- Der Existenzminimumbericht prognostiziert die Entwicklung der von der Einkommensteuer freizustellenden Mindestbeträge und orientiert sich dabei an Regelungen im Sozialrecht.
- Die Berechnungsmethode beruht auf Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und legt stets den aktuellen Datenstand zum Zeitpunkt der Berichterstattung zugrunde.
- Für jeden steuerpflichtigen Erwachsenen beziehungsweise für jedes zu berücksichtigende Kind wird jeweils ein gleich hohes Existenzminimum ermittelt.
- Für 2021 ergibt sich eine Mindesthöhe des Freibetrags für das Existenzminimum eines Erwachsenen von 9.744 € (Grundfreibetrag) beziehungsweise eines Kindes von insgesamt 8.340 € (Kinderfreibetrag zuzüglich des Freibetrags für Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf).
- Mit den im Zweiten Familienentlastungsgesetz vom 1. Dezember 2020 vorgesehenen Erhöhungsbeträgen ist die steuerliche Freistellung des Existenzminimums auch für 2021 und 2022 gewährleistet; zusammen mit der Erhöhung des Kindergelds um weitere 15 € werden insbesondere die verfügbaren Einkommen steuerpflichtiger Familien gestärkt.
Anlass des Berichts
Entsprechend dem Beschluss des Deutschen Bundestags vom 2. Juni 1995 legt die Bundesregierung alle zwei Jahre einen Bericht über die Höhe des von der Einkommensteuer freizustellenden Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern vor. Der Existenzminimumbericht ist prognostisch angelegt (Ex-ante-Berechnung). Gegenstand des 13. Existenzminimumberichts ist die Darstellung der maßgebenden Beträge für die Bemessung der steuerfrei zu stellenden Existenzminima der Veranlagungsjahre 2021 und 2022. Der 13. Existenzminimumbericht ist als Bundestagsdrucksache 19/22800 veröffentlicht.
Rechtliche Ausgangslage
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss dem Steuerpflichtigen nach Erfüllung seiner Einkommensteuerschuld von seinem Erworbenen zumindest so viel verbleiben, wie er zur Bestreitung seines notwendigen Lebensunterhalts und – unter Berücksichtigung von Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes – desjenigen seiner Familie bedarf (Existenzminimum). Der im Sozialhilferecht anerkannte Mindestbedarf ist die Maßgröße für das einkommensteuerliche Existenzminimum. Hierzu gehört nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts neben dem sozialhilferechtlichen Sachbedarf auch der Versorgungsbedarf für den Krankheits- und Pflegefall, insbesondere entsprechende Versicherungsbeiträge. Daher sind die tatsächlichen Aufwendungen des Steuerpflichtigen für sich und seine Familie zu gesetzlichen oder privaten Kranken- und Pflegeversicherungen in voller Höhe als Sonderausgaben nach § 10 Einkommensteuergesetz zu berücksichtigen, sofern sie der Erlangung eines sozialhilfegleichen Versorgungsniveaus dienen.
Die steuerliche Leistungsfähigkeit von Eltern wird – über den existenziellen Sachbedarf und Versorgungsbedarf für den Krankheits- und Pflegefall sowie den erwerbsbedingten Betreuungsbedarf hinaus – generell zudem durch den Betreuungs- und Erziehungsbedarf eines Kindes gemindert. Daher ist dieser Bedarf im Steuerrecht zusätzlich als Bestandteil des Kinderexistenzminimums von der Einkommensteuer zu verschonen. Die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrags in Höhe des sächlichen Existenzminimums zuzüglich des Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarfs eines Kindes wird im Rahmen des geltenden Familienleistungsausgleichs entweder durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 Einkommensteuergesetz oder durch das als Steuervergütung monatlich vorab gezahlte Kindergeld bewirkt.
Zusammensetzung des sächlichen Existenzminimums
Der notwendige Lebensunterhalt im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) besteht ohne Sonder- oder Mehrbedarfe aus dem Regelbedarf, insbesondere für Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie sowie für persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Hinzu kommen für Kinder Bildungs- und Teilhabebedarfe, sofern sie typische Bedarfspositionen darstellen, sowie Miet- und Heizkosten. Neben diesen Komponenten sind Aufwendungen für den Erwerb eines Versicherungsschutzes für den Krankheits- und Pflegefall auf sozialhilferechtlich anerkanntem Leistungsniveau eine weitere Komponente des sozialhilferechtlichen Mindestbedarfs.
Regelbedarf sowie Bildung und Teilhabe
Die sozialhilferechtlichen Regelsätze basieren auf bundesdurchschnittlichen Regelbedarfsstufen, die sich nach § 28 SGB XII aus der bundesweiten Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) ergeben. Sofern keine neue EVS ausgewertet vorliegt, werden jeweils zum 1. Januar eines Jahres die Regelsätze mit dem nach § 28a SGB XII anzuwendenden Mischindex fortgeschrieben. Dieser Index berücksichtigt die bundesdurchschnittliche Entwicklung der Preise für regelbedarfsrelevante Güter und Dienstleistungen sowie die bundesdurchschnittliche Entwicklung der Nettolöhne und -gehälter je beschäftigter Arbeitnehmerin beziehungsweise beschäftigtem Arbeitnehmer nach den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen. Die Höhe der Regelbedarfsstufen zum 1. Januar 2022 wird hilfsweise anhand der prognostizierten Entwicklung des Mischindex berechnet. Dieser berücksichtigt auch die von der Bundesregierung getroffenen Annahmen zur Preis- und Lohnentwicklung bei der diesjährigen Interimsprojektion 2020, die infolge der COVID-19-Pandemie zusätzlich erstellt wurde. Auf dieser Basis wird zum 1. Januar 2022 mit einem Anstieg der Regelbedarfsstufen von 1 Prozent gerechnet.
Die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS)
ist eine regelmäßig alle fünf Jahre vom Statistischen Bundesamt vorgenommene Befragung privater Haushalte zu deren Lebensverhältnissen. An der aktuellen EVS 2018 nahmen mehr als 55.000 Haushalte teil. Sie ist die größte Erhebung dieser Art innerhalb der Europäischen Union. Die EVS liefert u. a. Daten zu privaten Verbrauchsausgaben, auf deren Basis die sozialrechtlichen Regelbedarfe ermittelt werden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss dem Gesetzgeber zugestanden werden, die steuerliche Entlastung für einen Einkommensbetrag in Höhe des sächlichen Existenzminimums der Kinder für alle Altersstufen und im ganzen Bundesgebiet einheitlich festzulegen. Für jedes Kind einer Familie wird daher das Existenzminimum gleich hoch angesetzt. Die sozialhilferechtlichen Regelbedarfe für Kinder sind altersabhängig. Daher werden die altersabhängigen Unterschiede für die Ermittlung des steuerfrei zu stellenden Betrags durch die Berechnung eines nach Lebensjahren gewichteten durchschnittlichen Regelbedarfs berücksichtigt. Diese altersspezifische Berechnung wird auch bei der Berücksichtigung typischer Bildungs- und Teilhabeleistungen durchgeführt.
Miet- und Heizkosten
Für die steuerliche Berücksichtigung angemessener Wohnkosten bei der Bemessung des Existenzminimums – unter Berücksichtigung der im Steuerrecht notwendigen Typisierung – wird die aus der Wohngeldstatistik 2018 abgeleitete Bruttokaltmiete mit einer jährlichen Mietsteigerung von 2,5 Prozent für 2019 und von jeweils 2 Prozent für 2020 bis 2022 fortgeschrieben.
Die Heizkosten berechnen sich auf der Basis der in der neuen EVS 2018 ausgewiesenen Aufwendungen für Heizung und Warmwasser im gesamten Bundesgebiet. Nach zuvor zum Teil deutlich rückläufigen Energiepreisen sind aktuell wieder Steigerungen festzustellen. Für den Zeitraum von 2019 bis 2022 spiegelt sich diese Entwicklung der Ausgaben in einem jahresdurchschnittlichen Anstieg von rund 2 Prozent wider. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass beim Wohngeld neben der Berücksichtigung des Anstiegs der Kaltmieten im seit 1. Januar 2020 geltenden höheren Leistungsniveau ab 1. Januar 2021 eine CO2‑Komponente zur Entlastung bei den Heizkosten eingeführt wird.
Höhe des Existenzminimums
Grundfreibetrag und Kinderfreibetrag
Die für die Veranlagungszeiträume 2021 und 2022 errechneten Beträge für das sächliche Existenzminimum von Erwachsenen und Kindern werden in Tabelle 1 dargestellt. Gleichzeitig erfolgt eine Gegenüberstellung mit den im Einkommensteuerrecht nach derzeitiger Rechtslage geltenden Freibeträgen.
Darstellung der steuerfrei zu stellenden sächlichen Existenzminima und der entsprechenden einkommensteuerlichen Freibeträge
Tabelle vergrößernDie genannten Existenzminima stellen statistisch belegte Mindestbeträge dar. Höhere steuerliche Freibeträge sind im Wege politischer Entscheidungen möglich. Im Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur steuerlichen Entlastung von Familien sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen hat die Bundesregierung bereits die Erhöhung des Freibetrags für das sächliche Existenzminimum eines Erwachsenen (Grundfreibetrag) und eines Kindes (Kinderfreibetrag) vorgeschlagen (vergleiche Zweites Familienentlastungsgesetz, Bundesratsdrucksache 433/20). Danach soll der Grundfreibetrag ab dem Veranlagungszeitraum 2021 um 288 € auf 9.696 € und ab 2022 um weitere 288 € auf 9.984 € sowie der Kinderfreibetrag ab 2021 um 288 € auf 5.460 € angehoben werden. Aufgrund der verfassungsrechtlichen Notwendigkeit, den vorgesehenen Erhöhungsbetrag beim Grundfreibetrag für 2021 anzupassen, wird die Bundesregierung im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens entsprechend aktiv werden.
Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf
Im Rahmen des Kinderexistenzminimums wird zusätzlich zum Sachbedarf auch der Betreuungs- und Erziehungsbedarf berücksichtigt. Der Gesetzgeber orientierte sich dabei an Beträgen, die im Steuerrecht verankert waren. An die Stelle des Betreuungs- und Erziehungsbedarfs tritt bei volljährigen Kindern der Ausbildungsbedarf, sodass dieser Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf sowohl für minderjährige als auch für volljährige Kinder in Anspruch genommen werden kann. Zur Verbesserung der steuerlichen Berücksichtigung von Aufwendungen der Familien für die Betreuung und Erziehung oder Ausbildung der Kinder sieht der Entwurf eines Zweiten Familienentlastungsgesetzes vor, den Freibetrag von 2.640 € auf 2.928 € ab 2021 anzuheben. Im Rahmen der allgemeinen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung sowie der zur Abwicklung von Massenverfahren erforderlichen Typisierung ist damit der Betreuungs- und Erziehungsbedarf berücksichtigt. Die Summe der steuerlichen Freibeträge zur Freistellung des Kinderexistenzminimums soll von derzeit jährlich 7.812 € auf 8.388 € für jedes Kind erhöht werden.
Fazit
Abschließend wird im 13. Existenzminimumbericht festgehalten, dass in den Jahren 2021 und 2022 mit den geltenden steuerlichen Regelungen und den im Zweiten Familienentlastungsgesetz vorgesehenen Gesetzesänderungen den verfassungsrechtlichen Anforderungen hinsichtlich der steuerfrei zu stellenden Existenzminima von Erwachsenen und Kindern entsprochen wird.