Das Bundesministerium der Finanzen gibt im Januar 2022 ein Sonderpostwertzeichen „225. Geburtstag Annette von Droste-Hülshof“ heraus.
„Wäre Annette von Droste-Hülshoff nur eine Aristokratin aus westfälischer Familie gewesen, die ihre Rolle erfüllt hätte, katholisch und konservativ wie ihre Verwandtschaft, dann würde heute wohl niemand ihrer gedenken. Dass es anders kam, lag daran, dass sie sich den engen Vorgaben ihres Standes entzog. Sie wurde – zunächst im Verborgenen – eine Revolutionärin der poetischen Sprache. Heute gilt sie als bedeutendste Dichterin ihrer Epoche und Autorin von Weltrang.
Droste wurde am 10. Januar 1797 auf dem Stammschloss der Familie, der Wasserburg Hülshoff, geboren. 1826 zog sie mit Mutter und Schwester ins benachbarte Haus Rüschhaus nahe Münster. Sie blieb unverheiratet und damit im Kontroll- und Verfügungsbereich ihrer Herkunftsfamilie. Ihr breites Bildungsfundament erweiterte sie lesend, schreibend und reflektierend, feilte an der perfekten Rhetorik ihrer Verse, wagte literarische Experimente. Davon zeugen zwei umfangreiche Lyrikbände mit so bekannten Gedichten wie „Der Knabe im Moor“, „Die Mergelgrube“ und „Das Spiegelbild“, die sie zu Lebzeiten publiziert hat. 1842 erschien zudem ihre berühmt gewordene Erzählung „Die Judenbuche“ im renommierten „Morgenblatt“. Sie starb 1848 auf der Meersburg am Bodensee.
Das Porträtgemälde im blauen Brokatkleid, das sie selbstbewusst und würdevoll zeigt, ließ Droste 1838 gleich nach Erscheinen ihrer ersten Gedichtausgabe fertigen. Die streng gescheitelte und geflochtene Frisur korrespondiert mit der gesellschaftlichen Rolle einer adeligen Frau, von der Zurückhaltung und Pflichterfüllung erwartet wurden. Dagegen steht das „flatternde Haar“ in ihrem Gedicht „Am Thurme“ als Sinnbild für die Freiheit, die sie sich in und mit der Literatur erkämpfen konnte.
Annette von Droste-Hülshoffs Texte sind unbestechliche Zeugnisse einer verworrenen Zeit zwischen Revolution und Reaktion, einer Zeit, in der in Frage stand, was Dichtung ist und bewirken kann, und einer Zeit, in der intellektuelle und künstlerische Leistungen von Frauen noch lange nicht gewürdigt wurden.“
(Text: Dr. Jochen Grywatsch, 2. Vorsitzender der Droste-Gesellschaft, Münster)
Das Sonderpostwertzeichen und die Ersttagsstempel wurden von Prof. Eckhard Jung aus Bremen gestaltet; Foto: © Bildarchiv Foto Marburg, Andreas Lechtape / Anette von Droste zu Hülshoff-Stiftung. Die Marke hat einen Wert von 70 Cent und ist ab dem 3. Januar 2022 in den Verkaufsstellen der Deutschen Post AG erhältlich.