Klimaziele erreichen, Strukturwandel gestalten und Betroffene absichern
Die Jahrhundertaufgabe Klimaschutz kann Deutschland nur im gesellschaftlichen Konsens meistern. Mit der Einigung auf das Gesamtpaket zum Kohleausstieg haben der Bund und die beteiligten Länder gezeigt, dass dies möglich ist.
Deutschland ist das erste Industrieland, das sowohl aus der Atom- als auch aus der Kohleverstromung aussteigt und damit die Weichen endgültig auf erneuerbare Energien stellt. Mit dem Kohleausstieg wird der Treibhausgas-Ausstoß Deutschlands in den kommenden Jahren massiv zurückgehen.
Das Paket enthält aber auch Perspektiven für die Kohleregionen, ihre Menschen und Unternehmen. Mit einer Bund-Länder-Vereinbarung geben die Bundesregierung und die beteiligten Länder ein klares Signal: Deutschland wird die sozialen und gesellschaftlichen Folgen abfedern und neuen Wohlstand fördern.
Spätestens 2038 wird die Kohleverstromung in Deutschland Geschichte sein: Neubauten von Kraftwerken werden ab sofort verboten, die bestehenden Kraftwerke Block für Block vom Netz genommen. Der Kohleausstieg leistet einen wichtigen Beitrag dafür, dass Deutschland seine Klimaschutzziele 2030 erreichen und bis 2050 treibhausgasneutral werden wird.
Klar ist aber auch: In einigen Regionen ist die Kohle(-verstromung) bis heute ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Diese Regionen, die Beschäftigten und Unternehmen stehen vor großen Herausforderungen. Die politische Entscheidung, die Kohleverstromung zu beenden, geht deshalb mit einer besonderen Verantwortung für die betroffenen Regionen und ihre Menschen einher. Dieser Verantwortung ist sich die Bundesregierung bewusst. Der Staat unterstützt deshalb die Beschäftigten mit einem Anpassungsgeld – so, wie es bei den Bergleuten in den Steinkohlezechen schon einmal funktioniert hat. Und der Bund unterstützt die Kohleregionen verlässlich mit bis zu 40 Mrd. €, damit neue wirtschaftliche Strukturen mit gut bezahlter Arbeit bis 2038 entstehen können.
Von Anfang an war es wichtig, den Kohleausstieg in einem breiten gesellschaftlichen Konsens mit den betroffenen Ländern, Regionen, Arbeitnehmervertretungen und Umweltschutzorganisationen zu erreichen. Die Jahrhundertaufgabe Klimaschutz gelingt nur, wenn sie von breiten Teilen der Bevölkerung getragen wird. Aufbauend auf den Empfehlungen der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ wurde Mitte Januar mit den betroffenen Ländern eine Einigung zum Kohleausstieg erreicht. Damit schafft Deutschland einen umfassenden Ausgleich zwischen Wirtschaft, Arbeit und Umwelt, zwischen Ost und West, zwischen Kraftwerksstandorten, Kohleregionen und einer ambitionierten Klimaschutzpolitik. Strom wird dennoch bezahlbar und sicher verfügbar bleiben.
Damit der Strom in Deutschland in den nächsten Jahren wirklich auch ökologisch nachhaltiger werden wird, muss jetzt endlich der Ausbau der erneuerbaren Energien massiv forciert werden, damit bis zum Jahr 2030 mindestens 65 % des Stroms aus erneuerbaren Quellen kommen wird.
Die getroffenen Vereinbarungen schaffen nun eine Verbindlichkeit, auf die sich alle verlassen können:
- Es wird einen konkreten Ausstiegspfad für die Braunkohle geben. Die Braunkohlekraftwerke werden in den kommenden Jahren Block für Block vom Netz genommen. Dabei wird auf einen fairen Ausgleich zwischen Ost und West geachtet und alte Kraftwerke, die viel CO2 emittieren, werden schon in den nächsten Jahren vom Netz genommen. Der Ausstieg aus der Kohleverstromung beginnt bereits in diesem Jahr. Damit halten sich die Bundesregierung und die betroffenen Länder sowohl an das vereinbarte Ziel der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, kurzfristig den Strom aus Kohlekraft bis 2022 auf 15,0 Gigawatt (GW) Leistung zu reduzieren, als auch an das vereinbarte Ziel von 8,8 GW bis 2030. Das leistet einen großen Beitrag dafür, dass Deutschland seine Klimaziele 2030 erreichen wird. Außerdem konnte sichergestellt werden, dass der Hambacher Forst nicht für den Tagebau in Anspruch genommen wird. Damit werden wesentliche Vorschläge der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ eingehalten.
- Deutschland wird auch den Ausstieg aus der Steinkohleverstromung gesetzlich fixieren. Für den Ausstieg aus der Steinkohleverstromung wird im Kohleausstiegsgesetz eine abgestufte Regelung vorsehen. Für den Zeitraum 2020 bis 2026 finden Ausschreibungen zur Stilllegung von Steinkohlekraftwerken statt. Im Gegenzug zur Stilllegung erhalten Kraftwerksbetreiber Kompensationen. Der Betreiber, der den geringsten Entschädigungsbetrag verlangt, erhält den Zuschlag. So wird die Entschädigungssumme so gering wie möglich gehalten. Für den Zeitraum 2027 bis 2038 findet die Stilllegung rein ordnungsrechtlich, ohne Kompensationen statt. Damit haben die Kraftwerksbetreiber einen Anreiz, sich auf die Ausschreibungen bis 2026 zu bewerben. Sollten sich 2024 bis 2026 nicht ausreichend Kraftwerke auf die Ausschreibungen beworben haben, würde auch hier eine ordnungsrechtliche Stilllegung greifen, um die verbleibende Lücke zum Stilllegungspfad zu schließen.
- Die Ausstiegspfade werden im Jahr 2026 und 2029 umfassend überprüft. Dabei soll auch geprüft werden, ob der Stilllegungszeitpunkt für die Kraftwerke nach dem Jahr 2030 jeweils drei Jahre vorgezogen und damit das Abschlussdatum 2035 erreicht werden kann.
- Deutschland federt die sozialen Folgen des Kohleausstiegs ab. Die Kohlewirtschaft ist in den betroffenen Regionen für viele Menschen von großer Bedeutung. Deshalb überlässt die Politik den Ausstieg nicht dem Markt, sondern gestaltet ihn planbar und verlässlich. Für die vom Strukturwandel besonders betroffenen älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hat die Bundesregierung ein Anpassungsgeld beschlossen, ähnlich dem, wie es bereits für den Steinkohlebergbau existiert. Beschäftigte über 58 Jahre bekommen dies für fünf Jahre gezahlt. Danach können sie in Rente gehen – die Abschläge trägt der Bund. Geplant ist eine Stellvertreterregelung, die es den Unternehmen ermöglichen soll, den Personalabbau standortübergreifend zu realisieren. Das Anpassungsgeld wird bis 2043 gezahlt. Die vom Strukturwandel betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer profitieren zudem von dem seit 1. Januar 2019 geltenden Qualifizierungschancengesetz, das die Weiterbildungsförderung verbessert und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern neue Qualifikationen ermöglicht.
- Der Bund unterstützt die Kohleregionen mit einem Paket in Höhe von bis zu 40 Mrd. €. Die Bundesregierung wird dafür sorgen, dass die Regionen, die vom Kohleausstieg besonders betroffen sind, von dieser Dynamik auch besonders profitieren werden, damit neuer Wohlstand und gut bezahlte Arbeit entstehen. Das Ziel ist es, wie die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ empfohlen hat, neue wirtschaftliche und gesellschaftliche Perspektiven zu schaffen. Das Paket setzt sich zusammen aus 14 Mrd. € Finanzhilfen und weiteren 26 Mrd. € aus den jeweiligen Etats der zuständigen Bundesministerien und wird u. a. für den Ausbau von Bahnlinien und Straßen, für Forschungseinrichtungen, die Ansiedlung von Bundesbehörden, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen und vieles mehr. Näheres wird bis Mai 2020 in einer Vereinbarung zwischen Bund und Ländern geregelt werden. Die Details des Gesetzes (Strukturstärkungsgesetz) werden gerade im Deutschen Bundestag beraten. Die parlamentarischen Beratungen sollen in der ersten Jahreshälfte abgeschlossen werden, damit das Gesetz schnell Inkrafttreten kann und die ersten Mittel zügig fließen können.
- Deutschland beschleunigt den Umstieg auf die Erneuerbaren: Der Ausstieg aus der Kohle und der Ausbau der erneuerbaren Energien gehören zusammen. Die Bundesregierung wird deshalb den Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigen und das 65-Prozent-Ziel gesetzlich festschreiben. Sie wird im Rahmen einer Novelle des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) Maßnahmen beschließen, die der Windkraft und der Photovoltaik einen neuen Schub geben werden. Gleichzeitig wird die Bundesregierung die Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung weiterentwickeln.
- Die Bundesregierung wird mit den Braunkohleunternehmen Entschädigungszahlungen vereinbaren. Entschädigungen werden deshalb gezahlt, weil die Betreiber ursprünglich bis in die 2040er Jahre das Recht hatten, Braunkohle zu fördern. Diese Entscheidung wird jetzt politisch verändert. Zu einem gesellschaftlichen Konsens gehört auch, dass Unternehmen in diesen Fällen für Investitionen, die sie im Hinblick auf die alten Vereinbarungen getätigt haben, eine Entschädigung erhalten können. Deutschland schafft durch die Entschädigungen auch Rechtssicherheit, damit der Kohleausstieg nicht unkalkulierbaren rechtlichen Risiken ausgesetzt ist. Im Gegenzug verzichten die Unternehmen auf betriebsbedingte Kündigungen und Klagen gegen den Bund. Somit schafft Deutschland Klarheit und Verlässlichkeit für alle Seiten.
- Strom wird bezahlbar bleiben. Die Bundesregierung hat bereits vereinbart, einen großen Teil der Einnahmen aus dem CO2 Preis für Wärme und Verkehr den Bürgerinnen und Bürgern zurückzugeben, indem sie die EEG-Umlage senkt. Das wird den Strompreis auf Dauer senken. Darüber hinaus wird der Bund eine Regelung schaffen, mit der Unternehmen, die viel Strom verbrauchen, im Bedarfsfall einen Zuschuss erhalten können, damit sie international wettbewerbsfähig bleiben.