Der Stabilitätsrat beriet sich und fasste seine Beschlüsse auch vor dem Hintergrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 15. November 2023 zum Zweiten Nachtragshaushaltsgesetz 2021 des Bundes. Erstmals hat sich das BVerfG eingehend mit den Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von notlagenbedingten Krediten und mit den in diesem Kontext gebildeten Sondervermögen befasst. Das Urteil hat erhebliche Auswirkungen auf die Haushaltspolitik des Bundes und eines Teils der Länder. Erste unmittelbare Konsequenzen haben die Regierungen und Haushaltsgesetzgeber des Bundes und einzelner Länder bereits gezogen.
Im Stabilitätsrat bestand Einigkeit darüber, dass die Umsetzung des Urteils künftig zu einer stärkeren Vergleichbarkeit und Transparenz der öffentlichen Haushalte in festgestellten Notlagen führt. Davon wird auch der Stabilitätsrat bei der Wahrnehmung seiner Überwachungsaufgaben profitieren.
Zu den Beschlüssen im Einzelnen:
Überwachung der Einhaltung der gesamtstaatlichen strukturellen Defizitobergrenze
Der Stabilitätsrat überprüft gemäß § 7 Absatz 1 Stabilitätsratsgesetz auf Grundlage einer Schätzung des gesamtstaatlichen Finanzierungssaldos zweimal jährlich die Einhaltung der Obergrenze des strukturellen gesamtstaatlichen Finanzierungsdefizits nach § 51 Absatz 2 des Haushaltsgrundsätzegesetzes für das laufende Jahr und die vier folgenden Jahre.
Die erste Prüfung im Jahr 2023 nahm der Stabilitätsrat im Frühjahr vor. Eine weitere kann im laufenden Jahr nicht erfolgen, da die in Folge des BVerfG-Urteils notwendigen Anpassungen der Haushalts- und Finanzplanung des Bundes noch ausstehen und daher mangels belastbarer Datenbasis die zugrundeliegende Schätzung für den Gesamtstaat nicht vorliegt. Vor diesem Hintergrund ist eine zeitnahe Überprüfung der Einhaltung der europäischen Defizitobergrenze nicht möglich. Aufgrund der notwendigen Vorläufe kann die nächste Überprüfung erst zur regulären Sitzung des Stabilitätsrates im Frühjahr 2024 stattfinden. Grundlage wird dann die aktualisierte, im Rahmen der Europäischen Haushaltsüberwachung zu übermittelnde, Fiskalprojektion Deutschlands sein.
Überwachung der Einhaltung der Schuldenbremse und fortlaufende Haushaltsüberwachung
Die Überwachung der Schuldenbremse und die turnusgemäße Haushaltsüberwachung zur Vermeidung drohender Haushaltsnotlagen durch den Stabilitätsrat erfolgte für die Länder auf Grundlage der bereits bis Anfang November dieses Jahres vorgelegten Stabilitätsberichte und Datenmeldungen zum harmonisierten Analysesystem. Auf dieser Basis hat der Stabilitätsrat bei der Überwachung der Einhaltung der Schuldenbremse festgestellt, dass sich aus seinem, an den europäischen Vorgaben orientierten, harmonisierten Analysesystem für das Jahr 2022 bei 15 Ländern und für die Jahre 2023 bis 2024 bei allen Ländern keine Beanstandungen ergeben.
Der Bund hat entschieden, seine Meldung zur Überwachung der Schuldenbremse im harmonisierten Analysesystem für die Jahre 2022 und 2023 zu aktualisieren.
Für den Bund stellt der Stabilitätsrat fest, dass sich für die Jahre 2022 und 2023 auf Basis der aktualisierten Haushaltsdaten keine Beanstandungen ergeben. Für das Jahr 2024 hat der Bund wegen des zu berücksichtigenden BVerfG-Urteils und des daher noch laufenden Haushaltsaufstellungsverfahrens − abweichend von den Regeln des Kompendiums − keine Daten im harmonisierten Analysesystem ausgewiesen.
Im Rahmen der Haushaltsüberwachung zur Vermeidung drohender Haushaltsnotlagen sind die Ergebnisse lediglich für die Freie Hansestadt Bremen auffällig. Der Stabilitätsrat stellte am 16. Dezember 2022 fest, dass dem Land eine Haushaltsnotlage droht. Als Konsequenz aus dem Grundsatzurteil des BVerfG hat der Bremer Senat am 5. Dezember 2023 der Bremischen Bürgerschaft einen zweiten Nachtragshaushalt vorgelegt, der auch Auswirkungen auf den im Herbst 2023 von der Freien Hansestadt Bremen vorgelegten Entwurf eines Sanierungsprogrammes hat. Der Stabilitätsrat hat den Evaluationsausschuss daher beauftragt, die Abstimmung des Sanierungsprogramms fortzusetzen und eine Sanierungsvereinbarung mit der Freien Hansestadt Bremen im zweiten Halbjahr 2024 auf der Grundlage aktualisierter Haushaltsdaten vorzulegen.
Die Beschlüsse und die Beratungsunterlagen werden veröffentlicht unter: www.stabilitaetsrat.de