1. Zusammensetzung
Der Arbeitskreis „Steuerschätzungen“ ist ein Beirat beim Bundesministerium der Finanzen (BMF). Er besteht seit 1955. Ihm gehören neben dem federführenden BMF das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), fünf Wirtschaftsforschungsinstitute, das Statistische Bundesamt, die Deutsche Bundesbank, der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die Länderfinanzministerien und die Bundesvereinigung kommunaler Spitzenverbände an. Die Zusammensetzung sichert die Unabhängigkeit des Gremiums. Die entsandten Vertreter der Institutionen gehören der Arbeitsebene an. Der Vorsitz obliegt der zuständigen Referatsleitung im BMF.
2. Arbeitsweise
Der Arbeitskreis stützt seine Schätzungen auf gesamtwirtschaftliche Eckdaten der Bundesregierung, die unter der Federführung des BMWK zwischen den Ressorts abgestimmt werden.
Den Mitgliedern des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ wird kein verbindliches Prognoseinstrumentarium vorgegeben. Diejenigen Mitglieder, die eigene Schätzvorschläge erstellen, erarbeiten diese mit eigenen Methoden und Modellen. Im Rahmen von sogenannten Methodensitzungen werden neue methodische Ansätze vorgestellt und diskutiert.
Für die Schätzungen des Arbeitskreises erstellen acht Mitglieder, nämlich die Wirtschaftsforschungsinstitute, die Bundesbank, der Sachverständigenrat und das BMF unabhängig voneinander eigene Schätzvorschläge für jede Einzelsteuer. Diese Schätzvorschläge sind Gegenstand der Diskussion im Arbeitskreis. Der Arbeitskreis erörtert jede Steuer solange, bis ein Konsens erreicht worden ist, der von allen mitgetragen werden kann. Auf der Grundlage der Einzelsteuerschätzungen werden dann die auf Bund, Länder, Gemeinden und Europäischer Union (EU) entfallenden Einnahmen ermittelt.
Die Ergebnisse werden direkt im Anschluss an die Sitzung mit einer Pressemitteilung des BMF veröffentlicht. Die Ergebnistabellen werden anschließend in das Internet eingestellt und damit der interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Der Arbeitskreis „Steuerschätzungen“ hat einen Unterausschuss Regionalisierung, dem das BMF und die Ländervertreter im Arbeitskreis angehören. Unter Regionalisierung wird die Aufteilung des vom Arbeitskreis geschätzten Steueraufkommens auf die einzelnen Länder verstanden. Der Unterausschuss behandelt Probleme und trifft Vereinbarungen im Zusammenhang mit der Regionalisierung der Arbeitskreisergebnisse für die Steuereinnahmen der Länder.
3. Zeitpunkt der Arbeitskreissitzungen
Die Sitzungsfolge des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ orientiert sich an den Zeitplänen der Haushalts- und Finanzplanung insbesondere des Bundes. Es finden zwei Sitzungen im Jahr statt.
- Ende Oktober / Anfang November erfolgt eine Steuerschätzung für den mittelfristigen Zeitraum (laufendes Jahr plus fünf Folgejahre). Diese Schätzung liefert die endgültigen Ansätze für die Steuereinnahmen im Bundeshaushalt des Folgejahres. Außerdem beginnen auf der Grundlage dieser Schätzung die Arbeiten am Bundeshaushalt für das übernächste Jahr sowie am Finanzplan.
- Mitte Mai erfolgt eine zweite Steuerschätzung für den mittelfristigen Zeitraum (laufendes Jahr plus vier Folgejahre). Ihre Ergebnisse sind Grundlage für den Haushaltsentwurf des Folgejahres und für die jährliche Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung.
4. Bedeutung für die Haushalts- und Finanzplanung
Seit Bestehen des Arbeitskreises übernimmt der Bund das Ergebnis für die Steuereinnahmen des Bundes in den Haushaltsplan beziehungsweise seit 1968 in die mittelfristige Finanzplanung.
Die Ergebnisse der Steuerschätzung sind Teil der finanzwirtschaftlichen Projektionen der Bundesregierung, die dem Stabilitätsrat vorgelegt werden.
Das Ergebnis der Regionalisierung der Steuereinnahmen der Länder kann häufig nicht ohne Modifikationen als Steuereinnahmenansatz in den Haushalt oder die Finanzplanung eines Landes übernommen werden. Wichtige Gründe können hier deutliches Abweichen des Haushaltstermins vom Termin der Steuerschätzung, absehbare Sonderentwicklungen bei den Steuern oder der Wirtschaftsentwicklung des jeweiligen Landes, Berücksichtigung von geplanten Steuerrechtsänderungen sowie Abweichungen des auf der Grundlage der Steuerschätzung berechneten Länderfinanzausgleichs von dem mit vierteljährlicher Verzögerung abgewickelten Vollzug des Länderfinanzausgleichs sein.
Eine Aufteilung der Schätzergebnisse des Arbeitskreises auf einzelne Gemeinden ist bei der Vielzahl der Kommunen nicht möglich. Die kommunalen Spitzenverbände, die Mitglied im Arbeitskreis sind, stellen den Gemeinden jedoch Informationen über Tendenzen der Aufkommensentwicklung beispielsweise der Lohn- und Einkommensteuer und der Abgeltungsteuer auf Zins- und Veräußerungserträge zur Verfügung, die den Finanzplanungen der Kämmerer als Orientierungshilfe dienen. Bezüglich der örtlichen Steuerentwicklung insbesondere bei der Gewerbesteuer sind die Gemeinden ohnehin durch ihre unmittelbare Nähe zu den Steuerpflichtigen besser informiert.
5. Steuerrechtsänderungen
Der Arbeitskreis schätzt die Steuereinnahmen in der Regel auf der Grundlage des geltenden Steuerrechts. Die finanziellen Auswirkungen von geplanten Steuerrechtsänderungen sind in der Haushalts- und Finanzplanung ergänzend zu berücksichtigen.
Die in Steueränderungsgesetzen beziehungsweise deren Entwürfen bezifferten Mehr- oder Mindereinnahmen beziehen sich immer auf die primären steuerlichen Wirkungen, d. h. die Auswirkungen auf die von der jeweiligen Maßnahme direkt betroffenen Steuerarten. Aufgrund der wirtschaftlichen Verflechtungen ergeben sich jedoch zusätzliche Auswirkungen auf das Steueraufkommen, die hierbei nicht erfasst wurden und im Einzelnen auch nur schwer quantifizierbar sind (z. B. Zweitrundeneffekte, Anpassungsreaktionen der Steuerpflichtigen etc.). Derartige Effekte werden global durch eine unter Berücksichtigung des geänderten Steuerrechts erstellte gesamtwirtschaftliche Projektion erfasst.
6. Geschäftsordnung
Der Arbeitskreis hat sich durch einstimmigen Beschluss aller seiner Mitglieder eine Geschäftsordnung gegeben, welche die Zusammensetzung und Arbeitsweise des Arbeitskreises sowie die Grundzüge des bewährten Verfahrens für die Erstellung der Steuerschätzungen dokumentiert.