Den Ergebnissen der 164. Steuerschätzung zufolge entwickeln sich die Steuereinnahmen für Bund, Länder und Kommunen unter Berücksichtigung der seit Oktober in Kraft getretenen Steuerrechtsänderungen mit einem Volumen von 920,6 Mrd. Euro in diesem Jahr schlechter als noch in der Oktober-Schätzung erwartet. Die Steuereinnahmen liegen im Vergleich zur Schätzung im Oktober 2022 durchschnittlich jährlich um rund 30 Mrd. Euro niedriger. Dies ist maßgeblich auf die erwarteten Wirkungen des Jahressteuergesetzes 2022 und des Inflationsausgleichsgesetzes zurückzuführen. Insgesamt betragen die Steuerrechtsänderungen im Schätzzeitraum jährlich rund 34 Mrd. Euro. Konjunkturell erwarten wir im Schätzzeitraum leichte Mehreinnahmen von jährlich rund 4 Mrd. Euro. Diesen Mehreinnahmen stehen deutlich höhere Belastungen durch beschlossene Rechtsverpflichtungen, aber auch erheblich steigende Zinsausgaben gegenüber. Insgesamt ergeben sich im Jahr 2024 voraussichtlich Mindereinnahmen in Höhe von 30,8 Mrd. Euro.
Bundesfinanzminister Christian Lindner: „Die Ergebnisse der Steuerschätzung spiegeln zwei wesentliche Aspekte unserer aktuellen Finanzpolitik wider. Zum einen sind sie Beleg dafür, dass das Inflationsausgleichsgesetz und das Jahressteuergesetz ihre Wirkung entfalten. Wir geben den Menschen und Betrieben im Schätzzeitraum jährlich rund 34 Milliarden Euro zurück. Damit halten wir unser Versprechen ein, uns nicht an der Inflation zu bereichern. Darüber hinaus macht das Schätzergebnis deutlich, dass wir in Deutschland kein Einnahmeproblem haben. Im Gegenteil: Wir sind ein Hochsteuerland. In 2025 werden wir erstmals Steuereinnahmen von über einer Billion Euro verzeichnen. Trotz dieser beachtlichen Summe können wir nicht alles, was wir uns vorgenommen haben, finanzieren. Wir können nur das Geld ausgeben, das die Menschen und Betriebe in diesem Land erwirtschaften. Dieser haushaltspolitischen Realität müssen wir uns alle stellen. Bei der Haushaltsaufstellung für das kommende Jahr werden wir die Ausgaben strikt priorisieren. Statt immer neue Ausgabenprogramme zu erfinden, müssen wir zurückkehren zu einer stabilitäts- und angebotsorientierten Finanzpolitik, die die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft voranbringt. Neue Schulden oder auch Steuererhöhungen sind da kontraproduktiv.“
Ergebnisse der Steuerschätzung
Auf Basis der unten aufgeführten Annahmen werden die Steuereinnahmen insgesamt für den Zeitraum der Finanzplanung niedriger ausfallen als noch in der Steuerschätzung vom Oktober 2022 prognostiziert.
Die Differenz zum Ergebnis der letzten Steuerschätzung resultiert zu einem Großteil aus den Auswirkungen der Steuerrechtsänderungen, insbesondere des Inflationsausgleichsgesetzes sowie des Jahressteuergesetzes. Aus der projizierten Entwicklung der einschlägigen gesamtwirtschaftlichen Eckwerte und Bemessungsgrundlagen sind leicht höhere Steuereinnahmen zu erwarten als im Oktober 2022 prognostiziert.
Die Ergebnisse der Steuerschätzung für die Jahre 2023 bis 2027 werden in Anlage 1 [pdf, 167KB] differenziert nach Bund, Ländern, Gemeinden und EU aufgeführt. Anlage 2 [pdf, 251KB] stellt die Abweichungen zwischen den Ergebnissen der aktuellen Steuerschätzung und der letzten Steuerschätzung vom Oktober 2022 dar. Die gegenüber der vorangegangenen Schätzung vom Oktober 2022 neu zu berücksichtigen Gesetze und sonstigen Regelungen sind in der Fußnote 1 zu Anlage 2 dargestellt.
Grundlagen der Steuerschätzung
Der Steuerschätzung liegen die gesamtwirtschaftlichen Eckwerte der Frühjahrsprojektion 2023 der Bundesregierung zugrunde (s. Tabelle 1). Gegenüber den Annahmen in der Herbstprojektion 2022, die Basis der letzten Steuerschätzung im Oktober war, haben sich die realwirtschaftlichen Aussichten aufgehellt. Die Ausgangsbasis stellt sich nun besser dar: Das Bruttoinlandsprodukt ist im letzten Jahr in preisbereinigter Rechnung um 1,8 % gegenüber dem Vorjahr gestiegen und damit etwas kräftiger als in der Herbstprojektion erwartet. Die deutsche Wirtschaft dürfte nach einem schwierigen Winterhalbjahr im Verlauf dieses Jahres wieder an Fahrt gewinnen, wenn sich die Inflation abschwächt, Lieferengpässe weiter nachlassen und das Wachstum der Weltwirtschaft wieder zunimmt. Insgesamt wird für 2023 in der Frühjahrsprojektion mit einem realen BIP Wachstum von 0,4 % gerechnet; in der Herbstprojektion waren es noch -0,4 %. Aufgrund der verbesserten Einschätzung für dieses Jahr wird aber für 2024 von einem geringeren Aufholeffekt ausgegangen (1,6 % statt 2,3 %). In den Jahren 2025 bis 2027 wird eine ähnliche reale Wachstumsdynamik wie in der Herbstprojektion angenommen. Insgesamt ist damit das Niveau des nominalen Bruttoinlandsproduktes im Jahr 2024 sowie im weiteren Schätzzeitraum nur etwas höher als im Herbst letzten Jahres unterstellt.
Bei den relevanten Fortschreibungsgrößen für die einzelnen Steuerarten finden sich allerdings teils spürbare Anpassungen gegenüber den Annahmen der Oktober-Schätzung – in verschiedene Richtungen. Nach oben angepasst wurden vor allem die Erwartungen über die Entwicklung der nominalen Bruttolöhne und -gehälter. Hier wird auf Basis der seit Herbst erfolgten Tarifabschlüsse und der sehr robusten Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt ein höheres Niveau über den gesamten Schätzzeitraum erwartet. Für die nominalen privaten Konsumausgaben, die für die Entwicklung der Steuern vom Umsatz relevant sind, wird im Schätzzeitraum eine ähnliche Entwicklung erwartet wie im Herbst. Dagegen wird bei den nominalen Wohnungsbauinvestitionen, die ebenfalls für die Steuern vom Umsatz relevant sind, auf Basis der jüngsten Daten eine deutlich geringere Dynamik projiziert als im Oktober. Die erwarteten starken Schwankungen bei den Unternehmens- und Vermögenseinkommen in diesem und im kommenden Jahr sind v.a. auf die technische Verbuchung von Subventionen sowie Abschreibungen in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen zurückzuführen. Daher kann daraus nicht unmittelbar auf die Entwicklung der gewinnabhängigen Steuern geschlossen werden.
Insgesamt ergibt sich für den Schätzzeitraum ab 2024 aus den gesamtwirtschaftlichen Bemessungsgrundlagen ein nur schwacher Impuls für die Aufkommenserwartung gegenüber der Oktoberschätzung.
Veränderung gegenüber Vorjahr in Prozent | 2023 | 2024 | 2025 | 2026 | 2027 |
Bruttoinlandsprodukt | +6,1 | +4,0 | +2,8 | +2,8 | +2,8 |
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Bruttolöhne u. -gehälter | +6,6 | +5,5 | +2,7 | +2,7 | +2,7 |
Unternehmens- und Vermögenseinkommen | +10,6 | -4,8 | +2,9 | +2,9 | +2,5 |