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  • Analysen und Berichte

    Drit­tes Fran­co-Ger­man Fis­cal Po­li­cy Se­mi­nar

    • Unter dem Titel „Macroeconomic Policy in Times of Overlapping Crises and Increased Stagflation Risks“ fand im BMF am 14. und 15. November 2022 das dritte Franco-German Fiscal Policy Seminar statt. 60 internationale Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Institutionen und Ministerien diskutierten – auf Einladung des Chefvolkswirts des BMF Wolf Heinrich Reuter und der Chefvolkswirtin des französischen Wirtschafts- und Finanzministeriums Agnès Bénassy-Quéré – Forschungsergebnisse und Handlungsoptionen im gegenwärtigen finanz- und wirtschaftspolitischen Umfeld.
    • In einer Panel-Session analysierten Ulrike Malmendier, Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Xavier Ragot, Mitglied des Conseil d’Analyse Economique, und Jeromin Zettelmeyer, Direktor des Thinktanks Bruegel, kurz- und mittelfristige Herausforderungen für die deutsche und die französische Volkswirtschaft und diskutierten mögliche finanz- und wirtschaftspolitische Antworten.
    • Florin Bilbiie von der Universität Cambridge präsentierte in seiner Keynote Lecture Forschungsergebnisse zu Konjunkturzyklen und Ungleichheit. In drei weiteren Sessions präsentierten sieben Forscherinnen und Forscher ihre Arbeiten zu verschiedenen Aspekten der Finanzpolitik sowie zu globalen Fragestellungen bezüglich Produktivität, Inflation und Handel.

    Einleitung

    In der dritten Auflage des gemeinsamen deutsch-französischen Formats fand das Franco-German Fiscal Policy Seminar erstmalig in Berlin statt, nachdem 2021 der französische „Trésor“ nach Paris eingeladen hatte und 2020 die Veranstaltung hatte digital stattfinden müssen. Internationale Forscherinnen und Forscher traten so erneut in den Austausch mit Fachleuten der deutschen und französischen Finanzministerien.

    Unter dem Leitthema „Macroeconomic Policy in Times of Overlapping Crises and Increased Stagflation Risks“ stellten sieben internationale Forscherinnen und Forscher aktuelle Studien vor. Im Fokus standen dabei auch die wirtschafts- und finanzpolitischen Implikationen der Analysen. So diskutierten sie mit den Fachleuten des BMF und des französischen Finanzministeriums u. a. die Wirksamkeit temporärer Umsatzsteuersatzsenkungen als finanzpolitisches Instrument, die besonderen Auswirkungen von Reformen des Sozialstaats in Währungsunionen, die Auswirkungen von Luftverschmutzung auf Arbeitsproduktivität, die makroökonomischen Auswirkungen von Handels- und Lieferkettenstörungen und die durch die globale Mindestbesteuerung entstehenden Steuereinnahmen.

    Neben Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Deutschland und Frankreich nahmen insgesamt circa 60 Fachleute aus Europa und den USA an der Konferenz teil. Der Veranstaltung war ein international publizierter sogenannter Call for Papers vorausgegangen. Aus den zahlreichen Einsendungen hatte ein unabhängiges wissenschaftliches Komitee um Andreas Peichl (ifo Institut, Ludwig-Maximilians-Universität München) die sieben Vorträge und das mit dem Best Paper Award ausgezeichnete Papier ausgewählt.

    Policy Panel

    Um am Nexus von Wissenschaft und Politik auch tagesaktuelle Themen lebendig zu diskutieren, versammelte das Seminar Ulrike Malmendier, Mitglied des deutschen Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Xavier Ragot, Mitglied des französischen Conseil d’Analyse Economique, und Jeromin Zettelmeyer, Direktor der Denkfabrik Bruegel, unter der Moderation von Agnès Bénassy-Quéré in einer Panel-Diskussion zum Thema „Macroeconomic Policy Reaction in Times of Overlapping Crises“.

    In ihrer Moderation hob die französische Chefökonomin hervor, dass die überlappenden Krisen – Energiekrise, Corona-Pandemie und Klimawandel – zu einem starken Anstieg der Staatsausgaben und Staatsverschuldung geführt hätten; gleichzeitig hätten die Pandemie und der russische Angriffskrieg die Verwundbarkeit internationaler Lieferketten gezeigt. Die Frage sei nun, ob die gegenwärtigen Krisen ein Umdenken in Finanzpolitik, Energiepolitik und Industrie- und Handelspolitik erforderten, ähnlich wie die Finanzkrise 2008 zu einem Umdenken bei der Regulierung des Finanzsektors geführt habe.

    Ulrike Malmendier führte in Bezug auf die von der Finanz- und Wirtschaftspolitik ergriffenen Maßnahmen zur Abfederung der wirtschaftlichen Auswirkungen stark gestiegener Energiepreise aus, dass angesichts mangelnder Datenverfügbarkeit eine Balance zwischen Geschwindigkeit und Zielgenauigkeit gewahrt werden müsse. Um die damit einhergehenden Trade-offs zu reduzieren, müssten einkommensabhängige Direktzahlungen staatlicher Transfers ermöglicht werden. Hierfür seien weitere Arbeiten in Deutschland erforderlich. Die konkrete Ausgestaltung der Gas-, Fernwärme- und Strompreisbremse in Deutschland sei ein gutes Beispiel für eine erfolgreiche Zusammenarbeit von Wissenschaft und Politik, da die Bundesregierung eine ExpertInnen-Kommission mit der Ausarbeitung von Vorschlägen beauftragt habe, die letztendlich auch umgesetzt worden seien. Sie betonte, dass es trotz des bestehenden Bedarfs für gezielte und wirksame staatliche Unterstützungsmaßnahmen im aktuellen Umfeld dicht aufeinanderfolgender Krisen grundsätzlich wichtig sei, dass sich nicht die Erwartung bei den Akteuren verfestige, in jeder Krisensituation von einer staatlichen Stützung ausgehen zu können.

    Xavier Ragot betonte, dass die starken Preissteigerungen bei Energie erhebliche Verteilungseffekte hätten und große Belastungen für ärmere Haushalte und bestimmte Branchen darstellten. Die Finanzpolitik habe hier die wichtige Rolle, Belastungen abzufedern; gleichzeitig sei es jedoch wichtig zu erkennen, dass die Steigerungen von Energiepreisen – neben Inflationstreibern – auch potenziell dauerhafte Verteuerungen und somit relative Preisänderungen seien, nämlich eine Verteuerung von Energie im Vergleich zu anderen Gütern. Die große Ungewissheit über die zukünftige Entwicklung von Energiepreisen, Haushaltseinkommen, dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine und den erforderlichen Investitionen für die Dekarbonisierung der Wirtschaft stelle erhebliche Herausforderungen in der Gestaltung der finanz- und wirtschaftspolitischen Antwort dar und erfordere Flexibilität.

    Jeromin Zettelmeyer charakterisierte die gegenwärtige Situation als großen Angebots- und „Terms-of-Trade“-Schock. Diesem zu begegnen, sei grundsätzlich sehr viel herausfordernder, als auf einen Nachfrageschock zu reagieren. Erschwerend käme hinzu, dass dieser Schock große Verteilungseffekte habe und die Staatsverschuldung bereits durch die Corona-Pandemie stark gestiegen sei. Die wahre Herausforderung sei jedoch, dass – aufgrund nationaler Differenzen – die Regierungen der Europäischen Union nicht immer gemeinsam handelten. Europa benötige dringend einen „Grand Bargain“, einen gemeinsamen und koordinierten Ansatz. Dieser müsse auf vier Prinzipien beruhen: (1) alle Länder müssten ihre Möglichkeiten bei der Erzeugung und Bereitstellung von Energie voll ausnutzen und (2) gleichzeitig umfassende Anstrengungen zur Senkung der Nachfrage unternehmen; darüber hinaus müsse es (3) ein politisches Bekenntnis zum Erhalt des europäischen Energiemarkts und grenzüberschreitender Energieflüsse sowie (4) Unterstützung für die ärmsten Verbraucher geben.

    Keynote und Best Paper Award

    Florin Bilbiie präsentierte in seiner Keynote „Inequality and Business Cycles“ ein Papier, in dem er (zusammen mit Giorgio Primiceri und Andrea Tambalotti) untersuchte, ob in sogenannten berechenbaren neu-keynesianischen Modellen mit heterogenen Agenten („tractable HANK models“) durch die Kombination von mikroökonomischen Daten und makroökonomischen Schätzmethoden das Verständnis von Konjunkturzyklen verbessert werden kann, und analysierte die Rolle von Finanzpolitik und automatischen Stabilisatoren. Die Autoren fanden heraus, dass größere Ungleichheit und schwächere automatische Stabilisatoren konjunkturelle Schwankungen erheblich verstärken. Die Hauptquelle dieser Verstärkung sei das zyklische Vorsorgesparverhalten; Sparerinnen und Sparer reduzierten ihren Konsum, um sich gegen das unsystematische Risiko eines starken Einkommensrückgangs abzusichern, das in Rezessionen steige.

    Gewinner des Best Paper Awards: Mona Baraké, Theresa Neef und Gabriel Zucman für ihr Papier „Revenue Effects of the Global Minimum Tax under Pillar Two

    Der mit 1.000 Euro dotierte Best Paper Award wurde an Mona Baraké, Theresa Neef und Gabriel Zucman für ihr Papier „Revenue Effects of the Global Minimum Tax under Pillar Two“ verliehen. In ihrem Papier simulierten die Autorinnen und der Autor Auswirkungen der globalen Mindeststeuer von 15 Prozent, auf die sich 137 Länder im Oktober 2021 geeinigt hatten, unter zwei unterschiedlichen Annahmen dazu, wer die Mindeststeuer erhebt: das Land des Hauptsitzes auf Grundlage der Income Inclusion Rule oder das Gastland der ausländischen Tochtergesellschaften gemäß der Qualified Domestic Minimum Top-up Tax. Die Autorinnen und der Autor schätzten, dass die Hauptsitzländer insgesamt 179 Mrd. Euro an Steuern einnehmen könnten; die Verteilung der Einnahmen variiere in Abhängigkeit davon, welches Land bei der Erhebung Priorität habe: Von einer Regel, bei der dies Länder seien, in denen Unternehmen ihren Hauptsitz haben, profitierten insbesondere Länder mit vielen Hauptsitzen multinationaler Unternehmen; sofern Gastländern jedoch Vorrang bei der Erhebung der Top-up-Steuer eingeräumt würde, könnten insbesondere Niedrigsteuerländer, die die Tochtergesellschaften vieler multinationaler Unternehmen angezogen haben, zu den Hauptnutznießern der Reform gehören.

    Inhaltliche Schwerpunkte

    Session 1: Finanzpolitik und ihre Interaktionen

    In der ersten Session stellten Rüdiger Bachmann (University of Notre Dame), Christian Merkl (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) und Eric Mengus (HEC Paris) ihre Papiere zum Themenbereich „Fiskalpolitik und ihre Auswirkungen und Interaktionen“ vor.

    Rüdiger Bachmann und Co-Autoren nutzten in ihrem Papier „A Temporary VAT Cut as Unconventional Fiscal Policy“ die vorübergehende Umsatzsteuersatzsenkung in der 2. Hälfte des Jahres 2020 um 3 Prozentpunkte als natürliches Experiment, um die Reaktion privater Haushalte auf unkonventionelle Fiskalpolitik zu untersuchen. Dazu verwendeten sie Umfrage- und Scannerdaten zu Konsumausgaben von Haushalten und deren Wahrnehmung dazu, inwieweit der niedrigere Steuersatz die Preise bestimmter Produkte senke. Die Autoren fanden, dass die befristete Umsatzsteuersatzsenkung bei Personen, welche die Umsatzsteuersatzsenkung als Preissenkung wahrgenommen hatten, zu einem relativen Anstieg der Ausgaben für langlebige Güter um 37 Prozent geführt hatte. Auch die Ausgaben für Verbrauchsgüter waren gestiegen. Insgesamt erhöhte die Maßnahme die gesamten Konsumausgaben so um 26 Mrd. Euro oder 1,6 Prozent.

    Christian Merkl und Co-Autoren analysierten in ihrem Papier „The Dark Shadow of Benefit Reforms in a Monetary Union“ die Folgen einer Sozialleistungsreform in einem Zwei-Länder-Modell mit unvollständigen Vermögensmärkten. Hierbei begannen die Autoren mit der Erkenntnis, dass niedrigere Leistungen bei Arbeitslosigkeit die Anreize für Unternehmen, aufgrund niedrigerer Löhne freie Stellen zu besetzen, erhöhten, aber gleichzeitig die Absicherung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegen Arbeitslosigkeit verringerten. Bei unvollständiger Versicherung stimuliere dies das Vorsorgesparen und senke den Gleichgewichtszinssatz. Eine Sozialleistungsreform in nur einem Land, dem „Reformland“, würde über den Anstieg der vorsorglichen Ersparnisse dort zu einem dauerhaft höheren Schuldenstand im Nicht-Reformland und somit zu einem erhöhten Schuldendienst führen. In einem nächsten Schritt kalibrierten die Autoren ihr quantitatives Modell auf die geschätzten Reaktionen in den Sektoren handelbarer und nicht-handelbarer Güter infolge der deutschen Hartz-Reformen und analysierten die Auswirkungen in der Europäischen Währungsunion. Dabei fanden sie in der kalibrierten Version des Modells erhebliche negative und langfristige Konsum-Spillover-Effekte auf andere Länder. Die Autoren bezeichnen diesen Effekt als den „dunklen Schatten“ von Arbeitsmarktreformen.

    Eric Mengus präsentierte mit seinem Papier „The Central Bank, the Treasury, or the Market: Which One Determines the Price Level?“ ein Modell, in dem das Preisniveau das Ergebnis dynamischer strategischer Interaktionen zwischen drei Akteuren ist – einer fiskalischen Autorität (der Regierung), der unabhängigen Notenbank und Investoren in Staatsanleihen und Reserven. Schlüsselergebnis des spieltheoretischen Papiers ist, dass die „unangenehme monetaristische Arithmetik“, bei der eine aggressive fiskalische Expansion die Notenbank dazu zwingt, nachzugeben und die Kontrolle über die Inflation zu verlieren, nur dann eintritt, wenn dem öffentlichen Sektor der fiskalische Spielraum fehle, d. h., wenn die öffentliche Verschuldung entlang des optimalen fiskalischen Pfades nahe genug an die Schwelle herankomme, oberhalb derer die fiskalische Autorität einen Zahlungsausfall für optimal halten würde. Andernfalls überwiege die monetäre Dominanz, auch wenn die Zentralbank weder den Rückhalt der fiskalischen Autorität noch die Möglichkeit habe, sich glaubhaft selbst zu binden.

    Sessions 2 und 3: Die globale Welt – Produktivität, Handel und Besteuerung

    In der zweiten und dritten Session standen Papiere zu Produktivität, Handel und Besteuerung im Vordergrund; Clara Kögel, Juan Carluccio, Peter Tillmann und Theresa Neef präsentierten ihre Forschung.

    Clara Kögel untersuchte in ihrem Papier „The Impact of Air Pollution on Labour Productivity in France“ die Auswirkungen von Luftverschmutzung auf die Arbeitsproduktivität in französischen Betrieben im Zeitraum 2001 bis 2018. Mittels eines Instrumentenvariablenansatzes, der auf der Höhe der planetarischen Grenzschicht und der Windgeschwindigkeit basiert, schätzte sie den kausalen Effekt von Luftverschmutzung auf Arbeitsproduktivität. Sie fand heraus, dass ein Anstieg der Feinstaubbelastung um 10 Prozent im Durchschnitt zu einem Rückgang der Arbeitsproduktivität um 1,5 Prozent führte. In ihrer Analyse berücksichtigte sie neben unternehmensspezifischen Merkmalen und anderen Störfaktoren auch verschiedene Dimensionen der Heterogenität, die für diesen negativen Effekt verantwortlich sind. Sie fand heraus, dass die negativen Auswirkungen von Luftverschmutzung vor allem dienstleistungsintensive Unternehmen und Sektoren mit einem hohen Anteil an hochqualifizierten Arbeitnehmern treffen. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der Annahme, dass Luftverschmutzung – dadurch, dass sie Kopfschmerzen und Müdigkeit auslöst – die kognitiven Fähigkeiten und die Konzentration bei nicht-routinemäßigen kognitiven Aufgaben beeinträchtigt. Die geschätzten Gewinne allein durch den Arbeitsproduktivitätskanal könnten die Kosten für die Reduzierung von Feinstaub (mit einer Partikelgröße kleiner als 2,5 Mikrometer) durch die Luftqualitätsrichtlinie 2008/50/EG weitgehend ausgleichen. Alles in allem deuten diese Schätzungen laut der Autorin darauf hin, dass die negativen Auswirkungen von Luftverschmutzung viel größer sind als bisher in der Literatur beschrieben.

    Juan Carluccio und seine Co-Autoren quantifizierten in ihrem Papier „Dissecting the Impact of Imports from Low-Wage Countries on Inflation“ die Auswirkungen von Konsumgüterimporten aus Niedriglohnländern (NLL) auf die Inflation in Frankreich von 1994 bis 2014 und nutzten dazu Mikrodaten zu Importen, die nach Produkten und Herkunftsländern disaggregiert sind. Die Autoren berücksichtigen dabei, dass Einfuhren von in NLL produzierten Gütern den Verbraucherpreisindex sowohl durch einen reinen Preiseffekt als auch durch ein geändertes Konsumverhalten (aufgrund der Veränderung relativer Preise) beeinflussen. Der reine Preiseffekt umfasse sowohl den Beitrag der importierten Inflation (je nach Anteil der Importe am Konsum) als auch die wettbewerbsfördernde Wirkung auf die inländischen Preise. Der Effekt des geänderten Konsumverhaltens könne in den vorliegenden Daten nicht direkt beobachtet werden, sondern müsse aus den tatsächlichen Ausgabenanteilen und den relativen Preisen ermittelt werden. Diesem Ansatz folgend finden die Autoren, dass – wenn auch Änderungen des Konsumverhaltens berücksichtigt werden – Importe von Konsumgütern aus NLL einen weitaus größeren Effekt auf die Inflation hätten (zwischen 0,13 und 0,17 Prozentpunkte pro Jahr, je nach Spezifikation der Präferenzen), als eine alleinige Betrachtung des Preiseffekts zunächst suggerieren würde.

    Die makroökonomischen Auswirkungen globaler Lieferkettenschocks für den Euroraum schätzten Peter Tillmann und David Finck in ihrem Papier „The Macroeconomic Effects of Global Supply Chain Disruptions“. Hierzu kombinierten sie in einem empirischen Modell Konjunkturvariablen mit Daten aus dem internationalen Containerhandel und nutzten einen neuartigen Identifikationsansatz, der die konventionellen Vorzeichenrestriktionen für die Impulsantworten durch Informationen über drei Episoden erweitert: das Tohoku-Erdbeben im Jahr 2011, die Blockade des Suezkanals im Jahr 2021 und der Container-Rückstau in Shanghai im Jahr 2022. Mit dieser Identifikationsstrategie zeigen die Autoren, dass ein globaler Lieferkettenschock einen Rückgang der realen Wirtschaftstätigkeit im Euroraum und einen starken Anstieg der Verbraucherpreise verursacht. Über einen Zeithorizont von einem Jahr erkläre dieser globale Lieferkettenschock etwa 30 Prozent der Inflationsdynamik. Zusätzlich nutzten die Autoren regionale Daten zu Störungen in Lieferketten, um Schocks mit Ursprung in China zu analysieren. Hier zeigten die Autoren, dass Unterbrechungen der Lieferkette mit Ursprung in China ein wichtiger Faktor für unerwartete Bewegungen in der Industrieproduktion sind, während Unterbrechungen, die ihren Ursprung außerhalb Chinas haben, ein besonders wichtiger Faktor für die Dynamik der Verbraucherpreise sind.

    Als letztes Papier der Konferenz präsentierte Theresa Neef ihr Papier „Revenue Effects of the Global Minimum Tax under Pillar Two“ mit Mona Baraké und Gabriel Zucman, das im Anschluss mit dem Best Paper Award ausgezeichnet wurde (s. a. Info-Box).

    Ausblick

    Das Franco-German Fiscal Policy Seminar lieferte erneut Impulse zu aktuellen finanzpolitischen Fragestellungen. Wie bereits in den Vorjahren bot das Seminar Expertinnen und Experten aus der Finanzpolitik eine Plattform, um mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern im Bereich Finanzwissenschaften und Makroökonomie zu innovativen Konzepten und Strategien in den Austausch zu treten. Diesen Aspekt hob auch Wolf Heinrich Reuter in seiner Begrüßungsrede ausdrücklich hervor, indem er die wertvolle Zusammenarbeit zwischen Ökonominnen und Ökonomen und dem BMF in den Krisen der vergangenen Jahre lobte. Mit Blick auf nächstes Jahr kündigten Agnès Bénassy-Quéré und Wolf Heinrich Reuter an, dass das im Wechsel in Berlin und Paris ausgerichtete Franco-German Fiscal Policy Seminar 2023 im französischen Wirtschafts- und Finanzministerium in Bercy stattfinden werde.

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