Der Stabilitätsrat hat am 21. Juni 2021 unter dem Vorsitz des Bundesministers der Finanzen, Olaf Scholz, und dem Minister der Finanzen des Landes Nordrhein-Westfalen, Lutz Lienenkämper, Vorsitzender der Finanzministerkonferenz, per Videokonferenz getagt.
Die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung schlagen sich nach wie vor in den Haushalten des Bundes und der Länder sowie der Gemeinden und Sozialversicherungen in erheblichem Umfang nieder. Es bestehen weiterhin pandemische und ökonomische Unsicherheiten mit zu erwartenden beträchtlichen Folgekosten für die öffentlichen Haushalte. Diese waren und sind im Rahmen der Haushaltsaufstellungen angemessen zu berücksichtigen. Der Stabilitätsrat ist der Ansicht, dass für das Jahr 2022 weiterhin eine Naturkatastrophe oder außergewöhnliche Notsituation im Sinne des Grundgesetzes festgestellt werden kann.
Für 2020 ist der gesamtstaatliche Finanzierungssaldo für Deutschland besser ausgefallen als im Dezember erwartet. Die Belastungen der öffentlichen Haushalte, die aus dem Lockdown und den Maßnahmen zur Bekämpfung der Auswirkungen der Pandemie resultieren, führten 2020 lediglich zu einem negativen strukturellen gesamtstaatlichen Finanzierungssaldo für Deutschland in Höhe von -2,0 % des Bruttoinlandprodukts (BIP). Im Dezember war der Stabilitätsrat für 2020 noch von einem Defizit von 2 ½ % des BIP ausgegangen.
Nach einer pandemiebedingten deutlichen Erhöhung des strukturellen gesamtstaatlichen Defizits im laufenden Jahr erwartet der Stabilitätsrat eine Rückkehr der öffentlichen Haushalte auf den Konsolidierungspfad, so dass im Jahr 2024 die Obergrenze für das gesamtstaatliche strukturelle Defizit von ½ % des BIP wieder eingehalten werden dürfte.
„Bund und Länder sorgen mit einer verantwortungsvollen Haushaltspolitik dafür, dass unser Land gut aus der Pandemie kommt. Unsere entschlossene Hilfspolitik sorgt für den notwendigen Schub. Es läuft deshalb besser als von vielen befürchtet. Die konsequenten Hilfen sind ganz im Sinne der kommenden Generationen, denn die Wirtschaft wächst, die Steuereinnahmen steigen und die Schulden sind im internationalen Vergleich niedrig. Kurzum: Wir haben die Finanzen gut im Griff.“
Bundesminister der Finanzen, Olaf Scholz
„Das Grundgesetz mit seiner Schuldenbremse hat sich in der Krise bewährt. Die Schuldenbremse steht effektivem Handeln in schwierigeren Zeiten nicht im Weg – die dadurch geprägte Haushalts- und Finanzpolitik macht uns sogar in vielen Bereichen sehr flexibel. Wichtig ist ein klares Bekenntnis zu soliden öffentlichen Finanzen im Interesse kommender Generationen. Jetzt gilt es mit Verantwortung, Maß und Mitte einen nachhaltigen Weg aus der Krise zu beschreiten.“
Minister der Finanzen des Landes Nordrhein-Westfalen, Lutz Lienenkämper
„Die Corona-Pandemie hat erhebliche Spuren in der wirtschaftlichen Entwicklung und damit auch in den Steuereinnahmen von Bund und Ländern hinterlassen. Viele Branchen, vor allem die Reise- und Tourismusbranche, das Gastgewerbe, die Hotellerie sowie die Kultur- und Kreativwirtschaft mussten erhebliche Einschnitte verkraften. Die aktuellen Öffnungsschritte sollen zu einer Rückkehr zur Normalität und damit auch zu einer Erholung der betroffenen Branchen beitragen. Für die Steuereinnahmen des Bundes und der Länder bedeutet dies, dass wir bei aller Unsicherheit, die die Pandemie mit sich bringt, auf eine schrittweise Erholung hoffen können.“
Finanzministerin des Landes Rheinland-Pfalz, Doris Ahnen
Der Stabilitätsrat vertritt die Auffassung, dass in den Jahren 2022 und 2023 mit dem projizierten Abbau des gesamtstaatlichen strukturellen Finanzierungsdefizits um jeweils mehr als ½ % des BIP der Richtwert der europäischen Haushaltsüberwachung für eine Rückführung des strukturellen Defizits erfüllt wird. Der Stabilitätsrat stellt vor diesem Hintergrund fest, dass die Über schreitung der Obergrenze des strukturellen gesamtstaatlichen Finanzierungsdefizits bis 2023 eine zulässige Abweichung darstellt.
Der Beirat bestätigt, dass bei der derzeitigen Finanzplanung die Obergrenze für das gesamt staatliche strukturelle Finanzierungsdefizit in der europäischen Haushaltsüberwachung sowohl im Jahr 2022 als auch 2023 erheblich überschritten wird. Ab dem Jahr 2024 könnte sie bei gegebener Fiskalpolitik gut erreicht werden. Auch aus Sicht des Beirats wird Deutschland ab 2022 eine Rückführung des strukturellen Staatsdefizits von mindestens 0,5 % des BIP jährlich erreichen und damit die Konsolidierungsvorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspakts einhalten.
Im Jahr 2020 sind die Konsolidierungsverfahren der Länder Berlin, Bremen, Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein ausgelaufen. Für das Jahr 2020 war ein struktureller Haushaltsausgleich vorgegeben. Der Stabilitätsrat stellt fest, dass Berlin und Schleswig-Holstein diese Vorgabe eingehalten haben. Der Stabilitätsrat erkennt aufgrund der außer gewöhnlich hohen Belastung durch die COVID-19-Pandemie eine besondere Ausnahmesituation an und bezeichnet die Zielverfehlung durch Bremen, Saarland und Sachsen-Anhalt als unbeachtlich.
Die Länder Bremen und Saarland haben letztmals über die Umsetzung ihrer Sanierungsprogramme berichtet. Die Tilgungsvorgaben im Jahr 2020 wurde aufgrund der finanziellen Belastung durch die COVID-19-Pandemie verfehlt. Vor dem Hintergrund der besonderen Ausnahmesituation hält der Stabilitätsrat diese Verfehlung für zulässig. Der Stabilitätsrat stellt fest, dass die Sanierungsverfahren abgeschlossen wurden und nach einer vertieften Prüfung aktuell keine Haushaltsnotlage mehr droht. Allerdings hält der Stabilitätsrat in den nächsten Jahren weiterhin erhebliche Anstrengungen für notwendig, um eine erneute Auffälligkeit im Rahmen der jährlichen Haushaltsüberwachung zu vermeiden und die Vorgaben der Landesschuldenbremse und des Sanierungshilfengesetzes einhalten zu können.
Die Beschlüsse und die Beratungsunterlagen werden veröffentlicht unter: www.stabilitaetsrat.de.