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    Er­geb­nis­se der Steu­er­schät­zung vom 9. bis 11. Mai 2023

    • Die erwarteten Steuereinnahmen fallen geringer aus als gemäß der vorangegangenen Schätzung im Oktober 2022 angenommen. Gegenüber der damaligen Schätzung liegen die Steuereinnahmen 2023 bis 2027 jährlich im Durchschnitt rund 30 Mrd. Euro niedriger. Dies ist maßgeblich auf das Inflationsausgleichsgesetz sowie das Jahressteuergesetz 2022 zurückzuführen. Die jährliche Entlastungswirkung aus den Steuerrechtsänderungen beträgt im Schätzzeitraum durchschnittlich rund 34 Mrd. Euro.
    • Mit den von der Bundesregierung beschlossenen Maßnahmen werden vor allem zusätzliche Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger durch die Effekte der sogenannten kalten Progression verhindert. Lohnsteigerungen zum Ausgleich der Inflation kommen so tatsächlich an, inflationsbedingte Steuermehrbelastungen werden vermieden.
    • Konjunkturell werden in der Steuerschätzung auf Basis der Frühjahrsprojektion der Bundesregierung dagegen leichte Mehreinnahmen von jährlich rund 4 Mrd. Euro erwartet. Neue haushälterische Spielräume für den Bund ergeben sich daraus aber nicht, da zusätzliche Verpflichtungen etwa durch das KiTa-Qualitätsgesetz bestehen. Die Schätzung ist mit Blick auf die weitere konjunkturelle Entwicklung mit hoher Schätzunsicherheit behaftet.

    Vom 9. bis 11. Mai 2023 fand die 164. Sitzung des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ statt. Vorausgeschätzt wurden die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden für die Jahre 2023 bis 2027.

    Der unabhängige Arbeitskreis „Steuerschätzungen“
    erstellt in Deutschland die Vorausschätzung für die Steuereinnahmen für Bund, Länder und Gemeinden. Dem seit 1955 bestehenden Gremium gehören Expertinnen und Experten der 16 Länder, fünf führender Wirtschaftsforschungsinstituten (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, ifo Institut, Institut für Weltwirtschaft, RWI – Leibnitz-Institut für Wirtschaftsforschung, Institut für Wirtschaftsforschung Halle), des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, der Deutschen Bundesbank, des Statistischen Bundesamts, des Deutschen Städtetags, des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz und des BMF, welches den Vorsitz führt, an. In der Regel finden zwei Sitzungen im Jahr statt: im Frühjahr und im Herbst. Auf der Grundlage der Schätzvorschläge verschiedener im Arbeitskreis vertretener Institutionen werden einvernehmlich Vorausschätzungen für jede einzelne Steuerart erstellt.

    Berücksichtigte Steuerrechtsänderungen

    Die Steuerschätzung geht vom geltenden Steuerrecht aus. In Tabelle 1 sind die finanziellen Auswirkungen von Gesetzen und sonstigen Regelungen enthalten, die gegenüber der vorangegangenen Schätzung vom Oktober 2022 in der Schätzung im Mai 2023 neu einzubeziehen waren.

    Auswirkungen der neu in die Steuerschätzung einbezogenen Rechtsänderungen

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    Tabelle 1

    Die neu einbezogenen Rechtsänderungen sind im Einzelnen in der Anlage 2 zur Pressemitteilung des BMF Nr. 8/2023 vom 11. Mai 2023 aufgeführt.1

    Die Steuerrechtsänderungen haben erhebliche Auswirkungen auf das Ergebnis der Steuerschätzung im Vergleich zur vorangegangenen Schätzung aus dem Oktober 2022. Dies gilt insbesondere für die Änderungen durch das Inflationsausgleichgesetz, mit dem steuerliche Mehrbelastungen aus der sogenannten kalten Progression verhindert werden. Lohnsteigerungen zum Ausgleich der Inflation kommen so tatsächlich an, inflationsbedingte Steuermehrbelastungen werden vermieden. Die Aktualisierung des Einkommensteuertarifs für die Jahre 2023 und 2024 durch den Ausgleich der Effekte der kalten Progression im Verlauf des Einkommensteuertarifs und die Anhebung des Grundfreibetrags erfolgt entsprechend den Ergebnissen des 14. Existenzminimumberichts und des 5. Steuerprogressionsberichts. Zudem werden Familien durch die Anhebung des Kinderfreibetrags für die Jahre 2023 und 2024 entsprechend dem Ergebnis des 14. Existenzminimumberichts sowie durch eine Erhöhung des Kindergelds auf einheitlich jeweils 250 Euro je Kind und Monat gezielt unterstützt. Das Jahressteuergesetz 2022 umfasst u. a. den vollständigen Sonderausgabenabzug für Altersvorsorgeaufwendungen bis zum Höchstbetrag bereits ab 2023 und hat eine geschätzte Entlastungswirkung von über 3 Mrd. Euro im Jahr 2023.

    In die Steuerschätzung vom Mai 2023 noch nicht einbezogen wurden die Auswirkungen des Zweiten Gesetzes zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung (KiTa-Qualitätsgesetz) vom 20. Dezember 2022 (veröffentlicht im BGBl. 2022 I Nr. 56, S. 2791). Durch die Regelungen des Art. 2 (Änderung des Finanzausgleichsgesetzes) werden im Jahr 2023 rund 1,9 Mrd. Euro und im Jahr 2024 rund 2,0 Mrd. Euro Umsatzsteuereinnahmen vom Bund an die Länder übertragen. Das Inkrafttreten der Regelung ist allerdings an den Abschluss entsprechender Verträge der Länder mit dem Bund geknüpft. Da zum Zeitpunkt der Schätzung noch nicht mit allen Bundesländern Verträge geschlossen waren, konnten die Auswirkungen nicht in der Schätzung berücksichtigt werden.

    Gesamtwirtschaftliche Annahmen

    Der Steuerschätzung wurden die gesamtwirtschaftlichen Eckwerte der Frühjahrsprojektion 2023 der Bundesregierung vom 26. April 2023 zugrunde gelegt.

    Gegenüber den Annahmen in der Herbstprojektion 2022, die Basis der vergangenen Steuerschätzung im Oktober 2022 war, stellt sich die gesamtwirtschaftliche Ausgangslage darin besser dar: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist im vergangenen Jahr in preisbereinigter Rechnung um 1,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen und damit kräftiger als in der Herbstprojektion erwartet. Für den weiteren Verlauf wird in der Frühjahrsprojektion davon ausgegangen, dass die deutsche Wirtschaft nach einem schwierigen Winterhalbjahr wieder an Fahrt gewinnt. Nachlassende Lieferengpässe, der hohe Auftragsbestand und die gesunkenen Energiepreise sollten die Produktion in der Industrie expandieren lassen, zumal die globale Konjunktur sich stabilisieren dürfte. Der private Konsum dürfte zunehmend von Lohnsteigerungen, dem weiterhin robusten Arbeitsmarkt und dem erwarteten Rückgang der Inflation profitieren. Insgesamt wird für 2023 gemäß der Frühjahrsprojektion mit einem realen BIP-Wachstum von 0,4 Prozent gerechnet; in der Herbstprojektion waren es noch -0,4 Prozent. Aufgrund der verbesserten Einschätzung für dieses Jahr wird aber für 2024 von einem geringeren Aufholeffekt ausgegangen (1,6 Prozent statt 2,3 Prozent). In den Jahren 2025 bis 2027 wird eine ähnliche Wachstumsdynamik wie in der Herbstprojektion angenommen (s. a. Tabelle 2). Insgesamt ist damit das Niveau des nominalen BIP im Jahr 2024 sowie im weiteren Schätzzeitraum nur etwas höher als in der Herbstprojektion unterstellt.

    Bei den relevanten Fortschreibungsgrößen für die einzelnen Steuerarten finden sich allerdings teils spürbare Anpassungen gegenüber den Annahmen der Herbstprojektion – in verschiedene Richtungen. Nach oben angepasst wurden in der Frühjahrsprojektion vor allem die Erwartungen über die Entwicklung der nominalen Bruttolöhne und -gehälter, der zentralen Fortschreibungsgröße für die Lohnsteuer. Hier wird auf Basis der seit Herbst erfolgten Tarifabschlüsse und der robusten Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt ein höheres Niveau der Löhne und Gehälter über den gesamten Schätzzeitraum hinweg erwartet. Für die nominalen privaten Konsumausgaben, die für die Entwicklung der Steuern vom Umsatz relevant sind, wird im Schätzzeitraum eine ähnliche Entwicklung erwartet wie in der Herbstprojektion. Dagegen wird bei den nominalen Wohnungsbauinvestitionen, die ebenfalls für die Steuern vom Umsatz von Bedeutung sind, auf Basis der jüngsten Daten eine deutlich geringere Dynamik projiziert als in der Herbstprojektion. Die erwarteten starken Schwankungen bei den Unternehmens- und Vermögenseinkommen in diesem und im kommenden Jahr sind vor allem auf die technische Verbuchung von Subventionen sowie Abschreibungen in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen zurückzuführen. Daher kann daraus nicht unmittelbar auf die Entwicklung der gewinnabhängigen Steuern geschlossen werden.

    Insgesamt ergibt sich für den Schätzzeitraum ab 2024 aus der erwarteten Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Bemessungsgrundlagen für sich genommen ein schwacher positiver Impuls für die Steueraufkommenserwartung gegenüber der Oktoberschätzung.

    Gesamtwirtschaftliche Vorgaben für die Steuerschätzung Mai 2023 im Vergleich zur vorangegangenen Steuerschätzung

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    Tabelle 2

    Schätzergebnisse

    Erwartete Entwicklung der Einnahmen im Schätzzeitraum

    Die gesamtstaatlichen Steuereinnahmen steigen im Schätzzeitraum bis zum Jahr 2027 nach dem Ergebnis der Schätzung auf 1.078,5 Mrd. Euro an (s. a. Tabelle 3).2 Ausgehend vom vergangenen Ist-Jahr 2022 mit einem Aufkommen von 895,7 Mrd. Euro bedeutet dies einen Zuwachs im Schätzzeitraum um durchschnittlich 3,8 Prozent pro Jahr.

    Erwartete Entwicklung der Steuereinnahmen insgesamt und der Steuereinnahmen der Gebietskörperschaften

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    Tabelle 3

    Entwicklung der Steuereinnahmen nach Gebietskörperschaften

    Für den Bund wird in diesem Jahr ein stärkeres Wachstum der Steuereinnahmen erwartet als die Zuwachsrate der Steuereinnahmen insgesamt. Gemessen am Niveau des Vorpandemiejahres 2019 bleibt die Entwicklung der Steuereinnahmen des Bundes aber weiterhin hinter der Entwicklung des Steueraufkommens insgesamt zurück (s. a. Abbildung 1). Dies liegt daran, dass sich die Steuereinnahmen des Bundes in den Jahren 2020 und 2021 u. a. aufgrund der zeitweiligen Übertragung von Anteilen vom Umsatzsteueraufkommen (sogenannte Festbeträge) an Länder und Gemeinden im Rahmen der steuerlichen Maßnahmen zur Dämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie merklich schwächer entwickelt hatten als die Steuereinnahmen von Ländern und Gemeinden.

    Auch im vergangenen Jahr verzeichnete der Bund Mindereinnahmen durch eine geänderte vertikale Umsatzsteuerverteilung, u. a. durch die Bundesübernahme der Mindereinnahmen von Ländern und Gemeinden aus dem Kinderbonus 2022 (0,8 Mrd. Euro) oder die Pauschalbeteiligung des Bundes an den Kosten von Ländern und Gemeinden im Zusammenhang mit Geflüchteten (1,5 Mrd. Euro).

    In diesem Jahr verringern sich die vom Bund im Rahmen des bundesstaatlichen Finanzausgleichs an Länder und Gemeinden zu übertragenden Festbeträge gegenüber den Vorjahren, was sich im Schätzergebnis im relativ stärkeren Anstieg der Steuereinnahmen des Bundes widerspiegelt. Im Umkehrschluss ergibt sich für die Länder und Gemeinden in diesem Jahr voraussichtlich eine schwächere Entwicklung der Einnahmen als bei den Steuereinnahmen insgesamt. Dass bei den Ländern sogar ein leichter Rückgang des Aufkommens gegenüber dem Vorjahr erwartet wird, hängt darüber hinaus mit dem zu erwartenden deutlichen Rückgang der Grunderwerbsteuer zusammen (s. u.). Würde das KiTa-Qualitätsgesetz (s. o.) zusätzlich berücksichtigt werden, so fiele der Anstieg der Steuereinnahmen beim Bund rund 0,5 Prozentpunkte geringer aus (+6,2 Prozent statt +6,7 Prozent), der Rückgang bei den Ländern rund 0,5 Prozentpunkte niedriger (-0,5 Prozent statt -1,0 Prozent).

    In den Jahren 2024 bis 2027 wird für Bund, Länder und Gemeinden eine weitgehend ähnliche Wachstumsdynamik wie für die Steuereinnahmen insgesamt erwartet. Damit kann der Bund – ausgehend vom Vorpandemiejahr 2019 – die günstigere Einnahmeentwicklung bei Ländern und Gemeinden in 2020 und 2021 nicht mehr aufholen und bleibt bis zum Ende des Schätzzeitraums unterhalb der Entwicklung von Ländern und Gemeinden im gleichen Zeitraum. Der Anteil der Einnahmen des Bundes an den gesamten Steuereinnahmen liegt im Durchschnitt der Schätzjahre 2023 bis 2027 bei rund 39 Prozent (Länder rund 41 Prozent; Gemeinden rund 15 Prozent; Europäische Union (EU) rund 4 ½ Prozent) und bleibt damit unter dem Anteil des Jahres 2019, dem letzten vor der Corona-Pandemie (rund 41 Prozent).

    Entwicklung der Steuereinnahmen insgesamt und der Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden seit 2019 BildVergroessern
    Abbildung 1

    Entwicklung der Steuerquote

    Die Steuereinnahmen insgesamt stiegen im Jahr 2022 mit 7,5 Prozent in etwa so stark wie das nominale BIP. Die Steuerquote blieb damit gegenüber dem Vorjahr quasi unverändert (23,16 Prozent nach 23,13 Prozent im Vorjahr). In diesem Jahr wird u. a. infolge der Steuerrechtsänderungen wie dem Inflationsausgleichsgesetz ein Rückgang der Quote auf 22,43 Prozent erwartet. Im weiteren Verlauf des Schätzzeitraums wird dann mit einem sukzessiven Wiederanstieg gerechnet, bis im Jahr 2027 mit 23,22 Prozent wieder in etwa das Niveau des vergangenen Jahres erreicht wäre.

    Aufkommensentwicklung einzelner Steuerarten

    Grundsätzlich wird die geschätzte Entwicklung des Steueraufkommens im Schätzzeitraum von der erwarteten gesamtwirtschaftlichen Entwicklung gemäß zugrunde liegender Projektion der Bundesregierung bestimmt. Der Zusammenhang der unterschiedlichen Steuerarten mit der Konjunkturentwicklung beziehungsweise mit bestimmten volkswirtschaftlichen Kenngrößen ist jedoch unterschiedlich stark ausgeprägt. Daneben sind vor allem Steuerrechtsänderungen beziehungsweise steuerliche Maßnahmen, wie sie zuletzt angesichts der stark gestiegenen Energiepreise und Inflation ergriffen wurden, relevant. Die Erwartungen des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ für einige aufkommensstarke Steuerarten im Vergleich zur Entwicklung des nominalen BIP und der Steuern insgesamt sind in Tabelle 4 dargestellt.

    Lohnsteuer

    Die Einnahmen aus der Lohnsteuer werden in diesem Jahr voraussichtlich mit 6,1 Prozent recht kräftig und damit überproportional zum Steueraufkommen insgesamt wachsen – trotz der beträchtlichen Entlastungen durch das Inflationsausgleichsgesetz mit Tarifanpassungen und Erhöhung des Kindergelds. Das liegt zum einen daran, dass die Vorjahresbasis infolge der Auszahlung der Energiepreispauschale und des Kinderbonus 2022 sowie steuerlicher Entlastungen (Erhöhung Grundfreibetrag und Arbeitnehmerpauschbetrag) deutlich – um circa 13,7 Mrd. Euro – gemindert war. Zum anderen wird in der Frühjahrsprojektion angesichts der Tarifabschlüsse und der trotz gesamtwirtschaftlicher Belastungen robusten Entwicklung am Arbeitsmarkt mit einem spürbaren Anstieg der Bruttolohn- und -gehaltssumme gerechnet. Mit Blick auf die in der Frühjahrsprojektion unterstellte Lohnentwicklung ist auch in den Folgejahren zunächst noch mit recht kräftigen Zuwächsen zu rechnen, die zum Ende des Schätzzeitraums dann wieder geringer ausfallen dürften.

    Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer

    Für die gewinnabhängigen Steuern werden in diesem und im kommenden Jahr leichte Einnahmezuwächse erwartet. Bei der Körperschaftsteuer deuten die Vorauszahlungen für das laufende Jahr 2023 zwar auf eine weiterhin grundsätzlich günstige Entwicklung der Unternehmensgewinne hin, der Einnahmeanstieg wird aber angesichts der sehr starken Vorjahresbasis sowie der angenommenen Zunahme der an körperschaftsteuerpflichtige Unternehmen auszuzahlenden Forschungszulage kassenmäßig voraussichtlich nur gering ausfallen. Die Einnahmeerwartungen für die veranlagte Einkommensteuer werden – ebenso wie bei der Lohnsteuer – aufgrund der sich aus der Tarifanpassung durch das Inflationsausgleichsgesetz ergebenden Entlastungen gedämpft.

    Im späteren Verlauf des Schätzzeitraums wird dann sowohl bei Körperschaftsteuer als auch veranlagter Einkommensteuer eine Entwicklung der Bemessungsgrundlagen im Einklang mit der unterstellten Entwicklung der Unternehmens- und Vermögenseinkommen gemäß Frühjahrsprojektion angenommen. Daraus ergeben sich unter Berücksichtigung der Wirkung von Steuerrechtsänderungen zunächst etwas kräftigere Wachstumsraten, die dann zum Ende des Schätzzeitraums wieder abflachen.

    Auch für die den Gemeinden zufließende Gewerbesteuer wird in diesem Jahr eine eher moderate Zuwachsrate erwartet. In den Folgejahren wird das Aufkommen voraussichtlich mit ähnlicher Dynamik wie das Aufkommen von veranlagter Einkommensteuer und Körperschaftsteuer wachsen.

    Steuern vom Umsatz

    Bei den Steuern vom Umsatz wird in diesem Jahr nur mit einem relativ geringen Zuwachs von 1,6 Prozent gerechnet. Dabei geht von den Bemessungsgrundlagen rechnerisch ein moderater Impuls aus (rund +3,5 Prozent). Beim privaten Konsum wird in der Frühjahrsprojektion preisbereinigt aufgrund der Kaufkrafteinbußen durch die hohe Inflation und erhöhter Unsicherheit nur mit einer weitgehenden Stagnation (-0,1 Prozent) im Jahr 2023 gerechnet. In für die Steuern relevanter nominaler Betrachtung ergibt sich daraus eine erwartete Zuwachsrate (+5,4 Prozent) etwas unterhalb der unterstellten Inflationsrate von 5,9 Prozent (zum Zusammenhang zwischen der Inflationsrate und der Entwicklung der Steuern vom Umsatz siehe BMF-Monatsbericht vom April 20233). Geringer fällt der erwartete nominale Zuwachs bei den ebenfalls relevanten Wohnungsbauinvestitionen aus, wobei preisbereinigt mit einem kräftigen Rückgang gegenüber dem Vorjahr gerechnet wird (s. u. zur Grunderwerbsteuer für die Gründe).

    Dass die Einnahmeerwartung unterhalb der erwarteten Entwicklung der Bemessungsgrundlagen liegt, ist auf die steuerliche Entlastung durch die temporäre Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gas und Fernwärme zurückzuführen. Umgekehrt wird für nächstes Jahr dann mit einem kräftigeren Anstieg der Steuern vom Umsatz gerechnet, was maßgeblich auf Basiseffekte durch das Auslaufen der temporären Senkung der Umsatzsteuersätze auf Gas und Fernwärme sowie für die Gastronomie zurückzuführen ist. Im weiteren Schätzzeitraum liegt die erwartete Entwicklung dann im Wesentlichen im Einklang mit der unterstellten Entwicklung der Bemessungsgrundlagen gemäß Frühjahrsprojektion.

    Grunderwerbsteuer

    Bei der Grunderwerbsteuer wird in diesem Jahr mit einem starken Rückgang der Einnahmen um rund 24 Prozent gerechnet. Hier dämpft die Eintrübung am Immobilienmarkt infolge der stark gestiegenen Baupreise und der verschlechterten Finanzierungskonditionen die Aufkommensentwicklung merklich. Mit Blick auf die Bauinvestitionen ist keine rasche Erholung zu erwarten. Die Bauinvestitionen werden zwar weiter von der hohen Nachfrage nach Wohnraum gestützt, vor allem in den Ballungsräumen. Auftragseingänge und Auftragsbestand im Bau weisen aber einen deutlich rückläufigen Trend auf; auch die Baugenehmigungen haben deutlich nachgegeben. Neben den Baukosten und der Materialknappheit dämpft auch der zunehmende Fachkräftemangel die Bautätigkeit. Insgesamt werden für die Grunderwerbsteuer im weiteren Schätzzeitraum wieder Zuwächse erwartet, aber kein Erreichen der sehr hohen Aufkommensniveaus der Jahre 2021 und 2022.

    Kapitalertragsteuern

    Bei den Kapitalertragsteuern sorgen Sondereffekte für eine merkliche Schwankung der erwarteten Einnahmen in diesem und im nächsten Jahr, wobei die Einnahmen grundsätzlich – im Einklang mit der zu beobachtenden Entwicklung der Unternehmensgewinne – aufwärtsgerichtet ausfallen. Im weiteren Schätzzeitraum ist angesichts des gegenüber den Vorjahren gestiegenen Zinsniveaus wieder mit leicht steigenden Einnahmen aus Zinserträgen zu rechnen.

    Entwicklung der Einnahmen aus verschiedenen Steuerarten und des nominalen BIP

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    Tabelle 4

    Vergleich mit der vorangegangenen Schätzung vom Oktober 2022

    Abweichungen der Steuereinnahmen insgesamt und der Einnahmen der Gebietskörperschaften

    Im Vergleich zum Ergebnis der Oktober-Steuerschätzung 2022 ergibt sich für den Schätzzeitraum und insbesondere für die Jahre ab 2024 ein erhebliches Minus aus der Steuerschätzung Mai 2023. Dies ist allein auf die Einbeziehung der im Oktober 2022 noch nicht berücksichtigten Steuerrechtsänderungen zurückzuführen (s. a. Abbildung 2, Balken „Steuerrechtsänderungen“). Aus der Ausgangsbasis der Steuereinnahmen zum Schätzzeitpunkt sowie vor allem der projizierten Entwicklung der einschlägigen gesamtwirtschaftlichen Eckwerte und Bemessungsgrundlagen sind dagegen insgesamt leicht höhere Steuereinnahmen zu erwarten als im Oktober 2022 prognostiziert (s. a. Abbildung 2, Balken „Schätzabweichung“).

    Abweichung des Ergebnisses der Steuerschätzung Mai 2023 vom Ergebnis der Steuerschätzung Oktober 2022 BildVergroessern
    Abbildung 2

    Die Belastung aus den Mindereinnahmen im Vergleich zur Oktober-Steuerschätzung 2022 trägt der Bund im Zeitraum 2023 bis 2027 zu 47,1 Prozent (Länder 43,6 Prozent; Gemeinden 9,1 Prozent; EU 0,2 Prozent, s. a. Abbildung 3). Durch das noch nicht in die Steuerschätzung einbezogene KiTa-Qualitätsgesetz werden über die Zuweisung von Festbeträgen gemäß § 1 Finanzausgleichsgesetz Umsatzsteueranteile vom Bund an die Länder zugewiesen. Würden die Auswirkungen des KiTa-Qualitätsgesetzes in die vorstehende Berechnung einbezogen, erhöhte sich der Anteil des Bundes an den Mindereinnahmen auf 49,7 Prozent und der Anteil der Länder sänke auf 41,0 Prozent.

    Abweichung des Ergebnisses der Steuerschätzung Mai 2023 vom Ergebnis der Steuerschätzung Oktober 2022 BildVergroessern
    Abbildung 3

    Abweichungen nach Steuerarten

    Die Abweichungen in der Schätzung vom Mai 2023 gegenüber der aus dem Oktober 2022 fallen vor allem für die Lohnsteuer sehr beträchtlich aus. Dies ist maßgeblich auf die Berücksichtigung der Steuerrechtsänderungen zurückzuführen. Die daraus resultierenden Entlastungen übersteigen die aufgrund der höheren Projektion für die erwartete Entwicklung der Bruttolöhne und -gehälter zu erwartenden Mehreinnahmen im Saldo deutlich. Auch bei der veranlagten Einkommensteuer ist die Schätzabweichung maßgeblich auf die Wirkung der beiden Gesetze, Inflationsausgleichsgesetz und Jahressteuergesetz 2022, zurückzuführen.

    Daneben sind vor allem die Erwartungen für die Entwicklung der Grunderwerbsteuer aufgrund der oben genannten gesamtwirtschaftlichen Faktoren für den gesamten Schätzzeitraum spürbar nach unten angepasst worden, was sich in der prognostizierten Entwicklung der Ländersteuern insgesamt widerspiegelt. Die etwas höheren Erwartungen gegenüber der Oktoberschätzung bei der Körperschaftsteuer, der Gewerbesteuer und den nicht veranlagten Steuern vom Ertrag spiegeln vor allem die Kassenentwicklung wider. Dagegen ist die – gemessen am Aufkommensvolumen der Steuer – leichte Abwärtsrevision der Erwartungen bei den Steuern vom Umsatz auf die Fortschreibung der gesamtwirtschaftlichen Bemessungsgrundlagen zurückzuführen. Eine Übersicht zu den Abweichungen bei zentralen Steuerarten bietet Tabelle 5.

    Abweichungen des Ergebnisses der Steuerschätzung Mai 2023 vom Ergebnis der Steuerschätzung Oktober 2022 nach Steuerarten

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    Tabelle 5

    Fazit

    Der Arbeitskreis „Steuerschätzungen“ erwartet in den Jahren 2023 bis 2027 weiterhin ansteigende Steuereinnahmen. Allerdings wurden die Einnahmeerwartungen gegenüber der Schätzung aus dem Oktober 2022 deutlich zurückgenommen, was allein auf die Wirkung der steuerlichen Entlastungsmaßnahmen zurückzuführen ist; maßgeblich sind dabei das Inflationsausgleichsgesetz und das Jahressteuergesetz 2022. Anders ausgedrückt: Die geringeren Einnahmeerwartungen reflektieren die umgesetzten Maßnahmen der Bundesregierung, um zusätzliche Belastungen der Bürgerinnen und Bürger durch die sogenannte kalte Progression zu verhindern. Lohnsteigerungen zum Ausgleich der Inflation kommen so tatsächlich an, inflationsbedingte Steuermehrbelastungen werden vermieden. Das Jahressteuergesetz 2022 umfasst darüber hinaus u. a. den vollständigen Sonderausgabenabzug für Altersvorsorgeaufwendungen bis zum Höchstbetrag bereits ab 2023. Die steuerlichen Entlastungen spiegeln sich auch in einer kurzfristig sinkenden Steuerquote wider. Der Staat ist damit kein „Inflationsgewinner“ durch höhere Steuereinnahmen in Relation zum BIP.

    Aus der projizierten Entwicklung der einschlägigen gesamtwirtschaftlichen Eckwerte und Bemessungsgrundlagen sind dagegen leicht höhere Steuereinnahmen zu erwarten als im Oktober 2022 prognostiziert. Diesen potenziellen geringfügigen Mehreinnahmen stehen mit Blick auf die Haushaltsplanung des Bundes allerdings deutlich höhere Belastungen etwa durch beschlossene Rechtsverpflichtungen gegenüber. Aus der Steuerschätzung ergeben sich also keine neuen finanziellen Spielräume.

    Die Ergebnisse der Steuerschätzung sowie die ihr zugrundeliegende Frühjahrsprojektion sind im aktuellen konjunkturellen Umfeld weiterhin mit hoher Schätzunsicherheit behaftet. Zuletzt wurde beispielsweise die ausgewiesene Entwicklung des BIP im 1. Quartal 2023 durch das Statistische Bundesamt deutlich nach unten revidiert (s. a. Bericht zu den Steuereinnahmen und konjunkturellem Umfeld im Mai 2023 in dieser Ausgabe). Es bestehen Abwärtsrisiken mit Blick auf die weitere konjunkturelle Entwicklung, die entsprechend negative Auswirkungen auf das Steueraufkommen haben könnten.

    Fußnoten

    1
    Die Pressemitteilung ist hier zu finden.
    2
    Die ausführlichen Ergebnistabellen der 164. Sitzung des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ sind hier abrufbar.
    3
    Steuereinnahmen und konjunkturelles Umfeld im März 2023

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