Die Zeitungslektüre hat es auch in diesem Jahr in sich: Krieg und zu wenig Frieden, Wachstumsschwäche, eine anhaltend hohe Inflation, steigende Zinsen und einzelne davon in Mitleidenschaft gezogene Banken, harte Haushaltsverhandlung bei knappen Mitteln. Bisweilen liest man von Standortpanik. Ich halte dies für verfehlt. Wir haben das vergangene Jahr mit Putins Energiekrieg besser überstanden, als es von vielen Kommentatoren erwartet worden war. Deutschland genießt nach wie vor ein hohes Vertrauen bei den Rating-Agenturen.
Unser Geschäftsmodell braucht sicherlich ein Update. Es liegt in unserer Hand, für langfristig mehr Wachstum zu sorgen. Panik und Pessimismus bremsen jedoch jedes Engagement aus. Standortmut lautet daher für mich die Devise der Stunde.
Finanzpolitik schafft Fundament für Wachstum
Derzeit befindet sich der Regierungsentwurf des Bundeshaushalts 2024 einschließlich der Finanzplanung bis 2027 im parlamentarischen Verfahren. Sicher ist schon jetzt: Der Haushalt 2024 finanziert hohe Investitionen ohne Steuererhöhungen. Dies schaffen wir bei sinkender Neuverschuldung unter Einhaltung der Schuldenregel. Gerade in Zeiten hoher Inflation darf die Fiskalpolitik die Geldpolitik der Notenbanken nicht durch eine expansive Ausrichtung konterkarieren.
Mit diesem Haushalt leiten wir die finanzpolitische Zeitenwende ein. Wir müssen konsequent priorisieren, um gestalterische Freiräume zu schaffen. Das bedeutet: keine Mehrausgaben mehr ohne Gegenfinanzierung, Ausgabenwachstum begrenzen, Subventionen überprüfen. Nur so können wir Zukunftsausgaben in Bildung, Innovationen und Investitionen sowie in Sicherheit und Freiheit aufbringen. Zudem müssen wir uns als Hochsteuerland Entlastungen für die Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft erarbeiten. Erreichen wir diese qualitative Konsolidierung in den nächsten Jahren, schaffen wir damit das Fundament für langfristiges Wachstum.
Finanzstabilität während Zinswende wahren
Die Zinswende beeinflusst auch die Finanzstabilität. In Europa waren wir seit der Finanzkrise im Jahr 2008 besonders wachsam. Die Regulierung ist strenger geworden. Wir haben heute mehr Qualität und Quantität beim Eigenkapital. Die Aufsicht ist durch einheitliche europäische Standards und den Einheitlichen Bankenaufsichtsmechanismus effektiver geworden und das Krisenmanagement ist heute stringenter. In Summe ist das europäische Finanzsystem widerstandsfähiger und resilienter als noch vor wenigen Jahren.
Finanzplatz auf Wachstum ausrichten
Zum Fundament für Wachstum gehört ein stabiler und wettbewerbsfähiger Finanzplatz. Daher setzen wir uns auf europäischer Ebene für harmonisierte Regelungen ein, die beides stärken. Mit mir wird es weiterhin keine Vergemeinschaftung von Risiken und Schulden geben. Ebenso trete ich dafür ein, dass in Brüssel Besonderheiten des deutschen Finanzsektors berücksichtigt werden. Bei der Umsetzung von Basel III sichern wir investitionsfreundliche Rahmenbedingungen und konnten kleine Banken entsprechend ihrer Größe und Komplexität administrativ weiter entlasten.
Beim Verbriefungsgeschäft bleiben wir noch weit hinter unseren Möglichkeiten zurück. Dabei könnten Verbriefungen den Banken die Versorgung der Wirtschaft mit Krediten gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten erleichtern. Mein Ziel ist es, mit Verbriefungen einen größeren Beitrag für die Finanzierung der Realwirtschaft zu leisten. Ebenso setze ich mich für Informationspflichten bei Sustainable Finance ein, die für kleine und mittlere Unternehmen erfüllbar sind.
Europas stark fragmentierte Kapitalmärkte sind ein Wettbewerbsnachteil, insbesondere für den Mittelstand. Mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz werden wir das deutsche Kapitalmarktrecht umfassend modernisieren. Der Zugang zum Kapitalmarkt und die Aufnahme von Eigenkapital wird dadurch vor allem für Start-ups und KMU erleichtert. Der Finanzstandort Deutschland bekommt ein Update, wird digitaler und attraktiver. Mehr Transparenz am Finanzmarkt stärkt die Aktienkultur in Deutschland.
Auf europäischer Ebene arbeite ich mit den EU-Finanzministerinnen und Finanzministern an einer mehrjährigen Agenda zur Vertiefung der Kapitalmarktunion. Gerade in der Finanzierung von Innovationen und von Start-ups und Scale-ups müssen wir bei der kapitalmarktbasierten Finanzierung besser werden.
Nur eine Regulatorik mit Maß und Mitte lässt dem deutschen Finanzplatz die Kraft, Wachstum zu finanzieren und Zukunftschancen zu nutzen.