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  • Analysen und Berichte

    Tref­fen der G20-Fi­nanz­mi­nis­te­rin­nen und -mi­nis­ter so­wie -No­ten­bank­gou­ver­neu­rin­nen und -gou­ver­neu­re in Ben­galu­ru

    • Am 24. und 25. Februar 2023 fand das erste Treffen der G20-Finanzministerinnen und -minister sowie -Notenbankgouverneurinnen und -gouverneure unter indischer Präsidentschaft in Bengaluru, Indien, statt.
    • Genau ein Jahr nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine war das Treffen inhaltlich stark durch den Krieg selbst und seine Folgen für die Weltwirtschaft geprägt. Weitere Themenschwerpunkte lagen auf der globalen Klimafinanzierung und dem Abbau übermäßiger Verschuldung in besonders betroffenen Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen. Auch die Regulierung von Kryptowährungen sowie die Ausdehnung inklusiver Finanzmärkte wurden diskutiert.
    • Am Ende des Treffens veröffentlichte die indische G20-Präsidentschaft eine Zusammenfassung des Vorsitzes (sogenannte Chair Summary). Ein gemeinsames Kommuniqué der G20 scheiterte an der Blockade Russlands und Chinas bezüglich der noch im November 2022 beim G20-Gipfel in Bali, Indonesien, gefundenen Formulierungen zum russischen Angriffskrieg.
    • In allen anderen Themenbereichen konnte sich die G20 im Konsens auf gemeinsame Botschaften verständigen. Dies zeigt, dass die G20 auch in Zeiten, die für die internationale Koordinierung ausgesprochen schwierig sind, zu gemeinsamen Ergebnissen kommen kann.

    Einleitung

    Die indische Finanzministerin Nirmala Sitharaman eröffnete das erste Treffen der G20-Finanzministerinnen und -minister sowie -Notenbankgouverneurinnen und -gouverneure, wofür die indische G20-Präsidentschaft nach Bengaluru im Bundesstaat Karnataka geladen hatte. In ihrer Eingangsrede betonte die Finanzministerin die Rolle Indiens als Stimme des Globalen Südens und hob die Arbeit der G20-Präsidentschaftstroika hervor, die erstmals aus drei Schwellenländern (Indonesien, Indien und Brasilien, s. u.) besteht. Indien setze sich für eine „human-centric globalization“ ein, womit Indiens Premierminister Narendra Modi in der Vergangenheit eine Globalisierung bezeichnet hatte, „die den Menschen Wohlstand und Wohlergehen bringe und nicht eine Klima- oder Schuldenkrise verursache“.

    Kommuniqué und Zusammenfassung des Vorsitzes (Chair Summary)
    Können sich die G20-Finanzministerinnen und -minister sowie -Notenbankgouverneurinnen und -gouverneure auf ein gemeinsames Abschlussdokument im Konsensprinzip einigen, wird dieses als Kommuniqué verabschiedet. Kommt es nur zu einer teilweisen Einigung, kann die Präsidentschaft eine Zusammenfassung veröffentlichen, in der sie die Ergebnisse des Treffens zusammenfasst: die Chair Summary.

    G20-Präsidentschaft Indiens

    • Indien hat die G20-Präsidentschaft im Dezember 2022 von Indonesien übernommen. Im Dezember 2023 geht die Präsidentschaft auf Brasilien über. Damit besteht die sogenannte Präsidentschaftstroika zum ersten Mal ausschließlich aus Schwellenländern.
    • Indien sieht sich in der Rolle der G20-Präsidentschaft auch als Stimme des Globalen Südens. Die Prioritäten der indischen Präsidentschaft sollen deshalb nicht nur die Interessen der Partner innerhalb der G20 widerspiegeln, sondern auch den Interessen des Globalen Südens Ausdruck verleihen. Kurz nach der Übernahme der G20-Präsidentschaft lud Premierminister Narendra Modi Vertreterinnen und Vertreter aus 120 Ländern des Globalen Südens zu einem Gipfel ein.
    • Indiens Schwerpunkte im „Finance Track“, den in der Zuständigkeit der G20-Finanzministerinnen und -minister sowie Notenbankgouverneurinnen und -gouverneure liegenden Themenbereiche, greifen ebenfalls das Selbstverständnis Indiens als „Stimme des Globalen Südens“ auf. So stellt Indien u. a. Themen wie finanzielle Inklusion, die Stärkung der multilateralen Entwicklungsbanken und die internationale Schuldenarchitektur in den Mittelpunkt.

    Als Motto seiner G20-Präsidentschaft hat Indien „One Earth – One Familiy – One Future“ (Eine Erde – Eine Familie – Eine Zukunft) gewählt. Das Motto ist aus einem Hindu-Text entlehnt, der in der Eingangshalle des indischen Parlaments eingraviert ist. In seinem Eröffnungsstatement unterstrich der Präsident der indischen Zentralbank Shaktikanta Das insbesondere, dass „Eine Zukunft“ bedeute, dass es nachhaltiges und inklusives Wachstum für alle brauche.

    Als „Finance Track
    werden die in der Zuständigkeit der G20-Finanzministerinnen und -minister sowie -Notenbankgouverneurinnen und -gouverneure liegenden Themenbereiche bezeichnet. Die Wurzeln des G20-„Finance Tracks“ liegen im Jahr 1999. Als Reaktion auf die asiatische Finanzkrise kam es damals zu einem ersten Treffen der G20-Finanzministerinnen und -minister sowie -Notenbankgouverneurinnen und -gouverneure im BMF in Berlin. Heute treffen sich die Finanzministerinnen und -minister sowie Notenbankgouverneurinnen und -gouverneure der G20 in regelmäßigen Abständen zu Beratungen. Vorbereitet werden diese Treffen in den acht Arbeitsgruppen des „Finance Tracks“. Die Themen reichen dabei von der globalen Wirtschaftslage und der internationalen Finanzarchitektur über finanzielle Inklusion bis hin zu internationaler Besteuerung. Die Ergebnisse aus dem „Finance Track“ bilden zusammen mit denen des „Sherpa Tracks“ (in dem alle übrigen Themenbereiche aufbereitet werden) schließlich die Grundlage für das Abschlusskommuniqué des G20-Gipfels auf Ebene der Staats- und Regierungschefinnen und -chefs.

    Internationale Finanzarchitektur, nachhaltige Finanzierung und Infrastruktur

    Die internationale Schuldenarchitektur war ein zentrales Thema der Beratungen in Bengaluru. Der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank brachten ihre Besorgnis über die aktuelle Schuldensituation insbesondere in vielen ärmeren Ländern zum Ausdruck: So sind laut IWF derzeit bereits rund 15 Prozent der Niedrigeinkommensländer krisenhaft überschuldet und weitere rund 45 Prozent hätten ein hohes Risiko, in die gleiche Situation zu geraten. Vielfach wurde sich daher für eine zügigere und planbare Umsetzung des gemeinsamen Rahmenwerks für koordinierte Schuldenrestrukturierungen („G20 Common Framework for Debt Treatments“) ausgesprochen. Zur angestrebten Stärkung der multilateralen Entwicklungsbanken – eine Priorität der indischen Präsidentschaft – wurde sich intensiv ausgetauscht. Die multilateralen Entwicklungsbanken sind angesichts multipler globaler Krisen und der weiterhin dringend notwendigen Arbeit im Bereich Armutsbekämpfung zukünftig besonders gefordert. Vor diesem Hintergrund wurde die Bedeutung der Ergebnisse der vor dem Abschluss stehenden Überprüfung der Kapitaladäquanzrichtlinien (Capital Adequacy Framework Review) der multilateralen Entwicklungsbanken hervorgehoben und die schnelle Umsetzung der Empfehlungen vielfach angemahnt. Die indische Präsidentschaft wird eine weitere Expertengruppe zu diesem Themenkomplex einrichten.

    Ein weiterer Schwerpunkt in den Gesprächen lag auf dem Thema nachhaltige Finanzierung (Sustainable Finance). Hierbei wurde die Notwendigkeit der Mobilisierung von Mitteln für Klimaschutz und Klimaanpassung hervorgehoben. Mit Blick auf die Mobilisierung privater Mittel wurde vielfach festgestellt, dass die Schaffung eines attraktiven und klaren Rahmenwerks notwendig sei. Darüber hinaus bekräftigten die G20-Staaten das Ziel, besonders betroffenen Entwicklungsländern insgesamt 100 Mrd. Euro jährlich für den Kampf gegen den Klimawandel zur Verfügung zu stellen.

    Beim Thema Infrastruktur wurde die Bedeutung ausreichender öffentlicher und privater Investitionen hervorgehoben. Notwendig sei die Schaffung leistungsfähiger, nachhaltiger und inklusiver Infrastruktur. Allgemein begrüßt wurde die Schwerpunktsetzung der Präsidentschaft auf Finanzierung urbaner Infrastruktur und Entwicklung urbaner Räume.

    Finanzmarktregulierung und finanzielle Inklusion

    Der Schwerpunkt des Austauschs im Bereich Finanzsektor lag auf Kryptowerten. Dies sind in einem dezentralen Netzwerk organisierte Vermögenswerte, die nur digital existieren. Sie besitzen nicht den gesetzlichen Status einer Währung. Grundsätzlich wurden drei Optionen für den Umgang mit Kryptowerten angesprochen:

    • Verbot von Kryptowerten,
    • Regulierung von Kryptowerten und
    • Kryptomärkte sich selbst zu überlassen.

    Die G20 unterstützte den Ansatz der indischen G20-Präsidentschaft und sprachen sich überwiegend für eine koordinierte Regulierung von Kryptowerten aus. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich berichtete von einer zunehmenden Zentralisierung im Kryptosystem – auch im Bereich der dezentralisierten Finanzmärkte (Decentralized Finance). Die Arbeiten von IWF und Finanzstabilitätsrat (Financial Stability Board) zu Kryptowerten und ihren Auswirkungen auf Volkswirtschaften wurden begrüßt.

    Auch über digitale Zentralbankwährungen (Central Bank Digital Currency – CBDC) wurde sich ausgetauscht. Wie der IWF berichtete, haben bereits mehr als 50 Länder um Unterstützung zum Thema CBDC gebeten. Unter anderem die Vertreter der Europäischen Zentralbank und der Notenbanken aus Brasilien, China und Oman schilderten grundlegende Überlegungen beziehungsweise laufende Projekte im Bereich CBDC.

    Ein besonderes Anliegen der indischen Präsidentschaft ist das Thema finanzielle Inklusion, also der Zugang zum Finanzsystem, insbesondere Bankdienstleistungen und Zahlungsverkehr, für bisher davon abgeschnittene Menschen. In der Diskussion wurde besonders die Bedeutung digitaler öffentlicher Infrastruktur hervorgehoben. Der Zugang zu Zahlungsdiensten mit geringen oder keinen Kosten und sofortigen Transfers leiste einen entscheidenden Beitrag zur finanziellen Inklusion u. a. armer Haushalte und unterstütze gleichzeitig die Aktivitäten kleiner und mittlerer Unternehmen. Ein vielgelobtes Beispiel dafür stelle Indiens „Unified Payments Interface“-Plattform dar, ein digitales Ökosystem für Zahlungsdienstleistungen, das rund um die Uhr Geldtransfers in Echtzeit über mobile Endgeräte ermögliche. Immer wichtiger werde auch die Vernetzung der Zahlungssysteme zur Erleichterung grenzüberschreitender Zahlungen.

    Lage der Weltwirtschaft, Gesundheit und internationale Besteuerung

    Die Mehrheit der G20 verurteilte den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und wies mit Blick auf die Lage der Weltwirtschaft auf die immensen negativen Folgen des Kriegs für die wirtschaftliche Entwicklung hin. Mit seinem Krieg trage Russland die Verantwortung für die teils dramatische Situation in den ärmsten Staaten aufgrund hoher Energie- und Nahrungsmittelpreise.

    Während der IWF für die Mehrzahl der Industrieländer für 2023 keine Rezession mehr erwartet, ist das Bild bei den Schwellenländern uneinheitlich. Die zentralen Risiken für die Entwicklung der Weltwirtschaft seien

    • der russische Angriffskrieg und die dadurch bedingte Nahrungsmittel- und Energieunsicherheit,
    • die weitere Verschlechterung der Finanzierungsbedingungen vieler Länder durch die zur Inflationsbekämpfung notwendigerweise steigenden Zinsen,
    • durch Krisen ausgelöste soziale Unruhen und
    • die Fragmentierung der Weltwirtschaft.

    Eine Fragmentierung über eine zielgerichtete Diversifizierung hinaus könne laut IWF die globale Wirtschaftsleistung um bis zu 7 Prozent reduzieren – dies entspreche in etwa dem aktuellen Bruttoinlandsprodukt Deutschlands und Japans zusammen. Zudem würden die Klimarisiken wachsen und insbesondere Entwicklungsländer bereits heute verstärkt auf Anpassung setzen müssen. Mit Blick auf die weiterhin zu hohe Inflation bekräftigten die G20-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer die Verantwortung der Zentralbanken für das Stabilisieren von Inflationserwartungen. Die Fiskalpolitik müsse jedoch auch ihren Teil beitragen und dürfe die Geldpolitik nicht konterkarieren. Hilfstransfers müssten deshalb zielgenau auf vulnerable Gruppen zugeschnitten werden. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass angebotsseitige Maßnahmen dabei helfen könnten, den Anstieg des Preisniveaus zu dämpfen und das Wirtschaftswachstum zu beschleunigen. Alles in allem seien die bisher erwarteten Negativszenarien ausgeblieben, aber viele G20-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer betonten die hohe Unsicherheit bezüglich der weiteren Entwicklung der Weltwirtschaft.

    Auch zwei große Erfolge vergangener G20-Treffen wurden nochmals bekräftigt. Zum einen war während der indonesischen G20-Präsidentschaft im vergangenen Jahr ein Pandemiefonds bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gegründet worden, um auf künftige Pandemien besser vorbereitet zu sein. Auf dem diesjährigen Treffen in Bengaluru warb die WHO nun für mehr Unterstützung des Pandemiefonds und unterstrich, dass Ausgaben für Gesundheit immer auch eine Investition seien. Aktuell umfasse der Pandemiefonds knapp 590 Mio. Euro, wovon 68,5 Mio. Euro aus Deutschland stammten.

    Zum anderen war sich die G20 einig, dass die 2021 auf dem G20-Gipfel in Venedig initiierte Zwei-Säulen Lösung für die globale Unternehmensbesteuerung eine historisch bedeutsame Einigung im Steuerbereich darstelle. Bei Säule 1 (teilweise Neuverteilung von Besteuerungsrechten) wird nun mit Hochdruck an der Ausarbeitung eines multilateralen völkerrechtlichen Vertrags gearbeitet, anhand dessen die beteiligten Staaten die Regelungen in nationales Recht überführen sollen. Bei Säule 2 (globale effektive Mindestbesteuerung) sind die wesentlichen Arbeiten auf internationaler Ebene abgeschlossen – die Staaten arbeiten nun an der nationalen Umsetzung der Regelung. Die Fortschritte der Europäischen Union bei der Umsetzung von Säule 2 wurden begrüßt.

    Als weitere Themen im Steuerbereich wurden Steuertransparenz und der Melderahmen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung für den automatischen Austausch von Informationen über Krypto-Vermögenswerte (Crypto-Asset Reporting Framework) diskutiert.

    Fazit und Ausblick

    Bei ihrem ersten Treffen im Jahr 2023 unter Leitung der indischen Präsidentschaft konnten sich die G20-Finanzministerinnen und -minister sowie -Notenbankgouverneurinnen und -gouverneure in vielen Themenbereichen auf gemeinsame Positionierungen zu wichtigen globalen Fragen verständigen. Die Zusammenfassung der indischen Präsidentschaft spiegelt dies wider. Hiermit wurde ein wichtiger Grundstein für die weiteren Arbeiten in diesem Jahr gelegt. Besonders erfreulich ist, dass sich die G20 zum Thema internationale Verschuldung auf einen gemeinsamen, von allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern unterstützten Text verständigen konnte, der eine zügige und planbare Bearbeitung der Länderfälle im „Common Framework“ anmahnt. Hier bleibt abzuwarten, inwiefern insbesondere China – als wichtigster bilateraler Gläubiger der ärmsten Länder der Welt – nun auch bereit ist, sich rasch vollumfänglich und konstruktiv an Lösungen zu beteiligen. Das Thema wird die G20-Finanzministerinnen und -minister sowie -Notenbankgouverneurinnen und -gouverneure auch im weiteren Jahresverlauf intensiv beschäftigen.

    Das nächste Treffen der G20-Finanzministerinnen und -minister sowie -Notenbankgouverneurinnen und -gouverneure wird im April 2023 am Rande der Frühjahrstagung von IWF und Weltbank in Washington, D.C. stattfinden.

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