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  • Schlaglicht: Mehr Steuergerechtigkeit weltweit

    Ei­ni­gung auf glo­ba­le Min­dest­steu­er für Un­ter­neh­men

    • Am 9./10. Juli 2021 haben die G20-Finanzministerinnen und -Finanzminister eine historische Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung beschlossen und damit einen bedeutenden Schritt zu mehr Steuergerechtigkeit getan. Die großen, weltweit tätigen Konzerne werden ihren fairen Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten. Mit der erzielten internationalen Verständigung können sie sich ihrer Steuerpflicht nicht länger durch Verlagerung der Gewinne entziehen. Die Reform umfasst zwei Säulen.
    • In der ersten Säule hat sich die G20 auf einen Mechanismus verständigt, mit dem die Besteuerungsrechte der größten und profitabelsten Konzerne der Welt, insbesondere der digitalisierten Wirtschaft, neu verteilt werden. Damit werden (Digital-)Konzerne künftig auch dort Steuern zahlen, wo ihre Kundinnen und Kunden oder Nutzerinnen und Nutzer sitzen. Das war bislang nicht der Fall.
    • Die zweite Säule sieht eine globale Mindestbesteuerung vor, die dem schädlichen Steuerwettbewerb um die geringsten Steuern ein Ende setzen wird. Künftig zahlen Unternehmen einen globalen effektiven Steuersatz von mindestens 15 Prozent auf ihre Gewinne. Den Vorschlag dazu haben Bundesfinanzminister Olaf Scholz und sein französischer Amtskollege Bruno Le Maire vor drei Jahren gemacht und seitdem intensiv beworben.

    Ein neuer Rahmen für das internationale System der Besteuerung von Unternehmen

    Die Einigung zu den beiden Säulen ist eine echte Revolution der internationalen Besteuerung von Unternehmen, die historisch ihresgleichen sucht. Sie zeigt, wie gut multilaterale Zusammenarbeit funktionieren kann, wenn der politische Wille dazu vorhanden ist. Bereits am 1. Juli 2021 haben die Mitglieder des „Inclusive Framework on BEPS“, also des zuständigen Gremiums bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), eine breite internationale Einigung erzielt, der sich inzwischen 132 Staaten angeschlossen haben. Die Finanzministerinnen und Finanzminister der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) haben das Konzept am 9./10. Juli 2021 bei ihrem Treffen in Venedig einstimmig unterstützt und dessen rasche Umsetzung zugesagt.

    Großer Erfolg der deutsch-französischen Initiative

    Bereits seit drei Jahren setzt sich das Bundesfinanzministerium dafür ein, zu einer internationalen Verständigung für eine globale effektive Mindestbesteuerung zu kommen. Im Oktober 2018 hat Bundesfinanzminister Olaf Scholz mit seinem französischen Amtskollegen Bruno Le Maire im Kreise der G7 und G20 einen Vorschlag vorgelegt – und seitdem in unzähligen Gesprächen mit seinen Kolleginnen und Kollegen rund um den Globus an einer Einigung gearbeitet. Mit dem jetzigen Übereinkommen der Finanzministerinnen und Finanzminister der G20 zeigt sich, dass sich diese Arbeit gelohnt hat.

    Ein großer Fortschritt für mehr (Steuer-)Gerechtigkeit

    Wenn große, global agierende Konzerne kaum Steuern bezahlen, weil sie ihre Gewinne in Steueroasen verschieben, dann ist das in höchstem Maße ungerecht. Dadurch fehlt Geld für wichtige Investitionen in das Gemeinwohl wie gute Schulen und Kitas, Krankenhäuser und die Rente sowie für ein gut ausgebautes Streckennetz der Bahn und ordentliche Straßen. Auch führt es zu massiven Wettbewerbsnachteilen für Unternehmen, die ehrlich ihre Steuern zahlen. Es kann nicht sein, dass hoch profitable Konzerne durch Tricks Milliarden an Steuern sparen, während der kleine Handwerksbetrieb oder der Buchladen um die Ecke mit ihren Steuern ihren Beitrag zum Gemeinwohl leisten. Diese Ungerechtigkeit wird nun ein Ende haben.

    Eine Lösung zur richtigen Zeit

    Die Einigung der G20 kommt genau zur richtigen Zeit: Die Corona-Krise hat gezeigt, wie wichtig es ist, dass Staaten finanziell handlungsfähig bleiben. Nur so kann ein Staat auf Krisensituationen wirkungsvoll reagieren und Betroffene unterstützen. Während der Pandemie haben insbesondere die Internet-Giganten viel Geld verdient. Es ist nur fair, wenn sie nun ihren Anteil an der Finanzierung des Gemeinwesens leisten. Konkret umfasst die Einigung folgende Punkte:

    Mindestbesteuerung von 15 Prozent für alle großen Konzerne (Säule II)

    Multinationale Konzerne mit mehr als 750 Millionen Euro Umsatz im Jahr – egal, ob Möbelkonzern, Großbank oder digitaler Dienstleister – werden nun global mit einem effektiven Mindeststeuersatz besteuert, der 15 Prozent nicht unterschreiten darf. Dabei ist es egal, wo ihre Gewinne entstehen.

    Beispiel: Ein international tätiger Konzern hat eine oder mehrere Tochtergesellschaften in einer Steueroase. Er verlagert möglichst viele der Gewinne rechnerisch dorthin, weil in dem Land z. B. nur 5 Prozent Steuern erhoben werden. Hier greift die neue Regel der Säule II, die globale effektive Mindeststeuer. Denn nun kann der Staat, in dem die Muttergesellschaft des Konzerns ihren Sitz hat, die Gewinne aus dieser Steueroase nachversteuern. Bei einem globalen Mindeststeuersatz von 15 Prozent könnte der Staat also auf die verlagerten Gewinne 10 Prozent Unternehmenssteuern von dem Konzern verlangen. Damit wird sichergestellt, dass die Gewinne im Ergebnis einer effektiven Besteuerung in Höhe von 15 Prozent unterliegen: 5 Prozent in der Steueroase, 10 Prozent im Sitzland des Konzerns. Damit lohnt es sich für internationale Konzerne nicht mehr, aus rein steuerlichen Gründen Tochtergesellschaften zu nutzen.

    Außerdem verhindern die neuen Regeln, dass der Konzern durch Tricks Gewinne in Steueroasen verschiebt. Einer dieser Tricks ist die Zahlung von Lizenzgebühren. Dazu werden etwa alle Rechte an den Markennamen und alle Patente an eine Tochtergesellschaft gegeben, die in einer Steueroase sitzt. Für die Nutzung der Patente und der Markennamen müssen nun von allen Konzerngesellschaften in anderen Ländern hohe Gebühren an diese Tochtergesellschaft in der Steueroase gezahlt werden. Für die damit in der Steueroase anfallenden hohen Gewinne müssen kaum Steuern bezahlt werden. Gleichzeitig können sich die anderen Gesellschaften des Konzerns in Ländern mit höheren Steuern „arm“ rechnen, weil sie die Lizenzgebühren als Betriebsausgabe von ihren Gewinnen steuerlich abziehen können. So zahlt der Konzern insgesamt deutlich weniger Steuern – Verlierer ist die Allgemeinheit.

    Künftig sollen solche Tricks nicht mehr möglich sein: Die Lizenzzahlungen dürfen im Heimatland nicht mehr vollständig als Betriebsausgabe abgezogen werden, soweit sie auf Ebene der Gesellschaft, die ihren Sitz in einer Steueroase hat, niedrig besteuert werden. Auch dadurch wird im Ergebnis eine effektive Besteuerung auf Höhe des Mindestniveaus sichergestellt.

    Außerdem werden Tricks verhindert, mit denen Konzerne häufig ihre Gewinne kleinrechnen, um Steuern zu sparen: International tätige Konzerne haben oft Tochtergesellschaften in anderen Ländern. Diese finden sich bisher auch in Steueroasen, in denen die Tochtergesellschaften kaum Steuern zahlen. Davon profitiert der Gesamtkonzern. Das soll künftig nicht mehr möglich sein. Konkret soll dies folgendermaßen verhindert werden: Es gilt ein international festgelegter effektiver Mindeststeuersatz. Jeder Staat kann zwar weiterhin niedrigere Unternehmenssteuern festlegen, aber das lohnt sich nicht mehr. Denn wenn ein Unternehmen mit seiner Tochterfirma im Ausland weniger Steuern zahlt, kann der Heimatstaat die Differenz vom betreffenden Unternehmen verlangen. Das Unternehmen zahlt also auf alle Gewinne mindestens den global vereinbarten effektiven Mindeststeuersatz. Höhere Steuern bleiben natürlich weiterhin möglich.

    Eine faire internationale Verteilung der Steuern – auch für die großen Digitalkonzerne (Säule I)

    Neben der globalen effektiven Mindestbesteuerung für Unternehmen enthält die Einigung auch eine Vereinbarung zur Neuverteilung der Besteuerungsrechte. Das gilt insbesondere für die digitalisierte Wirtschaft. Traditionell werden Gewinne von Unternehmen international dort besteuert, wo diese physisch präsent sind – also dort, wo sie beispielsweise eine Fabrik besitzen und produzieren. In der digitalisierten Wirtschaft sind die Gewinne häufig nicht mehr (so stark) an die physische Präsenz (z. B. in Form einer Betriebsstätte) gebunden. So können insbesondere die großen Digitalkonzerne eine erhebliche wirtschaftliche Tätigkeit in Marktstaaten entfalten, ohne vor Ort präsent zu sein. Sie verkaufen Waren oder generieren Werbeeinnahmen, auch wenn sie in dem Land kaum oder gar nicht mit einer Betriebsstätte präsent sind.

    Daher ist eine Neuverteilung der Besteuerungsrechte notwendig geworden. Künftig werden auch Staaten von der Besteuerung dieser Konzerne profitieren, in denen diese zwar keine Niederlassung haben, aber ihre Produkte oder Dienstleistungen verkaufen. Dies gilt für die größten und profitabelsten multinationalen Unternehmen mit einem globalen Umsatz von mehr als 20 Milliarden Euro und einer Profitabilitätsschwelle („Marge“) von über 10 Prozent des Umsatzes. Hierbei sollen den Marktstaaten – also den Staaten, in denen die Produkte und Dienstleistungen tatsächlich verkauft werden – Besteuerungsrechte auf 20 Prozent bis 30 Prozent des Gewinns zuerkannt werden, der eine Marge von 10 Prozent übersteigt.

    Beispiel: Eine Internetsuchmaschine verwendet Nutzerdaten, um gezielt Werbung zu schalten, und erzielt damit in einem Land hohe Profite. Derzeit ist nicht sichergestellt, dass in diesem Land auch Steuern auf diese Profite bezahlt werden, wenn das Unternehmen dort nicht physisch präsent ist. Es ist aber fair, wenn diejenigen Staaten, in denen die Profite tatsächlich entstehen, auch die entsprechenden Steuern einnehmen. Wir nennen diese Staaten „Marktstaaten“. Im Beispiel der Suchmaschine etwa soll ein Teil der Steuern in den Marktstaaten bezahlt werden, in denen die Nutzerinnen und Nutzer ansässig sind.

    Wichtig dabei ist, dass kein großer Digitalkonzern durch das Raster fällt. Deshalb ist in der Vereinbarung sichergestellt, dass dort, wo dies notwendig ist, auf die einzelnen Geschäftsbereiche des Konzerns geschaut und deren Profitabilität separat bewertet wird (sogenannte Segmentierung). Zum Beispiel werden beim hoch profitablen Plattformgeschäft einzelner Konzerne die dort gemachten Gewinne der Besteuerung zugrunde gelegt. Eine Verrechnung dieser Gewinne mit anderen Geschäftsbereichen wird nicht möglich sein.

    Beide Säulen werden nun weltweit umgesetzt, auch in Europa

    Nach der Billigung durch die G20 gilt es, eine schnelle Umsetzung der neuen Regelungen zu garantieren und gleichzeitig den wenigen bisher unentschlossenen Staaten des Inclusive Framework on BEPS die Möglichkeit zu geben, sich der historischen Einigung anzuschließen. Aufgrund der bereits auf globaler Ebene erzielten breiten Verständigung besteht große Zuversicht, dass dies gelingt. Auch auf europäischer Ebene soll die Vereinbarung der OECD und G20 umgesetzt werden.

    Deutschland wird finanziell von dieser Reform profitieren

    Mit der erfolgten Festlegung des Steuersatzes auf mindestens 15 Prozent wird weltweit mit erheblichen Steuermehreinnahmen gerechnet. Laut Pressemitteilung der OECD vom 1. Juli 2021 wird bei einem Mindeststeuersatz von 15 Prozent weltweit mit zusätzlichen Steuereinnahmen von 150 Milliarden US-Dollar jährlich gerechnet. Darüber hinaus entfaltet die Mindestbesteuerung erhebliche präventive Wirkung und stoppt den schädlichen Steuerwettbewerb zwischen Staaten („race to the bottom“), der sich bislang in deutlich sinkenden Unternehmenssteuern weltweit niedergeschlagen hat.

    Auch Deutschland wird mit seiner exportorientierten Wirtschaft nach ersten Schätzungen von den neuen Regeln und der Neuverteilung der Besteuerungsrechte finanziell profitieren.

    Die fiskalischen Effekte der Neuverteilung der Besteuerungsrechte hat das ifo Institut jüngst untersucht.1 Zur globalen effektiven Mindestbesteuerung hat die EU-Steuerbeobachtungsstelle kürzlich eine Studie veröffentlicht.2 Die Studien erwarten eine positive fiskalische Auswirkung der neuen Regeln für Deutschland.

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