Themenbezogene Inhalte
„Aus dem Common Framework muss eine echte Regelbasis werden, die verhindert, dass gerade in Zeiten finanzieller Instabilität Staaten – und damit auch die Menschen – in eine Notlage geraten.“
Bundesfinanzminister Christian Lindner
Ausgangspunkt
Laut IWF befinden sich derzeit etwa 60 Prozent der Niedrigeinkommensländer auf der Welt in einer prekären Schuldensituation – dies entspricht ungefähr einer Verdoppelung der Anzahl der betroffenen Länder seit 2015. Trotz erheblicher Hilfsmaßnahmen treffen gerade die gegenwärtigen Preissteigerungen bei Nahrungs- und Düngemitteln im Kontext des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine sowie die vielfältigen andauernden Folgen der Corona-Pandemie viele arme Entwicklungsländer hart.
Für wirtschaftlich besonders angeschlagene Staaten könnten in den nächsten Monaten und Jahren daher Schuldenrestrukturierungen notwendig werden. Diese wurden früher hauptsächlich im Pariser Club – einem informellen Zusammenschluss von 22 „traditionellen“ Gläubigerstaaten (im Wesentlichen kleine und große westliche Industrieländer) – verhandelt. Allerdings hat sich die Gläubigerstruktur der Niedrigeinkommensländer in den letzten Jahren stark verändert: Nach den multinationalen Entwicklungsbanken und dem Privatsektor ist China mittlerweile zum größten Kreditgeber aufgestiegen.
Um den ärmsten Ländern der Welt auch unter diesen veränderten Bedingungen eine effiziente koordinierte und nachhaltige Schuldenrestrukturierung zu ermöglichen, haben die G20 und der Pariser Club im November 2020 das sogenannte „Common Framework for Debt Treatments“ (Gemeinsames Rahmenwerk für Schuldenrestrukturierungen) vereinbart. Dieses Rahmenwerk erlaubt länderspezifisch angepasste Schuldenrestrukturierungen und basiert auf den folgenden bewährten Prinzipien:
- verbindliche Koordination der Gläubigerstaaten aus G20 und Pariser Club,
- Erfordernis eines IWF-Programms zur makroökonomischen Stabilisierung, und
- Beteiligung privater Kreditgeber auf vergleichbarer Grundlage.
Lösungen
Um überschuldeten Staaten einen Ausweg aus ihrer Notsituation zu ermöglichen, setzt sich das BMF für eine Reihe von Maßnahmen ein.
- Im Zuge der deutschen G7-Präsidentschaft unterstützt das BMF die bessere und schnellere Umsetzung des G20 Schuldenrahmenwerks „Common Framework for Debt Treatments“.
- Darüber hinaus treten die G7 geschlossen für weitere Verbesserungen an dem Rahmenwerk ein, um beispielsweise Informationen über den Ablauf von Schuldenrestrukturierungen für Schuldnerländer zugänglich zu machen und entsprechende Regeln und Fristen konkret festzulegen. Dies soll möglichen Schuldnerländern von vornherein eine klare Perspektive verschaffen.
- Auch für überschuldete Länder außerhalb des Common Framework fordert und fördert Deutschland eine Koordinierung der Gläubiger, wenn Umschuldungen nötig werden.
- Damit betroffenen Ländern effektiv und nachhaltig geholfen werden kann, setzt sich das BMF dafür ein, Schuldendaten besser zu erheben und verbessert darzustellen, um dadurch die Schuldentransparenz zu erhöhen.
Um den Dialog zwischen Gläubiger- und Schuldnerländer weiterhin zu befördern und auch auszubauen, führte das BMF am 12. Oktober 2022 – im Rahmen der deutschen G7-Präsidentschaft und zur Jahrestagung von IWF und Weltbank – eine Konferenz auf Ministerebene mit ausgewählten afrikanischen Staaten und den wichtigsten neuen Gläubigerstaaten durch.
Erklärung der deutschen G7-Präsidentschaft
Nach dieser Konferenz hat Deutschland eine
Erklärung zur Förderung von Wachstum, Resilienz und Nachhaltigkeit in Afrika (auf Englisch) [pdf, 157KB]
veröffentlicht.
Akteure
Auf internationalem Parkett haben sich eine Reihe von Akteuren etabliert, die auf unterschiedlichen Ebenen Lösungsansätze für überschuldete Staaten entwickeln – und den produktiven Austausch zwischen Gläubiger- und Schuldnerstaaten befördern.
Die G20 ist das bedeutendste Forum für internationale Ordnungspolitik und Regulierung. Der informelle Zusammenschluss der 19 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer und der Europäischen Union besteht seit 1999. Die G20-Staaten repräsentieren gegenwärtig knapp über 80 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts, drei Viertel des Welthandels und rund zwei Drittel der Weltbevölkerung. Zu den Treffen der Mitglieder der G20 werden regelmäßig auch Vertreterinnen und Vertreter von Gastländern – Spanien nimmt als ständiges Gastland teil – sowie von internationalen Organisationen (IWF, Weltbank, UN, OECD etc.) eingeladen.
Die Arbeit der G20 hat maßgeblich zur Stabilisierung der Volkswirtschaften und der Finanzmärkte nach der Krise 2008/2009 beigetragen. Heute geht es auch darum, durch vorausschauende Zusammenarbeit mögliche neue Krisen zu vermeiden, aus Erfahrungen zu lernen und die Volkswirtschaften widerstandsfähiger zu machen.
Die G7 ist ein informelles Forum der sieben führenden Wirtschaftsnationen – Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, die USA sowie das Vereinigte Königreich – und der Europäischen Union. Sie entstand in der Nachfolge des erstmals 1975 einberufenen „Weltwirtschaftsgipfels“. 1998 wurde die Gruppe um Russland erweitert (G8). Dessen Mitgliedschaft wurde aber 2014 nach der Annexion der Krim durch Russland ausgesetzt.
Auf ihren jährlichen Gipfeltreffen stimmen die teilnehmenden Regierungen gemeinsame Positionen zu globalen politischen Fragestellungen – Weltwirtschaft, Außen- und Sicherheitspolitik, Entwicklung und Klima – ab. Aufgrund der informellen Strukturen spielt die jeweilige Präsidentschaft eine besonders wichtige Rolle, da in deren Händen nicht nur die Organisation, sondern auch die Agenda des Gipfels liegt. Neben der Zusammenarbeit der G7-Staats- und Regierungschefinnen und -chefs entwickelte sich zudem eine weitere Kooperation auf Ebene der Finanzministerien und Notenbanken (vergleiche Finance Track).
Den „Pariser Club“ haben 1956 mehrere Gläubigerstaaten ins Leben gerufen, um bei Zahlungsschwierigkeiten von Schuldnerländern gemeinsam koordinierte Lösungen zu finden. Mitglieder sind im Wesentlichen die in der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zusammengeschlossenen Industrieländer. Deutschland wird in dem Forum durch das BMF vertreten.
Behandelt werden ausschließlich bilaterale staatliche Forderungen gegenüber den Schuldnerländern. Notwendige Voraussetzung für Umschuldungsvereinbarungen im Pariser Club ist die erfolgreiche Durchführung von Anpassungsprogrammen des Internationalen Währungsfonds (IWF). Diese enthalten verbindliche Vereinbarungen für die Gestaltung des makroökonomischen und des finanzpolitischen Rahmens sowie institutionelle Veränderungen, um die betroffene Volkswirtschaft auf ein tragfähiges Fundament zu stellen.
Die Gründung des Internationalen Währungsfonds (IWF) wurde im Juli 1944 auf der Währungs- und Finanzministerkonferenz der Vereinten Nationen beschlossen und im Dezember 1945 umgesetzt. Deutschland ist seit August 1952 Mitglied des IWF. Beitreten kann jedes Land, das bereit ist, die Pflichten zu enger währungspolitischer Konsultation und Kooperation mit dem IWF zu erfüllen. Der Bundesfinanzminister ist der deutsche Vertreter im Internationalen Währungs- und Finanzausschuss (IMFC), welcher die Funktionsfähigkeit des Währungssystems und seine Weiterentwicklung überwacht.
Die Arbeit des IWF zielt darauf ab, die weltweite Zusammenarbeit in der Geldpolitik zu intensivieren, die Finanzstabilität zu sichern, den internationalen Handel zu erleichtern und zu mehr Beschäftigung und nachhaltigem Wirtschaftswachstum beizutragen. Zu den Hauptaufgaben des IWF zählt die Sicherung der Stabilität des internationalen Währungssystems beziehungsweise des Wechselkurssystems und des internationalen Zahlungsverkehrs, dank derer die Länder und ihre Bürgerinnen und Bürger miteinander Geschäfte abschließen können.