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  • Schlaglicht: Steuerbetrug und Geldwäsche aufklären

    Im In­ter­view: Tan­ja Mil­den­ber­ger, Lei­te­rin der Zoll­ab­tei­lung, und Dr. Rolf Möh­len­b­rock, Lei­ter der Steu­er­ab­tei­lung

    Rolf Möhlenbrock und Tanja Mildenberger in einem Flur des BMF, blicken in Kamera BildVergroessern
    Tanja Mildenberger, Leiterin der Zollabteilung, und Dr. Rolf Möhlenbrock, Leiter der Steuerabteilung; © Bundesministerium der Finanzen/photothek

    Steuerhinterziehung und Steuervermeidung – wie sieht in diesem Bereich die Zusammenarbeit zwischen Ihren Abteilungen, unterschiedlichen Ressorts oder sogar Nationen aus, damit zielgerichtete Maßnahmen entstehen und wirken können?

    Dr. Rolf Möhlenbrock: Die zunehmende Globalisierung und die Digitalisierung aller Lebensbereiche fördern weltweit die Mobilität von Personen und Kapital. Menschen und Unternehmen erzielen dadurch immer häufiger Einkünfte im Ausland. Es ist für sie auch leichter, Vermögen im Ausland zu erwerben und zu halten, was ihnen weitere Einkünfte verschafft. Die angemessene Besteuerung solcher Einkünfte und des Vermögens ist eine globale Herausforderung, die ein international abgestimmtes und einheitliches Vorgehen aller Staaten erfordert. Deswegen sind die internationale Zusammenarbeit und grenzüberschreitende Kooperation so wichtig. Nicht nur die Verwaltungen, auch die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler profitieren von einer gut funktionierenden administrativen Zusammenarbeit. Sie schafft Gerechtigkeit und Vertrauen.

    Ein Beispiel für grenzüberschreitende Kooperation ist die historische Einigung zum sogenannten Zwei-Säulen-Projekt des bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) angesiedelten Inclusive Framework on BEPS (Gewinnkürzung und -verlagerung) vom 8. Oktober 2021, das 137 Staaten unterzeichnet haben.

    Ein anderes Beispiel ist der Informationsaustausch: Um Einkünfte in Deutschland besteuern zu können, müssen Finanzbehörden wissen, welche Sachverhalte diesen zugrunde liegen. Die deutschen Finanzbehörden können allerdings nur innerhalb Deutschlands selbständig ermitteln. Damit für die Finanzverwaltungen in Deutschland solche Vorgänge im Ausland transparent sind, werden Informationen von Steuerverwaltungen anderer Staaten übermittelt und ausgewertet. Das ist sehr effizient. Bundeszentralamt für Steuern (BZSt), BMF und Länder arbeiten beim Informationsaustausch im Steuerbereich mit allen relevanten europäischen und internationalen Partnern zusammen. Dem Informationsaustausch liegt dabei das Prinzip der Gegenseitigkeit zugrunde: Deutschland darf nur erwarten, steuerlich relevante Informationen zu erhalten, wenn es seinerseits Informationen an die Behörden in anderen Staaten übermittelt. In den vergangenen Jahren haben sich immer mehr Staaten weltweit zu den internationalen Transparenzstandards bekannt – nicht zuletzt auf Druck der Europäischen Union (EU) und der G20. Besonders der automatische Informationsaustausch, bei dem millionenfach Informationen übermittelt werden, hat entscheidend zu den weltweiten Bemühungen im Kampf gegen Steuerflucht und Steuerhinterziehung beigetragen.

    Tanja Mildenberger: Auch der Zoll als größte Steuerverwaltung des Bundes legt seit langem einen Schwerpunkt auf die nationale und auch internationale Zusammenarbeit, um u. a. die grenzüberschreitende Steuerhinterziehung nachhaltig zu bekämpfen.

    National und international sind das Zollkriminalamt – das ZKA – und der Zollfahndungsdienst geschätzte Partner im Kreis der Sicherheitsbehörden. Ob auf nationaler Ebene bei den gemeinsamen Ermittlungsgruppen oder international mit dem Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung, Europol und Interpol oder bei der Weltzollorganisation: Wir setzen seit langem auf eine intensive, ressortübergreifende und mit internationalen Partnerbehörden abgestimmte Zusammenarbeit. Dies ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Verhinderung und Bekämpfung von Kriminalität. So können die EU-Außengrenzen nachhaltig überwacht, Einfuhr- und Ausfuhrschmuggel und damit auch Steuerbetrug unterbunden werden.

    Zudem sind in weltweit 19 Ländern Zollverbindungsbeamtinnen und -beamte an deutschen Auslandsvertretungen tätig. Sie sammeln Informationen und geben sie weiter, unterstützen in Amts- und Rechtshilfeersuchen und fördern in grenzüberschreitenden Ermittlungsverfahren die Zusammenarbeit mit den Partnerbehörden vor Ort. Nur die internationale Vernetzung und ein regelmäßiger Informationsaustausch ermöglichen Strukturermittlungen. So können neue Formen der Tatbegehung aufgedeckt und organisierte Tätergruppierungen zerschlagen werden.

    Gleichzeitig findet auf nationaler Ebene eine seit vielen Jahren etablierte enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen dem Zoll, den Steuerbehörden der Länder und den Polizeien statt. Jede Seite bringt dabei ihre spezifischen Kenntnisse und Fähigkeiten ein. Auch das BZSt arbeitet bereits seit Anfang der 2000er-Jahre intensiv auf dem Gebiet der Betrugsbekämpfung mit den Ländern zusammen. Für staaten- und länderübergreifende Fälle wurden beim BZSt eine zentrale Koordinierungsstelle und eine bundesweite Datenbank zur Erfassung und zum Abruf von Umsatzsteuerbetrugsfällen eingerichtet. Über die zentrale Koordinierungsstelle werden Prüfungsmaßnahmen der Landesfinanzbehörden abgestimmt sowie Informationen zwischen den jeweils beteiligten Finanzverwaltungen im In- und Ausland ausgetauscht. Auch die Zusammenarbeit mit den anderen EU-Mitgliedstaaten spielt eine entscheidende Rolle. Der grenzüberschreitende Informationsaustausch erfolgt u. a. über das Mehrwertsteuerinformationsaustauschsystem. Zudem sind wir Teil des Netzwerks Eurofisc, einem multilateralen EU-weiten Frühwarnsystem. In verschiedenen Arbeitsbereichen tauschen Verbindungsbeamtinnen und -beamte aus den EU-Mitgliedstaaten Informationen zu grenzüberschreitenden Umsatzsteuerbetrugsfällen aus, um Steuerausfälle möglichst frühzeitig zu verhindern.

    Was macht die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuervermeidung besonders schwierig?

    Dr. Rolf Möhlenbrock: Die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuervermeidungspraktiken ist eine besonders herausfordernde Aufgabe, da Steuerhinterziehung naturgemäß im Verborgenen stattfindet und es sich bei Steuervermeidung um ein äußerst dynamisches Geschehen handelt. Solche Ausweichgestaltungen ändern sich ständig.

    Trotz der Herausforderungen haben die Bundesregierung, die EU und die internationale Gemeinschaft in den vergangenen Jahren wichtige Fortschritte erreicht: So konnte man sich auf G20-/OECD-Ebene auf Maßnahmen gegen Gewinnkürzung und verlagerung (BEPS) einigen sowie globale Standards setzen. Die Staaten tauschen Informationen u. a. über Finanzkontendaten, Steuervorbescheide, länderbezogene Berichte und auf EU-Ebene zu grenzüberschreitenden Steuergestaltungen aus.

    Darüber hinaus ist das Steueroasen-Abwehrgesetz ein wichtiger Fortschritt: Dessen strikte Maßnahmen sollen Personen und Unternehmen davon abhalten, Geschäftsbeziehungen in Steueroasen fortzusetzen oder neu aufzunehmen.

    Tanja Mildenberger: Die verschiedenen Formen von Steuerhinterziehung sind sehr komplex. Eine intensive, ressortübergreifende und mit internationalen Partnerbehörden abgestimmte Zusammenarbeit ist daher die Grundlage für das Verhindern und Bekämpfen von Steuerhinterziehung. Im Bereich der Umsatzsteuer arbeiten wir eng mit den Ländern zusammen, die nach dem Grundgesetz für Kontrolle und Erheben der Umsatzsteuer (USt) zuständig sind. Zudem haben wir in Absprache mit den Ländern dem BZSt Aufgaben im Bereich der USt-Betrugsbekämpfung übertragen, da die föderale Struktur bei der Umsatzsteuerhinterziehung bewusst ausgenutzt wird. Dem wirken wir mit der zentralen Koordinierungsstelle beim BZSt entgegen.

    Natürlich kommen zur Betrugsbekämpfung weitere Maßnahmen zum Einsatz. Wir haben z. B. Schlupflöcher beim Online-Handel geschlossen, um Wettbewerbsnachteile für inländische steuerehrliche Unternehmen zu verhindern. Wir stellen sicher, dass für umsatzsteuerpflichtige Warenlieferungen insbesondere aus einem Land außerhalb der EU die Steuer abgeführt wird, indem Betreiber elektronischer Marktplätze für nicht entrichtete Umsatzsteuer für Geschäfte, die auf ihrem Marktplatz abgeschlossen wurden, haften.

    Einen immer größeren Beitrag gegen Steuerhinterziehung leistet aber auch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Zolls. Durch Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung entstehen hohe Sozialversicherungs- und Steuerschäden. Mit dem Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch haben wir die Ermittlungsbefugnisse der FKS erweitert, damit sie effektiv z. B. über verdeckte Ermittlungsmaßnahmen gegen die zunehmend organisiert handelnden Täter und Banden vorgehen kann. Bei den Verfahren der FKS ergeben sich oft auch Ansatzpunkte für Ermittlungen in anderen Kriminalitätsfeldern. Deshalb ist der vernetzte Ansatz ein wichtiger Baustein: vom Informationsaustausch mit den Zusammenarbeitsbehörden, wie beispielsweise den Finanzämtern, bis hin zu gemeinsamen Ermittlungsgruppen mit Polizei und Steuerfahndung.

    Rolf Möhlenbrock und Tanja Mildenberger an Schreibtisch voller Unterlagen, im Gespräch BildVergroessern
    Tanja Mildenberger, Leiterin der Zollabteilung, und Dr. Rolf Möhlenbrock, Leiter der Steuerabteilung; © Bundesministerium der Finanzen/photothek

    Und was ist die größte Herausforderung dabei, kriminelle Strukturen für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung aufzudecken?

    Tanja Mildenberger: Geldwäsche soll die kriminellen Gewinne aus schweren Straftaten, die oft auch im direkten Zusammenhang mit organisierter Kriminalität stehen, vor dem Zugriff des Staats verstecken. Sowohl die Vortaten als auch die anschließende Geldwäsche spielen sich zunächst im Verborgenen ab. Kriminelle versuchen, diese Einnahmen vor den Banken und Steuerbehörden zu verschleiern, vor allem durch undurchsichtige und häufig weltweit agierende Firmengeflechte.

    Als Gesetzgeber haben wir in den vergangenen Jahren die Geldwäschebekämpfung intensiviert. Vor allem für Geschäfte im Immobiliensektor wurden die Regelungen zur Geldwäschebekämpfung verschärft. Auch darüber hinaus sind die Regelungen des Geldwäschegesetzes verschärft worden, insbesondere im besonders risikobehafteten Handel mit Gold und anderen Edelmetallen. Und auch Dienstleister aus dem Bereich von Kryptowährungen, Kunstlagerhalter, Mietmakler und Versteigerer sind verpflichtet, die Vorschriften des Geldwäschegesetzes einzuhalten. Zudem wurde das Transparenzregister verbessert. Mit dessen Hilfe können die wirtschaftlich Berechtigten identifiziert werden, in deren Eigentum oder unter deren Kontrolle Unternehmen stehen. Das Transparenzregister soll es ermöglichen, den Missbrauch juristischer Personen oder anderer Rechtsgestaltungen, wie z. B. Stiftungen, zur Verschleierung von Geldströmen wirksam zu bekämpfen.

    Gleichzeitig sind die institutionellen Voraussetzungen verbessert worden, um diese Regeln effektiv überwachen zu können. Der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (FIU) kommt als zentraler nationaler Meldestelle für Verdachtsmeldungen eine besondere Rolle zu. Sie nimmt alle Meldungen über verdächtige Finanztransaktionen, die im Zusammenhang mit Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung stehen könnten, entgegen und wertet sie aus. Wenn sich konkrete Anhaltspunkte für Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung ergeben, leitet sie die Meldungen an die Strafverfolgungsbehörden und andere Behörden, wie z. B. an die Landesfinanzverwaltungen oder die Aufsichtsbehörden, weiter. Die FIU verfügt seit ihrer Verlagerung in den Geschäftsbereich des BMF im Jahr 2017 über umfangreiche Datenzugriffsrechte, so u. a. auf das länderübergreifende Informationssystem des Bundeskriminalamts (BKA), INPOL Bund, und verschiedene Dateisysteme der Zollverwaltung. Die gesetzlichen Zugriffsbefugnisse der FIU auf Daten von Strafverfolgungs-, Finanz- und Verwaltungsbehörden wurden dabei im Vergleich zur vormaligen BKA-FIU erheblich erweitert. Zum 1. Januar 2020 hat die FIU die Befugnis zum Zugriff auf das Zentrale Staatsanwaltschaftliche Verfahrensregister erhalten, in dem ein wesentlicher Teil der strafrechtlich relevanten Daten der Länder gespeichert ist. Durch das Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz und mit der letzten Änderung des Geldwäschegesetzes hat die FIU darüber hinaus weitere Zugriffsrechte zum automatisierten Abgleich mit bestimmten steuerlichen Grunddaten erhalten. Insgesamt wird die FIU damit noch effektiver und schlagkräftiger.

    Das entschiedene Vorgehen gegen Geldwäsche sowie die Einleitung von Finanzermittlungen spielen auch in anderen Bereichen der Zollverwaltung eine wichtige Rolle. Die zuständigen Einheiten des Zolls und die Polizeien arbeiten hier eng vernetzt zusammen. Dabei richtet sich der Blick neben der Feststellung beziehungsweise Sicherstellung möglicher Taterträge auch immer auf mögliche Geldwäscheaktivitäten. Daher wurden bei allen Landeskriminalämtern Gemeinsame Finanzermittlungsgruppen mit den Zollfahndungsämtern und auf Bundesebene zwischen dem BKA und dem ZKA etabliert.

    Die Einigung auf eine globale Mindestbesteuerung ist ein großer Erfolg – gehören Steueroasen nun der Vergangenheit an?

    Dr. Rolf Möhlenbrock: Die Bundesregierung und ihre Partner auf EU- und auf internationaler Ebene setzen sich sowohl für die Bekämpfung von Gewinnkürzung und -verschiebung als auch gegen den schädlichen Steuerwettbewerb ein. Der Schlüssel zu einer faireren Verteilung des Steueraufkommens liegt insbesondere in einer globalen nachhaltigen Reform der Besteuerung von multinationalen Unternehmen. Damit stärken wir ganz wesentlich die internationale Steuergerechtigkeit. Das Hauptziel der Einigung beim Zwei-Säulen-Projekt ist es, internationaler Gewinnverlagerung und -kürzung durch aggressive Steuergestaltung ein Ende zu setzen und das Steuerrecht an die Herausforderungen der digitalisierten Wirtschaft anzupassen sowie zu gewährleisten, dass multinationale Konzerne ihren fairen Beitrag auch dort leisten, wo sie ihre wirtschaftliche Tätigkeit entfalten. Das Zwei-Säulen-Projekt beinhaltet unter Säule 1 die Neuverteilung von Besteuerungsrechten an großen und sehr profitablen Konzernen. Säule 2 sichert die Eckpfeiler für eine globale effektive Mindestbesteuerung von 15 Prozent auf Unternehmensgewinne.

    Die globale effektive Mindestbesteuerung ist dazu geeignet, den schädlichen Steuerwettbewerb sogenannter Steueroasen weiter einzudämmen. Sie setzt dem Steuerwettbewerb Grenzen, der in immer niedrigeren Steuersätzen mündet („race to the bottom“).

    Des Weiteren hat sich die EU-Liste der nichtkooperativen Länder und Gebiete für Steuerzwecke als eine weitere wirksame Maßnahme gegen den schädlichen Steuerwettbewerb der Steueroasen etabliert. Aufgrund der Kriterien, die die international anerkannten Standards für Transparenz, faire Besteuerung und gegen Gewinnkürzung und -verschiebung widerspiegeln, haben zahlreiche Hoheitsgebiete ihre Steuersysteme angepasst und schädliche steuerliche Regelungen aufgehoben. Wenn schädliche Steuerpraktiken bekämpft werden, stabilisiert sich die Basis staatlicher Einnahmen, und damit wird auch das Gemeinwesen finanziell gestärkt.

    Es gibt beim BZSt eine eigene Sondereinheit. Diese soll mögliche neue Formen der Steuerhinterziehung frühzeitig aufdecken. Wie geht das?

    Dr. Rolf Möhlenbrock: Diese Sondereinheit unterstützt die Landesfinanzverwaltungen bei der Vermeidung von Steuergestaltungen am Kapitalmarkt, indem sie Hinweise zu kapitalmarktbezogenen Gestaltungen auf ihren Modellcharakter hin untersucht. Dies erfolgt durch eine zentrale Sammlung von Daten und deren Analyse. Neben den Daten werden weitere Informationen, vor allem von Bund und Ländern sowie von ausländischen Finanz- und Finanzaufsichtsbehörden, durch das BZSt aufbereitet. Die Sondereinheit dient daher auch als Schnittstelle für die Landesbehörden, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sowie ausländische Ermittlungsbehörden.

    Das BZSt hat über die Jahre eine große Expertise in der steuerlichen Aufarbeitung der hochkomplexen Sachverhalte aufgebaut. Dieses Expertenwissen wird an straf- und steuerrechtliche Ermittlungspersonen aus den Bereichen Staatsanwaltschaft, Steuerfahndung oder Betriebsprüfung im In- und Ausland weitergegeben. Zudem arbeitet die Sondereinheit eng mit der BaFin zusammen, um den Umfang und die Qualität der Informationen zu Kapitalmarktgestaltungen zu verbessern.

    Die seit Juli 2020 geltende Mitteilungspflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen ist ein wichtiges Instrument im Kampf gegen Steuervermeidung. Steuervermeidungspraktiken und Gewinnverlagerung sollen zeitnah identifiziert und eine schnelle Reaktion der Finanzbehörden und des Gesetzgebers ermöglicht werden. Der Sondereinheit beim BZSt wertet in Zusammenarbeit mit den Ländern diese Mitteilungen über grenzüberschreitende Steuergestaltungen aus. Dabei wird auch der rechtspolitische Handlungsbedarf überprüft. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse helfen, ungewollte Gestaltungsspielräume durch die Anpassung von Rechtsvorschriften zu schließen.

    Regeln und Gesetze sind das eine, ihre Umsetzung das andere. Wie kann sichergestellt werden, dass Steuergesetze auch eingehalten werden?

    Dr. Rolf Möhlenbrock: Steuergesetze werden bereitwilliger eingehalten, wenn sie verständlich und unausweichlich sind. Sie müssen eindeutig verfasst sein. Gleichzeitig müssen sie robust sein, damit sie nicht leicht umgangen werden können. Die Digitalisierung von Prozessen bietet eine Chance, Verwaltungsabläufe zu verändern und diesem Ziel näherzukommen. Die bereits mehrfach erwähnten internationalen Kooperationen schaffen hierfür das erforderliche Fundament.

    Tanja Mildenberger: Dem kann ich mich nur anschließen! Steuerhinterziehung, aber auch alle anderen Kriminalitätsfelder, vollziehen sich regelmäßig entlang legaler Wirtschaftsströme. In manchen Fällen verschwimmen die Grenzen zwischen legalen und illegalen Praktiken. Das Legale zu erleichtern und das Illegale zu bekämpfen, sind daher zwei untrennbar miteinander verbundene Prozesse. Daher ist die Vernetzung von Informationen und das einheitliche Vorgehen die entscheidende Grundlage für die nachhaltige Bekämpfung von Steuerbetrug.

    Unser Leben wird immer digitaler, insbesondere in der Finanzwelt durch Kryptowährungen, digitale Güter, Fintechs. Wird die Bekämpfung von Steuerdelikten dadurch einfacher oder schwerer?

    Dr. Rolf Möhlenbrock: Kryptovermögen stellen die Finanzbehörden weltweit vor große Herausforderungen. Kryptographie und global erreichbare dezentrale Datenbanken verringern im Zusammenhang mit Kryptovermögen das Entdeckungsrisiko. Die internationale Zusammenarbeit ist hier von besonderer Bedeutung. Gegenwärtig beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe der OECD mit den diesbezüglichen Risiken für die Einhaltung der Steuervorschriften. Ziel ist es, Sachverhalte im Zusammenhang mit Kryptovermögen einer wirksamen Steuerberichterstattung nach einem eigenständigen Berichtssystem zu unterwerfen. Die Financial Action Task Force (FATF) – eine zwischenstaatliche Stelle, die Standards zum Schutz des globalen Finanzsystems gegen Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und die Finanzierung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen entwickelt und überprüft – hat in Bezug auf Kryptovermögen ihre Standards bereits im Jahr 2019 angepasst. Zu deren Umsetzung haben sich die Mitglieder der FATF und deren Regionalorganisationen verpflichtet. Auf der Basis dieser Standards müssen Plattformen, die den Handel mit Kryptovermögen ermöglichen, erhöhte Sorgfaltspflichten einhalten. Dazu gehört, die Nutzer der Plattformen zu identifizieren. Werden Transfers von Kryptovermögen durchgeführt, sollen die Plattformen darüber hinaus Informationen zu Auftraggeber und Empfänger des Transfers einholen. Diese Standards wurden nun auch in Deutschland mit der Kryptowertetransferverordnung umgesetzt. Von den erhobenen Daten wird auch der Informationsaustausch zu steuerlichen Zwecken profitieren.

    Tanja Mildenberger: Unsere globalisierte und digitalisierte Welt ist eine besondere Herausforderung bei der Bekämpfung krimineller Strukturen. Täter nutzen heute verstärkt die Vorteile des Internets beziehungsweise Darknets sowie von Social-Media-Plattformen und Apps, um sich zu vernetzen, verschlüsselt zu kommunizieren und ihre illegalen Geschäfte zu betreiben. Drogen, Waffen und andere verbotene Waren können heutzutage anonym mit einem Mausklick bestellt und zugleich mit Kryptowährungen bezahlt werden. Diese Bedrohung für die Sicherheit unserer Gesellschaft wächst.

    Die Digitalisierung ermöglicht den Strafverfolgungsbehörden auf der anderen Seite aber auch neue Ermittlungsansätze. Daten können schneller ausgetauscht und für taktische und strategische Analysen an unterschiedlichen Stellen genutzt werden – weltweit. Hier greift der Zoll bei der Bekämpfung der Internetkriminalität auf umfangreiches technisches Spezialwissen zurück. Seit dem Jahr 2004 ist das ZKA mit seiner Zentralen Internet-Recherche-Einheit für komplexe Recherchen und Ermittlungsunterstützungen im Internet und Darknet tätig – insbesondere bei der Ermittlung und Verfolgung von Transaktionen mit Kryptowährungen. Diese Maßnahmen ermöglichen die Vereinnahmung von inkriminierten Vermögen aus illegalen Geschäften und schwächen gleichzeitig die finanziellen Mittel der kriminellen Strukturen.

    Darüber hinaus können durch die Vielzahl an Daten auffällige Strukturen schneller erkannt und neue Begehungsformen effektiver bekämpft werden. Daher müssen wir mit den technischen Entwicklungen Schritt halten. Die letzten Erfolge rund um die Encrochat-Ermittlungen, an denen auch der Zoll beteiligt ist, zeigen: Wir sind auf dem richtigen Weg.

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