- Der Einheitliche Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism, SSM) hat am 4. November 2014 seine Arbeit aufgenommen.
- Der SSM ist eine zentrale Säule der als Reaktion auf die Finanzmarkt- und Staatsschuldenkrise beschlossenen Bankenunion in Europa. Sein Ziel ist es, die Aufsicht über Banken in Europa zu vereinheitlichen und zu verbessern.
- Die Rechtsgrundlagen für die Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden im SSM sind die „Verordnung des Rates vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank“ (SSM-Verordnung) sowie die „Verordnung der Europäischen Zentralbank vom 16. April 2014 zur Errichtung eines Rahmenwerks für die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Zentralbank und den nationalen zuständigen Behörden und den nationalen benannten Behörden innerhalb des einheitlichen Aufsichtsmechanismus" (SSM-Rahmenverordnung).
Einleitung
Im Rahmen der Bewältigung der Finanzkrise wurde die Errichtung der Bankenunion in Europa beschlossen, um die Stabilität des Finanzsystems zu erhöhen und die Finanzmarktintegration weiter voranzutreiben. Die Bankenunion beruht auf einem gemeinsamen Regelwerk insbesondere zur Bankenaufsicht, Bankenabwicklung und Einlagensicherung (das sogenannte Single Rule Book). Der SSM ist neben dem Einheitlichen Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism, SRM) und einer vertieften Harmonisierung der nationalen Einlagensicherungen die zentrale Säule der Bankenunion. Mit ihm wurde die angesichts des eng verflochtenen Bankensektors in Europa notwendige europäische Perspektive der Bankenaufsicht begründet. Ziel war es, die Aufsicht in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) zu vereinheitlichen und die enge Verknüpfung zwischen der Verschuldung von Finanzsektor und Staatshaushalten zu durchbrechen, die sich in der jüngsten Vergangenheit krisenverschärfend ausgewirkt hat.
Struktur und Arbeitsweise des SSM
Die Staats- und Regierungschefs des Euroraums hatten sich bereits am 29. Juni 2012 grundsätzlich darauf geeinigt, eine zentrale Bankenaufsicht bei der Europäischen Zentralbank (EZB) für die Mitgliedstaaten des Euroraums einzurichten. Am 3. November 2013 ist die „Verordnung zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank“ (SSM-Verordnung) in Kraft getreten. Ein Jahr später hat der SSM seine Arbeit aufgenommen. Die SSM-Verordnung wurde durch die am 16. April 2014 von der EZB erlassene SSM-Rahmenverordnung ergänzt, welche die Grundsätze der Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden innerhalb des SSM regelt. Die Tätigkeit der EZB als Bankaufsichtsbehörde beschränkt sich zunächst nur auf die EU-Mitgliedstaaten des Euroraums. Mitgliedstaaten, deren Währung nicht der Euro ist, können im Rahmen einer sogenannten engen Zusammenarbeit am SSM teilnehmen (Opt-in). Ein Opt-in durch EU-Mitgliedstaaten ist bisher nicht erfolgt.
Aufgabenteilung im SSM
Der SSM ist ein Netzwerkverbund der Bankaufsichtsbehörden: Er besteht aus der EZB und den nationalen Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten (National Competent Authorities, NCAs). Der EZB wurde die unmittelbare Aufsicht über die bedeutenden Kreditinstitute (significant institutions) im Euroraum übertragen. Die Bedeutung eines Kreditinstituts wird anhand verschiedener Kriterien beurteilt: maßgeblich sind u. a. die Größe gemessen am Gesamtwert der Aktiva (über 30 Mrd. €), das Verhältnis der Aktiva des Instituts zum Bruttoinlandsprodukt des Niederlassungsmitgliedstaats (über 20 %) oder direkte Finanzhilfen durch den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). In jedem Fall werden die drei größten Institute eines Mitgliedstaats unmittelbar durch die EZB beaufsichtigt. Die EZB hat zudem die finale Entscheidungskompetenz unabhängig von der Bedeutung des Instituts bei den sogenannten gemeinsamen Verfahren, d. h. bei Erteilung und Entzug der Banklizenz sowie bei der Prüfung des Erwerbs qualifizierter Beteiligungen (über 10 %). Die nationalen Aufsichtsbehörden bereiten diese Beschlüsse der EZB vor. Die unmittelbare Aufsicht über die weniger bedeutenden Institute (less significant institutions) verbleibt bei den nationalen Aufsichtsbehörden. In Deutschland ist dies die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bundesbank.
Der unmittelbaren Aufsicht durch die EZB unterstehen 119 bedeutende Institute beziehungsweise Institutsgruppen im Euroraum, 21 von ihnen haben ihren Hauptsitz in Deutschland. 1.457 deutsche Institute werden als weniger bedeutende Kreditinstitute unmittelbar von der BaFin in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bundesbank beaufsichtigt (Stand Ende 2017).
Zusammenarbeit im SSM
Die EZB und die nationalen Aufsichtsbehörden arbeiten bei der Wahrnehmung der ihnen jeweils übertragenen Aufgaben eng zusammen. Die nationalen Behörden stellen der EZB alle Informationen zur Verfügung, die sie zur Erledigung der ihr durch die SSM-Verordnung übertragenen Aufgaben benötigt, und sie unterstützen die EZB etwa bei den Vor-Ort-Prüfungen der Banken. Bei der Beaufsichtigung von bedeutenden Instituten werden sogenannte Joint Supervisory Teams (JSTs) für die einzelnen Institute gebildet, die mit Mitarbeitern der EZB und der nationalen Aufsichtsbehörden gemischt besetzt werden. Die konkrete Zusammensetzung der JSTs richtet sich nach der Bedeutung, der Komplexität, dem Geschäftsmodell und dem Risikoprofil des beaufsichtigten Instituts sowie dem Umfang der Geschäftsaktivitäten in den einzelnen SSM-Mitgliedstaaten. Die EZB kann sich im Hinblick auf weniger bedeutende Institute auch durch die nationalen Aufsichtsbehörden über wesentliche Aufsichtsverfahren und wesentliche Aufsichtsbeschlüsse berichten lassen. Insoweit nimmt die EZB die ihr übertragenen Befugnisse zur Sicherstellung der Anwendung hoher Aufsichtsstandards und kohärenter Aufsichtsergebnisse wahr (mittelbare Aufsicht). Die EZB hat auch die Möglichkeit, die Aufsicht über ein weniger bedeutendes Institut insgesamt an sich zu ziehen. Zudem kann sie gegenüber den national zuständigen Behörden Verordnungen, Leitlinien oder allgemeine Weisungen erlassen, um einheitliche hohe Aufsichtsstandards im Euroraum zu gewährleisten.
Positive Bilanz nach drei Jahren
Drei Jahre nachdem der SSM seine Arbeit aufgenommen hat, kann rückblickend eine positive Bilanz gezogen werden. Die einheitliche europäische Bankenaufsicht als erste Säule der Bankenunion ist unter großem Zeitdruck erfolgreich errichtet worden und trägt nun nachhaltig zur Finanzstabilität und einer Vertiefung der Finanzmarktintegration in Europa bei. Mit dem SSM ist eine Harmonisierung der Aufsichtspraxis möglich geworden, die neben der EU-weiten Vereinheitlichung der Bankenregulierung wesentlich zur Stabilität des Bankensektors beiträgt. Zu diesem Ergebnis kommt auch die Europäische Kommission in ihrem Bericht zum SSM an das Europäische Parlament und den Rat vom 11. Oktober 2017. Sie hält eine Änderung des SSM-Regelwerks zum gegenwärtigen Zeitpunkt daher auch nicht für erforderlich.
Dem Ziel, die Banken im Euroraum nach einheitlichen hohen Aufsichtsstandards zu beaufsichtigen, ist der SSM in den vergangenen drei Jahren durch weitere Harmonisierungsmaßnahmen näher gekommen. Zum Beispiel hat die EZB im Jahre 2016 mit den nationalen Aufsichtsbehörden vereinbart, die im europäischen Bankaufsichtsrecht vielfach bestehenden Optionen und Ermessensspielräume für Aufseher euroraumweit einheitlich auszuüben. Ein weiteres wichtiges Instrument zur Harmonisierung der Aufsicht ist der aufsichtliche Überprüfungs- und Bewertungsprozess (Supervisory Review and Evaluation Process, SREP). Dieser gewährleistet, dass alle Banken im Euroraum nach den gleichen Methoden und Standards beaufsichtigt werden. Innerhalb des SREP wird seitens der Aufsichtsbehörde überprüft, ob die vom Institut eingegangenen Risiken institutsintern angemessen bewertet und gesteuert werden. Soweit erforderlich, können den einzelnen Instituten zusätzliche Kapital- oder/und Liquiditätsvorgaben gemacht werden. Harmonisierte europäische Vorgaben ergeben sich bereits aus den Leitlinien der Europäischen Bankaufsichtsbehörde zum SREP. Die EZB hat auf dieser Grundlage einen SREP für alle bedeutenden Institute entwickelt. Derzeit arbeitet sie gemeinsam mit den nationalen Aufsichtsbehörden an einer SREP-Methodik für die weniger bedeutenden Institute.
Trotz dieser positiven Zwischenbilanz besteht in einzelnen Bereichen noch Potenzial für Verbesserungen. Insbesondere sollte im Rahmen des SSM eine lückenlose öffentliche Finanzkontrolle auch für den Bereich der bedeutenden Institute gewährleistet sein. Mit der Übertragung der Bankenaufsicht über bedeutende Institute auf die EZB obliegt die öffentliche Finanzkontrolle insoweit nicht mehr dem Bundesrechnungshof, sondern dem Europäischen Rechnungshof (ERH). Die Prüfpraxis des ERH sollte mit dem Abschluss einer Kooperationsvereinbarung zwischen ERH und EZB weiter verbessert werden.
Governance weiter verbessern
Die EZB ist neben ihrer Aufsichtsfunktion auch für die Geldpolitik im Euroraum zuständig. Diese beiden der EZB zugewiesenen Aufgaben verfolgen unterschiedliche Ziele – Einhaltung der regulatorischen Vorgaben und Stabilität des Bankensektors auf der einen Seite, Preisstabilität im Euroraum auf der anderen Seite –, die im Einzelfall miteinander kollidieren können. Daher wurde bei der Errichtung des SSM auf eine grundsätzliche Trennung von Geldpolitik und Bankenaufsicht innerhalb der EZB geachtet. Das eigens geschaffene Aufsichtsgremium bereitet sämtliche Aufsichtsentscheidungen vor, die allerdings vom EZB-Rat als dem Entscheidungsgremium der EZB beschlossen werden müssen. Der EZB-Rat ist zugleich auch für geldpolitische Entscheidungen zuständig.
Trennung von Geldpolitik und Bankenaufsicht
Die EU-Verträge legen fest, dass nur der EZB-Rat Beschlüsse mit Außenwirkung für die EZB fassen darf. Diese Vorgabe des EU-Primärrechts konnte daher nicht durch eine sekundärrechtliche Regelung in der SSM-Verordnung abgeändert werden. Aufsichtsentscheidungen müssen daher durch den EZB-Rat getroffen werden, der auch für geldpolitische Entscheidungen zuständig ist. Die Entscheidungsfindung im Bereich Bankenaufsicht erfolgt in einem sogenannten Non-Objection-Verfahren, das bedeutet, das Aufsichtsgremium legt dem EZB-Rat Beschlussentwürfe vor, die als angenommen gelten, wenn der EZB-Rat nicht innerhalb einer bestimmten Frist widerspricht. Zusätzlich wurde eine Schlichtungsstelle eingerichtet, die Meinungsverschiedenheiten zwischen den betroffenen Mitgliedstaaten und dem EZB-Rat beilegen soll.
Eine klare Trennung von Geldpolitik und Bankenaufsicht würde die Letztentscheidungskompetenz des Aufsichtsgremiums in Aufsichtsfragen erfordern. Dafür wäre jedoch eine Änderung der EU-Verträge erforderlich und damit ein gemeinsamer politischer Wille aller EU-Mitgliedstaaten. Bis dahin soll durch die bestehenden Vorkehrungen innerhalb der EZB sichergestellt werden, dass zwischen beiden Zuständigkeitsbereichen eine klare organisatorische Trennung besteht, die durch getrennte Berichtslinien und Geheimhaltungsverpflichtungen abgesichert wird.
Zentrale Entscheidungsstrukturen gewährleisten, dass im Euroraum ein einheitliches Verständnis der bankaufsichtlichen Regeln und Standards entsteht und damit ein sogenanntes level playing field für alle Banken. Allerdings sollte bei aller Vereinheitlichung darauf geachtet werden, dass die Bankenaufsicht effektiv arbeiten kann. Das Aufsichtsgremium und der EZB-Rat müssen jedes Jahr mehrere tausend Einzelentscheidungen treffen, zu deren Vorbereitung die nationalen Aufsichtsbehörden und Zentralbanken in einem aufwendigen Abstimmungsverfahren eingebunden sind. Die zu treffenden Entscheidungen sind dabei im Hinblick auf Komplexität und Bedeutung von sehr unterschiedlicher Art und erfordern nicht immer eine Befassung von SSM-Aufsichtsgremium und EZB-Rat. Im Sinne einer weiteren Effizienzsteigerung ist daher die Initiative der EZB zu begrüßen, Routineentscheidungen und Entscheidungen mit geringeren Auswirkungen auf die Arbeitsebene zu delegieren. Dadurch können SSM-Aufsichtsgremium und EZB-Rat ihre Ressourcen auf die wesentlichen Entscheidungen konzentrieren.
Proportionalität beachten
Mit dem SSM sind die Voraussetzungen dafür geschaffen worden, dass hohe regulatorische Aufsichsstandards im Euroraum einheitlich gelebt werden und eine grenzüberschreitende Überwachung des vernetzten Bankensektors erfolgt. Dabei muss auch bei der Aufsichtspraxis – ebenso wie bei der Regulierung – eine ausgewogene Balance zwischen Harmonisierung und Proportionalität gefunden werden. Große, international vernetzte Banken müssen anderen Anforderungen genügen als regional aufgestellte, nicht komplexe Institute. Es geht dabei nicht um ein weniger an Aufsicht, sondern um eine nach Größe und Komplexität der Banken angemessene Aufsicht (Small Banking Box/ Stärkung der Proportionalität in der Bankenregulierung).
Small Banking Box/Stärkung der Proportionalität in der Bankenregulierung
Deutschland hat im Kreis der EU-Mitgliedstaaten den Vorschlag eingebracht, für kleine, nicht komplexe Kreditinstitute ein alternatives Regulierungsregime vorzusehen. In einem ersten Schritt hat sich die Bundesregierung im Zuge der laufenden Überarbeitung der Kapitaladäquanzverordnung und -richtlinie (Capital Requirements Regulation – CRR und Capital Requirements Directive – CRD IV) für substanzielle Erleichterungen innerhalb des bestehenden Rahmenwerks eingesetzt. Dabei geht es nicht um eine Regulierung „light“, sondern darum, eine passende Regulierung für kleine, nicht komplexe Institute zu schaffen. Kleine Institute sollen von unnötigen bürokratischen Pflichten, z. B. beim Meldewesen, entlastet werden, die zentralen Anforderungen an Eigenkapital, Liquidität und Risikomanagement bleiben jedoch bestehen.
Der Grundsatz der Proportionalität sollte u. a. auch innerhalb des SREP hinreichend Berücksichtigung finden. Die Ausgestaltung der bankinternen Risikomess- und Risikosteuerungsverfahren muss sich an Geschäftsmodell, Größe und Risikogehalt des Instituts orientieren. Diese Zielsetzung sollte im Rahmen der Implementierung der vom SSM entwickelten SREP-Methodik für weniger bedeutende Institute Beachtung finden.
Fazit
Drei Jahre nach seinem Start ist der SSM ein gut funktionierender Aufsichtsverbund, der sich eingespielt hat und das europäische Bankensystem insgesamt stabiler und widerstandsfähiger gemacht hat. Die Richtung stimmt, aber es gibt noch Verbesserungsbedarf in einzelnen Bereichen.