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  • Analysen und Berichte

    Jah­res­ta­gung des In­ter­na­tio­na­len Wäh­rungs­fonds und der Welt­bank­grup­pe

    • Vom 10. bis 16. Oktober 2022 fanden in Washington, D.C. anlässlich der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbankgruppe u. a. Treffen der G7- und G20-Finanzministerinnen und -minister und -Notenbankgouverneurinnen und -gouverneure und des Lenkungsausschusses des IWF (International Monetary and Financial Committee) statt. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie war dies die erste Tagung dieser Art in voller Präsenz.
    • Im Zentrum der Diskussion stand die in vielen Ländern andauernde hohe Inflation und die Frage, wie dieser geld- und finanzpolitisch am besten entgegengewirkt werden kann. Der IWF hat direkt vor der Tagung seine Prognose für das erwartete reale weltweite Wirtschaftswachstum für 2023 auf nunmehr 2,7 Prozent abgesenkt. Die sofortige Beendigung des Kriegs durch Russland wäre die wirksamste Maßnahme, um den düsteren Ausblick auf die Weltwirtschaft zu verbessern – dies hat auch Deutschland immer wieder deutlich betont.
    • Die G7, bei denen Deutschland im Jahr 2022 die Präsidentschaft innehat, besprach u. a. die dringend notwendige finanzielle Unterstützung für die Ukraine und tauschte sich zu den makroökonomischen Auswirkungen des Klimawandels aus. Ein weiteres Schwerpunktthema der Tagung – die hohe Verschuldung vieler Entwicklungs- und Schwellenländer – spielte auch eine wichtige Rolle beim in diesem Format erstmaligen Treffen der G7-Finanzministerinnen und -minister mit ihren afrikanischen Kolleginnen und Kollegen.
    • In Reaktion auf die weltweit hohen Nahrungsmittelpreise hat der IWF im Rahmen seiner bestehenden Notfallhilfen eine zusätzliche Kreditlinie geschaffen. Besonders von der „Nahrungskrise“ betroffene Länder können so rasch zusätzliche finanzielle Unterstützung erhalten. Die Ukraine ist der erste Anwendungsfall. Der neu ins Leben gerufene sogenannte Resilience and Sustainability Trust des IWF, der längerfristige Strukturanpassungen vor allem in den Bereichen Klima und Pandemievorsorge unterstützen soll, wurde während der Jahrestagung offiziell in Betrieb genommen. Deutschland steuert ein Darlehen in Höhe von 6,3 Mrd. Euro bei.

    Treffen der G20

    Das Treffen der G20-Finanzministerinnen und -minister und -Notenbankgouverneurinnen und -gouverneure fand am 13. Oktober 2022 statt. Die führenden Industrie- und Schwellenländer (19 Staaten und die Europäische Union (EU)) stimmten sich bei den G20 zu globalen Themen ab; im Finanzstrang, dem sogenannten Finance Track, vor allem zu wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen. Es war das letzte Treffen im Finance Track unter indonesischer Präsidentschaft; im nächsten Jahr übernimmt Indien die Präsidentschaft.

    Sehr herausfordernd war schon wie im Frühjahr der Umgang mit dem G20-Mitglied Russland, der auch seit Beginn des russischen Angriffskriegs die Konsensfindung innerhalb der G20 insgesamt erschwert. Deutschland hat beim G20-Treffen – wie auch bei allen anderen Treffen in Washington, D.C. – in enger Abstimmung mit seinen Partnern den Krieg Russlands gegen die Ukraine auf das Schärfste verurteilt und immer wieder klar kommuniziert, dass Russland die volle Verantwortung für die weltwirtschaftlichen Auswirkungen des Kriegs trägt, die gerade auch zulasten der armen und ärmsten Länder gehen.

    Es konnte, wie schon im Frühjahr, anders als bisher üblich kein gemeinsames Kommuniqué beschlossen werden. Die indonesische Präsidentschaft legte stattdessen eine Zusammenfassung („Chair’s Summary“) vor, in der dennoch wichtige Ergebnisse der Arbeit des G20 Finance Track in diesem Jahr festgehalten worden waren, beispielsweise zu internationaler Steuerpolitik oder Fortschritten bei der Schuldenerleichterung für Niedrigeinkommensländer.

    Treffen der G7

    Am Rande der Jahrestagung von IWF und Weltbankgruppe (WBG) fanden auch zwei Treffen der G7-Finanzministerinnen und -minister und -Notenbankgouverneurinnen und -gouverneure unter Leitung von Bundesfinanzminister Christian Lindner und Bundesbankpräsident Joachim Nagel statt. In der Gruppe der Sieben, kurz G7, stimmen die sieben führenden Wirtschaftsstaaten (Deutschland, Frankreich, Vereinigtes Königreich, Italien, Japan, Kanada und USA) und die EU gemeinsame Positionen zu globalen politischen Themen ab; im sogenannten Finance Track zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Die G7 besprach die durch den Krieg notwendig gewordene kurzfristige und mittelfristige finanzielle Unterstützung für die Ukraine sowie die aktuellen Herausforderungen für Geld- und Fiskalpolitik mit Blick auf die durch mehrere sich gleichzeitig entfaltende Krisen komplizierte Lage der Weltwirtschaft. Außerdem tauschte sie sich zu den zunehmenden makroökonomischen Auswirkungen und Risiken des Klimawandels aus. Die G7 diskutierte, wie die Finanz- und Geldpolitik die nötige Transformation hin zu Klimaneutralität unterstützen können, u. a. durch verstärkte internationale Kooperation, z. B. in einem Klimaclub. Lord Nicholas Stern stellte hierzu einen unabhängigen Bericht vor, den er zusammen mit weiteren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der London School of Economics im Auftrag des BMF erstellt hatte.

    Deutschland nutzte seinen G7-Vorsitz auch, um am 12. Oktober 2022 mit Finanzministerinnen und -ministern aus der G7, ausgewählten afrikanischen Staaten und den sogenannten neuen Gläubigerländern über eine noch wirksamere Implementierung des Rahmenwerks für Umschuldungen „Common Framework“ zu beraten.

    Rahmenwerk für Umschuldungen „Common Framework
    Um Solvenzproblemen der ärmsten Länder angemessen zu begegnen, hat die G20 im November 2020 dem sogenannten Common Framework als Rahmenwerk für Schuldenrestrukturierungen von 73 Ländern zugestimmt. Das Rahmenwerk soll fallweise Schuldenrestrukturierungen erleichtern und bei Bedarf Erlasse von Schulden ermöglichen. Damit die Schulden eines Schuldnerlands behandelt werden können, muss das Land zur nachhaltigen, wirtschaftlichen Stabilisierung ein Reformprogramm mit dem IWF vereinbaren. Außerdem ist von hoher Bedeutung, dass sich die privaten Gläubiger mindestens zu vergleichbaren Konditionen wie die staatlichen Gläubiger an der Schuldenerleichterung beteiligen. Bisher haben allerdings nur drei Länder (Tschad, Sambia und Äthiopien) Anträge auf Schuldenrestrukturierungen im Common Framework gestellt. Obwohl es weiterhin immer wieder Fortschritte gibt, konnte bisher keine Schuldenbehandlung final vereinbart werden. Es bleibt von größter Wichtigkeit, dass alle Gläubigerländer und insbesondere China als insgesamt größter bilateraler Gläubiger der ärmsten Länder an der Umsetzung des Common Framework aktiv mitwirken.

    Darüber hinaus ging es in dem Treffen um Reformen zur Stärkung des Privatsektors in afrikanischen Ländern, insbesondere im Rahmen der G20-Initiative „Compact with Africa“, und um nationale Anstrengungen zur Verbesserung der inländischen Einnahmebasis und der Bekämpfung von illegalen Finanztransaktionen. Die Veranstaltung hat erstmalig viele der entscheidenden internationalen Partner für eine nachhaltige finanzpolitische Entwicklung in Afrika zusammengeführt und wichtige Impulse für eine engere multilaterale Abstimmung in diesem Bereich gesetzt.

    Zu den G7-Treffen wurden insgesamt zwei G7-Statements sowie eine Chair’s Summary des Treffens im erweiterten Kreis veröffentlicht.

    Gruppenfoto der Teilnehmenden des G7-Treffens im Rahmen der Jahrestagung von IWF und Weltbank in Washington. BildVergroessern
    Abbildung 1: G7-Treffen im Rahmen der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbankgruppe. Quelle:  Bundesministerium der Finanzen/photothek

    Treffen des IWF-Lenkungsausschusses

    Am 13. Oktober 2022 fanden die Treffen des Lenkungsausschusses des IWF (International Monetary and Financial Committee (IMFC)) statt, an denen für Deutschland ebenfalls Bundesfinanzminister Christian Lindner und Bundesbankpräsident Joachim Nagel teilnahmen. Zentrale Themen waren die weltwirtschaftlichen Folgen des russischen Angriffskriegs, die weltweit hohen Inflationsraten und mögliche Risiken im Finanzsektor vor dem Hintergrund, dass die Energie- und Lebensmittelkrise sowie steigende Zinsen das Wachstum dämpfen und die Verschuldungssituation vieler Entwicklungs- und Schwellenländer verschärfen.

    Nach den Sitzungen wurde wegen der fehlenden Zustimmung einer Reihe von Mitgliedsländern zu einer deutlichen Verurteilung des russischen Angriffskriegs nicht wie üblich ein IMFC-Kommuniqué verabschiedet, sondern eine Zusammenfassung des Vorsitzes. Dem IMFC-Vorsitz Spanien gelang es allerdings, zu den inhaltlichen Themen – z. B. zur IWF-Geschäftspolitik und zu internationalen Schuldenfragen – weitgehende Einigung zwischen allen Mitgliedern herzustellen. Dies ist ein wichtiges Signal der multilateralen Handlungsfähigkeit auch über die G7 hinaus.

    Lage der Weltwirtschaft

    In seinem World Economic Outlook stellte der IWF am 11. Oktober 2022 seine jüngste Prognose zur Lage der Weltwirtschaft vor. Nach einem postpandemischen Wachstumsschub im Jahr 2021 sind das laufende und kommende Jahr demnach global gesehen von langsamem Wachstum nebst hoher Inflation geprägt. Als die zentralen negativen Faktoren für die aktuelle Lage der Weltwirtschaft nennt der IWF

    • die weltweit höher als erwartete Inflation und damit einhergehende geldpolitische Straffung,
    • die negativen Auswirkungen des russischen Angriffskriegs und
    • die weiterhin spürbaren Auswirkungen von COVID-19-bedingten Lockdowns und Lieferkettenproblemen.

    Für das Gesamtjahr 2022 prognostiziert der IWF wie schon im Juli ein globales Wirtschaftswachstum von 3,2 Prozent. Für das kommende Jahr 2023 senkte der IWF seine Prognose auf nunmehr 2,7 Prozent. Die Wachstumsprognose für die Bundesrepublik Deutschland wurde für das laufende Jahr geringfügig auf 1,5 Prozent angehoben, aber für 2023 sehr deutlich auf -0,3 Prozent gesenkt. Die Beendigung des Kriegs durch Russland wäre die wirksamste Maßnahme, um den düsteren Ausblick für die Weltwirtschaft zu verbessern – dies hat auch Finanzminister Christian Linder während der Tagung immer wieder betont.

    Der IWF revidierte die Prognose für die weltweite jahresdurchschnittliche Inflation im Jahr 2022 nach oben, auf nunmehr 7,2 Prozent für Industrieländer und 9,9 Prozent für Entwicklungs- und Schwellenländer.

    Aus Sicht des IWF hat die Bekämpfung der Inflation derzeit oberste Priorität. Es gilt, die hohen Preissteigerungsraten zu bremsen, um zu verhindern, dass sich die Inflation – über erhöhte Inflationserwartungen – auf höherem Niveau verfestigt. Der IWF empfiehlt eine Kombination aus eher restriktiver Finanzpolitik mit zielgerichteten sowie befristeten Maßnahmen, um besonders betroffene Haushalte und Unternehmen gezielt zu entlasten. Laut IWF sollten finanzpolitische Maßnahmen in einen glaubwürdigen, stabilitätsorientierten mittelfristigen Rahmen eingebettet sein.

    IWF-Krisenreaktion

    Der IWF verfügt insgesamt über gut 900 Mrd. US-Dollar an grundsätzlich verwendbaren Ressourcen. Von diesen sind rund 230 Mrd. US-Dollar aktuell in Kreditprogrammen gebunden; das sind etwas weniger gebundene Mittel als zum Höhepunkt der Staatsschuldenkrise 2011/2012. Die aktuelle Ressourcenausstattung des IWF erscheint deshalb weiterhin trotz der aktuellen Krisen angemessen und ausreichend.

    Der IWF hat im Rahmen seiner bestehenden Notfallhilfen eine zusätzliche Kreditlinie für besonders von den hohen Nahrungsmittelpreisen betroffene Länder geschaffen, ein „food shock window“. Länder, die stark unter dem Nahrungsmittel-Preisschock leiden, können so rasche zusätzliche finanzielle Unterstützung in Form von Krediten erhalten. Die Ukraine ist der erste Anwendungsfall – am 7. Oktober 2022 wurden 1,3 Mrd. US-Dollar bewilligt und bereits ausgezahlt.

    Während der Jahrestagung erfolgte der Startschuss zum neuen Resilience and Sustainability Trust (RST), der langfristige Strukturanpassungen vor allem in den Bereichen Klima und Pandemievorsorge unterstützen soll. Vier Pilotländer, voraussichtlich Costa Rica, Barbados, Ruanda und Bangladesch, könnten die ersten RST-Kredite erhalten. Deutschland steuert einen Darlehensbeitrag in Höhe von 6,3 Mrd. Euro bei. Auch den Poverty Reduction and Growth Trust, der Kredite für arme Länder zur Verfügung stellt, unterstützt die Bundesregierung erneut mit einem Zuschuss in Höhe von 100 Mio. Euro zur Zinssubventionierung. So ist sichergestellt, dass die ärmsten Länder weiterhin IWF-Kredite zu sehr günstigen Konditionen erhalten können.

    Die schnelle und umfassende Liquiditätsunterstützung des IWF ist richtig und wichtig – es handelt sich aber immer um unbedingt zurückzuzahlende Kredite. Die IWF-Hilfe löst deshalb nicht auf Dauer das Problem zu hoher Schuldenberge, das mehr als die Hälfte der Niedrigeinkommensländer betrifft.

    Treffen des Lenkungsausschusses der Weltbank

    Der Lenkungsausschuss der Weltbank (Development Committee) tagte am 14. Oktober 2022. Die WBG ist der größte Financier nachhaltiger Entwicklung und trägt maßgeblich zur globalen Verbreitung hoher Umwelt- und Sozialstandards bei.

    Für die Bundesregierung nahm die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Svenja Schulze als deutsche Gouverneurin der Weltbank am Lenkungsausschuss teil. Die Diskussionen unter Teilnahme auch von UN-Generalsekretär António Guterres und der Präsidentin der Welthandelsorganisation Ngozi Okonjo-Iweala waren geprägt von den globalen Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und die damit verbundene weltweit dramatische Verknappung und Verteuerung von Nahrungsmitteln und Energie sowie der fortschreitenden Klimakrise.

    Ministerin Svenja Schulze betonte, dass die WBG bei der Überwindung globaler Krisen und Herausforderungen eine zentrale Rolle spielen und die zukünftige Ausrichtung der Bank insbesondere auch die Bereitstellung globaler öffentlicher Güter umfassen müsse. Die Vorsitzende des Lenkungsausschusses, die uruguayische Finanzministerin Azucena Arbeleche, nahm die Forderungen der Ministerin in ihrer Erklärung prominent auf. Ministerin Svenja Schulze zufolge müsse die Bank sich zudem dem Ausbau sozialer Sicherungssysteme angesichts multipler Krisen widmen sowie eine Führungsrolle im Kampf gegen die Klima- und Biodiversitätskrise einnehmen.

    Im Umgang mit der weltweit steigenden Verschuldung wurden IWF und WBG gebeten, dass sie weiterhin Schuldenländer mit technischer Unterstützung für Schuldenmanagement und -restrukturierung und Kapazitätsaufbau insbesondere bei Verhandlungen mit dem Privatsektor unterstützen.

    Bundesfinanzminister Christian Lindner und IWF-Chefin Kristalina Georgieva BildVergroessern
    Abbildung 2: Bundesfinanzminister Christian Lindner und IWF-Chefin Kristalina Georgieva. Quelle:  Bundesministerium der Finanzen/photothek

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