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  • Schlaglicht: Das Zukunftsfinanzierungsgesetz

    Das Zu­kunfts­fi­nan­zie­rungs­ge­setz im par­la­men­ta­ri­schen Ver­fah­ren

    • Am 16. August 2023 wurde der gemeinsam vom BMF und vom Bundesministerium der Justiz vorgelegte Regierungsentwurf für das Zukunftsfinanzierungsgesetz (ZuFinG) vom Kabinett verabschiedet.
    • Das ZuFinG leistet einen wichtigen Beitrag dafür, mehr privates Kapital zu mobilisieren, den Finanzplatz Deutschland attraktiver zu machen und den deutschen Kapitalmarkt auf die nächste Stufe zu heben. Damit werden Impulse für Wachstum gesetzt. Dies hilft auch dabei, die Aufgaben des digitalen Wandels und die Transformation hin zum klimaneutralen Wirtschaften zu bewältigen.
    • Ein besonderer Fokus liegt dabei auch auf Verbesserungen der Rahmenbedingungen für Start-ups und Wachstumsunternehmen. Hierzu zählen insbesondere viele Maßnahmen zur Förderung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung sowie die Einführung von Mehrstimmrechtsaktien. Durch das ZuFinG wird sichergestellt, dass Start-ups in Deutschland gute Bedingungen dafür vorfinden, die nächsten Schritte ihrer Entwicklung zu gehen.

    Einleitung

    „Es kommt nicht darauf an, die Zukunft vorauszusagen, sondern darauf, auf die Zukunft vorbereitet zu sein.“

    Dieser Satz wird Perikles zugeschrieben, einem bedeutenden Staatsmann im alten Athen, den viele als einen der Urväter der Demokratie ansehen. Mit dem Namen Zukunftsfinanzierungsgesetz (ZuFinG) wollen wir deutlich machen, dass die kapitalmarktbasierte Finanzierung bei der Transformation unserer Wirtschaft und den dafür nötigen massiven Investitionsbedarfen eine zentrale Rolle spielt. Ein leistungsfähiger Kapitalmarkt ist eine wichtige Vorbereitung auf die Zukunft.

    Der Wirtschaftsstandort Deutschland war in den vergangenen Jahren mit tiefgreifenden Krisen konfrontiert. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie waren noch nicht vollständig überwunden, als der russische Angriffskrieg begann. Mit der Aggression Russlands gingen stark steigende Energiepreise und eine anhaltende Inflation im Euroraum einher. Die Auswirkungen der multiplen Krisen sind weiterhin zu spüren. In diesem anspruchsvollen Umfeld muss der Wirtschaftsstandort zugleich die großen Zukunftsherausforderungen der Dekarbonisierung, Digitalisierung und des demografischen Wandels bewältigen und seine Wettbewerbsfähigkeit behaupten.

    Hierfür braucht es eine angebotsorientierte Politik, die das Wachstum stärkt, ohne der Inflation zusätzlichen Auftrieb zu geben. Gefragt sind also Maßnahmen, welche die Rahmenbedingungen für Investitionen und Innovationen verbessern und dadurch einen gezielten Wachstumsimpuls setzen. Hier spielt die kapitalmarktbasierte Finanzierung eine Schlüsselrolle.

    In der deutschen Wirtschaft überwiegt traditionell die bankbasierte Finanzierung. Das ist kein Nachteil, sondern zeigt im Gegenteil die Leistungsfähigkeit unseres Bankensektors. Wenn wir uns dagegen die marktbasierte Finanzierung in Deutschland anschauen, sehen wir einen leistungsfähigen Kapitalmarkt, der aber Potenzial für viel mehr hat. Im Verhältnis zu anderen hoch entwickelten Ländern können wir noch deutlich aufholen.

    Von einem starken, international wettbewerbsfähigen Kapitalmarkt profitiert der gesamte deutsche Finanzstandort und damit auch die gesamte europäische Finanzwirtschaft. Der Ausbau des Kapitalmarkts ist dabei kein Selbstzweck. Vielmehr geben wir der Realwirtschaft einen Schub. Ein starker Kapitalmarkt sorgt für Wachstum in allen Wirtschaftsbereichen, denn er ist eine wesentliche Quelle für Investitionen mit langfristigen Investitionszyklen, etwa in Forschung und Entwicklung. Der Kapitalmarkt ist auch entscheidend dafür, um Wachstumsunternehmen gute Chancen zu bieten. Gerade für junge Unternehmen kann es schwierig sein, sich umfassend über Bankdarlehen zu finanzieren.

    Vor diesem Hintergrund stehen vor allem die innovationsstarken, jungen Unternehmen, die Start-ups, im Fokus. Aber auch anderen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), die in Deutschland einen Großteil der Wirtschaft ausmachen, wollen wir mit dem ZuFinG helfen, über den Kapitalmarkt ihre Eigenkapitalbasis zu stärken. Damit ist das ZuFinG ein wichtiger Baustein bei der Umsetzung der Start-up-Strategie der Bundesregierung.

    Der Entwurf des ZuFinG verfolgt einen umfassenden Ansatz mit einem Dreiklang an Maßnahmen: Erleichterung des Kapitalmarktzugangs und Erhöhung der Attraktivität des Kapitalmarkts, gezielte Maßnahmen zur Förderung von Start-ups und Wachstumsunternehmen sowie eine weitere Modernisierung des Finanzmarkts, insbesondere des Finanzaufsichtsrechts. Maßnahmen zur weiteren Digitalisierung, Entbürokratisierung und Internationalisierung machen den deutschen Finanzmarkt und den Standort Deutschland attraktiver – sowohl für nationale als auch für internationale Unternehmen und Investorinnen und Investoren.

    Erleichterung des Kapitalmarktzugangs und Verbesserung der Finanzierungsmöglichkeiten am Kapitalmarkt

    Der Gesetzesentwurf nutzt nationale Regelungsspielräume, um auch im europarechtlich stark harmonisierten Kapitalmarktrecht Hürden für den Kapitalmarktzugang abzubauen: Wir senken die für einen Börsengang erforderliche Mindestmarktkapitalisierung. Überdies erhalten Börsen mehr Flexibilität, indem sie in Teilen des sogenannten regulierten Markts auf den Mitantragsteller beim Börsengang – das ist typischerweise eine emissionsbegleitende Bank – verzichten können. Hierdurch versprechen wir uns eine Absenkung der Kosten. Ferner sehen wir Regelungen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit von Crowdfunding-Anbietern vor. Insbesondere werden die Rechtssicherheit und Handhabbarkeit durch Anpassungen bei der Regelung zur Haftung der Crowdfunding-Anbieter verbessert, die den Interessen der Unternehmen und der Anlegerinnen und Anleger angemessen Rechnung tragen.

    Die Regelungen des ZuFinG sind im Zusammenhang mit den weit fortgeschrittenen Arbeiten am Listing Act auf Ebene der Europäischen Union (EU) zu sehen. Auch die Regelungen des Listing Acts zielen darauf ab, den Kapitalmarktzugang gerade für KMU zu erleichtern. So sollen etwa die Prospektanforderungen auf sogenannten KMU-Wachstumsmärkten vereinfacht und stärker standardisiert sowie weitere Ausnahmen von der Prospektpflicht geschaffen werden.

    Das ZuFinG führt mit der Börsenmantelaktiengesellschaft ein neues Instrument ein, das Start-ups und Wachstumsunternehmen einen alternativen Weg an den Kapitalmarkt eröffnet, von dem auch Anlegerinnen und Anleger profitieren können.

    Die international unter dem Begriff „SPAC“ (Special Purpose Acquisition Company) bekannte Börsenmantelaktiengesellschaft ist eine Gesellschaft ohne eigenes operatives Geschäft, die gegründet wird, um mittels eines Börsengangs Kapital einzusammeln und hiermit ein – vor dem Börsengang unbestimmtes – nicht-börsennotiertes Unternehmen zu übernehmen und so mittelbar an die Börse zu bringen. SPAC schlagen eine Brücke zwischen Private-Equity- beziehungsweise Venture-Capital-Finanzierung und einem klassischen Börsengang, insbesondere für Start-ups und Wachstumsunternehmen. Auf diese Weise gelangen derartige Unternehmen an die Börse, ohne selbst das komplexe Verfahren eines Börsengangs durchlaufen zu müssen. Dieses Instrument hat vor allem in den USA, aber auch in anderen Staaten bereits breite Verwendung gefunden.

    Dabei folgt das Gesetz der International Organization of Securities Commissions, die eine Regulierung der sogenannten Special Purpose Acquisition Companies empfiehlt. Es wird eine ausgewogene Regelung geschaffen, die nicht nur die Erleichterung des Kapitalmarktzugangs, sondern auch die Belange des Anlegerschutzes und der Gewährleistung der gesetzlich vorgesehenen Mitbestimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Aufsichtsrat im Blick hat.

    Der Gang an den Kapitalmarkt soll vor allem die Aufnahme von Eigenkapital privater Investorinnen und Investoren erleichtern und dadurch Wachstumsmöglichkeiten für Start-ups und KMU schaffen. Die im Koalitionsvertrag vorgesehenen Erleichterungen für Kapitalerhöhungen zielen auf die gesellschaftsrechtlichen Grundlagen für die Eigenkapitalbeschaffung ab. Verbesserungen an dieser Stelle erhöhen damit auch die Attraktivität des Gangs an die Börse. Die im Regierungsentwurf vorgesehenen Regelungen zur Kapitalerhöhung sorgen für mehr Transaktionssicherheit und den Abbau von Verzögerungsrisiken bei der Eigenkapitalbeschaffung.

    Die Vorgaben zur Kapitalerhöhung sind vor allem im Aktiengesetz geregelt. Im Einzelnen sieht der Regierungsentwurf folgende Maßnahmen vor: Für die Gewinnung von Investorinnen und Investoren oder die Durchführung von Transaktionen kann es in bestimmten Konstellationen erforderlich sein, das Recht der Altaktionäre auf den ersten Zugriff auf neue Aktien (Bezugsrecht) auszuschließen. Die Schwelle für einen vereinfachten Ausschluss wird von 10 Prozent auf den international verbreiteten Wert von 20 Prozent heraufgesetzt.

    Das Gesetz stellt klar, dass bei einer ordentlichen Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss der Börsenkurs vom Unternehmen als Untergrenze für einen angemessenen Ausgabebetrag herangezogen werden kann. Darüber hinaus regelt der Regierungsentwurf nähere Einzelheiten zur Bestimmung des maßgeblichen Börsenwerts und zu der Frage, wann ausnahmsweise der Börsenwert als Maßstab ungeeignet ist. Das dient der Erhöhung von Rechtssicherheit.

    Bisher konnten Beschlüsse der Hauptversammlung der Aktiengesellschaften zu Kapitalerhöhungen von jedem Aktionär allein mit der Begründung angefochten werden, dass der Ausgabebetrag unangemessen niedrig sei. Hierdurch wurde die Durchführung der Beschlüsse und damit die Durchführung der Transaktion/die Zufuhr von Eigenkapital insgesamt verzögert. Der Gesetzesentwurf sieht für die ordentliche Kapitalerhöhung ohne vereinfachten Bezugsrechtsausschluss vor, dass eine derartige Anfechtung allein wegen der Höhe des Ausgabebetrags nicht mehr möglich ist; eine Anfechtung aus anderen Gründen bleibt hiervon unberührt. Dafür kann der Aktionär einen Antrag im sogenannten Spruchverfahren auf Überprüfung des Ausgabebetrags stellen. Kommt das Gericht hier zu dem Ergebnis, dass der Ausgabebetrag unangemessen niedrig ist, erhält der Aktionär Ausgleich entweder durch bare Zuzahlung oder durch Gewährung zusätzlicher Aktien. Auf diese Weise werden die Vermögensinteressen der Aktionäre geschützt, ohne dass für die Eigenkapitalfinanzierung wichtige Transaktionen blockiert werden.

    Attraktivität des Start-up-Standorts Deutschland durch Förderung der Mitarbeiterkapitalbeteiligungen und Einführung von Mehrstimmrechtsaktien steigern

    Im Einklang mit dem Koalitionsvertrag sieht das Gesetz die Einführung von Mehrstimmrechtsaktien vor. Mehrstimmrechtsaktien geben Gründerinnen und Gründern die Möglichkeit, sich auch nach einem Börsengang bei Abstimmungen in der Hauptversammlung stark einbringen zu können. Wie Erfahrungen aus den USA, insbesondere bei innovativen Unternehmen wie Facebook (Meta) zeigen, kann dies durchaus im Sinne der Fortentwicklung des Unternehmens und damit auch der Aktionäre sein. Es wäre auch nicht im Interesse des Standorts Deutschland, dass Start-ups, die sich in Deutschland erfolgreich entwickelt haben, die Börsennotierung wegen der Möglichkeit von Mehrstimmrechten im Ausland realisieren.

    Das Gesetz sieht eine flexible Regelung vor, die zugleich den Schutz der Investorinnen und Investoren gewährleistet. So bedarf etwa die Einführung der Mehrstimmrechte der Zustimmung aller betroffenen Aktionäre. Die Mehrstimmrechte sind zudem nach dem Börsengang grundsätzlich auf zehn Jahre befristet; mit der Möglichkeit einer Verlängerung um maximal weitere zehn Jahre. Bei wichtigen Beschlüssen ist darüber hinaus nach geltendem Recht zusätzlich zu der Stimmmehrheit eine Kapitalmehrheit erforderlich.

    Dabei werden auch die laufenden Arbeiten an einer Richtlinie zur Einführung von Mehrstimmrechtsaktien in den Blick genommen. Das Gesetz geht aber über den vergleichsweise engen Anwendungsbereich der Richtlinie hinaus, indem er grundsätzlich allen Aktiengesellschaften die Einführung von Mehrstimmrechtsaktien erlaubt.

    Start-ups brauchen engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um ihre innovativen Ideen auf dem Markt durchzusetzen. In Zeiten allgegenwärtigen Fachkräftemangels sehen sie sich allerdings einem rauen Marktklima ausgesetzt und ziehen allzu oft im Wettbewerb um die besten Köpfe den Kürzeren, da sie häufig noch nicht mit den finanziellen Angeboten größerer, etablierter Unternehmen mithalten können. Hier bieten attraktive Mitarbeiterkapitalbeteiligungen Chancen sowohl für die Unternehmen als auch für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Letztere können an der Wertentwicklung des Unternehmens teilhaben, das sie beschäftigt, und dadurch auch selbst die Früchte ihrer Arbeit ernten – mit durchaus größeren finanziellen Chancen als bei einem fixen Gehalt. Zugleich gelangen sie in Kontakt mit dem Konzept der Aktie, was auch einen Beitrag zur Stärkung der in Deutschland noch schwächer ausgeprägten Aktienkultur leistet. Die Unternehmen erhalten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die durch weitere Faktoren motiviert werden und können hiermit im Wettbewerb ihre im Durchschnitt geringere Finanzkraft ausgleichen.

    Nach geltender Rechtslage führt der den Beschäftigten gewährte Vorteil aus der unentgeltlichen oder verbilligten Überlassung von Vermögensbeteiligungen (Aktien, GmbH-Anteile usw.) zu einem geldwerten Vorteil. Geldwerte Vorteile aus Vermögensbeteiligungen am Unternehmen des Arbeitgebers sind steuerfrei, soweit der Vorteil insgesamt 1.440 Euro im Kalenderjahr nicht übersteigt (§ 3 Nr. 39 Einkommensteuergesetz (EStG)).

    Ein weiterer Ansatzpunkt des Gesetzes sind Anpassungen bei der Regelung in § 19a EStG zur aufgeschobenen Besteuerung geldwerter Vorteile aus Vermögensbeteiligungen. Die Besteuerung wird hier bis zum Eintritt eines bestimmten Ereignisses (Verkauf, Ablauf einer zeitlichen, Beendigung des Dienstverhältnisses) ausgesetzt.

    Bereits im Koalitionsvertrag haben sich die Koalitionsparteien daher auf eine Erhöhung des Steuerfreibetrags für die Gewährung von Mitarbeiterkapitalbeteiligungen geeinigt. Konkret schlagen wir vor, den steuerfreien Höchstbetrag von 1.440 Euro auf 5.000 Euro pro Jahr anzuheben. Die Möglichkeit der Entgeltumwandlung bleibt erhalten. Dabei wird die Obergrenze mit Augenmaß von 1.440 Euro auf 2.000 Euro erhöht.

    Zudem soll der Anwendungsbereich der Vorschrift zur aufgeschobenen Besteuerung deutlich erweitert werden. Dies dient der Bewältigung der sogenannten Dry-Income-Problematik bei der Mitarbeiterkapitalbeteiligung und verbessert die – von den Start-ups häufig monierte – Praxistauglichkeit dieser Regelung. Die Dry-Income-Problematik tritt auf, weil die Übertragung einer Beteiligung zu steuerpflichtigem Arbeitslohn (Sachbezug) bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern führt, ohne dass ihnen liquide Mittel zugeflossen sind (sogenanntes trockenes Einkommen – „dry income“). Daher ist es sinnvoll, hier einen Aufschub der Besteuerung bis zur Veräußerung der Anteile vorzusehen. Von der bisherigen Regelung, die dies adressiert, konnten allerdings nur wenige Unternehmen und damit deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter profitieren. Daher erweitert das ZuFinG den Kreis dieser Unternehmen erheblich. Beispielsweise werden nun auch Unternehmen mit bis zu 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erfasst sowie solche, die vor bis zu 20 Jahren gegründet worden sind.

    Von wesentlicher Bedeutung für die Verbesserung der Praxistauglichkeit der Regelung ist auch, dass die Frist für eine finale Besteuerung – unabhängig von einer Veräußerung der Anteile und einem Arbeitgeberwechsel – von zwölf auf 20 Jahre verlängert wird. Ferner besteht jetzt die Möglichkeit, dass der Aufschub der Besteuerung trotz eines Arbeitgeberwechsels fortbesteht, sofern der Arbeitgeber erklärt, für die Steuer zu haften.

    Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit

    Verbesserungen bei Rechtssicherheit und Transparenz

    Der Regierungsentwurf sieht zur Erhöhung der Rechtssicherheit im Finanzdienstleistungsbereich eine Bereichsausnahme für Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) von der gerichtlichen AGB-Kontrolle vor.

    Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB)
    Im deutschen Recht besteht die Besonderheit, dass auch bei Verträgen, bei denen auf beiden Seiten professionelle Unternehmen agieren, eine gerichtliche Kontrolle der AGB stattfindet. Dies erschwert stark die Möglichkeiten, sich bei der Vertragsgestaltung an internationalen Standards zu orientieren, und kann unter Umständen Anreize zur „Flucht“ ins ausländische Recht setzen. Um Marktteilnehmern in der EU (post-Brexit) auch Vertragsmuster nach EU-Recht anzubieten, hat die International Swaps and Derivatives Association (ISDA) zwischenzeitlich auch Musterverträge nach französischem und irischem Recht entwickelt. ISDA-Derivatevertragsmuster nach deutschem Recht gibt es dagegen nicht. Dies hat seine Ursache auch in der strengen gerichtlichen Kontrolle der Vertragsklauseln auf Basis des AGB-Rechts.

    Die Möglichkeit der rechtssicheren Orientierung an internationalen Standards ist auch wichtig für die Nutzung von Finanzinstrumenten zur Absicherung gegen Risiken, insbesondere Kurs- und Preisschwankungsrisiken, sowie für die Refinanzierungsmöglichkeiten von Kreditinstituten und anderen Finanzdienstleistern. Sie gewährleistet die internationale Anschlussfähigkeit und verbessert die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzstandorts.

    Erfasst von der Bereichsausnahme werden AGB in Verträgen über Finanzdienstleistungen, die zwischen Finanzdienstleistern abgeschlossen werden. Verträge mit kleineren und mittleren Finanzdienstleistern werden von der Bereichsausnahme nur erfasst, wenn diese für das Geschäft, das Vertragsgegenstand ist, eine aufsichtsrechtliche Genehmigung haben. Die Unternehmen der Realwirtschaft sowie Verbraucherinnen und Verbraucher werden wie bisher von der AGB-Kontrolle geschützt.

    Flankiert werden die genannten Verbesserungen durch Regelungen zur Erhöhung der Transparenz am Finanzmarkt: Wir richten die nach der europäischen Zahlungskonten-Richtlinie erforderliche Vergleichswebsite für Kontoentgelte bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ein. Hierdurch wird es Verbraucherinnen und Verbrauchern erleichtert, sich über die Marktkonditionen in diesem Bereich zu informieren.

    Offenen Immobilienfonds soll es aufsichtsrechtlich möglich sein, auch Grundstücke zu erwerben, auf denen sich ausschließlich Anlagen für erneuerbare Energien befinden, und diese Anlagen auch selbst zu betreiben. Damit können sie einen Beitrag zur Transformationsfinanzierung leisten.

    Last but not least sollen weitere Umsatzsteuerbefreiungen eingeführt werden. Dies umfasst die Erweiterung der Umsatzsteuerbefreiung für die Verwaltung von Wagniskapitalfonds. Zudem wird die bisherige Umsatzsteuerbefreiung auch auf Verwaltungsleistungen von Konsortialführern bei offenen Konsortialkrediten erstreckt.

    Digitalisierung und Entbürokratisierung für einen zukunftsfähigen Finanzmarkt

    Mit dem Gesetz über elektronische Wertpapiere hat Deutschland eine Vorreiterrolle eingenommen. Diese soll weiter ausgebaut werden, indem das Gesetz jetzt auch elektronische Aktien erfasst. Namensaktien können damit zukünftig elektronisch über ein zentrales Wertpapierregister oder über ein Kryptowertpapierregister, das auf der Distributed-Ledger-Technologie basieren kann, begeben und übertragen werden; bei Inhaberaktien soll dies nur über ein zentrales Wertpapierregister möglich sein.

    Flankiert wird dies durch Maßnahmen, die die Sicherheit von Anlagen in intermediärverwahrte Kryptowerte erhöhen. Es wird eine Regelung eingeführt, die Anlegerinnen und Anlegern in der Insolvenz des verwahrenden Instituts die Aussonderung aus der Insolvenzmasse ermöglicht. Auf diese Weise können die Anlegerinnen und Anleger ihre Kryptowerte für sich aus der Insolvenzmasse herauslösen.

    Ein wichtiger Baustein des ZuFinG sind Regelungen zur Digitalisierung der Finanzmarktaufsicht. So werden in einer Vielzahl von Finanzmarktaufsichtsgesetzen wie dem Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz oder dem Versicherungsaufsichtsgesetz noch bestehende Schriftformerfordernisse um die Möglichkeit digitaler Kommunikation mit der Aufsicht ergänzt. Hierdurch räumen wir bestehende Digitalisierungshemmnisse aus dem Weg.

    Die Aufsichtskultur ist auch ein wichtiger Standortfaktor. Daher wollen wir den deutschen Finanzmarkt zudem durch einen verwaltungsverfahrensrechtlichen Quantensprung für internationale Teilnehmer attraktiver machen und es den Finanzmarktteilnehmern ermöglichen, bei der BaFin Anträge ganz oder teilweise auf Englisch einzureichen.

    Aufgrund von Regelungen im Verwaltungsverfahrensgesetz und – für sich etwaig anschließende verwaltungsgerichtliche Verfahren – im Gerichtsverfassungsgesetz sind bisher grundsätzlich alle fremdsprachlichen Eingaben, also auch Anträge bei Verwaltungsbehörden, zu übersetzen (§ 23 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes: „Die Amtssprache ist deutsch.“). Dies gilt auch in den Fällen, in denen die Behördenmitarbeiterinnen und -mitarbeiter aufgrund entsprechender internationaler Vernetzung, wie beispielsweise der Mitarbeit in EU-Gremien, eine Fremdsprache – meist Englisch – ausreichend gut beherrschen.

    Die sonst bei Verwaltungsbehörden geltende Pflicht, für den Beginn des Verwaltungsverfahrens eine Übersetzung einer fremdsprachlichen Eingabe einzureichen, gilt damit in dieser Form nicht mehr. Dies dient der Beschleunigung und trägt auch der Tatsache Rechnung, dass die Finanzmärkte international vernetzt sind und häufig Englisch die Arbeitssprache ist.

    Ausblick

    Der Regierungsentwurf des zustimmungspflichtigen Gesetzes wurde dem Bundesrat zugeleitet. Das parlamentarische Verfahren im Bundestag beginnt nach der Sommerpause. Es ist geplant, das Gesetzgebungsverfahren noch in diesem Jahr abzuschließen.

    Mit der Begleitgesetzgebung zur Markets in Crypto Assets(MiCA)-Verordnung (EU) 2023/1114, zur Neufassung der Geldtransferverordnung (EU) 2023/1113 sowie zum Digital Operational Resilience Act (DORA) (EU) 2022/2254 und Richtlinie (EU) 2022/2256 werden weitere Impulse zur Stärkung digitaler und resilienter Finanztechnologien gesetzt werden.

    Die EU-Finanzministerinnen und -Finanzminister werden bei ihren Treffen in den nächsten Monaten regelmäßig darüber diskutieren, welche Schritte zur Vertiefung der Kapitalmarktunion nun prioritär angegangen werden sollten. Deutschland setzt sich hier für ambitionierte Ziele und Maßnahmen ein.

    Mit ihrer Agenda zur Kapitalmarktunion verfolgt die Bundesregierung in enger Zusammenarbeit mit den Partnern auf der europäischen Ebene letztlich zwei Ziele: eine stärkere Integration der europäischen Kapitalmärkte durch den Abbau von Hindernissen bei grenzüberschreitenden Investitionen und die Vertiefung des gesamten europäischen Kapitalmarkts. Dies dient letztlich allen Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen in der EU.

    Nationale und europäische Maßnahmen gehen dabei Hand in Hand. Indem das ZuFinG Impulse für den deutschen Kapitalmarkt setzt, leistet Deutschland auch einen Beitrag zu einer stärkeren, tieferen Kapitalmarktunion.

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