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  • Aktuelle Wirtschafts- und Finanzlage

    Eu­ro­päi­sche Wirt­schafts- und Fi­nanz­po­li­tik

    Rückblick auf die Sitzungen der Eurogruppe und der ECOFIN-Ministerinnen und -Minister am 17. und 18. Januar 2022 in Brüssel

    Eurogruppe

    Bei der Sitzung der Eurogruppe am 17. Januar 2022 standen die Themen ökonomische Anpassung und Widerstandsfähigkeit des Euroraums im internationalen Vergleich, Herausforderungen und Politikmaßnahmen hinsichtlich Vulnerabilitäten im Unternehmenssektor und struktureller Veränderungen im Zuge der COVID-19-Krise, die Eurozonenempfehlungen sowie die eurozonenspezifischen Aspekte der wirtschaftspolitischen Steuerung auf Ebene des Euroraums auf der Tagesordnung.

    Zum Auftakt der Eurogruppe erörterten die Finanzministerinnen und Finanzminister die ökonomische Anpassung und Widerstandsfähigkeit des Euroraums im internationalen Vergleich. Zunächst präsentierte die Europäische Kommission ihre Erkenntnisse. Anschließend führte Laurence Boone, Chefvolkswirtin der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, in die Debatte ein und ging dabei auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den USA und dem Euroraum ein. Entschiedene Politikmaßnahmen hätten sowohl in den USA als auch im Euroraum zu einer raschen Erholung geführt. Während die Konjunktur in den USA weniger stark eingebrochen sei und sich schneller erhole, sei der Arbeitsmarkt im Euroraum dank der Kriseninstrumente weniger stark betroffen. Bundesfinanzminister Christian Lindner begrüßte die thematische Diskussion und würdigte die effektive Krisenpolitik des Euroraums. Zwischen den Diskutanten und der EU-Kommission bestand Einvernehmen, dass die wirtschaftliche Erholung nach der Pandemie deutlich schneller erfolge als nach der globalen Finanzmarktkrise. Die wortnehmenden Mitgliedstaaten stimmten darin überein, dass die europäischen Unterstützungsmaßnahmen sich bislang als angemessen und geeignet erwiesen hätten, die wirtschaftlichen und beschäftigungspolitischen Folgen der Corona-Pandemie einzudämmen und die wirtschaftliche Erholung zu unterstützen. Dies sei insbesondere der deutlich besseren Ausgangslage vor der Pandemie zu verdanken. Weitere Bemühungen, die Bankenunion und Kapitalmarktunion voranzubringen, wie auch die Implementierung der Aufbau- und Resilienzfazilität (Recovery and Resilience Facility, RRF) seien entscheidend für die Krisenfestigkeit des Euroraums.

    Ferner führten die Ministerinnen und Minister der Eurogruppe eine thematische Aussprache über die Herausforderungen und Politikmaßnahmen hinsichtlich Vulnerabilitäten im Unternehmenssektor und struktureller Veränderungen im Zuge der COVID-19-Pandemie. Der Schwerpunkt der Diskussion lag auf der nationalen Perspektive, insbesondere auf Reformen des Insolvenzrechts und Erfahrungen mit Garantiebegebungen einzelner Mitgliedstaaten. Es herrschte Übereinstimmung, dass die getroffenen Maßnahmen die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie erfolgreich eingedämmt haben. Insbesondere habe sich die befürchtete Insolvenzwelle in der Pandemie nicht materialisiert. Es gab eine breite Unterstützung für die Notwendigkeit einer fortlaufenden engen Überwachung der weiteren Entwicklung, nicht zuletzt mit einem Fokus auf kleine und mittlere Unternehmen.

    Die Eurogruppe stimmte den sogenannten Eurozonenempfehlungen zu. Am 24. November 2021 hatte die Europäische Kommission Vorschläge für die Eurozonenempfehlung im Rahmen des Europäischen Semesters vorgelegt. Die Eurozonenempfehlungen betreffen wie üblich die Themenbereiche Strukturreformen, Fiskalpolitik, Arbeitsmarkt und Sozialpolitik, Finanzmarktpolitik und die Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion.

    Zum Schluss der Eurogruppensitzung fand ein erster Austausch zu den Eurozonenaspekten der wirtschaftspolitischen Steuerung statt, der sogenannte Economic Governance Review. Die Ministerinnen und Minister diskutierten über den haushaltspolitischen Rahmen für das Euro-Währungsgebiet und die Überwachung der Programmländer nach Abschluss des Anpassungsprogramms. Bundesfinanzminister Christian Lindner setzte sich für eine effektivere Nutzung der Entwürfe der gesamtstaatlichen Haushaltspläne zur Unterstützung der fiskalischen Tragfähigkeit ein und forderte, zu quantitativen fiskalpolitischen Empfehlungen zurückzukehren. Er zeigte sich nicht von der Notwendigkeit einer Fiskalkapazität auf europäischer Ebene überzeugt. Hierzu gab es ein differenziertes Meinungsbild.

    Hinsichtlich der Nachprogrammüberwachung der Programmländer signalisierten die wortnehmenden Mitgliedstaaten Zufriedenheit. Eine Reihe von Mitgliedstaaten zeigte sich gegenüber kleinen technischen Anpassungen und einer gewissen Straffung der Prozesse offen; die Diskussion wird zum gegebenen Zeitpunkt fortgesetzt. Was die Entwürfe der vorläufigen Haushaltspläne betrifft, bestand Einigkeit, dass der Überprüfungsprozess gut funktioniere und von Nutzen für die nationalen Debatten sei. Einige Mitgliedsstaaten monierten einen Wirkungsverlust während der Pandemie und forderten eine erneute Stärkung des Prozesses.

    Bei der Eurogruppe im inklusiven Format lag der Fokus auf dem aktuellen Stand der Beratungen zur Bankenunion. Die Ministerinnen und Minister tauschten sich über den Stand der Bankenunion aus, insbesondere über das weitere Vorgehen im Hinblick auf die Erstellung eines einvernehmlichen, mehrstufigen und an Fristen geknüpften Arbeitsplans für alle noch ausstehenden Elemente. Es fand keine vertiefte inhaltliche Aussprache statt. Der Präsident der Eurogruppe, Paschal Donohoe, kündigte an, dass er einen eigenen Vorschlag vorlegen wolle. Ein konstruktiver Dialogprozess sei gestartet.

    ECOFIN-Rat

    Bei dem Treffen der ECOFIN-Ministerinnen und -Minister am 18. Januar 2022 standen folgende Punkte auf der Tagesordnung: der Richtlinienvorschlag zur Einführung einer globalen effektiven Mindestbesteuerung multinationaler Unternehmen in der Europäischen Union (EU), die Schwerpunkte der französischen Präsidentschaft, der Stand der Implementierung der Aufbau- und Resilienzfazilität, Ratsschlussfolgerungen zur Jährlichen Strategie für nachhaltiges Wachstum und zum Frühwarnbericht 2022 sowie die Empfehlungen zur Wirtschaftspolitik des Euroraums, die Vorbereitung des Treffens der G20-Finanzministerinnen und -minister und -Notenbankgouverneurinnen und -gouverneure im Februar 2022, die Schwerpunkte der deutschen G7-Präsidentschaft sowie ein Bericht der Europäischen Investitionsbank (EIB) zu Investitionen.

    Die Orientierungsdebatte zum Richtlinienentwurf zur globalen effektiven Mindestbesteuerung multinationaler Unternehmen – die Säule 2 der breiten Einigung zum sogenannten Zwei-Säulen-Projekt – dominierte den ECOFIN. Der Zeitplan der französischen Ratspräsidentschaft ist sehr ambitioniert: Frankreich sieht eine Annahme des Rechtstexts beim ECOFIN im März vor. Fast alle Mitgliedstaaten beteiligten sich an der Debatte. Bundesfinanzminister Christian Lindner begrüßte die rasche Vorlage des Richtlinienvorschlags und unterstrich, dass der ambitionierte Zeitplan eingehalten werden müsse. Dies sei ein wichtiges Signal europäischer Handlungsfähigkeit bei einem bedeutenden globalen Dossier für faire Besteuerung und gegen schädliche Steuergestaltung.

    Neben Deutschland unterstützte die überwältigende Mehrheit der Mitgliedstaaten grundsätzlich den Richtlinienentwurf der EU-Kommission sowie die ehrgeizigen Pläne Frankreichs und sprach sich für eine schnelle Umsetzung der Richtlinie aus. Einige wenige Mitgliedstaaten äußerten sich kritischer und forderten eine enge juristische Verknüpfung zur Einführung der globalen effektiven Mindestbesteuerung (unter Säule 2) mit der Umsetzung von Säule 1 (Reallokation der Besteuerungsrechte). Dem widersprachen die Präsidentschaft, die Europäische Kommission und Deutschland.

    Darüber hinaus stellte der französische Finanzminister Bruno Le Maire die Prioritäten der französischen Präsidentschaft im ECOFIN vor, die insbesondere auf eine Konsolidierung des Aufschwungs zielen. Er kündigte an, dass der informelle ECOFIN im Februar sich mit Blick auf die Vorbereitung des informellen Gipfels der Staats- und Regierungschefs im März zu Fragen eines neuen gerechten, nachhaltigen und innovativen Wirtschaftsmodells, das zu den Leitgedanken der französischen Ratspräsidentschaft gehört, austauschen werde. In ihrer kurzen Intervention begrüßte die Europäische Kommission die allgemeinen Ziele der französischen Präsidentschaft und hob insbesondere die Bedeutung der Bereiche wirtschaftspolitische Steuerung, Bankenunion, Kapitalmarktunion, internationale Besteuerung und Bekämpfung der Geldwäsche hervor. Kein Mitgliedstaat intervenierte.

    Unter dem Tagesordnungspunkt „Wirtschaftliche Erholung in Europa“ tauschten sich die ECOFIN-Ministerinnen und -Minister zum Umsetzungsstand der Aufbau- und Resilienzfazilität aus. Einleitend unterrichtete die Europäische Kommission: Die Bewertungen der Kommission zu den Aufbau- und Resilienzplänen von Schweden, Ungarn, Polen und Bulgarien stünden noch aus. Die Kommission stehe mit den zuständigen Behörden im Austausch.

    Insgesamt 20 Mitgliedstaaten hätten bislang eine Vorfinanzierung erhalten. Der Fokus liege nun auf der Umsetzung der Pläne. Gegenwärtig würden die Auszahlungsanträge von Frankreich, Griechenland und Italien geprüft; im Dezember 2021 sei bereits eine erste Auszahlung in Höhe von 10 Mrd. Euro an Spanien erfolgt. Die französische Präsidentschaft betonte abschließend, dass Fortschritte bei der Umsetzung der RRF zentral seien.

    Unter dem Tagesordnungspunkt „Europäisches Semester“ wurden die Ratsschlussfolgerungen zum Frühwarnbericht 2022, zur Strategie für nachhaltiges Wachstum 2022 und der Vorschlag für die Eurozonenempfehlung durch den Rat ohne Wortmeldungen der Mitgliedstaaten angenommen.

    Anschließend wurde das G20-Treffen der Finanzminister und -ministerinnen und Zentralbankpräsidentinnen und -präsidenten am 17. und 18. Februar vorbereitet. Die französische Präsidentschaft schlug vor, wie üblich den Wirtschafts- und Finanzausschuss mit der Erarbeitung der „EU Terms of Reference“ zu beauftragen, um das EU-Mandat bis zum G20-Treffen im Februar zu finalisieren.

    Unter „Verschiedenes“ umriss Bundesfinanzminister Christian Lindner kurz die Schwerpunkte des Finance Track 2022 der von Deutschland im Januar übernommenen G7-Präsidentschaft. Schwerpunkt sei zum einen die globale makroökonomische Erholung. Zum anderen wolle man die Debatte zu Crypto Assets und digitalen Währungen sowie die Arbeit an anderen Themen wie der Klimapolitik fortführen. Die Europäische Kommission führte aus, dass die Pandemie die Bedeutung des Gremiums aufgezeigt habe. Für den deutschen Vorschlag eines Klima-Klubs äußerte die Europäische Kommission Unterstützung.

    Abschließend stellte der Präsident der Europäischen Investitionsbank, Werner Hoyer, die zentralen Ergebnisse des Investitionsberichts 2022 vor. Er stellte eingangs die Bedeutung des Europäischen Garantiefonds für die wirtschaftliche Erholung in der EU heraus. Der Investitionsbericht gebe insgesamt ein positives Bild der 12.500 befragten Unternehmen in der EU. Dank der beeindruckenden politischen Reaktion sei ein wirtschaftlicher Zusammenbruch verhindert worden. Während die Unternehmen erklärten, sich an die wirtschaftliche Situation anzupassen und in die Digitalisierung und Ökologisierung zu investieren, gebe es pandemiebedingte Unsicherheiten sowie einen negativen Einfluss der hohen Energiepreise auf die wirtschaftliche Aktivität. Insgesamt gebe der Investitionsbericht Anlass zur Zuversicht. Allerdings seien weitere Anstrengungen nötig. Die Europäische Kommission teilte die Einschätzung, dass weiterhin Herausforderungen bestünden, und stellte insbesondere die Bedeutung der Aufbau- und Resilienzfazilität heraus.

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