JÖRG KUKIES: Guten Tag, wir haben zwei Tage vor uns hier in Brüssel in der Eurogruppe und dem ECOFIN plus natürlich eine ganze Reihe bilateraler Treffen.
Ganz oben steht natürlich heute die Frage der Amtseinführung des neuen amerikanischen Präsidenten. Wir wollen offen sein, was aus den USA kommt. Es werden ja alle möglichen Vorhersagen schon gemacht. Wir wollen auf jeden Fall uns engagieren und konstruktiv mit der neuen Regierung einlassen. Der amerikanische Kandidat als Finanzminister hat ja im Senat recht konstruktive Äußerungen gemacht. Von daher warten wir ab, was passiert und werden uns transatlantisch engagiert verhalten und das Gespräch suchen.
Hier wird natürlich das Thema Wettbewerbsfähigkeit eine sehr große Rolle spielen heute und morgen, sowohl in der Eurogruppe als auch im ECOFIN. Wir haben ja bei einem der ganz großen Themen, das in Deutschland als eines der Topthemen immer wieder genannt wird bezüglich Wettbewerbsfähigkeit, nämlich den Bürokratielasten, konkrete Vorschläge gemacht, die vom Bundeskanzler unterstützt wurden. Insbesondere geht es um das Gesetzespaket, das die Kommission vorlegen wird zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Da haben wir sehr konkrete Vorschläge gemacht, Erleichterungen für die Unternehmen zu erreichen, Entlastung von Berichtspflichten zu erreichen, neue Regelungen erstmal nicht einzuführen und die Zeit nutzen, um ein konsistentes, schlankeres System der Berichterstattung zu machen, um unsere Unternehmen jetzt mal einen ersten Schritt hinzuführen in Richtung weniger Berichtspflichten und Bürokratielasten.
Ein drittes großes Thema, das hier eine Rolle spielen wird, ist natürlich die Kapitalmarktunion auch in dem Konnex der Wettbewerbsfähigkeit. Dazu haben ja Deutschland und Frankreich schon sehr weitgehende Vorschläge gemacht, wie wir endlich mal vorankommen bei dem Thema Kapitalmarktunion. Es wird jetzt spannend sein zu sehen, was davon und wie die Kommission das umsetzen wird. Weil der Ball ist natürlich jetzt bei der Kommission, einen Legislativvorschlag zu machen oder eine Serie von Legislativvorschlägen. Wir wollen das auf jeden Fall unterstützen, dass es hier ein sehr ambitioniertes Vorgehen gibt der Kommission.
Und letzter Punkt, der natürlich sehr wichtig ist, morgen ist der Besuch des ukrainischen Finanzministers, den ich auch bilateral treffen werde. Die Unterstützung der Ukraine ist natürlich gerade angesichts der fortgesetzten Brutalität der russischen Aggression wichtiger denn je. Da wollen wir ein sehr starkes europäisches Signal setzen. Wir haben ja als Deutsche Bundesregierung bei den verschiedenen Unterstützungspaketen für die Ukraine stark mitgewirkt, sowohl was die Europäische Union angeht als auch was die G7 angeht. Die Sachen werden jetzt ausgezahlt. Das heißt, wir unterstützen die Ukraine und werden das auch weiter tun, solange es nötig ist. Vielen Dank.
FRAGE: Herr Kukies, wie blicken Sie auf Frankreich? Der Minister hat gerade gesagt – und es ist auch bekannt –, dass da jetzt dieses Jahr ein Haushaltsdefizit von 5,4 Prozent erreicht werden soll. Blicken Sie da mit Sorge drauf, oder?
JÖRG KUKIES: Ich habe es ja das letzte Mal gesagt und alles, was sich seitdem getan hat, bewahrheitet es ja: Der Markt hat ein sehr hohes Vertrauen in die Fähigkeit Frankreichs, seinen Haushalt zu konsolidieren. Und wir arbeiten da auch sehr konstruktiv in dem ganzen Prozess mit, der auf europäischer Ebene vorgesehen ist für die Fiskalprogramme, die ja jetzt alle ausgearbeitet werden. Im Gegenzug wurde mit uns auch konstruktiv zusammengearbeitet, weil wir auch erstmal keinen Plan vorlegen können, weil wir noch keinen Haushalt haben für 2025. Also von daher ist das ein gegenseitig sehr konstruktives Vorgehen.
FRAGE: Herr Kukies, zum nationalen Haushalt: Sie konnten ja eine Rücklage schonen von 10 Milliarden Euro, haben auch weniger Kredite aufgenommen und trotzdem haben Sie vorausgeschickt, dass keine Spielräume vorhanden sind für 2025. Und damit haben Sie sich wahrscheinlich ein bisschen auch auf die 3 Milliarden Euro bezogen für die Ukraine, die Pistorius und auch Baerbock gefordert hatten. Wie erklären Sie sich diese Diskrepanz, dass doch mehr Mittel vorhanden sind?
JÖRG KUKIES: Es gibt keine Diskrepanz. Was wir erläutert haben, ist, wir haben jetzt in dem Haushaltsvollzug genau das Ergebnis erzielt, das die Ampel vorhatte über den Weg des Nachtragshaushalt. Das heißt, für die Haushaltsplanung 2025 haben wir genau den gleichen Ausgangspunkt. Aber was wir positiv berichten können, ist, dass unsere Vorhersage, dass für diese von Ihnen genannte Schonung der Rücklage in Höhe von knapp über 10 Milliarden Euro kein Nachtragshaushalt nötig war. Das hat sich bewahrheitet. Aber es wäre ein Trugschluss zu glauben, dass wir deswegen jetzt mehr Spielräume hätten. Im Gegenteil: Wir haben sogar seit dem Bruch der Ampelkoalition einige Ausgabenposten, die sich ungünstiger entwickelt haben – nichts Dramatisches. Aber der von meinem Amtsvorgänger Christian Lindner damals quantifizierte Lückenschluss Handlungsbedarf, der im Haushalt 2025 noch nötig war, von 13 Milliarden ist inzwischen leicht angestiegen. Wie gesagt, nichts Dramatisches. Da sind wir in der Größenordnung von 16 Milliarden Euro.
FRAGE: Die 3 Milliarden Euro für die Ukraine sind nicht drin.
JÖRG KUKIES: Der Bundeskanzler hat ja einen Vorschlag gemacht, wie man sowohl die 3 Milliarden Euro für die Ukraine finanzieren kann, als auch dafür zu sorgen, dass die Lücke im Haushalt nicht größer wird und sogar geschlossen wird. Von den anderen habe ich dazu noch keine konkreten Vorschläge gehört. Und das ist ein Thema, das mir als Finanzminister logischerweise naheliegt; dass wir gucken müssen, dass wir für den 2025er Haushalt auch die Voraussetzungen schaffen, dass er Schuldenregel konform aufgestellt werden kann.
FRAGE: Ich würde Ihnen gerne eine Frage auf Englisch stellen.
JÖRG KUKIES: Gerne!
FRAGE: Die Frage betrifft UniCredit und die Commerzbank, da in Italien viel über diesen Vorgang diskutiert wird. Könnten Sie erläutern, warum eine deutsche Fluggesellschaft eine italienische Fluggesellschaft übernehmen kann, eine italienische Bank aber nicht eine große deutsche Bank übernehmen darf.
JÖRG KUKIES: Na ja, zunächst entspricht das nicht den Tatsachen, da UniCredit eine der größten deutschen Banken übernommen hat, die HypoVereinsbank. Wir sind ein sehr offener Bankenmarkt. Erst kürzlich hat eine niederländische Bank eine der größten deutschen Privatbanken übernommen, eine französische Bank hat eine sehr große deutsche Privatbank übernommen und Versicherungsgesellschaften aus Frankreich und Italien sind sehr aktiv und haben deutsche Versicherungsgesellschaften übernommen. Das Gleiche gilt für Vermögensverwaltungen. Der deutsche Finanzmarkt ist also grundsätzlich sehr offen. Unsere Bedenken in dem von Ihnen genannten konkreten Fall betreffen das sehr intransparente und undurchsichtige Vorgehen der von Ihnen erwähnten Bank. Denn wir sind der festen Überzeugung, dass feindliche Übernahmen kein Erfolgskonzept sind, wenn es um systemrelevante Banken geht.
FRAGE: Sollte die Geschäftsleitung von UniCredit an die deutsche Regierung herantreten und das Gespräch suchen?
JÖRG KUKIES: Das muss sie selbst entscheiden.
FRAGE: Eine Frage noch: Es sind jetzt nur noch ein paar Stunden bis Trump im Amt ist. Heute Abend, glaube ich, bei dem Dinner wird es darum gehen. Was erwarten Sie sich davon? Es wurde ja eigentlich schon viel darüber gesprochen.
JÖRG KUKIES: Ja, es ist natürlich klar, dass wir in der Situation, wo wir jetzt sind, wo viel spekuliert wird, was passieren wird, aber wir noch keine Gewissheit haben, was die Aktivitäten sein werden. Von daher ist es klar, dass man natürlich mal darüber spricht und analysiert, was Indikationen sind. Aber aus meiner Sicht ist es auf jeden Fall sinnvoll, erstmal abzuwarten, was denn an konkreten Schritten kommt. Von daher wird es heute Abend ganz bestimmt nicht über konkrete Maßnahmen der Europäischen Union gehen, weil wir noch gar nicht wissen, auf welche Maßnahmen der US-Regierung wir reagieren können.
Auf jeden Fall ist es aus meiner Sicht ganz wichtig, dass wir das transatlantische Signal setzen und auch ganz klar sagen, unabhängig davon, wie die amerikanische Regierung ihre Politik jetzt ausrichtet, ist es auf jeden Fall etwas Gutes, dass man den Dialog und den Austausch und die enge Kooperation weiter fortsetzt. Ich habe das ja selbst als Staatssekretär gesehen, als der damalige Finanzminister Olaf Scholz auch in der Zeit einer Trump-Regierung ein sehr konstruktives Verhältnis mit dem damaligen amerikanischen Finanzminister Mnuchin hatte.
FRAGE: Ich habe noch eine Frage. Darf ich sie auf Englisch stellen?
JÖRG KUKIES: Ja, klar! Ich spreche Englisch.
FRAGE: Vor wenigen Tagen sagte Minister Habeck, dass die von Trump angekündigten Zölle hauptsächlich auf Deutschland abzielen. Stimmen Sie dieser Einschätzung zu? Und machen Sie sich Sorgen, dass die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr, sollten diese Zölle erhoben werden, das dritte Jahr in Folge schrumpfen könnte?
JÖRG KUKIES: Natürlich ist Deutschland als sehr offene und auf den globalen Handel ausgerichtete Volkswirtschaft stets eine der anfälligsten und am stärksten gefährdeten Volkswirtschaften, wenn Zölle im Gespräch sind. Genau aus diesem Grund haben wir uns so nachdrücklich für den Abschluss von Freihandelsabkommen der Europäischen Union, insbesondere mit Mercosur und anderen, ausgesprochen. Natürlich wissen wir, dass Zölle für die sehr exportorientierte und auch importorientierte deutsche Wirtschaft wachstumshemmend sind. Da wir aber noch nicht wissen, was im Einzelnen geplant ist, kann ich die Frage, wie uns das betreffen wird und wie wir reagieren sollten, überhaupt nicht beantworten. Wir müssen zunächst abwarten, was den Ankündigungen tatsächlich folgt.