- Die Statistiken über die Einspruchsbearbeitung in den Finanzämtern bestätigen die nach wie vor hohe Filterwirkung des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens nach der Abgabenordnung. Weniger als 1,8 % der Einsprüche führen zu einer Klage.
- Im Berichtszeitraum (2013 bis 2017) konnte der Bestand der am Jahresende unerledigten Einsprüche um circa 1,6 Mio. Einsprüche auf nunmehr circa 2,3 Mio. Einsprüche abgebaut werden.
- Die Einspruchseingänge sind seit einigen Jahren rückläufig. Während im Kalenderjahr 2013 noch rund 4 Mio. Einsprüche in den Finanzämtern eingegangen sind, ist diese Zahl bis 2017 auf 3,2 Mio. Einsprüche gesunken.
Rechtsweg in Steuersachen
Jedem, der glaubt, durch den Staat in seinen Rechten verletzt zu sein (z. B. durch einen fehlerhaften Steuerbescheid), steht nach Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes der Weg zu den Gerichten offen.
Grundsätzlich können die Finanzgerichte nicht unmittelbar angerufen werden. Vielmehr ist im Regelfall zunächst Einspruch bei der Finanzbehörde einzulegen. Hierdurch wird der Verwaltung Gelegenheit gegeben, den Steuerfall noch einmal zu überprüfen, bevor sich das Gericht mit der Angelegenheit befasst. Die meisten Rechtsstreitigkeiten erledigen sich bereits im Einspruchsverfahren, das somit eine hohe Filterwirkung hat (mehr siehe unter „Statistik zur Klageerhebung“).
Die gesetzlichen Grundlagen für das Einspruchsverfahren ergeben sich aus den §§ 347 bis 367 der Abgabenordnung (AO).1 Verwaltungsanweisungen hierzu enthält der Anwendungserlass zur Abgabenordnung.2
Statistiken zur Einspruchsbearbeitung
Gegenstand der Einspruchsstatistiken
Das BMF erstellt jährlich eine Einspruchsstatistik und veröffentlicht sie auf seinen Internetseiten.3 Darüber hinaus hat das BMF in verschiedenen Monatsberichten die Statistikdaten für die Jahre 2009 bis 2016 veröffentlicht.4
Diese Statistiken erfassen allerdings nur die bei den Finanzämtern eingegangenen Einsprüche, nicht aber Einsprüche, die bei anderen Finanzbehörden erhoben werden, insbesondere
- beim Bundeszentralamt für Steuern,
- bei den Familienkassen und
- bei den Behörden der Zollverwaltung.
Früher wurden in der Statistik Abgaben und Übernahmen saldierend bei den Eingängen sowie sonstige Bestandskorrekturen (beispielsweise nach Aufdecken fehlerhafter Einträge in den Rechtsbehelfslisten) entweder ebenfalls saldierend bei den Eingängen oder durch eine Anpassung des Anfangsbestands berücksichtigt. Seit dem Jahr 2013 enthält die Einspruchsstatistik die Rubrik „Saldo aus Übernahmen, Abgaben, Storni und sonstigen Bestandskorrekturen“. „Abgaben“ können nicht nur darauf beruhen, dass sich die örtliche Zuständigkeit des Finanzamts (z. B. durch einen Wechsel des Wohnsitzes oder des Ortes der Geschäftsleitung) geändert hat, sondern auch auf einem Wechsel der sachlichen Zuständigkeit, wie z. B. im Fall der Übernahme der Verwaltung der Kraftfahrzeugsteuer durch die Hauptzollämter.
Wie bereits im Jahr 2016 enthält die Position „Sonstige Bestandskorrekturen“ auch im Jahr 2017 solche Korrekturen, die aufgrund der Vereinheitlichung der Datenhaltung und der automationsunterstützten Bearbeitung von Rechtsbehelfen in mehreren Ländern erforderlich waren. Zum Teil wurde aufgrund der Umstellung während des Kalenderjahres zudem mit unterschiedlichen statistischen Verfahren gearbeitet.
Ferner wurde seit dem Jahr 2014 die Erledigungsart „Auf andere Weise“ aufgenommen. Hierunter fallen beispielsweise Verfahren, in denen sich eine angefochtene Außenprüfungsanordnung vor einer Entscheidung über den Einspruch mit Beendigung der Außenprüfung erledigt hat, sowie Fälle, in denen sich ein mit einem Einspruch beantragter Lohnsteuer-Freibetrag (§ 39a Einkommensteuergesetz) im Lohnsteuerabzugsverfahren nicht mehr auswirken kann. Früher wurden diese – zahlenmäßig unbedeutenden – Fälle in der Einspruchsstatistik uneinheitlich berücksichtigt.
Einspruchsstatistiken der Jahre 2013 bis 2017
Für die vergangenen fünf Jahre hat das BMF die in Tabelle 1 aufgelisteten Daten veröffentlicht.
Eingegangene Einsprüche
Nachdem in den Jahren 2012 und 2013 ein Anstieg der erhobenen Einsprüche zu verzeichnen war, ist die Zahl der eingelegten Einsprüche in den Jahren 2014 bis 2017 auf nunmehr circa 3,2 Mio. pro Jahr zurückgegangen.
Eine Aussage darüber, wie häufig Bescheide der Finanzämter mit einem Einspruch angefochten werden, ist jedoch nicht möglich. Hierzu müsste bekannt sein, wie viele Verwaltungsakte die Finanzämter jährlich erlassen, da mit dem Einspruch nicht nur Steuerbescheide angefochten werden können, sondern auch sonstige Verwaltungsakte, wie beispielsweise die Ablehnung einer Stundung, eines Steuererlasses oder einer Aussetzung der Vollziehung, die Anordnung einer Außenprüfung, die Festsetzung eines Verspätungszuschlags oder eine Pfändung. Daten hierzu liegen dem BMF nicht vor.
Erledigte Einsprüche
Die Zahl der im Jahr 2017 erledigten Einsprüche hat sich im Vergleich zum Vorjahr um 2,4 % vermindert. Sie liegt aber weiterhin über der Zahl der Eingänge desselben Jahres, sodass der Bestand der unerledigten Einsprüche zum Jahresende erneut um 5,2 % abgebaut werden konnte (siehe Abschnitt 3).
Die Verteilung auf die Erledigungsarten „Rücknahme“, „Abhilfe“, „Einspruchsentscheidung ohne Teil-Einspruchsentscheidung“ und „Teil-Einspruchsentscheidung“ und ab 2014 auf die Erledigungsart „Auf andere Weise“ (siehe „Gegenstand der Einspruchsstatistik“) ist weitgehend konstant. Die Daten zu den Erledigungsarten lassen aber nur bedingt Rückschlüsse darauf zu, wie häufig die mit dem Einspruch angefochtenen Bescheide fehlerhaft waren. Hierzu ist Folgendes zu beachten:
- Abhilfen (hierauf entfallen circa zwei Drittel der erledigten Einsprüche) beruhen häufig darauf, dass erst im Einspruchsverfahren Steuererklärungen abgegeben, Aufwendungen geltend gemacht oder belegt werden. Außerdem kann Einsprüchen, die im Hinblick auf anhängige gerichtliche Musterverfahren eingelegt wurden, durch Aufnahme eines Vorläufigkeitsvermerks in den angefochtenen Steuerbescheid abgeholfen worden sein. Des Weiteren kann eine Abhilfe auch darauf beruhen, dass der Steuerbürger seinen ursprünglichen Einspruchsantrag nach einer Erörterung mit dem Finanzamt eingeschränkt hat.
- Die Rücknahme des Einspruchs (circa ein Fünftel der erledigten Einsprüche) deutet zunächst darauf hin, dass der angefochtene Bescheid fehlerfrei war und der Sachbearbeiter im Finanzamt Fragen zum Steuerbescheid mit dem Steuerbürger im Einspruchsverfahren geklärt hat. Einer Einspruchsrücknahme kann aber auch ein Änderungsbescheid vorangegangen sein, der dem Antrag des Steuerbürgers teilweise entsprochen hat.
- Auch in einer Einspruchsentscheidung (circa ein Zehntel der erledigten Einsprüche) kann dem Antrag des Steuerbürgers teilweise entsprochen worden sein.
Teil-Einspruchsentscheidungen (§ 367 Abs. 2a AO) werden in der Statistik als Erledigungsfall behandelt, da die Verwaltung davon ausgeht, dass insoweit die Einspruchsverfahren in den meisten Fällen später durch eine Allgemeinverfügung nach § 367 Abs. 2b AO abgeschlossen werden können, was dann kein Erledigungsfall im Sinne der Statistik ist. Diese Zählweise ändert jedoch nichts daran, dass nach Erlass einer Teil-Einspruchsentscheidung das Einspruchsverfahren weiter (wenn auch in beschränktem Umfang) anhängig bleibt.
Anfangsbestand und Endbestand
Der Bestand der zum 31. Dezember 2017 anhängigen Einspruchsverfahren konnte im Vergleich mit den Vorjahren weiter abgebaut werden. Er wurde seit dem 31. Dezember 2013 um circa 1,6 Mio. Einsprüche auf nunmehr circa 2,3 Mio. Einsprüche reduziert.
Es kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass alle diese Einsprüche auch „bearbeitungsreif“ waren. Vielmehr waren von den vorgenannten zum Jahreswechsel anhängigen Einsprüchen
- zum 31. Dezember 2017 insgesamt 1.181.811 Einspruchsverfahren,
- zum 31. Dezember 2016 insgesamt 1.233.952 Einspruchsverfahren,
- zum 31. Dezember 2015 insgesamt 1.291.038 Einspruchsverfahren,
- zum 31. Dezember 2014 insgesamt 1.528.142 Einspruchsverfahren und
- zum 31. Dezember 2013 insgesamt 2.346.299 Einspruchsverfahren
nach § 363 Abs. 1 AO ausgesetzt oder ruhten gemäß § 363 Abs. 2 AO. Häufig bedeutet dies, dass über die im Einspruchsverfahren streitigen Rechtsfragen wegen vorgreiflicher Gerichtsentscheidungen noch nicht entschieden werden konnte.
Statistik zur Klageerhebung
Die Zahl der gegen die Finanzämter erhobenen Klagen ist im Jahr 2017 gegenüber dem Vorjahr um 1,5 % gesunken. Nach noch 61.018 Klagen im Jahr 2016 wurden 2017 insgesamt 60.132 Klagen erhoben. Im Vergleich zu den insgesamt im Jahr 2017 durch die Finanzämter erledigten Einsprüchen entspricht dies – wie bereits im Vorjahr – einer Quote von 1,8 %.
Die betragsmäßig konstanten Klageerhebungen
vor den Finanzgerichten (im Berichtszeitraum weniger als 2 % der erledigten Einsprüche) zeigen, dass die meisten Streitigkeiten über Steuerbescheide außergerichtlich in dem für den Steuerbürger kostenfreien Einspruchsverfahren geklärt werden konnten. Dies belegt eine erfolgreiche Filterwirkung des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens. Außerdem werden die Finanzgerichte hierdurch entlastet.
Bei einem Vergleich mit der vom Statistischen Bundesamt erstellten Statistik der Finanzgerichte5 ist zu beachten, dass diese auch Klagen erfasst, die nicht gegen die Finanzämter, sondern gegen andere Finanzbehörden gerichtet sind (siehe oben). Außerdem sind die Zählweisen nicht identisch. Für die Einspruchs- und Klagestatistik der Finanzämter ist maßgebend, wie viele Verwaltungsakte ein Einspruch betrifft. In der Statistik der Finanzgerichte wird eine Klage, die sich gegen mehrere Verwaltungsakte richtet (z. B. eine Klage gegen einen aufgrund einer Außenprüfung ergehenden Änderungsbescheid für mehrere Veranlagungszeiträume) dagegen nur als ein Fall gezählt.