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03.01.2022

Deutsche Schuldenforderungen und Schuldenerlasse im Überblick

Die Bundesregierung hat gegenüber einer Vielzahl von Schwellen- und Entwicklungsländern bilaterale Forderungen. Es gehört zu den Aufgaben des Bundesfinanzministeriums (BMF) sicherzustellen, dass diese Länder den damit verbundenen Schuldendienst vereinbarungsgemäß leisten. Wenn die Länder in Zahlungsschwierigkeiten geraten, müssen häufig Möglichkeiten ausgelotet werden, ob und gegebenenfalls wie Umschuldungen oder auch Erlasse mit den Schuldnerländern vereinbart werden können.

Schuldenforderungen

Das deutsche Forderungsvolumen gegenüber dem Ausland besteht zum einen aus Forderungen aus der bilateralen finanziellen Zusammenarbeit und zum anderen aus bundesverbürgten Handelsforderungen beziehungsweise bundesverbürgten Finanzkrediten, die notleidend geworden sind und vom Bund entschädigt wurden. Hinzu kommen Forderungen aus Handelskrediten der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) in „westlicher Währung“ sowie Forderungen aus dem Transferrubelverrechnungsverkehr der DDR mit ihren Partnerländern, die dem Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW/COMECON) angehörten.

Forderungen der finanziellen Zusammenarbeit sind Darlehen aus der Entwicklungshilfe, die von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) vergeben werden. Handelsforderungen sind vom Bund unter der Hermes-Deckung entschädigte Forderungen der deutschen Exportwirtschaft gegenüber dem öffentlichen Sektor des Schuldnerlandes.

Aktuelle Zahlen:

  • Die Liste der Forderungen des Bundes gegenüber dem Ausland wird jährlich aktualisiert.
  • Weitere Details zu den Forderungen aus der finanziellen Zusammenarbeit:
    • Vertraglich vereinbarte Vorhaben (Kredite) der finanziellen Zusammenarbeit der Bundesregierung können länder- und regionenweise auf dem KfW-Transparenz-Portal und projektweise (seit 1. Januar 2013) auf der Projektdatenbank der KfW abgefragt werden.
    • Darüber hinaus bietet das D-Portal auf Basis der Daten, die die KfW im Rahmen der International Aid Transparency Initiative (IATI) zur Verfügung stellt, Informationen zum aktuellen Auszahlungsstand sowie zur geplanten Projektlaufzeit, mit Verlinkungen zu Evaluierungsberichten.
  • Weitere Details zu den Handelsforderungen:

Schuldenerlasse

Die Schuldenerlasse der Bundesregierung werden zum einen im Rahmen von Umschuldungsvereinbarungen des Pariser Clubs als maßgeschneiderte Erlasse zur Wiedererlangung der Schuldentragfähigkeit gemäß dem sogenannten Evian-Ansatz gewährt und zum anderen im Rahmen der HIPC-Initiative (HIPC „Heavily Indebted Poor Countries“).

Aktuelle Zahlen:

Die Liste der deutschen Schuldenerlasse wird jährlich aktualisiert.

Als Antwort auf akute Liquiditätsprobleme während der COVID-19-Krise hat die Bundesregierung im Rahmen der Gruppe der Zwanzig (G20) im April 2020 ein Schuldenmoratorium („Debt Service Suspension Initiative“, DSSI) für die 77 ärmsten Länder für eine Dauer von 20 Monaten verabschiedet. Um auftretenden Solvenzproblemen von Entwicklungsländern angemessen begegnen zu können, wurde von den G20 im November 2020 außerdem ein gemeinsames Rahmenwerk für eine Schuldenbehandlung nach DSSI („Common Framework beyond DSSI“, CF) verabschiedet.

Im „Pariser Club“ haben sich Gläubigerstaaten zusammengeschlossen, um bei Zahlungsschwierigkeiten von Schuldnerländern koordinierte Lösungen zu finden. Dabei werden nur die bilateralen staatlichen Forderungen gegenüber den Schuldnerländern behandelt.

Seit seinem Entstehen im Jahr 1956, hat der Pariser Club mit zahlreichen Ländern in multilateralen Vereinbarungen (Agreed Minutes, Pariser Protokoll) Lösungen für die Regelung ihrer Schuldenprobleme gefunden. Der Kreis der Gläubiger besteht im Wesentlichen aus den in der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zusammengeschlossenen Industrieländern. Die Vertretung Deutschlands im Pariser Club erfolgt durch das federführende Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz sowie durch das Bundesministerium der Finanzen, das Auswärtige Amt und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

Notwendige Voraussetzung („Konditionalität“) für Umschuldungsvereinbarungen im Pariser Club ist die erfolgreiche Durchführung von Anpassungsprogrammen des Internationalen Währungsfonds (IWF). Diese vom IWF eng begleiteten Programme enthalten verbindliche Vereinbarungen für die Gestaltung des makroökonomischen und des finanzpolitischen Rahmens und institutionelle Veränderungen, um die jeweilige Volkswirtschaft auf ein tragfähiges Fundament zu stellen.

Im April 2020 wurde von den G20 (gemeinsam mit dem Pariser Club) ein Schuldenmoratorium (DSSI) für die 77 ärmsten Länder beschlossen. Durch die Stundung der Zins- und Tilgungszahlungen 2020 wurde den betroffenen Ländern zeitlich begrenzt bis Ende 2021 ein größerer finanzieller Handlungsspielraum verschafft, um z. B. in den Gesundheitsschutz der Bevölkerung zu investieren. An der DSSI nahmen 48 Entwicklungsländer teil. Laut IWF hatte der überwiegende Teil dieser Länder ein hohes Überschuldungsrisiko oder war bereits in Zahlungsschwierigkeiten. Deutschland hat gegenüber neun Ländern, die die DSSI beantragt haben, Verbindlichkeiten und hat im DSSI-Zeitraum von Mai 2020 bis Dezember 2021 fällige Forderungen in Form von Zins- und Tilgungszahlungen i. H. v. insgesamt rund 301 Mio. Euro gestundet.

Der von den G20 indossierte „Common Framework beyond the DSSI“ ermöglicht für DSSI-berechtigte Länder fallweise Schuldenrestrukturierungen, die bei Bedarf auch einen Erlass umfassen können.

Die Prinzipien des Common Framework entsprechen weitestgehend denen des Pariser Clubs, insbesondere Gläubigergleichbehandlung auch unter Einbindung privater Gläubiger, Zusammenarbeit mit IWF/WB und Schuldentransparenz. Die Gläubigerkoordination insbesondere mit China aber auch mit anderen Nicht-PC-Ländern der G20 sind dabei als besonderer Erfolg zu werten.

Schuldenrestrukturierungen unter dem Common Framework werden fallweise behandelt. Voraussetzung für eine Schuldenbehandlung ist, dass das betroffene Land ein IWF-Programm abschließt. Für jeden Antragssteller werden Gläubigerkomitees gebildet, die gemeinsam und auf Basis einer Schuldentragfähigkeitsanalyse (Debt Sustainability Analysis) von IWF und Weltbank den Rahmen für die Schuldenbehandlung setzen.

HIPC steht für "heavily indebted poor countries", auf Deutsch: hoch verschuldete arme Länder. 1996 beschlossen die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF) auf Betreiben der G7-Staaten eine Initiative zur Entschuldung hoch verschuldeten armen Länder („heavily indebted poor countries“, HIPC). Diese sogenannte HIPC-Initiative ermöglichte erstmals ein koordiniertes Vorgehen bei der Gewährung von Schuldenerleichterungen.

Auf Initiative der Bundesregierung wurde auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Köln 1999 die HIPC-Initiative deutlich erweitert und verbessert und beinhaltete von da an einen nahezu vollständigen Schuldenerlass für dort einbezogenen Länder. Die G7-Länder erlassen seitdem sogar 100 Prozent aller unter der HIPC-Initiative behandelten Schulden.

Die Durchführung der Entschuldungsinitiative ist nahezu abgeschlossen. Insgesamt haben sich 49 hoch verschuldete Länder für eine Teilnahme an der HIPC-Initiative qualifiziert. 36 von ihnen wurden bereits umfassend entschuldet. Zuletzt haben Somalia (März 2020) und Sudan (Juli 2021) den sogenannten Entscheidungspunkt der Initiative erreicht und somit einen ersten Schritt in Richtung der Entschuldung gemacht. Bei 5 Ländern wurde nachträglich eine tragfähige Schuldenposition festgestellt und 5 weitere Länder haben auf eine HIPC-Entschuldung verzichtet. Insgesamt hat Deutschland bislang Schulden in Höhe von rund 6 Mrd. Euro erlassen.

Beim G7-Gipfel in Evian im Jahr 2003 verständigte man sich auf den sogenannten „Evian-Ansatz“, der die Umschuldungskonditionen für die Nicht-HIPC-Länder gegenüber dem bisherigen Regelwerk des Pariser Clubs flexibilisiert. Ziel ist, auf der Grundlage von Schuldentragfähigkeits-Analysen jeweils an die spezifische Schuldnerlandsituation angepasste, „maßgeschneiderte“ Schuldenregelungen zu ermöglichen. Dabei werden grundsätzlich zwei Länderkategorien unterschieden.

Ländern mit tragfähiger Verschuldung, aber einem temporären Liquiditätsproblem, wird grundsätzlich nur aufgrund der vorhandenen „klassischen“ Pariser Club-Konditionen geholfen, d. h. sie erhalten grundsätzlich nur eine Schuldenstreckung mit wenigen tilgungsfreien Jahren, allerdings bei besonders gravierenden Problemen auch konzessionäre Konditionen (z. B. Erlass eines Teils der Forderungen).

Für Länder mit einer nach Auffassung von IWF und Pariser Club nichttragfähigen Schuldensituation sehen die Pariser Club-Gläubiger eine umfassende Schuldenregelung vor. Voraussetzung ist, dass diese Länder sich im Rahmen eines IWF-Programms verpflichten, eine Politik zu betreiben, die die Notwendigkeit einer erneuten Befassung des Pariser Clubs vermeidet. Auch müssen diese Länder Gleichbehandlung (im Sinne keiner Besserstellung) der anderen privaten und staatlichen Gläubiger zusagen. Die Umschuldungsmaßnahmen werden dabei in einem stufenweisen Prozess gewährt, der eng an wirtschaftliche Erfolge und Schuldenmanagement auf der Basis von IWF-Programmen gekoppelt ist.

Die rechtliche Verbindlichkeit einer multilateral verhandelten Vereinbarung entsteht durch den Abschluss eines bilateralen Umschuldungsabkommens. Federführend hierfür ist das Bundesministerium der Finanzen.

Die Ermächtigungen für die bilateralen Umschuldungsabkommen finden sich in den jährlichen Haushaltsgesetzen: für Forderungen aus Finanzieller Zusammenarbeit im Einzelplan 23 (BMZ); für Forderungen aus bundesverbürgten und entschädigten Handelskrediten und Ungebundenen Finanzkrediten im Einzelplan 32 (Bundesschuld). Für Forderungen aus Handelskrediten der DDR in „westlicher Währung“ sowie aus dem Transferrubelverrechnungsverkehr der DDR ergibt sich die Ermächtigung aus Artikel 24 des Einigungsvertrags.

Mit ihren Schuldenentlastungsmaßnahmen leistet die Bundesregierung einen Beitrag zur Bewältigung der Schuldenprobleme der begünstigten Länder. Ihnen wird es dadurch erleichtert, Strukturreformen durchzuführen, um einer erneuten Verschlechterung der Schuldensituation entgegenzuwirken und die Armut ihrer Bevölkerung zu bekämpfen. Einen Überblick über die deutschen Schuldenerlasse bietet der untenstehende Link.