- Bundesfinanzminister Christian Lindner und Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger haben im Rahmen der Veranstaltung „Aufbruch finanzielle Bildung“ am 23. März 2023 in Berlin Eckpunkte für die Initiative Finanzielle Bildung vorgestellt.
- Die Initiative Finanzielle Bildung umfasst drei zentrale Maßnahmen, um die finanzielle Bildung in Deutschland zu verbessern: die Erarbeitung einer nationalen Finanzbildungsstrategie in Zusammenarbeit mit der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die Schaffung einer zentralen Finanzbildungsplattform zur Bündelung und Vernetzung der Angebote in diesem Bereich und die Stärkung der Forschung zur finanziellen Bildung.
- Um Potenziale für Teilhabe, Wachstum und Wohlstand nicht länger ungenutzt zu lassen, sollen die unterschiedlichen Lebensphasen der Menschen in den Blick genommen werden – von den ersten Vertragsentscheidungen über die Steuererklärung bis hin zur Altersvorsorge.
- Bei der Auftaktveranstaltung am 23. März 2023 diskutierten Bundesfinanzminister Christian Lindner und Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger in einem lebendigen Panel, wie ein Aufbruch zu besserer Finanzbildung gelingen kann, welche Themen und Zielgruppen in den Blick genommen werden müssen und wie die bestehenden Angebote im Finanzbildungsbereich einbezogen werden können.
Einleitung
Finanzielle Bildung bedeutet Chancen für mehr Teilhabe, Wachstum und Wohlstand. Sie erleichtert die individuelle Lebensführung und hilft dabei, individuelle Risiken zu meiden und Chancen zu nutzen. Als Teil der ökonomischen Bildung öffnet sie auch den Blick auf die Funktionsweise des Wirtschafts- und Finanzsystems. Somit ist die finanzielle Bildung eine Grundvoraussetzung für ökonomische Teilhabe in modernen, marktwirtschaftlich verfassten Gesellschaften. Allerdings zeigen Studien auch, dass Deutschland in diesem Bereich einiges nachzuholen hat. Mit der Initiative Finanzielle Bildung des BMF und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung soll dies gemeinsam und unter Einbeziehung der relevanten Akteure gelingen. Unter dem Titel „Aufbruch finanzielle Bildung“ fand die Auftaktveranstaltung der Initiative mit Bundesfinanzminister Christian Lindner und Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger am 23. März 2023 im Futurium in Berlin statt.
Finanzielle Bildung
Finanzielle Bildung ist – gemäß der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und so auch von der Europäischen Kommission und der G20 als Begriff verwendet – eine Kombination aus finanziellem Bewusstsein, Wissen, Fähigkeiten, Einstellungen und Verhaltensweisen, die notwendig sind, um fundierte finanzielle Entscheidungen zu treffen und letztendlich individuelles finanzielles Wohlergehen zu erreichen. Finanzielle Bildung ist somit eine Grundvoraussetzung für kompetente ökonomische Teilhabe in modernen, marktwirtschaftlich verfassten Gesellschaften.
Bundesfinanzminister Christian Lindner und Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger stellten im Rahmen der Veranstaltung drei konkrete Maßnahmen vor, die jede für sich und in ihrem Zusammenspiel die finanzielle Bildung in Deutschland verbessern sollen:
- eine nationale Finanzbildungsstrategie, erarbeitet mit der OECD und unter Einbeziehung aller relevanten Akteure, um Herausforderungen zu identifizieren und konkrete Maßnahmen abzuleiten;
- eine zentrale Finanzbildungsplattform, um Finanzbildungsangebote zu bündeln und für die Bedürfnisse unterschiedlicher Nutzerinnen und Nutzer in adressatengerechten Formaten bereitzustellen;
- die Stärkung der Forschung zu finanzieller Bildung, um die Forschungs- und Datengrundlage in Deutschland in diesem Bereich zu verbessern.
Im Rahmen der Auftaktveranstaltung am 23. März 2023 diskutierten der Bundesfinanzminister und die Bundesbildungsministerin außerdem mit Praktikerinnen und Praktikern, die bereits heute ehrenamtlich oder beruflich Finanzbildungsinhalte an Kinder, Jugendliche oder Erwachsene vermitteln: Sie besprachen, wie ein Aufbruch zu besserer finanzieller Bildung gelingen kann, welche Leuchtturmprojekte es bereits gibt, was eine Finanzbildungsstrategie beinhalten muss und welche weiteren Maßnahmen helfen können. Dabei brachten die Diskutierenden viele Perspektiven ein und bildeten einen Querschnitt der in Deutschland bereits heute sehr reichhaltigen Finanzbildungsangebote ab: Kamiar Bar Bar, Finanz-Influencer mit über einer Million Followerinnen und Followern, Verena von Hugo, Co-Vorsitzende des Vorstands vom Bündnis Ökonomische Bildung Deutschland, Prof. Dr. Carmela Aprea, Finanzbildungs-Expertin der Universität Mannheim, Burkhard Balz, Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank, Mark Branson, Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und Lorenzo Wienecke, Geschäftsführer der Initiative für wirtschaftliche Jugendbildung gGmbH. Moderiert wurde die Veranstaltung von Carola Ferstl, Wirtschaftsjournalistin und Gründerin des Vereins LEARN MONEY.
Vom Taschengeld zur Rente: finanzielle Bildung für jeden Lebensabschnitt
Finanzielle Themen begleiten Bürgerinnnen und Bürger ein Leben lang – vom Umgang mit dem ersten Taschengeld und dem ersten Handyvertrag über den Start ins Arbeitsleben bis hin zu Altersvorsorge, Versicherungen und dem möglichen Erwerb einer Immobilie und der dazugehörigen Finanzierung. Um diese Entscheidungen treffen zu können, benötigen die Bürgerinnen und Bürger Grundkenntnisse finanzieller Zusammenhänge und Produkte, die sie dazu befähigen, ihr ökonomisches Umfeld einzuschätzen, sich in diesem Umfeld zu verorten und auf dieser Basis potenzielle Erträge und Risiken verantwortlich abzuwägen. Finanzielle Bildung bedeutet somit auch proaktiven Verbraucherschutz: Sie ermöglicht es den Menschen, bedarfsgerechte, kompetente und im Kontext der eigenen Lebenssituation sinnvolle Anlage-, Kredit- und Versicherungsentscheidungen zu treffen. Dabei ändern sich die individuellen Herausforderungen im Verlauf eines Lebens. Eine nachhaltige Finanzbildung erfordert somit auch einen lebensbegleitenden Ansatz.
Darüber hinaus stärkt eine bessere finanzielle Bildung die Fähigkeit und Bereitschaft zur Partizipation am Finanzmarkt – damit befähigt sie mehr Menschen zum individuellen Vermögensaufbau und trägt zudem zur Stabilität der Finanzmärkte bei.
Von Anlagen, Risiken und Zinsen: Bildungslücken in Deutschland
Im Rahmen (auch internationaler) Studien zeigt sich, dass die finanzielle Bildung in Deutschland zwar bereits heute auf einem relativ guten Niveau liegt, es jedoch noch deutliche Verbesserungs- und Nachholbedarfe gibt. So zeigt die Studie „International Survey of Adult Financial Literacy“ (2020) des International Network on Financial Education der OECD mit Blick auf die finanzielle Bildung Erwachsener Folgendes:
- Etwa ein Drittel der Befragten in Deutschland beantworten einfache Fragen zur Zinsrechnung falsch.
- Knapp die Hälfte der Erwachsenen versteht das Konzept des Zinseszinses und somit der Grundlage für den langfristigen Vermögensaufbau nicht.
- Nur 40 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher können beide Fragen richtig beantworten, also sowohl den einfachen Zins berechnen als auch – bei mehrjährigen Anlagen – angeben, dass durch den Zinseszins zusätzliche Zinserträge entstehen.
- Ein Viertel der Erwachsenen versteht das Konzept der Risikostreuung nicht.
Nachholbedarf besteht in Deutschland bislang auch mit Blick auf eine entsprechende Strategie im Bereich der finanziellen Bildung. So ist Deutschland mittlerweile das einzige G20-Land, das bislang noch nicht an einer nationalen Finanzbildungsstrategie gearbeitet hat; viele europäische Länder haben hier bereits ambitionierte Strategien und Initiativen auf gesamtstaatlicher Ebene vorgelegt. Die Europäische Union arbeitet aktuell im Rahmen ihrer Strategie zur Vertiefung der Kapitalmarktunion ebenfalls an Maßnahmen, um die finanzielle Bildung von Bürgerinnen und Bürgern zu stärken. Mit der Initiative Finanzielle Bildung holt Deutschland dringend Notwendiges nach und schließt im internationalen Vergleich auf.
Drei Maßnahmen für mehr finanzielle Bildung
Bundesfinanzminister Christian Lindner und Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger haben drei umfassende Maßnahmen vorgeschlagen, um bestehende Mängel in der Finanzbildung in Deutschland zu beheben.
Startschuss für eine Finanzbildungsstrategie für Deutschland
Ein entscheidender Baustein bei der Stärkung der Finanzbildung in Deutschland ist die Erarbeitung einer Finanzbildungsstrategie für Deutschland, zusammen mit der OECD und unter Einbeziehung aller relevanten Akteure im Bereich der Finanzbildung. Diese Strategie wird die aktuell in Deutschland bestehenden Herausforderungen adressieren und daraus konkrete Handlungsempfehlungen ableiten. Hiermit verbunden wird in diesem Jahr eine größere Konferenz ausgerichtet werden, um mit staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren und Partnern aus Wissenschaft und Finanzbildungspraxis eine Bestandsaufnahme vorhandener Angebote vorzunehmen und Ideen für die weitere Verbesserung der finanziellen Bildung in Deutschland zu entwickeln.
One-Stop-Shop für Wissen: die Finanzbildungsplattform
Finanzbildungsangebote für Bürgerinnen und Bürger sollen auf einer zentralen Finanzbildungsplattform gebündelt und, auf die Bedürfnisse unterschiedlicher Nutzerinnen und Nutzer abgestimmt, in adressatengerechten Formaten bereitstellt werden. Die Plattform wird zunächst bestehende, qualitätsgesicherte Angebote bündeln und den Zugang zu ihnen erleichtern, indem sie Informationen übersichtlich präsentiert und relevante Angebote leichter und nutzerorientiert identifizierbar macht. Zudem wird die Zusammenarbeit mit privatwirtschaftlichen Anbietern bei der Einrichtung einer sorgfältigen Qualitätskontrolle auch die Vernetzung von Akteuren im Bereich der finanziellen Bildung fördern. Mit der Zeit soll die Plattform sowohl online als auch offline durch gezielte Kampagnen, Roadshows und Multiplikatorentrainings ergänzt und fortlaufend erweitert werden.
Mehr Forschung – für evidenzbasierte, zielgruppengerechte finanzielle Bildung
Ein weiterer wichtiger Baustein für mehr finanzielle Bildung in Deutschland ist der Ausbau der Forschungs- und Datengrundlage in diesem Bereich, z. B. mit mehr Informationen zum Kenntnisstand der Menschen in Finanz- und Wirtschaftsfragen. Solche Forschung ermöglicht es, zukünftig bildungspolitische Maßnahmen evidenzbasiert zu gestalten und innovative Lernangebote zu entwickeln, die den tatsächlichen Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger entsprechen. Auf diese Weise werden Menschen in unserer marktwirtschaftlichen Gesellschaft in die Lage versetzt, gut informiert und selbstbestimmt zu handeln.
Impulse aus der Praxis: Finanzielle Bildung vielfältig gestalten
Die Einbeziehung von Praktikerinnen und Praktikern im Bereich der finanziellen Bildung ist für das Gelingen der Initiative des Bundes zentral: Wie auch Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger betont, gibt es bereits viel zivilgesellschaftliches Engagement zur finanziellen Bildung der Bürgerinnen und Bürger. Dieses gilt es nun zu vernetzen, und vorhandenes anwendbares Wissen zusammenzubringen. Die Veranstaltung „Aufbruch finanzielle Bildung“, die am 23. März 2023 in Berlin stattfand, hat einen ersten Schritt in diese Richtung gemacht. Mit lebendigen Diskussionen zum Thema Finanzbildung brachten unterschiedliche Praktikerinnen und Praktiker ihre Perspektiven, Erfahrungen und Einschätzungen sowie Angebote ein.
Zentrale Themen der Diskussion waren die Abstimmung der Bildungsformate auf unterschiedliche Ziel- und Altersgruppen, die Beachtung der Vielfalt der Zielgruppen und deren empfängerorientierte Ansprache sowie die Übertragung komplexer Finanzthemen in anschauliche Form. So unterstrich Influencer Kamiar Bar Bar, der von seinen Erfahrungen mit der Vermittlung finanzieller Bildung über die sozialen Netzwerke berichtete, die Bedeutung adressatengerechter Formate: Es gelte, das Thema Finanzen in anwendbare und unterhaltsame „Happen“ zu übersetzen. Wichtig sei dabei, dass Zielgruppen sich angesprochen fühlten und dass Menschen verstehen würden, welchen Mehrwert ihnen dieses Wissen bringe. Die Bedeutung niedrigschwelliger Angebote wurde ebenfalls von Lorenzo Wienecke, Geschäftsführer der Initiative für wirtschaftliche Jugendbildung gGmbH, unterstrichen. Hürden, sich mit Finanzthemen auseinanderzusetzen, müssten abgebaut werden. Als Beispiel eines geeigneten Formats nannte er eintägige Finanz-Workshops für Schülerinnen und Schüler.
Als zentraler Faktor für eine erfolgreiche Finanzbildung ging aus der Diskussion auch das Verständnis für die Vielfalt der Zielgruppen hervor, die unterschiedliche Lebensabschnitte, Geschlechter und Altersgruppen umfasst. Diese Vielfalt unterstrich beispielsweise Prof. Dr. Carmela Aprea, Finanzbildungs-Expertin der Universität Mannheim: Für unterschiedliche Lebensphasen brauche es schließlich, so Prof. Dr. Carmela Aprea, unterschiedliches Wissen. Gleichzeitig kristallisierten sich in den Gesprächen potenziell besonders wichtige Bedarfe heraus, z. B. bei Frauen und bei älteren Bevölkerungsgruppen. Frauen seien als Anlegerinnen unterdurchschnittlich repräsentiert, obwohl verschiedene Studien belegen würden, dass Frauen erfolgreicher in der Geldanlage seien, erläuterte Prof. Dr. Carmela Aprea. In der Steigerung der Frauenbeteiligung bestünde somit großes Potenzial. Besonderen Informationsvermittlungsbedarf konstatierten sowohl Prof. Dr. Carmela Aprea als auch Verena von Hugo, Co-Vorsitzende des Vorstands des Bündnisses Ökonomische Bildung Deutschland, bei den älteren Generationen, die verstärkt Wissensdefizite mit Blick auf Finanzbildung aufweisen würden. Somit sei das Schulsystem ein potenziell wichtiger Hebel, um die Finanzkompetenz der Bevölkerung zu stärken, aber kein ausreichender, wie Verena von Hugo zu bedenken gab.
Auch die von Bundesfinanzminister Christian Lindner und Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger vorgeschlagenen Eckpunkte wurden teilweise konkret besprochen. So äußerte sich Burkhard Balz, Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank, positiv zur zentralen Plattform für Finanzbildung, auf der die bereits bestehenden umfangreichen Materialien der Bundesbank einfach und reichweitenstark geteilt werden könnten. BaFin-Präsident Mark Branson betonte auch den Nutzen der Plattform als Ort der Vernetzung für zentrale Akteure der Finanzbildung. Finanzielle Bildung ermögliche es Verbraucherinnen und Verbrauchern auch, als mündige Bürgerinnen und Bürger zu handeln.
Ausblick
Insgesamt sind die drei Maßnahmen – Finanzbildungsstrategie, Finanzbildungsplattform und Forschung zu finanzieller Bildung – ein bedeutender Schritt, um finanzielle Bildung in Deutschland grundlegend zu verbessern und die finanzielle Kompetenz der Bürgerinnen und Bürger zu stärken. Die enge Zusammenarbeit mit bereits in der Finanzbildung tätigen Akteuren sowie nationalen und internationalen Expertinnen und Experten, die Bündelung von Angeboten und die gezielte Stärkung der Forschung schaffen eine starke Grundlage hierfür. Die Maßnahmen sind ein klares Bekenntnis zu einer umfassenden und nachhaltigen Verbesserung der finanziellen Bildung – und damit zu mehr Teilhabe, Wachstum und Wohlstand – für alle Bürgerinnen und Bürger.