Navigation und Service

Inhalt

  • Analysen und Berichte

    Sta­bi­li­täts­rat: Kri­sen­be­wäl­ti­gung for­dert öf­fent­li­che Haus­hal­te wei­ter her­aus

    • Am 16. Dezember 2022 fand im BMF unter dem Vorsitz des Bundesministers der Finanzen Christian Lindner und der Ministerin der Finanzen des Landes Rheinland-Pfalz Doris Ahnen die 26. Sitzung des Stabilitätsrats statt.
    • Die im Stabilitätsrat besprochene Finanzprojektion verdeutlicht, dass das gesamtstaatliche strukturelle Defizit im Jahr 2023 auf bis zu rund 3 ¼ Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ansteigen könnte. Das erhöhte gesamtstaatliche Defizit ist in starkem Ausmaß auf die temporären Maßnahmen zur Bewältigung der Energiekrise infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zurückzuführen.
    • Der Stabilitätsrat hat bei der Überwachung der Einhaltung der grundgesetzlichen Schuldenbremse festgestellt, dass sich aus seinem an den europäischen Vorgaben orientierten harmonisierten Analysesystem für die Jahre 2022 und 2023 beim Bund und bei allen Ländern keine Beanstandungen ergeben.
    • Der Stabilitätsrat hat sich turnusgemäß auch mit der Haushaltsüberwachung zur Vermeidung drohender Haushaltsnotlagen befasst. Die Indikatoren für die Freie Hansestadt Bremen sind weiterhin auffällig. Der Stabilitätsrat stellt auf der Grundlage des Berichts des Evaluationsausschusses fest, dass dort trotz der zwischenzeitlichen Verbesserungen der Kennziffern erneut eine Haushaltsnotlage droht.

    Aufgaben des Stabilitätsrats

    Der Stabilitätsrat ist ein gemeinsames Gremium des Bundes und der Länder. Er wurde mit der Föderalismusreform II errichtet und ist in Art. 109a Grundgesetz (GG) verankert. Zusammen mit der Schuldenregel stärkt der Stabilitätsrat seit 2010 die institutionellen Voraussetzungen zur Sicherung langfristig tragfähiger Haushalte im Bund und in den Ländern. Zu den Aufgaben des Stabilitätsrats gehören

    • die Überwachung der Einhaltung der Obergrenze des strukturellen gesamtstaatlichen Finanzierungsdefizits nach § 51 Abs. 2 des Haushaltsgrundsätzegesetzes (HGrG),
    • die Überwachung der Einhaltung der Schuldenregel des Art. 109 Abs. 3 GG durch den Bund und alle einzelnen Länder,
    • die fortlaufende Überwachung der Haushalte des Bundes und der Länder zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen sowie die Durchführung von Sanierungsverfahren und
    • die Koordinierung der Haushalts- und Finanzplanungen des Bundes, der Länder und der Kommunen.

    Am 16. Dezember 2022 fand im BMF unter dem Vorsitz des Bundesministers der Finanzen Christian Lindner und der Ministerin der Finanzen des Landes Rheinland-Pfalz Doris Ahnen die 26. Sitzung des Stabilitätsrats statt.

    Einhaltung der Obergrenze des strukturellen gesamtstaatlichen Finanzierungsdefizits

    Der Stabilitätsrat stellte zur Finanzprojektion fest, dass die durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine verursachte und sich verschärfende Energiekrise die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland beeinträchtigt und eine erhebliche Belastung für die öffentlichen Haushalte nach sich zieht. Im Jahr 2023 dürfte das strukturelle Defizit des Staatshaushalts (Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherung inklusive ihrer jeweiligen Extrahaushalte in den Kategorien der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen) auf bis zu rund 3 ¼ Prozent des BIP ansteigen. Bis zum Jahr 2026 verringert sich der gesamtstaatliche strukturelle Finanzierungssaldo auf -1 ½ Prozent des BIP (s. a. Tabelle 1). Damit wird das mittelfristige Haushaltsziel (Medium Term Objective (MTO)) des präventiven Arms des Stabilitäts- und Wachstumspakts und des völkerrechtlichen Fiskalvertrags bis zum Ende des Projektionszeitraums nicht erreicht. Wie schon in den beiden Vorjahren ist die Überschreitung des mittelfristigen Haushaltsziels, d. h. des strukturellen Defizits von 0,5 Prozent des BIP, auch in den Jahren 2022 und 2023 aufgrund der europäischen Ausnahmeregel zulässig. Die Vorgabe, auf dem Anpassungspfad hin zum mittelfristigen Haushaltsziel das strukturelle Defizit als Richtwert um 0,5 Prozentpunkte pro Jahr abzubauen, hält Deutschland zwar im Durchschnitt der Jahre 2024 bis 2026 ein. Gleichwohl sind durch die Entwicklung in den vergangenen Monaten die Herausforderungen für Deutschland, die gesamtstaatlichen Defizitvorgaben in den nächsten Jahren einzuhalten, spürbar gestiegen.

    Das erhöhte gesamtstaatliche Defizit ist in starkem Ausmaß auf die temporären Maßnahmen zur Bewältigung der Energiekrise infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine zurückzuführen. Diese sind unabdingbar, um private Haushalte und Unternehmen – unter Beibehaltung von Anreizen zum Energiesparen – zeitlich befristet gezielt zu entlasten und die Energieversorgung sicherzustellen. Auf diese Weise werden bleibende volkswirtschaftliche Schäden vermieden. Derzeit sieht der Stabilitätsrat auch vor dem Hintergrund der bestehenden Unsicherheiten davon ab, Maßnahmen zur Rückführung des überhöhten Finanzierungsdefizits zu empfehlen.

    Schätzung des strukturellen gesamtstaatlichen Finanzierungssaldos gemäß § 7 Stabilitätsratsgesetz

    Tabelle vergrößern
    Tabelle 1

    Bei der Prüfung der Einhaltung der strukturellen gesamtwirtschaftlichen Defizitobergrenze nach § 51 Abs. 2 HGrG wird der Stabilitätsrat durch einen Beirat aus unabhängigen Expertinnen und Experten unterstützt, der eine Stellungnahme zur Einhaltung der Obergrenze des strukturellen gesamtstaatlichen Finanzierungsdefizits vorgelegt hat. Demnach hält der Beirat des Stabilitätsrats die Ergebnisse der Finanzprojektion des Stabilitätsrats für vertretbar. Auf Basis der bisherigen finanzpolitischen Beschlüsse und der günstigen Entwicklung der bis zum Projektionszeitpunkt vorliegenden Daten könnten die Defizite in den Jahren 2022 und 2023 nach Einschätzung des Beirats jedoch niedriger als vom Stabilitätsrat erwartet ausfallen. Die Projektion der Staatsfinanzen ist nach Einschätzung des Beirats derzeit außergewöhnlich unsicher. Vor dem Hintergrund der hohen strukturellen Defizitquote in Deutschland bis zum Jahr 2026 setzt sich der Beirat für eine Umsetzung der Empfehlungen der Europäischen Kommission für eine weniger expansive nationale Finanzpolitik beziehungsweise zielgerichtetere Maßnahmen ein.

    Der gesamtstaatliche strukturelle Finanzierungssaldo
    entspricht grundsätzlich dem um Konjunktur- und Einmaleffekte bereinigten gesamtstaatlichen Finanzierungssaldo (Einnahmen minus Ausgaben des Staates in den Kategorien der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen). Gemäß Festlegung der Europäischen Kommission werden allerdings die temporären Corona-Maßnahmen bei der Bereinigung nicht berücksichtigt; diese sind also auch im strukturellen Saldo enthalten. Die Kapitalmaßnahmen des wirtschaftlichen Abwehrschirms wurden als Einmaleffekte gebucht.

    Der Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP)
    ist ein regelbasierter Rahmen für die Koordinierung und Überwachung der nationalen Finanzpolitiken in der Europäischen Union (EU). Im Zentrum des präventiven Arms des SWP stehen die länderspezifischen MTO, die insbesondere von den jeweiligen Schuldenstandsquoten der Mitgliedstaaten abhängen.

    Der völkerrechtliche Fiskalvertrag
    von 2012 verschärft die Vorgaben zu den MTO gegenüber dem präventiven Arm des SWP. Im Ergebnis wird für Deutschland das MTO bis zu einer Obergrenze für das strukturelle gesamtstaatliche Defizit in Höhe von 0,5 Prozent des BIP als erfüllt angesehen. Der präventive Arm bestimmt, dass nach einer Verfehlung dieses Ziels der strukturelle Saldo in der Regel um jährlich 0,5 Prozent des BIP verbessert werden soll, bis das MTO erreicht ist. Das MTO ist in Deutschland gesetzlich in § 51 Abs. 2 HGrG verankert.

    Einhaltung der Schuldenbremse

    Seit dem Jahr 2020 obliegt dem Stabilitätsrat die Überwachung der Einhaltung der Schuldenbremse in Bund und Ländern nach Art. 109a Abs. 2 GG. Die Haushalte von Bund und Ländern sind grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. Hierbei können Bund und Länder Regelungen zur symmetrischen Berücksichtigung der Auswirkungen einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung vorsehen (sogenannte konjunkturelle Bereinigung). Auch können Ausnahmeregelungen für Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staats entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, getroffen werden. Die nähere Ausgestaltung für den Haushalt des Bundes regelt Art. 115 GG. Den Ländern räumt das GG das Recht ein, die nähere Ausgestaltung im Rahmen ihrer verfassungsrechtlichen Kompetenzen vorzunehmen.

    Das Überwachungsverfahren des Stabilitätsrats umfasst zwei Komponenten. Die erste Komponente stellt die Ergebnisse der bundes- beziehungsweise jeweiligen landesrechtlichen Schuldenbremse dar, die der Stabilitätsrat zur Kenntnis nimmt. Die eigentliche Überwachung obliegt hier den Parlamenten und Rechnungshöfen. Die zweite Komponente sind die für den Bund und jedes Land nach einem harmonisierten Analysesystem ermittelten Ergebnisse. Das harmonisierte Analysesystem orientiert sich an den Vorgaben und Verfahren aus Rechtsakten aufgrund des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zur Einhaltung der Haushaltsdisziplin und ist in einem Kompendium des Stabilitätsrats detailliert dargestellt. Zielgröße des Analysesystems ist die strukturelle Nettokreditaufnahme (NKA). Aus dem Finanzierungssaldo und dem Saldo der zu berücksichtigenden besonderen Finanzierungsvorgänge in Form von Rücklagenbewegungen und Münzeinnahmen (Bund) ergibt sich die NKA der jeweiligen Länder und des Bundes. Diese NKA wird um die in den bereinigten Einnahmen und Ausgaben enthaltenen finanziellen Transaktionen bereinigt sowie einer Konjunkturbereinigung unterzogen.

    Als finanzielle Transaktionen
    werden Transaktionen in Bezug auf finanzielle Vermögenswerte (Forderungen und Verbindlichkeiten) bezeichnet. Es handelt sich dabei um finanzvermögensneutrale Vorgänge, d. h. mit den Kassenbewegungen gehen ausgleichende Gegenbuchungen bei Forderungen beziehungsweise Verbindlichkeiten einher, z. B. Privatisierungserlöse (Tausch von Beteiligungsvermögen gegen Kassenzugang) oder Darlehensvergaben (Tausch Kassenausgang gegen Forderungserwerb).

    Die Konjunkturbereinigung
    soll eine konjunkturgerechte Finanzpolitik ermöglichen. Dies erfolgt durch Berücksichtigung der Einflüsse des unmittelbaren Konjunkturverlaufs auf die Einnahmen und Ausgaben mittels eines Konjunkturbereinigungsverfahrens, das die Möglichkeit der Neuverschuldung in konjunkturell schlechten Zeiten erhöht und in konjunkturell guten Zeiten reduziert. Dafür kommen beim Bund und in den einzelnen Ländern unterschiedliche Verfahren zur Anwendung, die jedoch einheitlich auf einem potenzialorientierten Ansatz aufbauen. Der Bund verwendet im Grundsatz das im Rahmen der europäischen Haushaltsüberwachung vereinbarte Konjunkturbereinigungsverfahren.

    Der Stabilitätsrat hat bei der Überwachung der Einhaltung der grundgesetzlichen Schuldenbremse festgestellt, dass sich aus seinem an den europäischen Vorgaben orientierten harmonisierten Analysesystem für die Jahre 2022 und 2023 beim Bund und bei allen Ländern keine Beanstandungen ergeben. Die Energiekrise infolge des russischen Angriffskrieges im Verbund mit den noch anhaltenden Auswirkungen der Corona-Pandemie haben dazu geführt, dass der Bund, aber auch viele Länder die Schuldenbremse gemäß dem harmonisierten Analysesystem im Jahr 2022 wie bereits in den beiden Vorjahren nur unter Berücksichtigung einer außergewöhnlichen Notsituation einhalten. Im Jahr 2023 wird der Bund die reguläre Obergrenze der Schuldenbremse wieder einhalten. Dies gilt nach den Ergebnissen des harmonisierten Analysesystems auch für die Länder. Dennoch haben die Länder Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Bremen auch für 2023 bereits eine Ausnahmesituation im Rahmen ihrer Schuldenbremse erklärt beziehungsweise geplant, diese zu erklären.

    Ergebnisse der Haushaltsüberwachung zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen

    Bund und Länder legen dem Stabilitätsrat jährlich ihre Stabilitätsberichte zur Haushaltsüberwachung vor. Darin stellen sie die aktuelle Haushaltslage und die Finanzplanung (in finanzstatistischer Abgrenzung) mittels abgestimmter Kennziffern, die mittelfristige Haushaltsentwicklung anhand einer modellbezogenen Projektion sowie die Einhaltung der verfassungsmäßigen Kreditaufnahmegrenze dar. Im Zentrum der Haushaltsüberwachung stehen die folgenden vier Kennziffern, deren Entwicklung in den Stabilitätsberichten aufgezeigt wird:

    • Struktureller Finanzierungssaldo
    • Kreditfinanzierungsquote
    • Zins-Steuer-Quote
    • Schuldenstandsquote

    Der Schwellenwert des strukturellen Finanzierungssaldos des Bundes wird aus der zulässigen strukturellen NKA gemäß Schuldenbremse des Bundes abgeleitet. Die Schwellenwerte der Kreditfinanzierungsquote, der Zins-Steuer-Quote und der Schuldenstandsquote des Bundes orientieren sich am jeweiligen Durchschnittswert der vergangenen fünf Jahre. Bei den Ländern orientieren sich die Schwellenwerte der Kennziffern grundsätzlich am Länderdurchschnitt. Der Vergleich mit dem Länderdurchschnitt ermöglicht es, Abweichungen in einzelnen Ländern zu identifizieren, die auf eine schwierige Haushaltslage schließen lassen. Zugleich stellt dieses Verfahren eine implizite Konjunkturbereinigung dar, da konjunkturelle Effekte, die alle Länder betreffen, auf diese Art ausgeklammert werden. Eine Kennziffer gilt in einem Zeitraum als auffällig, wenn mindestens zwei Werte den Schwellenwert absolut überschreiten. Ein Zeitraum wird insgesamt als auffällig gewertet, wenn mindestens drei von vier Kennziffern auffällig sind.

    Kennziffern für den Bund

    Anhand der vorgelegten Kennziffern sowie der Ergebnisse zur Projektion der mittelfristigen Haushaltsentwicklung stellte der Stabilitätsrat fest, dass dem Bund keine Haushaltsnotlage droht. Dennoch werden die Auswirkungen der Pandemie sowie der Energiekrise infolge des russischen Angriffskriegs in den Kennziffern des Bundes deutlich. Tabelle 2 zeigt, dass die Schwellenwerte für den strukturellen Finanzierungssaldo sowie die Kreditfinanzierungsquote in den Jahren 2020 bis 2022 ganz erheblich, teilweise um mehr als das 15-Fache, absolut überschritten werden. Der strukturelle Finanzierungssaldo bleibt auch im Finanzplanungszeitraum bis 2026 auffällig. Die Zins-Steuer-Quote ist infolge des derzeit noch moderaten Zinsniveaus und der erst zeitversetzt ansteigenden Tilgungsverpflichtungen über den gesamten Betrachtungszeitraum unauffällig. Dennoch liegt die Quote bereits im Soll des Jahres 2022 deutlich über den Werten der beiden Vorjahre und wird 2023 voraussichtlich nochmals auf fast das Doppelte ansteigen. Auch die Schuldenstandsquote unterschreitet in allen betrachteten Jahren den entsprechenden Schwellenwert.

    Kennziffern des Bundes zur aktuellen Haushaltslage und zur Finanzplanung (Berichtsjahr 2022)

    Tabelle vergrößern
    Tabelle 2

    Kennziffern für die Länder

    Insgesamt stellte der Stabilitätsrat fest, dass die Kennziffern für die Mehrheit der Länder unauffällig sind. Lediglich die Indikatoren für die Freie Hansestadt Bremen sind, wie erstmals am 10. Dezember 2021 festgestellt, weiterhin auffällig. Auf der Grundlage des Berichts des Evaluationsausschusses stellte der Stabilitätsrat fest, dass dort trotz der zwischenzeitlichen Verbesserungen der Kennziffern eine Haushaltsnotlage droht. Angesichts der aktuellen Krisenlage würde die Vereinbarung eines Sanierungsprogramms zum jetzigen Zeitpunkt jedoch eine erhebliche Herausforderung darstellen. Bremen wird dem Stabilitätsrat daher erst zu seiner Sitzung zum Jahresende 2023 Vorschläge für ein Sanierungsprogramm vorlegen.

    Einen Gesamtüberblick über die Kennziffernwerte der Länder im Berichtszeitraum liefert die zusammenfassende Übersicht über die Beschlüsse des Stabilitätsrats zur Haushaltsüberwachung auf der Internetseite des Stabilitätsrats1. Wie in Tabelle 3 exemplarisch deutlich wird, führen die erheblichen strukturellen Finanzierungsdefizite in den Haushalten der Länder aufgrund der Ermittlung der Schwellenwerte aus den Länderdurchschnitten nur in Ausnahmefällen zu einer Auffälligkeit der Kennziffern. Dies gilt auch für die Kreditfinanzierungsquote.

    (Struktureller) Finanzierungssaldo

    Tabelle vergrößern
    Tabelle 3

    Tabelle 4 zeigt daher die Entwicklung der Länderdurchschnitte im Zeitverlauf. Es wird deutlich, dass sich nach der Zeit der Konsolidierung in den Jahren 2011 bis 2019 insbesondere der strukturelle Finanzierungssaldo, die Kreditfinanzierungsquote und der Schuldenstand mit Beginn der Corona-Pandemie erheblich verschlechtert haben. Deutlich wird aber auch, dass die Kosten der Maßnahmen zur Abmilderung der sozialen und wirtschaftlichen Folgen der multiplen Krisen bisher zu einem großen Teil vom Bund getragen worden sind. So hatten die Länder im Durchschnitt im Jahr 2021 mit 23 Euro je Einwohnerin und Einwohner bereits wieder einen strukturellen Finanzierungsüberschuss zu verzeichnen. Für den Bundeshaushalt war dagegen ein strukturelles Finanzierungsdefizit in Höhe von 2.408 Euro je Einwohnerin und Einwohner festzustellen. Während der Bund in den drei Krisenjahren bis zu 38,4 Prozent seiner Ausgaben über Kredite finanzierte, erreichte die Kreditfinanzierungsquote für den Länderdurchschnitt nur maximal 12,9 Prozent. Für das Jahr 2022 wiesen die Kennziffern wieder auf einen leichten Anstieg der Belastungen der Länderhaushalte hin. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Berechnungen noch auf den Finanzplanungen beruhen.

    Kennziffern des Bundes und der Länderdurchschnitte für die Jahre 2011 bis 2022

    Tabelle vergrößern
    Tabelle 4

    Ausblick

    Die im Stabilitätsrat erörterte Finanzprojektion verdeutlicht, dass die Maßnahmen zur Krisenbewältigung ab dem Jahr 2020 mit erheblichen Belastungen für die öffentlichen Haushalte verbunden waren beziehungsweise sind.

    Im Lichte der finanziellen Ausgangslage und – der mit großer Unsicherheit behafteten – finanziellen Vorausschau betonte der Bundesminister der Finanzen in der sich an den Stabilitätsrat anschließenden Pressekonferenz, dass die Solidität der Staatsfinanzen auch angesichts der enormen Herausforderungen haushaltspolitisch wichtiger denn je sei. Nur so werde die finanzielle Handlungs- und Gestaltungsfähigkeit bewahrt werden. Um den Wohlstand zu sichern, müsse die Wettbewerbsfähigkeit durch Investitionen in die Zukunftsfähigkeit Deutschlands, die Beseitigung bürokratischer Hemmnisse und eine attraktive Gestaltung des Steuerrechts verbessert werden. Dafür sei künftig auch eine stärkere Priorisierung der Ausgaben erforderlich.

    Mit Blick auf die Diskussion in den Mitgliedstaaten der EU zur Reform des europäischen SWP betonte der Minister der Finanzen des Landes Nordrhein-Westfalen Dr. Marcus Optendrenk, dass auch vor dem Hintergrund der Herausforderungen im Spannungsfeld der drei Dimensionen „sozialer Zusammenhalt“, „ökologische Transformation“ und „Generationengerechtigkeit“ die Sicherung langfristig tragfähiger öffentlicher Finanzen im Zentrum der Reformbestrebungen stehen sollte.

    Die Ministerin für Finanzen des Landes Schleswig-Holstein Monika Heinold wies darauf hin, dass neben der akuten Krisenbekämpfung die Notwendigkeit bestehe, die ökologische Transformation hin zur Klimaneutralität beschleunigt voranzubringen. In Anbetracht dessen sollten die Länder eine Debatte führen, inwieweit künftig die Möglichkeit für die Länder geschaffen werden sollte, die Verschuldungsspielräume im Rahmen der bestehenden europäischen Fiskalregeln stärker auszuschöpfen.

    Weiterführende Informationen (z. B. Stellungnahme des Unabhängigen Beirats, Bericht des Evaluationsausschusses zur Hansestadt Bremen, Beschlüsse des Stabilitätsrats) finden Sie unter dem Shortlink https://www.bundesfinanzministerium.de/mb/20230151.

Fußzeile