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12.05.2025

Wir trauern um Margot Friedländer

Am 9. Mai 2025 ist Margot Friedländer im Alter von 103 Jahren verstorben. Wir werden ihr ein ehrendes Andenken bewahren.

Margot Friedländer beim Sommerempfang des Bundesministeriums der Finanzen in Berlin, 12.06.2024 BildVergroessern
Margot Friedländer beim Sommerempfang des Bundesministeriums der Finanzen in Berlin, 12.06.2024 Quelle:Bundesministerium der Finanzen / Photothek

Margot Friedländer wurde 1921 in Berlin geboren. Ihre frühe Kindheit beschrieb sie als glücklich und unbeschwert: geborgen in einer großen jüdischen Familie, mit einem Sommerhaus am Scharmützelsee. Nach 1933 wird die politische Lage immer bedrohlicher. Lange Zeit hadert ihre Mutter, bei der sie und ihr jüngerer Bruder Ralph nach der Trennung ihrer Eltern leben, mit der Entscheidung, Deutschland zu verlassen. Die Chancen auf eine legale Ausreise verflüchtigen sich, eine nach der anderen. Die Entrechtung der Juden in Deutschland schreitet voran. Am 20. Januar 1943 schließlich, als Margot Friedländer mit Mutter und Bruder aus Deutschland fliehen will, ist es zu spät. Die Gestapo verhaftet den Bruder und die Mutter stellt sich der Polizei, um den Sohn nicht allein zu lassen. Margot Friedländer wird beide nie wiedersehen. Alles, was ihre Mutter hinterlässt, ist ihre Handtasche, eine Bernsteinkette und die Nachricht: „Versuche, dein Leben zu machen.“ Margot Friedländer befolgt dieses Vermächtnis ihrer Mutter, die ebenso wie ihr Bruder und ihr Vater in Auschwitz ermordet wird. Margot Friedländer geht in den Untergrund, versteckt sich mit Anfang 20 für 15 Monate in Berlin, bis sie im Frühjahr 1944 verraten und nach Theresienstadt deportiert wird. Wie durch ein Wunder überlebt sie.

In Theresienstadt trifft sie Adolf Friedländer wieder, den sie aus Berlin kennt und nach der Befreiung noch im Lager heiratet. Beide emigrieren in die USA. Eine Rückkehr nach Deutschland steht nie zur Diskussion. Nach dem Tod ihres Mannes jedoch, beginnt Margot Friedländer zu schreiben. Dieser Schritt führt dazu, dass sie Berlin doch noch einmal besucht und schließlich dauerhaft mit 88 Jahren in ihre Heimatstadt zurückkehrt.

Margot Friedländer war dem Bundesministerium der Finanzen seit der Gedenkveranstaltung „70 Jahre Luxemburger Abkommen“ am 15. September 2022 eng verbunden. Sie war eine der Hauptrednerinnen bei dieser Veranstaltung im Jüdischen Museum in Berlin anlässlich des „Gedenkjahrs der Wiedergutmachung 2022“, das die historische Bedeutung des Abkommens von 1952 zwischen der noch jungen Bundesrepublik Deutschland, dem Staat Israel und der Jewish Claims Conference würdigte und international große Aufmerksamkeit erlangte. Mit dem Abkommen signalisierte Deutschland der Welt, dass es zu seiner historischen Verantwortung für den Holocaust und das nationalsozialistische Unrechtsregime steht. Die moralische und finanzielle Wiedergutmachung, so unmöglich diese angesichts des monströsen Leids, das den Opfern von NS-Unrecht zuteilwurde, auch immer sein wird, hat einen unverändert hohen Stellenwert für das Bundesministerium der Finanzen.

Am 21. März 2023 kam Margot Friedländer zum ersten Mal persönlich in das Hauptgebäude des Bundesministeriums der Finanzen, das „Detlev-Rohwedder-Haus“, das 1935/1936 als Reichsluftfahrtministerium für Hermann Göring errichtet wurde und eine der Schaltzentralen des NS-Regimes war. Von hier aus trieb Göring die Kriegsplanungen für den Weltkrieg voran. Drei Tage nach der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 fand in diesem Gebäude die sogenannte Vor-Wannsee-Konferenz statt. Auf dieser Konferenz wurde beschlossen, dass Juden zukünftig den Juden-Stern zu tragen hatten. Es war der Beginn der Verbannung der Jüdinnen und Juden aus dem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben. Dass Margot Friedländer dieses Gebäude betrat und hier aus ihrer Biografie vorlas, verdeutlichte die außerordentliche Bedeutung ihres Besuchs. Sie richtete ihren Appell „Seid Menschen!“ an rund 200 Gäste, darunter viele Schülerinnen, Schüler und Studierende und berührte die Anwesenden mit ihrer persönlichen Geschichte und ihrem eindringlichen Aufruf zur Menschlichkeit zutiefst.

Margot Friedländer folgte zweimal der Einladung des damaligen Bundesfinanzministers Christian Lindner zur Teilnahme am BMF-Sommerempfang „Freiheit und Vielfalt“, sowohl 2023 als auch 2024. Ihre persönliche Teilnahme war für das Haus eine besondere Ehre, die unvergessen bleibt. Viele Kolleginnen und Kollegen hatten das große Glück, Margot Friedländer wiederholt begegnen zu dürfen.

Zu keinem Zeitpunkt wirkte sie verbittert, wütend oder anklagend. Vielmehr war man stets ergriffen von ihrer Nahbarkeit, Herzenswärme und dem großen Vertrauen, das sie in uns setzte.

Als Zeugin dessen, was passieren kann, wenn sich zu wenige Bürgerinnen und Bürger zur Demokratie bekennen, als Zeugin dessen was Menschen anderen Menschen antun können, war es letztlich diese scheinbar schlichte Erkenntnis, die sie uns nahebrachte

„Ihr müsst alle Menschen respektieren […]. Ihr müsst sie nicht lieben, aber respektieren“

Mit Margot Friedländer hat uns nun eine weitere Zeitzeugin verlassen. Für das Wunder der Vergebung und Versöhnung, welches sie uns auch noch als Hundertjährige geschenkt hat, können wir nicht dankbar genug sein. Es ist Mahnung und Verpflichtung zur Menschlichkeit.

Gedenken an Margot Friedländer

Gedenkveranstaltung „70 Jahre Luxemburger Abkommen“ im Jüdischen Museum, 15.09.2022 Gedenkveranstaltung „70 Jahre Luxemburger Abkommen“ im Jüdischen Museum, 15.09.2022
Gedenkveranstaltung „70 Jahre Luxemburger Abkommen“ im Jüdischen Museum, 15.09.2022 Gedenkveranstaltung „70 Jahre Luxemburger Abkommen“ im Jüdischen Museum, 15.09.2022
Gedenkveranstaltung „70 Jahre Luxemburger Abkommen“ im Jüdischen Museum, 15.09.2022 Gedenkveranstaltung „70 Jahre Luxemburger Abkommen“ im Jüdischen Museum, 15.09.2022
Gedenkveranstaltung „70 Jahre Luxemburger Abkommen“ im Jüdischen Museum, 15.09.2022 Gedenkveranstaltung „70 Jahre Luxemburger Abkommen“ im Jüdischen Museum, 15.09.2022
Margot Friedländer im Bundesfinanzministerium in Berlin, 21.03.2023 Margot Friedländer im Bundesfinanzministerium in Berlin, 21.03.2023
Margot Friedländer im Bundesfinanzministerium in Berlin, 21.03.2023 Margot Friedländer im Bundesfinanzministerium in Berlin, 21.03.2023
Margot Friedländer im Bundesfinanzministerium in Berlin, 21.03.2023 Margot Friedländer im Bundesfinanzministerium in Berlin, 21.03.2023
Margot Friedländer im Bundesfinanzministerium in Berlin, 21.03.2023 Margot Friedländer im Bundesfinanzministerium in Berlin, 21.03.2023
Margot Friedländer im Bundesfinanzministerium in Berlin, 21.03.2023 Margot Friedländer im Bundesfinanzministerium in Berlin, 21.03.2023