stellen. Ein Änderungsantrag kommt in Betracht, wenn beispielsweise nach Erlass des Steuerbescheides, aber noch vor dessen Bestandskraft, Belege nachgereicht werden sollen, die wichtig für den Werbungskostenabzug sind. Hierbei prüft das Finanzamt nur die vom Steuerpflichtigen angesprochenen Punkte. Bestandskraft tritt ein, wenn der Steuerbescheid nicht mehr durch einen Einspruch angefochten werden kann. Nach Eintritt der Bestandskraft eines Steuerbescheides kann eine Änderung zugunsten wie zuungunsten des Steuerpflichtigen nur noch unter sehr engen gesetzlichen Voraussetzungen erfolgen, zum Beispiel wenn ein Steuerbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung oder in einem bestimmten Punkt vorläufig ergangen ist. Von Amts wegen wird eine Änderung u. a. durchgeführt, wenn ein Feststellungsbescheid erlassen wurde, der für die Steuerfestsetzung von Bedeutung ist (s. o.). Änderungsvorschriften sind nicht nur in der AO enthalten, sondern auch in den Einzelsteuergesetzen, z. B. in § 10d Einkommensteuergesetz (EStG) oder § 35b Gewerbesteuergesetz (GewStG).

Für das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren (Einspruchsverfahren) ist das Finanzamt zuständig, dass den angefochtenen Verwaltungsakt (z. B. Steuerbescheid) erlassen hat. Das Einspruchsverfahren ist als Fortsetzung des Ermittlungs- und Festsetzungsverfahrens anzusehen und dient dem Rechtschutz des Steuerpflichtigen, der Selbstkontrolle der Verwaltung sowie der Entlastung der Finanzgerichte. Grundsätzlich wird aufgrund eines Einspruchs der Steuerfall zunächst von der Stelle, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, nochmals überprüft. Kann dem Einspruch nicht abgeholfen werden und wird er auch nicht zurückgenommen, übernimmt die Rechtsbehelfsstelle, sofern diese in dem zuständigen Finanzamt eingerichtet ist, die weitere Bearbeitung und Entscheidung. Das Einspruchsverfahren ist kostenfrei. Bleibt der Einspruch ganz oder teilweise ohne Erfolg, steht dem Steuerpflichtigen das gerichtliche Rechtsbehelfsverfahren (Klage zum Finanzgericht und anschließend Revision bzw. Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesfinanzhof) offen. Der Rechtsbehelfsstelle obliegt auch auf Seiten der Verwaltung die Betreuung der gerichtlichen Verfahren.

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Quelle:  Bundesministerium der Finanzen

Außenprüfung

Bei wem eine Außenprüfung (§§ 193 bis 207 AO) durchgeführt werden kann, ergibt sich aus § 193 AO. Die Außenprüfung dient der Ermittlung der steuerlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen. Das Finanzamt entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen, ob und wann eine Außenprüfung durchgeführt wird. Geprüft werden daher die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse (§ 2 BpO, § 199 Abs. 1 AO), die sich sowohl steuererhöhend als auch steuermindernd auswirken können.

Außenprüfungen können eine oder mehrere Steuerarten umfassen, bestimmte Sachverhalte oder einen oder mehrere Besteuerungszeiträume. Besondere Außenprüfungen gibt es für die Bereiche der Lohnsteuer (Lohnsteuer-Außenprüfung nach § 42f EStG) und der Umsatzsteuer (Umsatzsteuer-Sonderprüfung).

Werden im Rahmen einer Außenprüfung Informationen bekannt, die für die Besteuerung eines Dritten relevant sein können, werden Kontrollmitteilungen erstellt, um das für den betreffenden Dritten zuständige Finanzamt zu informieren.

Angemessene Zeit vor dem Beginn der Prüfung erhält der betreffende Steuerpflichtige eine Prüfungsanordnung. Diese enthält den Umfang der Prüfung, den voraussichtlichen Prüfungsbeginn und den Namen des Prüfers. Sie stellt einen Verwaltungsakt dar, der mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen und den betroffenen Steuerpflichtigen bekanntzugeben ist. Bei der Aufklärung der Sachverhalte hat der Steuerpflichtige Mitwirkungspflichten (§ 200 AO). So hat er beispielsweise erforderliche Auskünfte zu erteilen, Aufzeichnungen, Bücher und Geschäftspapiere vorzulegen und erforderliche Erläuterungen zu geben. Das Ergebnis der Außenprüfung wird regelmäßig in einer Schlussbesprechung erörtert, wenn sich die Besteuerungsgrundlagen durch die Prüfung ändern. Das Ergebnis dieser Schlussbesprechung wird im Rahmen des vom Außenprüfer zu erstellenden schriftlichen Prüfungsberichtes als Schlusspunkt der Prüfung berücksichtigt.

Ein besonderer und bedeutender Fall der Außenprüfung ist die Betriebsprüfung. Das Bundesministerium der Finanzen erstellt jährlich auf der Grundlage von Meldungen der Länder eine Statistik über die Ergebnisse der steuerlichen Betriebsprüfung, die in Auszügen nachstehend abgebildet ist. Anhand risikoorientierter Auswahlkriterien und einer Zufallsauswahl wird jährlich eine Liste von zu prüfenden Betrieben erstellt, wobei Großbetriebe anschlussgeprüft werden.

Steuerstraf- und Bußgeldverfahren

Bei Verdacht einer Steuerstraftat (§ 369 AO) ermittelt die zuständige Finanzbehörde, wobei Finanzbehörde das Finanzamt, das Bundeszentralamt für Steuern und die Familienkasse sein kann (vgl. § 386 Abs. 1 AO). Sachlich zuständig ist die Finanzbehörde, die die betroffene Steuer verwaltet (§ 387 AO), und örtlich zuständig diejenige, in deren Bezirk die Steuerstraftat begangen oder entdeckt worden ist, die zur Zeit der Einleitung des Strafverfahrens für die Abgabenangelegenheit zuständig ist oder in deren Bezirk der Beschuldigte zur Zeit der Einleitung des Strafverfahrens seinen Wohnsitz hat (§ 388 AO).

§ 387 Abs. 2 AO gestattet die Konzentration der sachlichen Zuständigkeit für den Bereich mehrerer Finanzämter. Die meisten Länder haben hiervon Gebrauch gemacht und Bußgeld- und Strafsachenstellen geschaffen. In einzelnen Ländern gibt es selbständige Finanzämter für Fahndung und Strafsachen.

Die für die Strafverfolgung sachlich zuständige Finanzbehörde ist auch für das Bußgeldverfahren wegen Steuerordnungswidrigkeiten zuständige Verwaltungsbehörde i. S. d. § 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG (vgl. § 409 AO). Danach ist sachlich zuständig die Finanzbehörde, die die betreffende Steuer verwaltet.

Die Steuerfahndung, die für die Ahndung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten zuständig ist, besitzt eine Doppelaufgabe: Eine steuerstrafrechtliche (§§ 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 404 AO) und eine steuerrechtliche (§ 208 Abs. 1 S. 1 Nrn. 2 und 3 AO). Danach ist zu unterscheiden zwischen

  1. der Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten (§ 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO),
  2. der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen im Zusammenhang mit der Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten (§ 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO) und
  3. der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3).

Für den Bereich der Strafverfolgung (Nr. 1) kann man die Steuerfahndung als Steuerkriminalpolizei bezeichnen. Die Beamten sind insoweit Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft. Nr. 2 begründet für die Steuerfahndung die Befugnis, über die strafrechtliche Relevanz hinaus die steuerlich erheblichen Umstände zu ermitteln. Dabei besitzt die Steuerfahndung die Ermittlungsbefugnisse des Besteuerungsverfahrens. Nach Nr. 3 ist die Steuerfahndung zuständig zur Aufklärung unbekannter Steuerfälle, d.h. wenn unter Berücksichtigung der allgemeinen Erfahrungen der Finanzbehörden die Vermutung besteht, dass ein Steuertatbestand verwirklicht worden ist. Die Steuerfahndung hat hier die Ermittlungsbefugnisse des Besteuerungsverfahrens.

Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren liegt grundsätzlich in der Hand der Staatsanwaltschaft als Herrin des Ermittlungsverfahrens (§§ 160, 161 StPO). In bestimmten Fällen tritt die Finanzbehörde (mit der landesspezifischen Bezeichnung Strabu oder BuStra: Straf- und Bußgeldsachenstelle) an die Stelle der Staatsanwaltschaft, wenn die Tat

Die Staatsanwaltschaft bleibt auch für die Taten, deren Verfolgung in den Zuständigkeitsbereich der Finanzbehörde fällt, Herrin des Verfahrens. Denn sie kann die Strafsache jederzeit an sich ziehen (§ 386 Abs. 4 S. 2 AO). Die Finanzbehörde kann die Sache auch von sich aus jederzeit an die Staatsanwaltschaft abgeben (§ 386 Abs. 4 S. 1 AO).

In ihrer Funktion als Strafverfolgungsbehörde können die Finanzbehörden als Steuerstaatsanwaltschaften bezeichnet werden. Leitet die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen selbst, so übernimmt die Finanzbehörde die Funktion einer Polizeibehörde (§§ 402 Abs. 1, 399 Abs. 2 S. 2 AO).

Rechte und Pflichten der Steuerpflichtigen

Recht auf Amtsermittlung (§ 88 AO):

Die Finanzämter haben alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die steuererheblichen Tatsachen – auch die für den Steuerpflichtgen günstigen – aufzuklären. Dabei bestimmen die Finanzbehörden Art und Umfang der Ermittlungen nach den Umständen des Einzelfalls nach pflichtgemäßem Ermessen. Bei dieser Entscheidung ist der (verfassungsrechtliche) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Die Ermittlungshandlungen dürfen also zu dem angestrebten Erfolg nicht erkennbar außer Verhältnis stehen. Sie sollen so gewählt werden, dass damit unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Einzelfalls ein möglichst geringer Eingriff in die Rechtssphäre des Steuerpflichtigen oder Dritter verbunden ist. Der Amtsermittlungsgrundsatz wird begrenzt durch die Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen. Das bedeutet, dass in Fällen, in denen der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflicht verletzt und der Sachverhalt nicht anderweitig aufgeklärt werden kann, für den Steuerpflichtigen nachteilige Schlussfolgerungen gezogen werden können.

Recht auf rechtliches Gehör (§ 91 AO):

Der Steuerpflichtige ist vor Erlass eines Verwaltungsaktes zu hören, insbesondere dann, wenn im Verwaltungsakt nicht unwesentlich von den Angaben des Steuerpflichtigen zu seinen Ungunsten abgewichen wird. Die Anhörungspflicht besteht dabei aber nur hinsichtlich der für die Entscheidung erheblichen Tatsachen. Keine Anhörungspflicht besteht, wenn die Finanzbehörde einen (unstreitigen) Sachverhalt rechtlich anders als der Steuerpflichtige beurteilt. Eine rechtswidrig unterbliebene Anhörung kann nach Erlass des Steuerbescheids nachgeholt und die Fehlerhaftigkeit des Bescheids dadurch geheilt werden (§ 126 Abs. 1 Nr. 3 AO). Ist die erforderliche Anhörung unterblieben und dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsakts durch den Steuerpflichtigen versäumt worden, ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 126 Abs. 3 i. V. mit § 110 AO), d. h. der Steuerpflichtige ist so zu stellen, als hätte er den Rechtsbehelf fristgerecht eingelegt.

Recht auf Geheimhaltung (§ 30 ff. AO):

Alle „personenbezogenen“ Daten, die der Steuerpflichtige im Besteuerungsverfahren offenbart oder die der Finanzbehörde im individuellen Besteuerungsverfahren bekannt werden, unterliegen dem Steuergeheimnis und dürfen nicht unerlaubt weitergegeben werden.

Recht auf Überprüfung von Verwaltungsentscheidungen (§ 347 ff. AO, § 40 ff. FGO):

Sämtliche Entscheidungen der Finanzbehörden können mittels Rechtsbehelf (Einspruch bzw. Klage) angefochten und überprüft werden.

Erklärungspflicht:

Der Steuerpflichtige ist zur wahrheitsgemäßen und vollständigen Erklärung der steuererheblichen Tatsachen verpflichtet.

Mitwirkungspflicht (§ 90 AO):

Der Steuerpflichtige ist zur Mitwirkung bei der Ermittlung des steuerlichen Sachverhalts verpflichtet. Der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 88 AO) wird durch die Mitwirkungspflichten begrenzt (s. o.).