Seit der europäischen Staatsschuldenkrise wissen wir, dass die Stabilität des Euros nicht selbstverständlich ist. In einer Währungsunion sind klare Regeln nötig, um das gemeinsame Zahlungsmittel zu sichern. Diesem Ziel dient der Europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt. Er ist verbindlicher, als es der alte Pakt war.
Solide und tragfähige Finanzen in allen Mitgliedstaaten sind mehr denn je notwendig. Denn die Kosten der Krisen der vergangenen Jahre stehen heute immer noch als Schulden in den Büchern der Staaten. Nur wenn wir die hohen Schuldenquoten senken, erarbeiten wir uns Puffer, um auch in Zukunft auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren zu können.
Wie weit der Weg zu niedrigerer Verschuldung ist, wurde bei der Herbsttagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) deutlich. Die Schuldenquoten der meisten Staaten weisen steil nach oben. Der IWF rechnet damit, dass die weltweite Staatsverschuldung bis Jahresende die Marke von 100 Billionen US-Dollar knackt. Er warnt vor Gefahren für die Weltwirtschaft. Wir in Deutschland stemmen uns als eines der wenigen Länder gegen diesen Trend. Damit wirken wir in der Euro-Zone und in der internationalen Finanzordnung stabilisierend.
Es wird immer wieder vorgebracht, man müsse sich zwischen soliden Staatsfinanzen und einer Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit entscheiden. Es sei klüger, jetzt mehr Schulden zu machen, um staatlich zu investieren und zu wachsen. Staatsschulden sind allerdings nicht zum Nulltarif zu haben. Sie belasten künftige Generationen. Sie können Inflation befördern. Dauerhaftes Wachstum kann man sich durch Schulden nicht erkaufen.
In der Staatsschuldenkrise wurden die Kosten der Verschuldung zu einem echten Stabilitätsrisiko. Das wird oft vergessen. Ohnehin wird die Wirkung staatlicher Subventionen überschätzt. 90 Prozent der Zukunftsinvestitionen stammen von privaten Kapitalgebern. Der Staat kann sie nicht ersetzen. Politiker und Beamte sind auch nicht die besseren Unternehmer. Wir sollten daran arbeiten, Europa attraktiver für privates Kapital zu machen, statt immer neue Schuldentöpfe zu erfinden.
Der reformierte Pakt sieht für alle Länder einen mittelfristigen finanzpolitisch-strukturellen Plan vor, dessen Einhaltung jährlich überprüft wird. Die EU-Kommission empfiehlt jedem Mitgliedstaat einen individuellen Referenzpfad für ein Ausgabenwachstum. Zu den Kriterien zählen Mindestanforderungen an die Verringerung von Defizit und Schuldenstandsquote. Es war ein Erfolg der Bundesregierung, dass der Pakt hier mehr Verbindlichkeit schafft.
Für Deutschland zeigt sich, dass die Staatsfinanzen im Ergebnis der Einhaltung der deutschen Schuldenregel grundsätzlich solide sind. Wegen des demografischen Wandels und eines auf lange Sicht eher niedriger als in der Vergangenheit anzusetzenden Wachstums besteht aber trotzdem großer Handlungsbedarf.
Die Schuldenregel des Bundes beschränkt den Bundeshaushalt, die Fiskalregeln der Europäischen Union (EU) beschränken darüber hinaus die Fiskalpolitik des Gesamtstaats. Beide Regeln ergänzen sich. Klar ist: Unser gesamtstaatliches Ausgabenwachstum muss verringert werden. Für den Bund ergibt sich durch die europäischen Regeln ein zusätzlicher Konsolidierungsbedarf, der über die Anforderungen der Schuldenbremse hinausgeht. Vor allem müssen die konsumtiven Ausgaben, insbesondere die sozialstaatlichen Leistungen, sinken, um Zukunftsinvestitionen zu ermöglichen.
Derzeit laufen technische Diskussionen mit der Europäischen Kommission. Für mich ist der Weg nach vorne klar: Wir müssen die Konsolidierung der Haushalte nicht nur im Bund, sondern im Gesamtstaat vorantreiben. Gleichzeitig sind auch aus europäischer Sicht bei uns strukturelle Reformen notwendig. Andernfalls würden die staatlichen Haushalte „versteinern“ – Gestaltungsspielräume für künftige Investitionen würden aufgezehrt, weil ein zu großer Teil der Steuereinnahmen in Umverteilung fließt.
Unser Verhalten wird ein Signal nach Europa und darüber hinaus senden. Setzen wir den Pakt bei uns halbherzig um, so motivieren wir andere Staaten, auf Reformanstrengungen zu verzichten. Das wäre fahrlässig. Die Folgen würden uns am Ende alle treffen. Wir würden an geldwerter Stabilität verlieren.
Angesichts der demografischen Entwicklung sind Reformen bei uns ohnehin notwendig. Dank der Wachstumsinitiative sind erste wichtige Schritte vereinbart, sie sollten wir schnell umsetzen. Wir müssen aber darüber hinausgehen, sowohl was die Finanzierbarkeit des Sozialstaats betrifft als auch die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. Nur so werden wir unserer Vorbildfunktion als Stabilitätsanker der Wirtschafts- und Währungsunion gerecht.