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    Auf­tei­lung der 2018 neu be­rech­ne­ten Bud­getse­mi­elas­ti­zi­tät auf Bund, Län­der, Ge­mein­den und So­zi­al­ver­si­che­run­gen

    • Die Europäische Kommission hat im Jahr 2018 die sogenannte Budgetsemielastizität für alle Mitgliedstaaten neu berechnet. Diese Größe ist relevant für die Berechnung des konjunkturbereinigten Finanzierungssaldos des Staates.
    • Das BMF hat den neuen Wert auf die Ebenen Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen aufgeteilt. Die Aufteilung ist für die Berechnung der strukturellen Nettokreditaufnahme im Rahmen der Schuldenbremse des Bundes und der Länder von Bedeutung.

    Einleitung

    Die Europäische Kommission hat im Jahr 2018 turnusmäßig eine Neuberechnung (Update) der sogenannten Budgetsemielastizität vorgenommen. Die Budgetsemielastizität dient als Mittel zur Bemessung struktureller Finanzierungssalden und ist daher maßgeblicher Teil der Indikatoren zur Haushaltsüberwachung im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Der Wert dieser Größe steht in Abhängigkeit zu den einzelnen Elastizitäten aller Einnahmen- und Ausgabenkategorien, aus welchen sich der Finanzierungssaldo zusammensetzt, sowie aus deren jeweiligen Gewichten in Anteilen des Bruttoinlandsprodukts (BIP).

    Die Revision der Budgetsemielastizität folgt einem bestimmten Zyklus entsprechend den Vereinbarungen in der Output Gap Working Group (OGWG) des Wirtschaftspolitischen Ausschusses des Europäischen Rates der Wirtschafts- und Finanzminister (WPA). Alle neun Jahre werden die Elastizitäten der für die Berechnung der Budgetsemielastizität relevanten Einnahmen und Ausgabenkomponenten neu geschätzt. Die Gewichte, mit denen diese Teilelastizitäten aggregiert werden, werden alle sechs Jahre aktualisiert.

    Budgetsemielastizität

    In Kombination mit der geschätzten gesamtwirtschaftlichen Produktionslücke – der Differenz zwischen realisiertem BIP und dem gesamtwirtschaftlichen Produktionspotenzial – wird durch das Konjunkturbereinigungsverfahren der Anteil des Finanzierungssaldos des Staates ermittelt, welcher rein auf die Konjunktur zurückzuführen ist. Die Budgetsemielastizität ist ein Maß für die Reaktivität des staatlichen Finanzierungssaldos (in % des BIP) auf eine Veränderung des BIP. Sie misst, um wie viele Prozentpunkte sich das Verhältnis zwischen Finanzierungssaldo und BIP verändert bei einer 1 %igen Erhöhung des BIP. Zur konjunkturellen Bereinigung wird zunächst die Konjunkturkomponente durch das Produkt von Budgetsemielastizität und Produktionslücke ermittelt. Wird die Konjunkturkomponente vom Finanzierungssaldo subtrahiert, ergibt sich der konjunkturbereinigte Finanzierungssaldo. In einem weiteren Schritt werden einmalige Effekte abgezogen, um den sogenannten strukturellen Finanzierungssaldo zu bestimmen.

    Die im Jahr 2018 erfolgte Aktualisierung bezieht sich allein auf die Gewichte, mit denen die Teilelastizitäten aggregiert werden. Die nächste Neuberechnung der individuellen Teilelastizitäten erfolgt im Jahr 2024.

    Die Europäische Kommission wird die aktualisierten Budgetsemielastizitäten erstmals in der Frühjahrsprognose 2019 anwenden. Entsprechend hat auch die Bundesregierung die neue Budgetsemielastizität erstmals in der Jahresprojektion 2019 verwendet.

    Ergebnis der Neuberechnung der Gewichte für den Gesamtstaat

    Die aktuelle Neuberechnung der Gewichte basiert auf der Periode 2008 bis 2017. Mit der regelmäßigen Revision werden Durchschnittswerte der Gewichte durchgängig über einen Zeitraum von zehn Jahren gebildet. Die vorherige Berechnung der Teilelastizitäten basierte auf der Periode 2002 bis 2011.

    Der Neuberechnung der Gewichte folgend hat sich für Deutschland eine gesamtstaatliche Budgetsemielastizität von 0,504 ergeben1 (zuvor: 0,551). Dies bedeutet z. B.: Eine Produktionslücke von -10 Mrd. € geht mit einem konjunkturell bedingten Defizit von 5,04 Mrd. € einher. Die Produktionslücke bezeichnet hier die Differenz zwischen tatsächlichem und potenziellem Bruttoinlandsprodukt. Obwohl die absolute Minderung der Budgetsemielastizität für Deutschland im europäischen Vergleich der Revision geringfügig höher ausfällt als für die Mehrheit der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU), entspricht sie keiner außerordentlichen Herabsetzung. Der aktualisierte deutsche Wert nähert sich dem EU-28-Durchschnitt an, der sich auf eine Budgetsemielastizität von 0,496 beziffert und durch die Neuberechnung nahezu unverändert bleibt (zuvor: 0,502).

    Es lassen sich im Wesentlichen drei Ursachen für die geringere gesamtstaatliche Budgetsemielastizität nennen:

    • Datenrevisionen (u. a. durch Umstellung auf das Europäische System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen 2010): Eine vom BMF durchgeführte Rekalkulation der Periode 2002 bis 2011 ergibt für sich bereits eine Verringerung der Budgetsemielastizität auf 0,532, womit rund 40 % der Veränderung erklärt werden können.
    • Geringere Arbeitsmarktausgaben: Der Anteil der konjunkturreagiblen Arbeitsmarktausgaben an den Gesamtausgaben hat sich im Vergleich zur Periode 2002 bis 2011 von 6,22 % auf 4,55 % der Gesamtausgaben verringert.
    • Höherer Anteil sonstiger Einnahmen: Der Anteil nichtkonjunkturreagibler sonstiger Einnahmen steigt von 8,96 % auf 11,15 % der Gesamteinnahmen.

    Gewichte der für die Budgetsemielastizität relevanten Einnahmen- und Ausgabenkategorien im Vergleich

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    Tabelle 1

    Ergebnis der Aufteilung auf die Teilsektoren

    Die neue Budgetsemielastizität wurde in analoger Weise zu den Berechnungen der Europäischen Kommission auf die einzelnen staatlichen Ebenen in Deutschland verteilt. Im ersten Schritt wurden die bei der Berechnung verwendeten Einnahmen und Ausgabenkategorien für die staatlichen Ebenen betrachtet. Im zweiten Schritt wurde die Semielastizität für jede staatliche Ebene auf Basis der sich ergebenden neuen Gewichte ermittelt.

    Konkret sind in die Berechnung zur Aufteilung der Budgetsemielastizität die in Tabelle 2 aufgeführten Variablen eingeflossen, die gegebenenfalls auf die staatlichen Ebenen aufzuteilen waren.

    Variablen zur Berechnung der Elastizitäten

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    Tabelle 2

    Die Daten für die Teilaggregate Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen entstammen dem Staatskonto des Statistischen Bundesamts. Die Daten entsprechen dem Stand vom 28. Februar 2018 in der von Eurostat validierten Fassung. Auf diesem Stand haben die Daten auch den Berechnungen der Europäischen Kommission zugrunde gelegen.

    Das Ergebnis ist in Tabelle 3 dargestellt. Im Ergebnis der Neu-Gewichtung der Anteile der Teilelastizitäten sinkt die Semielastizität des Bundes auf 0,203, die der Länder steigt auf 0,134, die der Gemeinden sinkt auf 0,057 und die der Sozialversicherungen sinkt auf 0,110. Der Wert der Sozialversicherungen unterliegt einer verhältnismäßig starken Absenkung, die sich durch das Zusammenspiel von erstens der Berücksichtigung von Zuweisungen an die Bundesagentur für Arbeit als Arbeitsmarktausgaben des Bundes und zweitens dem verringerten Gewicht der Sozialbeiträge ergibt.

    Dekomposition der fiskalischen Semi-Elastizitäten

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    Tabelle 3

    Für die Aufteilung auf die einzelnen staatlichen Ebenen wurden vom BMF folgende Annahmen getroffen:

    • Aufteilung statistischer Differenzen. In einigen Fällen entsprach die Summe der Teilaggregate nicht dem veröffentlichten Aggregat, also z. B. die Summe der Ausgaben von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen nicht der Summe der veröffentlichten Gesamtausgaben. Die Differenz wurde in diesen Fällen anhand des Anteils auf die einzelnen staatlichen Ebenen verteilt.
    • Konsolidierung. Die Konsolidierung der Einnahmen und Ausgaben erfolgte nach dem Nettoprinzip. Nettoeinnahmen = Bruttoeinnahmen ./. Einnahmen von anderen staatlichen Ebenen. Nettoausgaben = Bruttoausgaben ./. Einnahmen von anderen staatlichen Ebenen.

    Ausblick

    Im Ergebnis werden durch die Aktualisierung und die dadurch induzierte Anpassung der Budgetsemielastizitäten keine außerordentlichen Veränderungen der geschätzten Konjunkturkomponenten hervorgerufen. Insgesamt spiegelt sich die Minderung der Budgetsemielastizität auf Staatsebene nur in geringfügigen Veränderungen wider, verteilt auf die Unterebenen. Insbesondere im Hinblick auf die von der Schuldenbremse betroffenen Ebenen des Bundes und der Länder ist keine wesentliche Revision der projizierten Konjunkturkomponenten absehbar. Die Konjunkturkomponente stellt sich gemäß der Jahresprojektion der Bundesregierung für den Bundeshaushalt bis 2023 wie in Tabelle 4 abgebildet dar.

    Produktionslücken, Budgetsemielastizität und Konjunkturkomponenten auf Bundesebene

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    Tabelle 4

    Fußnoten

    1
    Vergleiche Europäische Kommission, Report on Public Finances in EMU 2018: Recent developments in the fiscal surveillance framework, Institutional Paper 095, Januar 2019.

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