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    Neu­ord­nung der Um­satz­be­steue­rung der öf­fent­li­chen Hand

    • Zum 1. Januar 2017 wurde die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand durch § 2b Umsatzsteuergesetz neu geregelt. Gleichzeitig besteht mit einer großzügigen gesetzlichen Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2020 ausreichend Zeit für etwaig notwendige Anpassungsprozesse.
    • Mit der Neuregelung kommen auf viele juristische Personen des öffentlichen Rechts große Umwälzungen zu. Sie erfordern eine genaue Analyse der bestehenden Strukturen und Prozesse.
    • Vor diesem Hintergrund hat das BMF in Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder zu verschiedenen Anwendungsfragen Stellung genommen.

    Einleitung

    Mit dem Steueränderungsgesetz 2015 vom 2. November 2015 (BGBl. I S. 1834) wurde die Umsatzbesteuerung juristischer Personen des öffentlichen Rechts durch Einführung des § 2b Umsatzsteuergesetz (UStG) auf eine neue gesetzliche Grundlage gestellt. Die Neuregelung wird durch eine Übergangsregelung begleitet und ist frühestens ab dem 1. Januar 2017 anzuwenden. Viele materiell-rechtliche Fragen sind hiermit verbunden. Das BMF hat hierzu in einem mit den obersten Finanzbehörden der Länder abgestimmten Schreiben vom 16. Dezember 2016 (BStBl. I S. 1451) Stellung genommen.

    Die Regelung des § 2b Umsatzsteuergesetz

    Bis zur Einführung des § 2b UStG waren juristische Personen des öffentlichen Rechts nach § 2 Abs. 3 UStG nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 Körperschaftsteuergesetz und ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe unternehmerisch tätig. Auf Basis der für das Körperschaftsteuerrecht geltenden Maßstäbe wurde so in weiten Teilen über die Frage der Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand entschieden. Dieser Umstand stieß in der Rechtsprechung vor allem im Hinblick auf seine Vereinbarkeit mit den Grundsätzen des innerhalb der Europäischen Union harmonisierten Mehrwertsteuersystems zunehmend auf Kritik. Der Gerichtshof der Europäischen Union und der Bundesfinanzhof haben in mehreren Entscheidungen die Auffassung vertreten, dass Leistungen der öffentlichen Hand, die mit denen privater Anbieter vergleichbar sind oder in direktem Wettbewerb zu Privaten erbracht werden, der Umsatzsteuer zu unterwerfen sind. Der Gesetzgeber hat hierauf reagiert und mit § 2b UStG eine stärker am Unionsrecht orientierte Regelung geschaffen.

    Nach § 2b Abs. 1 S.1 UStG gelten juristische Personen des öffentlichen Rechts nicht als Unternehmer im Sinne des § 2 UStG, soweit sie Tätigkeiten ausüben, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben. Allerdings unterliegen Tätigkeiten der Umsatzbesteuerung, sofern eine Behandlung als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.

    Zu den zentralen Aspekten der Vorschrift gehört damit als erstes die Frage, wann eine Tätigkeit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegt. Auf einer zweiten Stufe stellt sich dann die Frage nach dem Bestehen größerer Wettbewerbsverzerrungen, sollte auf die Umsatzbesteuerung der juristischen Person des öffentlichen Rechts verzichtet werden. Mit der zweiten Problemstellung befassen sich die Absätze 2 und 3 des § 2b UStG. Hier werden – nicht abschließend – Konstellationen geregelt, bei denen der Gesetzgeber die Möglichkeit größerer Wettbewerbsverzerrungen ausschließt. Hinzuweisen wäre dabei insbesondere auf die Wettbewerbsgrenze von 17.500 im Kalenderjahr: Bei Umsätzen aus jeweils gleichartigen Tätigkeiten einer juristischen Person des öffentlichen Rechts bis zu diesem Betrag kann eine relevante Wettbewerbsverzerrung ohne weitere Prüfung ausgeschlossen werden.

    Die Zusammenarbeit von juristischen Personen des öffentlichen Rechts greift § 2b Abs. 3 UStG auf – ein Thema, dem nicht nur im kommunalen Bereich angesichts knapper Haushaltsmittel, dem Wunsch nach mehr Effizienz in der Verwaltung und nicht zuletzt aufgrund demografischer Entwicklungen eine immer größere Rolle zukommen wird. Demgegenüber betrifft § 2b Abs. 4 UStG Ausnahmetatbestände, die unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 2b Abs. 1 bis 3 UStG stets der Umsatzbesteuerung zu unterwerfen sind (z. B. Telekommunikationswesen, Lieferung von Wasser, Gas, Elektrizität und thermischer Energie, Personenbeförderung).

    Betroffen sind von der Neuregelung alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts (Bund, Länder, Gemeinden, Gemeindeverbände, Zweckverbände), die öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften, die Innungen, Handwerkskammern, Industrie- und Handelskammern, die staatlichen Hochschulen, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und sonstige Gebilde, die aufgrund öffentlichen Rechts eigene Rechtspersönlichkeit besitzen. Dazu gehören neben Körperschaften auch Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts.

    Anwendungshinweise des BMF-Schreibens vom 16. Dezember 2016

    Mit der Vorschrift des § 2b UStG hat der Gesetzgeber Neuland betreten. Dies gilt vor allem für das Merkmal der größeren Wettbewerbsverzerrungen, das in Anlehnung an vergaberechtliche Maßstäbe definiert wurde – ein Novum im Umsatzsteuerrecht. Es liegt in der Natur der Sache, dass eine derartige Neuausrichtung bei den betroffenen Steuerpflichtigen, deren steuerlichen Beratern und in der Finanzverwaltung eine Vielzahl von Zweifelsfragen hervorruft, zu deren Klärung das BMF-Schreiben vom 16. Dezember 2016 (BStBl. I S. 1451) beitragen soll. Erschwert wurde dies insbesondere durch die divergierenden Interessen der öffentlichen Hand einerseits und der privaten Wirtschaft andererseits. Die betroffenen juristischen Personen des öffentlichen Rechts erhoffen sich eine rechtssichere und verlässliche Rechtsgrundlage bei gleichzeitiger Wahrung des Status Quo, wogegen die private Wirtschaft sich einem verstärkten Wettbewerb mit kommunalen Unternehmen ausgesetzt sieht und faire Wettbewerbsbedingungen einfordert. Und die Bürger schließlich wünschen sich, dass damit keine Verteuerung der Leistungen der Daseinsvorsorge einhergeht.

    Aus dem BMF-Schreiben seien die folgenden grundlegenden Aussagen besonders hervorgehoben:

    • Als Tätigkeiten, die einer juristischen Person des öffentlichen Rechts im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen und damit gegebenenfalls weiterhin nicht umsatzsteuerbar sind, kommen nur solche in Betracht, bei denen die juristische Person des öffentlichen Rechts auf Grundlage einer öffentlich-rechtlichen Sonderregelung tätig wird. Im Hinblick auf die Anwendung des § 2b UStG ist es ohne Belang, ob die juristische Person des öffentlichen Rechts mit ihrer Tätigkeit öffentliche Aufgaben etwa im Bereich der Daseinsvorsorge (z. B. Verkehrs- und Versorgungsbetriebe, Schulen, Krankenhäuser) wahrnimmt. Dies gilt auch dann, wenn die entsprechenden Aufgaben der juristischen Person des öffentlichen Rechts aufgrund einer gesetzlichen Vorschrift zugewiesen sind.
    • Tätigkeiten einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, die diese (zulässigerweise) im Rahmen öffentlich-rechtlicher Sonderregelungen ausführt, unterliegen nur dann der Umsatzsteuer, wenn die Nichtbesteuerung dieser Leistungen zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Verzerrungen des Wettbewerbs können nur stattfinden, wenn Wettbewerb besteht. Dies setzt voraus, dass die von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts auf öffentlich-rechtlicher Grundlage erbrachte Leistung gleicher Art auch von einem privaten Unternehmer erbracht werden könnte. Verzerrungen des Wettbewerbs im Sinne des § 2b UStG entstehen, wenn öffentlich-rechtliche und private Anbieter marktrelevant aufeinander treffen können und aufgrund der unterschiedlichen Besteuerung die Wettbewerbssituation zugunsten oder zulasten eines Marktteilnehmers verfälscht wird. Eine große Bedeutung kommt dabei der Frage zu, wie der Markt abzugrenzen ist. An den Begriff der „größeren Wettbewerbsverzerrungen“ sind keine erhöhten Anforderungen zu stellen. „Größer“ bedeutet in diesem Zusammenhang schlicht „mehr als unbedeutend“.
    • Fälle der Zusammenarbeit von juristischen Personen des öffentlichen Rechts bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben, bei denen keine größeren Wettbewerbsverzerrungen entstehen, beschreibt § 2b Abs. 3 UStG. Danach sind größere Wettbewerbsverzerrungen insbesondere dann auszuschließen, wenn die betroffenen Leistungen zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts ausgetauscht werden und dabei die Leistungen entweder aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nur von diesen erbracht werden dürfen oder deren Zusammenarbeit durch gemeinsame spezifische öffentliche Interessen bestimmt wird. Diese Vorschrift geht damit auf die spezifischen Bedürfnisse der interkommunalen Zusammenarbeit ein.

    Übergangsregelung

    Die Neuregelung des § 2b UStG wird von einer Übergangsregelung in § 27 Abs. 22 UStG begleitet, auf deren Grundlage eine juristische Person des öffentlichen Rechts dem Finanzamt gegenüber erklären konnte, das bisher geltende Recht für sämtliche vor dem 1. Januar 2021 ausgeführten Leistungen weiterhin anzuwenden (sogenannte Optionserklärung). Die Frist zur Optionsausübung ist am 31. Dezember 2016 abgelaufen. Zu Einzelfragen der Optionserklärung hat die Finanzverwaltung bereits mit dem BMF-Schreiben vom 19. April 2016 (BStBl. I S. 481) Stellung genommen.

    Schlussfolgerung

    Mit der neuen Regelung des § 2b UStG kommen auf viele juristische Personen des öffentlichen Rechts große Umwälzungen zu, die eine genaue Analyse der bestehenden Strukturen und Prozesse erforderlich machen. Die Finanzverwaltung hat durch die Klärung wichtiger Anwendungsgrundsätze hierfür eine Grundlage geschaffen, die gleichermaßen die Interessen der privaten Wirtschaft, der öffentlichen Hand und der Bürger im Blick hat. Durch die Einräumung einer großzügigen gesetzlichen Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2020 besteht ausreichend Zeit für etwaig notwendige Anpassungsprozesse. Doch nur wenn rechtzeitig gehandelt wird, kann eine gesetzeskonforme Besteuerung der Umsätze juristischer Personen des öffentlichen Rechts für die Zeit danach sichergestellt werden. Denn auch die längste Übergangsfrist geht irgendwann zu Ende.

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