Die Kreditaufnahme des Bundes dient der Finanzierung des Bundeshaushalts und der Sondervermögen des Bundes. Sondervermögen werden unterschieden in solche Sondervermögen, die über den Bundeshaushalt oder andere Einnahmen mitfinanziert werden, und Sondervermögen mit eigener Kreditermächtigung: Finanzmarktstabilisierungsfonds (FMS), Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF), Investitions- und Tilgungsfonds (ITF), Restrukturierungsfonds (RSF) und das Sondervermögen Bundeswehr (SV BW).
Die gesetzlichen Vorgaben zur Kreditaufnahme für die Sondervermögen FMS und WSF werden durch das Stabilisierungsfondsgesetz (StFG) geregelt. Kreditaufnahmen für FMS und WSF dienen zum einen der Finanzierung von Aufwendungen für Stabilisierungsmaßnahmen gemäß § 9 Abs. 1 StFG oder der Rekapitalisierung von Unternehmen gemäß § 22 StFG. Zum anderen nimmt der Bund für FMS und WSF auch Kredite auf, die gemäß § 9 Abs. 5 und § 23 StFG als konditionsgleiche Darlehen an Anstalten des öffentlichen Rechts durchgeleitet werden. Mit Änderung des StFG vom 24. Oktober 2022 wurde § 23 StFG erweitert, um eine Darlehensvergabe des WSF an die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) für ihr zugewiesene Geschäfte zur Sicherung der Liquidität von Unternehmen der Energiewirtschaft zu ermöglichen. Zuvor erfolgte die Darlehensvergabe nur für der KfW zugewiesene Programme im Rahmen der Corona-Krise.
Mit Gesetz vom 28. Oktober 2022 erfolgte eine weitere Änderung des StFG zur Erweiterung um Abschnitt 2 Teil 3 „Abfederung der Folgen der Energiekrise“. Danach ist das BMF nach § 26b Abs. 1 StFG für das Jahr 2022 ermächtigt, für den WSF zur Finanzierung von Maßnahmen gemäß § 26a Abs. 1 StFG Kredite im Volumen von 200 Mrd. Euro aufzunehmen. Mit der Erweiterung des WSF können auch Kredite für Darlehen des WSF an die KfW gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 4 StFG zur Refinanzierung von bestimmten, im Kontext der Energiekrise zugewiesenen Programmen und Stützungsmaßnahmen aufgenommen werden. Der Bund hat am 28. Dezember 2022 eine Zusatzemission in Höhe von rund 169,775 Mrd. Euro begeben. Dieser Betrag stellt die Differenz aus dem o. a. Ermächtigungsrahmen des WSF gemäß § 26b Abs. 1 StFG von 200 Mrd. Euro abzüglich der im Jahr 2022 durch den WSF zur Abfederung der Energiekrise bereits finanzierten Ausgaben, die außerhalb des Emissionskalenders begeben sind, dar. Die Zusatzemission wurde nicht am Markt verkauft, sondern ging als liquides Mittel direkt in den Bestand des WSF über.
Die Aufnahme von Krediten durch den Bund zur Weiterleitung von Darlehen über FMS und WSF an Anstalten des öffentlichen Rechts (im Folgenden „Darlehensfinanzierung“) dient der Kostenersparnis. Der RSF, das SV BW und Kredite des Bundes für die KfW zur Refinanzierung von Programmen und Stützungsmaßnahmen im Energiebereich nach § 26a Abs. 1 Nr. 4 StFG werden nachfolgend nicht mit aufgeführt, da zu den betrachteten Stichtagen keine Kreditaufnahmen beziehungsweise Verschuldung vorgelegen haben.
Die nachfolgenden Erläuterungen beziehen sich
- erst auf die gesamte Kreditaufnahme des Bundes,
- dann auf die Kreditaufnahme beziehungsweise Verschuldung des Bundeshaushalts und der mitfinanzierten Sondervermögen sowie der Kreditaufnahme von FMS, WSF und ITF ohne Darlehensfinanzierung und
- schließlich auf die Kreditaufnahme für FMS und WSF zur Darlehensfinanzierung.
Entwicklung der Kreditaufnahme des Bundes
Der Bund hatte bis zum 31. Dezember 2021 Kredite in Höhe von 1.438,4 Mrd. Euro aufgenommen. Dieser Bestand erhöhte sich zum 31. Dezember 2022 auf 1.551,7 Mrd. Euro. Der Anstieg des Bestands der Kreditaufnahme gegenüber dem 31. Dezember 2021 um 113,3 Mrd. Euro resultierte aus neuen Aufnahmen im Volumen von 508,3 Mrd. Euro, denen Fälligkeiten im Volumen von 395,0 Mrd. Euro gegenüberstanden. Der Anstieg ging auf den Finanzierungsbedarf des Bundes für den Haushalt und die Sondervermögen einschließlich Darlehensfinanzierung zurück. Vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2022 wurden für die Verzinsung aller auch in früheren Jahren aufgenommenen bestehenden Kredite saldiert 16,2 Mrd. Euro aufgewendet.
Im Dezember 2022 wurden 186,8 Mrd. Euro an Bundeswertpapieren emittiert, davon rund 169,8 Mrd. Euro als Zusatzemission des Bundes für den WSF. Dieses Wertpapier wurde nicht am Markt verkauft, sondern ging direkt als liquides Mittel in den Bestand des WSF über. Somit erfolgt durch die Zusatzemission keine Kreditaufnahme am Markt, und die durch § 26b i. V. m. § 26a StFG gegebene Kreditermächtigung für das Jahr 2022 wurde vollständig in Anspruch genommen. Die im Rahmen des Maßnahmenpakets zur Abfederung der Energiekrise in den Jahren 2023 und 2024 anfallenden Ausgaben werden wie üblich durch Emissionen des Bundes innerhalb des jeweiligen Emissionskalenders am Markt finanziert. An konventionellen Bundeswertpapieren wurden am Markt insgesamt 17 Mrd. Euro emittiert. Sie verteilten sich auf 3,0 Mrd. Euro 10-jährige Bundesanleihen1, 5,0 Mrd. Euro Bundesschatzanweisungen und 9,0 Mrd. Euro Unverzinsliche Schatzanweisungen des Bundes. Im Dezember 2022 wurden weder inflationsindexierte Bundeswertpapiere noch Grüne Bundeswertpapiere begeben.
Im Volumen von rund 36,6 Mrd. Euro nutzte der Bund im Jahr 2022 erstmals die bereits im Jahr 2020 geschaffene Möglichkeit, einen Teil der Haushaltsfinanzierung über Wertpapierpensionsgeschäfte vorzunehmen. Dazu werden sogenannte Repo-Geschäfte abgeschlossen, bei denen der Verkauf und der spätere Rückkauf von Wertpapieren vereinbart wird. Neben der Haushaltsfinanzierung werden solche Geschäfte schon seit langem im Kassenmanagement des Bundes und zur Unterstützung der Marktliquidität von Bundeswertpapieren genutzt.
Die Eigenbestände des Bundes an Bundeswertpapieren erhöhten sich im Dezember 2022 geringfügig um 0,3 Mrd. Euro auf 202,3 Mrd. Euro. Die Veränderung resultierte aus Sekundärmarktverkäufen in Höhe von 7,1 Mrd. Euro, denen Käufe in Höhe von 4,9 Mrd. Euro und die Erhöhung von Eigenbeständen durch bei Emission zurückbehaltene Emissionsanteile um 2,4 Mrd. Euro gegenüberstanden.
Am 31. Dezember 2022 entfielen 92,9 Prozent der Kreditaufnahmen auf die Kreditaufnahme des Bundes für Haushalt und Sondervermögen ohne Darlehensfinanzierung und 7,1 Prozent der Kreditaufnahme entfielen auf die Darlehensfinanzierung.
Entwicklung der Kreditaufnahme des Bundes (Haushalt und Sondervermögen ohne Darlehensfinanzierung)
Im Dezember 2022 wurden für den Bund (Haushalt und Sondervermögen ohne Darlehensfinanzierung) 48,8 Mrd. Euro an Krediten aufgenommen. Gleichzeitig wurden 27,8 Mrd. Euro fällige Kredite getilgt. Für die Verzinsung der Kredite des Bundes (Haushalt und Sondervermögen ohne Darlehensfinanzierung) wurden im Dezember 2022 saldiert 0,1 Mrd. Euro aufgewendet.
Am 31. Dezember 2022 betrug der Bestand der Kreditaufnahme des Bundes (Haushalt und Sondervermögen ohne Darlehensfinanzierung) insgesamt 1.442,0 Mrd. Euro. Damit erhöhte sich dieser gegenüber dem 31. Dezember 2021 um 94,0 Mrd. Euro. Davon entfielen 64,0 Mrd. Euro auf den Bundeshaushalt, dessen Bestand auf 1.370,5 Mrd. Euro anstieg. Um 30,2 Mrd. Euro erhöhten sich im Jahresverlauf die Kreditaufnahmen für den WSF für Maßnahmen zur Abfederung der Folgen der Energiekrise gemäß § 26a StFG. Von den 30,2 Mrd. Euro per 31. Dezember 2022 wurden 21,5 Mrd. Euro im Dezember aufgenommen. Die Bestände der übrigen Sondervermögen ohne Darlehensfinanzierung haben sich gegenüber dem 31. Dezember 2021 nur sehr geringfügig verändert: Per 31. Dezember 2022 betrug der Bestand der Kreditaufnahme für den ITF 16,3 Mrd. Euro (+0,2 Mrd. Euro), der Bestand der Kreditaufnahme für den FMS für Kredite für Aufwendungen gemäß § 9 Abs. 1 StFG betrug 22,9 Mrd. Euro (+0,2 Mrd. Euro) und der Bestand der Kreditaufnahme des WSF für Kredite für Rekapitalisierungsmaßnahmen gemäß § 22 StFG betrug 2,1 Mrd. Euro (-0,6 Mrd. Euro).
Entwicklung der Kreditaufnahme des Bundes zur Darlehensfinanzierung
Im Dezember 2022 wurden für den FMS zur Refinanzierung von Darlehen gemäß § 9 Abs. 5 StFG keine neuen Kredite aufgenommen und 0,6 Mrd. Euro an Krediten fällig. Der Bestand der für den FMS aufgenommenen Kredite von 55,0 Mrd. Euro am 31. Dezember 2021 erhöhte sich im Jahresverlauf bis zum 31. Dezember 2022 auf 59,4 Mrd. Euro. Für den WSF wurden im Dezember 2022 zur Darlehensfinanzierung gemäß § 23 StFG rund 4,4 Mrd. Euro Kredite aufgenommen und 3,8 Mrd. Euro Kredite getilgt. Der Bestand der für den WSF aufgenommenen Kredite von 35,4 Mrd. Euro am 31. Dezember 2021 hat sich im Jahresverlauf bis zum 31. Dezember 2022 um insgesamt 15,0 Mrd. Euro auf 50,3 Mrd. Euro erhöht. Bislang wurden für den WSF keine Kredite nach § 26a Abs. 1 Nr. 4 StFG aufgenommen. Seit Jahresbeginn stieg der Bestand der Kredite zur Darlehensfinanzierung insgesamt um 19,3 Mrd. Euro auf 109,7 Mrd. Euro.
Weitere Einzelheiten können folgenden Tabellen entnommen werden:
- Entwicklung der Kreditaufnahme des Bundes im Dezember 2022,
- Entwicklung der Kreditaufnahme des Bundes (Haushalt und Sondervermögen ohne Darlehensfinanzierung) im Dezember 2022 und
- Entwicklung von Umlaufvolumen, Eigenbestände und Anlagen des WSF im Dezember 2022.
Im statistischen Anhang der Online-Version des Monatsberichts sind zusätzlich die beiden erstgenannten Tabellen mit Daten für den Jahresverlauf, die nach Restlaufzeitklassen gruppierte Kreditaufnahme des Bundes sowie die monatliche Historie zur Kreditaufnahme des Bundes, zum Bedarf der Kreditaufnahme des Bundes, die Tilgungen des Bundes und die Zinsen für die Kredite des Bundes enthalten.
Die Abbildung „Kreditaufnahme des Bundes – Bestand und laufendes Jahr“ zeigt die Verteilung der Kreditaufnahme auf die Finanzierungsinstrumente, sowohl für die Aufnahme im Jahr 2022 als auch für den gesamten Bestand per 31. Dezember 2022. Den größten Anteil der Kreditaufnahme im Jahresverlauf machten mit 221,1 Mrd. Euro beziehungsweise 43,5 Prozent die (teils unterjährig fälligen) Unverzinslichen Schatzanweisungen des Bundes aus, gefolgt von den 10-jährigen Bundesanleihen mit 85,1 Mrd. Euro beziehungsweise 16,7 Prozent.

Von der Kreditaufnahme des Bundes über Verbriefungen lagen per 31. Dezember 2022 über 99 Prozent in Form von Inhaberschuldverschreibungen vor, bei denen die konkreten Gläubiger dem Bund nicht bekannt sind.
Details zu den geplanten Emissionen und den Tilgungen von Bundeswertpapieren können in den Pressemitteilungen zum Emissionskalender nachgelesen werden.2 Auf der Internetseite der Bundesrepublik Deutschland – Finanzagentur GmbH werden zudem nach jeder Auktion von Bundeswertpapieren die Auktionsergebnisse veröffentlicht.3
Entwicklung der Kreditaufnahme des Bundes (Haushalt und Sondervermögen ohne Darlehensfinanzierung) im Dezember 2022
Tabelle vergrößernEntwicklung von Umlaufvolumen, Eigenbestände und Anlagen des Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) im Dezember 2022
Tabelle vergrößernDie Rentenmarktentwicklung im Jahr 2022
Der rasante Anstieg der Inflationsraten auf die höchsten Werte seit Jahrzehnten sowie überaus kräftige Leitzinsanhebungen der Notenbanken in den meisten Währungsräumen als Antwort auf diese Entwicklung dominierten im Jahr 2022 das Geschehen an den internationalen Rentenmärkten. In diesem Umfeld erhöhten sich die nominalen Renditen der Staatsanleihen vieler Länder im Vergleich zum Vorjahr sehr deutlich. Unterjährig führten zeitweise stark ausgeprägte Sorgen vor einer Rezession verbunden mit der Erwartung einer damit einhergehenden Inflationsabschwächung zu teils beträchtlichen Kursschwankungen der Anleihen, änderten im Ergebnis jedoch wenig an der generell kräftig aufwärtsgerichteten Zinsentwicklung
Im Jahr 2022 setzte sich der bereits Mitte 2021 begonnene Anstieg der Inflationsraten weltweit mit großer Dynamik fort. Eine Kombination aus Anstiegen bei Rohstoff- und Nahrungsmittelpreisen, Lieferengpässen und einer nach Lockerung der Corona-Maßnahmen sprunghaft anziehenden Nachfrage, insbesondere nach Dienstleistungen, erzeugten einen markanten und breitgefächerten Anstieg der Lebenshaltungskosten. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine verstärkte über erheblich gestiegene Energiepreise die Inflationsdynamik weiter. In den USA erreichte die jährliche, am Verbraucherpreis-Gesamtindex gemessene, Inflationsrate im Juni 2022 mit 9,1 Prozent ihren vorläufigen Höchststand, im Euroraum wurde im Oktober 2022 mit einer harmonisierten Teuerungsrate von 10,6 Prozent ein Rekordwert verzeichnet. Trotz des raschen und stetigen Anstiegs der Inflationsraten auf Werte weit jenseits der gesetzten Ziele zögerten viele Zentralbanken mit einer schnellen Änderung ihrer ultraexpansiven Geldpolitik, da sie den Inflationsschub zunächst als temporär, hauptsächlich durch pandemiebedingte Sondereffekte bedingt, interpretierten. So begann die US-Notenbank Fed ihren geldpolitischen Normalisierungskurs zunächst mit einer Reduzierung der monatlichen Wertpapierankäufe, bevor sie diese im März 2022 ganz einstellte. Auch die erste Leitzinserhöhung seit 2018 fiel im März 2022 mit nur 25 Basispunkten in einem Umfeld hoher geopolitischer Unsicherheit noch sehr moderat aus. Im weiteren Jahresverlauf erhöhten die Währungshüter das Tempo der geldpolitischen Straffung angesichts der rasant weiter gestiegenen Teuerung drastisch. Mit sechs weiteren Zinsanhebungen der Fed, vier davon um ungewöhnlich hohe 75 Basispunkte, stieg der Leitzins bis zum Jahresende von nahe 0 Prozent auf eine Spanne von 4,25 Prozent bis 4,5 Prozent. Mit Blick auf das Jahr 2023 betonte die Fed die Notwendigkeit weiterer restriktiver Schritte zur Erreichung ihres Inflationsziels und stellte Leitzinsanhebungen in reduziertem Tempo und die Fortführung des im Sommer 2022 begonnenen Bilanzabbaus in Aussicht. Die Renditen der US-Staatsanleihen bewegten sich in einem Spannungsfeld zwischen Inflations- und immer wieder aufflammenden Konjunktursorgen im Jahresverlauf volatil aufwärts. 10-jährige US-Staatsanleiherenditen stiegen um rund 240 Basispunkte auf einen Jahresultimowert von 3,88 Prozent. Da der Anstieg der kurzfristigen Zinsen noch stärker ausgeprägt war – die Renditen 2-jähriger US-Staatsanleihen erhöhten sich um rund 370 Basispunkte auf 4,04 Prozent – nahm die Zinskurve seit dem Sommer eine inverse Form an.
Die Europäische Zentralbank (EZB) veränderte trotz einer bereits weit über das Inflationsziel gestiegenen Inflationsrate sowie deutlich nach oben korrigierter Inflationsprojektionen im 1. Halbjahr 2022 den hochexpansiven Grad ihrer Geldpolitik kaum und hielt weiter an der Negativzinspolitik fest. Erst im Juni 2022 beschlossen die Währungshüter, die bislang nur im Volumen reduzierten monatlichen Nettoankäufe von Wertpapieren im Rahmen des Anleiheankaufprogramms (APP) zum Ende des 2. Quartals ganz einzustellen und erstmals eine Zinserhöhung von 25 Basispunkten für den Monat Juli in Aussicht zu stellen. Das angekündigte Ende des APP-Ankaufprogramms löste starke Marktbewegungen aus und rückte kurzzeitig die Risiken einer expansiven Finanzpolitik und hoher Staatsverschuldung in Zeiten geldpolitischer Straffung in den Fokus. So erhöhten sich die Renditeaufschläge von Anleihen höher verschuldeter Eurostaaten gegenüber Bundesanleihen temporär spürbar. Um dem sogenannten Fragmentierungsrisiko zu begegnen, beschloss die Notenbank in einer Sondersitzung mit dem Transmission Protection Programm ein neues Wertpapierankaufprogramm. Das Programm kann bei Bedarf aktiviert werden und soll über gezielte Wertpapierankäufe eine reibungslose Transmission geldpolitischer Impulse im gesamten Euroraum garantieren, indem es die Renditeabstände zwischen den Anleihen der Euro-Länder auf ein fundamental gerechtfertigtes Maß begrenzt.
Zur Jahresmitte 2022 sah sich der EZB-Rat veranlasst, im Lichte einer immer stärkeren Inflationsdynamik und trotz gestiegener Abwärtsrisiken für die Konjunktur die Geldpolitik deutlich schneller und stärker zu straffen als zuvor beabsichtigt. Eine erste Anhebung der drei Leitzinssätze im Juli um 50 Basispunkte beendete daraufhin auch im Euroraum das Ende der langen Negativzins-Ära. In den Folgemonaten kam es zu weiteren Zinsanhebungen um insgesamt 200 Basispunkte, darunter zu zwei Zinsschritten im September und Oktober in Höhe von jeweils 75 Basispunkten. Zum Jahresende 2022 lagen die Leitzinssätze für die Einlage-, die Hauptrefinanzierungs- und die Spitzenrefinanzierungsfazilität bei 2,00 Prozent, 2,50 Prozent beziehungsweise 2,75 Prozent. In seiner Dezember-Sitzung bekräftigte der EZB-Rat die Notwendigkeit weiterer deutlicher Leitzinsanhebungen in einem gleichmäßigen Tempo auf ein ausreichend restriktives Niveau, das ein Erreichen des Inflationsziels von 2 Prozent mittelfristig ermöglicht. Ferner sollen ab März 2023 die Bestände aus dem APP in einem maßvollen Tempo von zunächst 15 Mrd. Euro pro Monat reduziert werden.
Die Renditen deutscher Bundesanleihen erhöhten sich im Jahr 2022 über alle Laufzeiten hinweg sehr deutlich. Wurden noch Ende 2021 nur Anleihen mit Restlaufzeiten über 20 Jahre positiv verzinst, rentierten ein Jahr später Anleihen der gesamten Bundkurve deutlich oberhalb von 2 Prozent. Besonders stark war der Zinsanstieg im von der Geldpolitik wesentlich beeinflussten kurzfristigen Segment ausgeprägt. 2-jährige Bundeswertpapiere notierten zum Jahresende bei 2,72 Prozent und damit 336 Basispunkte höher als Ende 2021. 10-jährige Bundesanleihen erhöhten sich über das Jahr hinweg um 274 Basispunkte auf 2,56 Prozent. Im Zuge der Leitzinserhöhungen verflachte sich die Zinskurve für Bundesanleihen seit Jahresmitte deutlich und nahm im Laufzeitenbereich zwei Jahre bis zehn Jahre im November erstmals eine inverse Form an.
Die Bank of England setzte ihre bereits im Vorjahr begonnene geldpolitische Normalisierung fort und hob den Leitzins in neun Schritten auf nunmehr 3,5 Prozent an. Demgegenüber hielt die Bank of Japan trotz spürbar gestiegener inländischer Inflation noch an ihrem stark akkommodierenden geldpolitischen Kurs fest. 10-jährige japanische Staatsanleihen verharrten im Jahresverlauf nahe 0,25 Prozent. Kurz vor Jahresende beschlossen die Währungshüter überraschend eine leichte Ausweitung des Bandes, in dem die Rendite der 10-jährigen Staatsanleihe um ein unverändertes Zielniveau von 0 Prozent schwanken kann. Lag die Bandbreite zuvor bei +/- 25 Basispunkten, beträgt sie nach der Sitzung nun +/- 50 Basispunkte. In der Folge stieg die Marktrendite 10-jähriger japanischer Staatsanleihen in den letzten Tagen des Jahres 2022 auf einen Wert nahe 0,5 Prozent.
Fußnoten
- 1
- In diesem Bericht werden die im Jahr 2020 eingeführten 7- und 15-jährigen Bundesanleihen zu den 10-jährigen Bundesanleihen gezählt.
- 2
- Emissionskalender
- 3
- Emissionsergebnisse