Auf nationaler Ebene reagiert Deutschland u. a. mit dem Ergänzungshaushalt auf die Folgen des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine. Auf internationaler Ebene wirkt Deutschland an Sanktionen mit, die als Reaktion auf den Krieg ergriffen worden sind. Diese werden in Europa durch die Europäische Union (EU) beschlossen, federführend für die deutsche Seite verhandelt dabei das Auswärtige Amt. Bei Sanktionen auf den Finanzsektor und den Zahlungsverkehr nimmt das BMF eine wichtige Rolle ein, z. B. bei Abstimmungen und mit fachlichen Vorschlägen. Und dann müssen die beschlossenen Sanktionspakete der EU von Deutschland, wie von allen Mitgliedstaaten, umgesetzt werden.
Sanktionsdurchsetzung ist kein kleines Unterfangen. Welche Rolle kommt dem BMF in diesem Prozess zu?
Sanktionen können eine Vielzahl von Sachverhalten betreffen. Demzufolge sind zahlreiche Behörden auf Bundes- und Landesebene involviert. Deren Zusammenarbeit und der Austausch von Expertise ist von großer Bedeutung – genau hier liegt der Schlüssel für die effektive Durchsetzung der Sanktionspakete der EU.
Das BMF nimmt eine zentrale Rolle in diesem Prozess ein, indem es in gemeinsamer Federführung mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) die von der Bundesregierung eingerichtete Task Force führt. Die Task Force koordiniert die Zusammenarbeit von Behörden und entwickelt sie strukturell sowie durch Vernetzung von Kompetenzen und Erfahrungen weiter; sie schafft Klarheit und etabliert gemeinsames systematisches Vorgehen. Wesentliche Herausforderungen und Regelungslücken in den für Sanktionsdurchsetzung relevanten Rechtsgebieten wurden bereits analysiert und Lösungsvorschläge erarbeitet. Auf genau dieser Basis berät der Deutsche Bundestag derzeit z. B. den Entwurf eines ersten Sanktionsdurchsetzungsgesetzes Lücken, wie bei der Zuständigkeit der Behörden und bei der Sicherstellung von Vermögensgegenständen, sollen geschlossen werden.
Beim Vollzug der Sanktionen sind zunächst das BMWK, das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) und die Bundesbank angesprochen. Das BMWK ist beispielsweise federführend beim Außenwirtschaftsrecht, das auch die Straf- und Bußgeldbewehrung von Verstößen gegen EU-Embargos regelt. Außerdem sind dort Waffenembargos national festzuschreiben. Das BAFA ist die administrative Umsetzungsbehörde insbesondere für Ausfuhrgenehmigungsverfahren. Die Bundesbank nimmt als national zuständige Stelle u. a. Meldungen über eingefrorene Gelder entgegen.
Auch der Zuständigkeitsbereich des BMF ist beteiligt: Der Zoll unterstützt die Durchsetzung der Sanktionen im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten bei der Überwachung des Warenverkehrs – d. h. immer, wenn es um Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr geht. Außerdem hat das BMF die nötige Expertise im Bereich Finanzmarkt, die es in die Abstimmung mit den anderen in der Task Force gebündelten Ressorts einbringt.
Wie sehen Sie die Rolle der G7 bei den Sanktionen, auch im Kontext der EU? Gibt es hier eine Konkurrenz oder vielmehr eine Ergänzung?
Im Bereich der Sanktionsdurchsetzung hat die G7 – zusammen mit Australien – die sogenannte REPO-Arbeitsgruppe eingerichtet. Der Name steht für „Russian Elites, Proxies and Oligarchs“. Diese Zusammenarbeit zielt darauf ab, gegenseitig von den Erfahrungen zu profitieren. Darüber hinaus tauschen sich die Finanzministerien und Zentralbanken der G7 zu den makroökonomischen Auswirkungen des Kriegs und der Sanktionen aus. Eine Konkurrenz mit der EU gibt es dabei nicht, es geht um ein sehr konstruktives Miteinander.
Dabei gilt es jedoch, zu beachten, dass für uns nur die von der EU verhängten Sanktionen rechtlich verbindlich sind. Diese gelten in den einzelnen Mitgliedstaaten unmittelbar, bedürfen also keines weiteren nationalen Rechtsakts. Die Sanktionsdurchsetzung in anderen, befreundeten Rechtsräumen gibt aber allen Mitgliedern der internationalen Arbeitsgruppen wichtige Anhaltspunkte dafür, wo man im Vergleich steht und an welchen Stellen man vielleicht nachziehen sollte.
Uns alle eint das Ziel, die wirtschaftlichen Ressourcen Russlands und seiner Eliten so weit zu schwächen, dass dort ein Umdenken einsetzt und der Krieg gegen die Ukraine möglichst bald endet.“
Woran wird gemessen, wie effektiv die Sanktionen sind?
Letztlich wird der Gradmesser für den Erfolg der Sanktionen sein, ob wir es schaffen, dass Präsident Wladimir Putin irgendwann in naher Zukunft seinen Krieg gegen die Ukraine beendet. Bis es so weit ist, haben wir trotz aller bisherigen Anstrengungen noch viel Arbeit vor uns.
Im ökonomischen Bereich ist klar, dass die Auswirkungen in Russland eher mittelfristig bis langfristig zu spüren sein werden, etwa, wenn für die (militärische) Industrie zukünftig wichtige Ersatzteile oder Hightech-Güter fehlen werden.
Die Effektivität der Sanktionsdurchsetzung bei den sogenannten Individuallistungen ist schwer zu bemessen. Meist wird auf den Wert der eingefrorenen Vermögensgegenstände geschaut. In Deutschland liegen die eingefrorenen Bankguthaben bei rund 142 Mio. Euro1. Gleichzeitig gelten zwei Jachten im Wert von mehreren 100 Mio. Euro als eingefroren und die Behörden gehen derzeit in einzelnen Fällen sehr intensiv Immobilienbesitz nach. Daneben wirken aber auch die güterbezogenen Restriktionen, wie z. B. das Waffenembargo gegenüber Russland und Belarus sowie das Ausfuhrverbot für Güter und Technologien, die in der Luft- und Raumfahrt verwendet werden können oder zur Verbesserung des Verteidigungs- und Sicherheitssektor dienen könnten. Diese setzen wir konsequent mit BAFA und Zoll um.
Die mit den Sanktionsmaßnahmen verbundene Symbolwirkung ist ebenfalls nicht zu unterschätzen – als solche aber natürlich nicht messbar. Alle Sanktionen zusammengenommen, trifft Deutschland gemeinsam mit der internationalen Gemeinschaft Russland und Belarus hart.
Ziel ist, dass der Krieg beendet wird. Welche anderen Mittel neben Sanktionen gibt es, dies zu erreichen?
An erster Stelle muss immer die Diplomatie stehen. Es muss das gemeinsame Ziel sein, zu einer tragfähigen Friedensregelung für die Ukraine zu kommen.
Wir verlassen uns aber nicht allein darauf. Daher hat sich die Bundesregierung dazu entschlossen, die Ukraine zusammen mit unseren Partnern in Europa und in der Welt zu unterstützen – finanziell, humanitär und auch durch die Bereitstellung militärischer Ausrüstung. Insbesondere im Bereich der Finanzhilfen kommt Deutschland als Präsidentschaft der G7 aktuell eine besonders wichtige Rolle bei der Mobilisierung von Unterstützung aus vielen Ländern und Institutionen zu.
Zusammen mit den Sanktionen soll der Druck am Ende dazu führen, dass die Russische Föderation einlenkt. Noch ist die Einsicht dafür offenbar nicht im ausreichenden Maße da. Aber auch die Menschen in Russland spüren, dass sich das Leben für sie verschlechtert, und die Unzufriedenheit mit der eigenen Regierung steigt.
Auch – vielleicht gerade – in Ausnahmesituationen spielt die Steuerpolitik eine besonders wichtige Rolle. Wie können wir den Ukrainerinnen und Ukrainern helfen?
Steuerliche Maßnahmen leisten einen wichtigen Beitrag bei der Bewältigung von Krisen. Das haben die vergangenen Jahre gezeigt, und so ist es auch bei der humanitären Unterstützung von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine. Die Steuerpolitik hat schnell reagiert und bewährte Instrumente ergriffen, um steuerliche Rahmenbedingungen zu schaffen, welche die dringend benötigte Hilfe ermöglichen und fördern. Sei es durch Erleichterungen (z. B. durch sogenannte Nichtbeanstandungsregeln) oder durch Rechtsklarheit und -sicherheit.
Durch sogenannte Katastrophenerlasse kann schnell reagiert werden. Mit entsprechendem Erlass vom 17. März 2022 wurden steuerliche Maßnahmen insbesondere zur Unterstützung und Anerkennung derjenigen Personen und Organisationen getroffen, die sich in dieser humanitären Katastrophe persönlich oder finanziell engagieren. Darin finden sich Regelungen zum erleichterten Nachweis von Spenden an gemeinnützige Organisationen oder beispielsweise Arbeitslohnspenden. Darüber hinaus sind eine Reihe von umsatzsteuerlichen Regelungen enthalten. Zum Beispiel wird im Billigkeitswege sichergestellt, dass in bestimmten Fällen die unentgeltliche Überlassung von Wohnraum an Kriegsflüchtlinge keine ungünstigen steuerlichen Folgen mit sich bringt.
Ergänzend haben wir gemeinsam mit den Ländern FAQ erstellt. In möglichst verständlicher Form können sich Bürgerinnen und Bürger hier informieren.
Darüber hinaus gibt es weitere steuerliche Maßnahmen, mit denen die Ukraine unterstützt wird. Zum Beispiel haben wir unmittelbar nach der Invasion russischer Truppen in die Ukraine die steuerliche Verwaltungszusammenarbeit mit Russland ausgesetzt, insbesondere den Informationsaustausch. Auch eine solchen Maßnahme trägt zum Schutz der Ukrainerinnen und Ukrainer bei, indem die Informationslage Russlands geschwächt und die Erhebung von Steuern und damit die Hebung finanzieller Ressourcen erschwert wird. Ein international abgestimmtes Vorgehen ist essenziell. Daher arbeiten wir auch im Steuerbereich sehr eng mit unseren internationalen Partnern zusammen.
Fußnoten
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- Stand: 13. Mai 2022