CHRISTIAN LINDNER: Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich freue mich, dass die Bundesregierung in diesem Jahr Gastgeber des dritten hochrangigen deutsch-chinesischen Finanzdialogs sein konnte. Vier Jahre war dieses Format nicht möglich. Es war coronabedingt ausgesetzt. Seit 2019 hat er jetzt zum ersten Mal wieder stattgefunden. Und das ist ein gutes Signal für den bilateralen Austausch. Die Pandemie hat nicht dazu geführt, dass der Gesprächsfaden auf unserer Ebene abgerissen wäre. Im Gegenteil: Wir haben ihn mit sehr intensiven Gesprächen hier wieder aufgenommen.
Es war übrigens auch unser Anliegen, hier in Frankfurt den Finanzdialog stattfinden zu lassen. Die Bundesregierung weiß um die Bedeutung des Finanzplatzes Frankfurt. Und aus diesem Grund wollten wir auch diesen Finanzdialog genau hier nach Frankfurt, nach Hessen, geben, um zu zeigen, dass wir den Finanzplatz in seiner Entwicklung weiter stärken wollen.
Es waren sehr konstruktive, sehr offene Gespräche, die wir am gestrigen Abend und am heutigen Vormittag geführt haben. Wir haben uns ausgetauscht über die weltwirtschaftliche Lage und über die wirtschaftliche Situation in der Volksrepublik China und in Deutschland. Wir haben unsere Positionen verglichen zu Fragen der internationalen Finanzstabilität und zur Öffnung wechselseitig unserer Märkte auch für private Unternehmen. Wir haben über die Rolle und die Weiterentwicklung internationaler Finanzorganisationen gesprochen und dabei auch reflektiert, welche Auswirkungen der russische Angriff auf die Ukraine direkt und indirekt hat. Es ist auch unsere gemeinsame Anstrengung wert, bei der weltweiten Armutsbekämpfung und globalem Wohlstand sowie der Bekämpfung des Klimawandels Fortschritte zu erzielen. Über all das haben wir uns intensiv ausgetauscht.
Mir ist wichtig zu betonen, dass wir zum ersten Mal in der Geschichte des Finanzdialogs einen Financial Roundtable etabliert haben mit Vertretern wichtiger Finanzinstitutionen und privater Unternehmen. Das ist eine wichtige Ergänzung. Ich bin froh und dankbar, dass auf diesen deutschen Vorschlag unsere Gesprächspartner der chinesischen Seite eingegangen sind. Und das, was wir jetzt an praktischer Erfahrung gemacht haben, spricht dafür, dass wir dies fortsetzen.
Wir haben wichtige, konkrete Impulse gehört von chinesischen Marktteilnehmern mit Bezug auf ihre Aktivitäten in Deutschland und umgekehrt haben deutsche Banken und Versicherungen, die Börse, darlegen können, wie sie die Entwicklung Chinas auch durch eigene Aktivitäten in China noch weiter positiv begleiten können. Das ist ein erster großer Erfolg gewesen.
Der zweite Erfolg ist, dass wir ein umfassendes Joint Statement verabredet haben, in dem wir viele Fragen der bilateralen und internationalen Zusammenarbeit angesprochen haben und uns durchaus auch auf gemeinsame Positionen verständigen konnten. Wir haben zum Ausdruck gebracht, dass wir an geeigneten Stellen auch unsere Kooperation weiter vertiefen wollen. In diesem Statement bekennen sich beide Seiten klar zu einer offenen Weltwirtschaft und zum Multilateralismus im Rahmen der Vereinten Nationen, des Internationalen Währungsfonds, der Weltbank, der Welthandelsorganisation sowie der G20. Das umfasst ausdrücklich auch das G20 Common Framework for Debt Treatments, also den innerhalb der G20 vereinbarten Mechanismus zur Schuldenrestrukturierung betroffener Länder. Deutschland hat schon lange dafür geworben, dieses Instrument konsequent zur Entlastung überschuldeter Staaten zu nutzen. Wir begrüßen ausdrücklich, dass sich auch die chinesische Seite in unserem Joint Statement dazu bekennt. Denn ohne China als einen so wichtigen Akteur der Weltpolitik sind Lösungen nicht vorstellbar.
In diesem Sinne bilden die Gespräche auch einen ersten Zwischenschritt, um diese Themen voranzutreiben, bei zum Beispiel der kommenden IWF-Jahrestagung. Beide Seiten sind entschlossen, Marktzugangsmöglichkeiten zu erweitern und im Sinne eines "level playing field", also fairer Wettbewerbsbedingungen, zu öffnen. Das schafft Chancen auf beiden Seiten für mehr verantwortungsvollen Handel und Investitionen.
Im Sinne des gelungenen Dialogs und im Lichte seines großen Erfolges habe ich vorgeschlagen, angeboten, die Frequenz zu erhöhen. In der Politik sind ja zwei Jahre eine lange Zeit. In Finanzfragen und an den Finanzmärkten sind zwei Jahre eine Ewigkeit. Und schnellerer Fortschritt ist ja von uns beiden gewünscht. Und deshalb wäre es denkbar, nicht alle zwei Jahre, sondern jährlich diesen Finanzdialog zu machen. Vielleicht auch mit der Einbeziehung privater Akteure. Ich jedenfalls habe es wahrgenommen am Gesichtsausdruck meines chinesischen Kollegen, dass diese Idee mit Wohlwollen geprüft wird. Und das wäre ja ein weiterer Erfolg dieses hochrangigen Finanzdialogs.
HE LIFENG: Vielen Dank, Herr Minister Lindner. Liebe Journalistenfreunde, guten Vormittag. Letzten November trafen sich Staatspräsident Xi Jinping und Bundeskanzler Scholz zum Gespräch in Peking. Beide haben einen strategischen Konsens erreicht, der weichenstellend ist für die bilaterale sowie globale Zusammenarbeit zwischen China und Deutschland. Im Juni dieses Jahres besuchte Ministerpräsident Li Qiang in seinem ersten Auslandsbesuch Deutschland und er leitete die 7. Regierungskonsultation mit Bundeskanzler Scholz zusammen. Und dabei haben sie auch sehr viel Konsens erzielt über die pragmatische Zusammenarbeit in der nächsten Phase.
Der dritte hochrangige Finanzdialog ist der erste Finanzdialog zwischen den beiden neuen Regierungen. Beide Seiten setzen den wichtigen Konsens der Führungspersönlichkeiten beider Länder um und betonen die Bedeutung der Entwicklung der umfassenden strategischen Partnerschaft zwischen China und Deutschland. Wir konzentrierten uns auf den Themenbereich der Finanzzusammenarbeit und blickten auf die Hauptfortschritte seit dem letzten Dialog zurück. Und wir erstellten die Schwerpunktbereiche für die weitere Zusammenarbeit. Durch beiderseitiges Bemühen wurde die Agenda erfolgreich abgeschlossen. Und dabei wurden 25 Ergebnisse erzielt, die hauptsächlich Folgendes beinhalten:
Erstens werden beide Seiten die Zusammenarbeit in der globalen wirtschaftlichen Governance verstärken. Beide Seiten sind damit einverstanden, die Koordination im Rahmen von G20 zu verstärken und das Common Framework für den Umgang mit Schulden umzusetzen. Beide Seiten werden echten Multilateralismus praktizieren und das multilaterale Handelssystem, das regelbasiert ist, mit der WTO im Kern, unterstützen. Beide Seiten werden die internationale Entwicklungszusammenarbeit verstärken, die Agenda 2030 voranbringen und eine stärkere, grünere, gesündere und inklusivere globale Entwicklung zustande bringen. Beide Seiten sind bereit, die Zusammenarbeit im Rahmen multilateraler Entwicklungsbanken wie der Weltbank und der AIIB zu verstärken und unterstützen den IWF bei der 16. allgemeinen Quotenüberprüfung, die die relative Position der Mitgliedsstaaten der Weltwirtschaft besser widerspiegeln sollte. Beide Seiten werden auch die Kommunikation verstärken bezüglich der Zwei-Säulen-Lösungen für die staatlichen Herausforderungen der Digitalisierung der Wirtschaft.
Zweitens werden beide Seiten ein gerechtes, stabiles und diskriminierungsfreies Marktumfeld schaffen. Beide Seiten sind der Meinung, dass die wirtschaftliche Zusammenarbeit der Entwicklung beider Länder dient und die Verstärkung der wirtschaftlichen Beziehungen zu einer Win-win-Situation führen kann. Beide Seiten betonten, gemeinsam die Stabilität und Sicherheit der globalen Lieferketten zu bewahren und sich ganz entschlossen zu Dekarbonisierung zu positionieren. Beide Seiten ermutigen die jeweiligen Unternehmen zu Investitionen im jeweiligen anderen Land und wollen Barrieren abbauen, um ein diskriminierungsfreies und offenes Marktumfeld zu schaffen.
Und drittens werden beide Seiten die Öffnung der Finanzmärkte ausbauen. Beide Seiten werden die Finanzpolitik miteinander koordinieren und die gegenseitige Öffnung und die Interkonnektivität der Finanzmärkte fördern. Beide Seiten haben nach dem Dialog auch den Roundtable der Finanzmarktteilnehmer organisiert. Beide Seiten haben sich darauf geeinigt, im Jahr 2024 in Peking das Forum für Finanzzusammenarbeit zwischen China und Deutschland zu organisieren. Beide Seiten begrüßen, dass beide Zentralbanken das MOU für Zusammenarbeit umsetzen, die Finanzzusammenarbeit verstärken und die Unterzeichnung des MOU für Aufsichtszusammenarbeit im Versicherungswesen auf den Weg bringen sowie die Zusammenarbeit bei der Geldwäsche und Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung verstärken. Beide Seiten werden einen Dialogmechanismus etablieren, um die notwendigen Bedingungen zu diskutieren bei der Befreiung von Verpflichtungen chinesischer Bankfilialen in Deutschland. Und beide Seiten begrüßen und unterstützen die grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeiten von Finanzinstituten beider Länder. Und China begrüßt, dass qualifizierte deutsche Marktakteure teilnehmen an der Öffnung der chinesischen Finanzmärkte, inklusive der Teilnahme am chinesischen Interbankenmarkt, beispielsweise durch die Ausgabe von Panda-Anleihen sowie RMB-Anleihen und die Verwendung von RMB-Anleihen als Sicherheit. Beide Seiten begrüßen die weitere Börsennotierung von Unternehmen beider Länder, also die Möglichkeit der Listung von GDRs und CDRs, und unterstützen CEINEX bei dem Listing von A-Aktien-Index- Termingeschäften und Optionen. Beide Seiten werden dann die Zusammenarbeit bei grünen Anleihen sowie ESG-Standards verstärken und den Austausch bei den Themen CBDC sowie Digital Finance verstärken.
Liebe Gäste,
Staatspräsident Xi Jinping hat den Aufbau der Schicksalsgemeinschaft der Menschheit sowie die globale Entwicklungssicherheit und Zivilisationsinitiative auf den Weg gebracht. Das zeigt das Verantwortungsbewusstsein von China für die ganze Welt. Vor dem Hintergrund der großen Veränderungen der Welt und angesichts der globalen Herausforderungen kann kein Land für sich alleine stehen. Und man sollte mit Solidarität miteinander zusammenarbeiten. Nur so können wir eine schönere Zukunft schaffen. Und bezüglich der Ukrainekrise vertritt China eine konsequente Position. Das heißt, Friedensverhandlungen und politische Lösungen. China und Deutschland sind einflussreiche Großstaaten für die Weltwirtschaft und sollten ihre Kooperation für Zusammenarbeit verstärken und als Stabilisatoren in den internationalen Wirtschaftsangelegenheiten fungieren. China möchte mit Deutschland auf der Basis des gegenseitigen Respekts und zum gegenseitigen Nutzen unsere Zusammenarbeit im Finanzbereich verstärken und unsere umfassende strategische Partnerschaft auf ein neues Niveau bringen.
Vielen Dank.