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BMF-Monatsbericht Mai 2024

Inhalt

Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbankgruppe

24.05.2024
  • Vom 15. bis 20. April 2024 fanden in Washington, D. C. im Rahmen der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbankgruppe u. a. Treffen der G7- und G20-Finanzministerinnen und -minister und Notenbankgouverneurinnen und -gouverneure sowie des Lenkungsausschusses des IWF (International Monetary and Financial Committee, IMFC) sowie des Entwicklungsausschusses von Weltbank und IWF (Development Committee, DC) statt.
  • Trotz der weiter steigenden geopolitischen Herausforderungen und der globalen geldpolitischen Straffung zeigt sich die Weltwirtschaft nach Einschätzung des IWF resilienter als bisher erwartet. Auch wenn eine verbreitete Rezession habe abgewendet werden können, bleibe das globale Wachstum mit 3,2 Prozent insgesamt verhalten. Daher sei es wichtig, das Wachstumspotenzial durch Strukturreformen und gute Rahmenbedingungen für die Wirtschaft zu steigern.
  • Die vergangenen Jahre haben gezeigt: Die internationalen Finanzinstitutionen haben schnell und wirksam auf die Krisen reagiert. Für die kommenden Jahre ist nun eine Refokussierung auf das jeweilige Kernmandat notwendig: Für seine Mitgliedsländer leistet der IWF wichtige Hilfe zur Selbsthilfe – über Beratung, Kapazitätsaufbau und gezielte Reformunterstützung im Rahmen von Kreditprogrammen. Bei der Erhöhung der Entwicklungsfinanzierung über die multilateralen Entwicklungsbanken schreitet die internationale Gemeinschaft voran. Neben Deutschland haben weitere Staaten neues Hybridkapital für die Weltbank zugesagt.

Weiche Landung für die Weltwirtschaft?

Am 16. April 2024 hat der Internationale Währungsfonds (IWF) wie üblich zur Frühjahrstagung seinen aktuellen Bericht zur Lage der Weltwirtschaft, den World Economic Outlook, vorgestellt. Die Weltwirtschaft zeigt sich laut IWF vor dem Hintergrund der globalen geldpolitischen Straffung resilienter als im vergangenen Herbst erwartet. Wie bereits im Jahr 2023 wird auch für die Jahre 2024 und 2025 mit einem Wachstum von 3,2 Prozent gerechnet, das jedoch deutlich unter dem historischen Durchschnitt von 3,8 Prozent liegt. Trotz der zur Inflationsbekämpfung erhöhten Zinsen wächst die Wirtschaft vor allem in den USA und vielen Schwellenländern weiter robust. Dies liegt teils in anhaltender fiskalischer Unterstützung, teils in Nachholeffekten aus der Pandemie und teils in Angebotsausweitungen, etwa durch gesteigerte Erwerbstätigkeit, begründet. Insgesamt erscheint die Gefahr einer globalen Rezession weitgehend gebannt und übereinstimmend wird eine „weiche“ Landung der Weltwirtschaft erwartet. Allerdings wurden die Erwartungen für Europa kurzfristig nochmals nach unten revidiert; erst im kommenden Jahr ist wieder mit kräftigerem Wachstum zu rechnen, bei gleichzeitigem Abflauen der starken Konjunktur in den USA. China wächst zwar im globalen Vergleich noch überdurchschnittlich, steht aber vor großen strukturellen Herausforderungen, um dies auch langfristig aufrechtzuerhalten. Für Deutschland erwartet der IWF ein Wachstum der Wirtschaftsleistung von 0,2 Prozent in diesem und 1,3 Prozent im kommenden Jahr. Dabei wird eine moderate Belebung der Konjunktur erwartet, die bei gesunkenen Inflationsraten und spürbaren Zuwächsen bei den realen Einkommen hauptsächlich durch den privaten Konsum getragen wird.

Die Risiken für die Entwicklung der Weltwirtschaft haben sich u. a. durch den deutlichen Rückgang der Inflation insgesamt verringert. Sie bestehen aber u. a. mit Blick auf die volatile geopolitische Lage inklusive der fortgesetzten Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, hohe Schuldenstandsquoten in vielen Ländern und ansteigende Kosten des Klimawandels weiterhin fort. Zudem bleibt der mittelfristige ökonomische Ausblick zu schwach, um die Entwicklungsziele der Vereinten Nationen zu erreichen. Neben finanzpolitischer Solidität und wachstumsfördernden Investitionen sollte daher auch nach Auffassung des IWF ein erneuter Fokus auf ambitionierte Strukturreformen gelegt werden, um die Produktivität zu steigern und die Erwerbsbeteiligung, gerade auch von Frauen, zu erhöhen.

Die Lage der Weltwirtschaft stand auch im Zentrum des Treffens der G7-Finanzministerinnen und -minister und -Notenbankgouverneurinnen und -gouverneure (FMNBG), die sich wie üblich am Rande der Jahrestagung von Weltbank und IWF trafen und insbesondere die geopolitischen Risiken besprachen.

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IWF: Fokus auf die Kernkompetenz

Bei den Diskussionen des Lenkungsausschusses des IWF (IMFC) fand Bundesfinanzminister Christian Lindner Bestätigung für den deutschen Kurs einer stabilitätsorientierten Finanzpolitik, begleitet von dem erforderlichen Übergang des expansiven finanzpolitischen Krisenmodus zurück in die Normalität. Politische Prioritäten des IMFC unter saudi-arabischem Vorsitz wurden auf die Notwendigkeit der Erreichung von Preisstabilität, die Stärkung der fiskalischen Nachhaltigkeit und die Sicherung der Finanzmarktstabilität gelegt – und damit auf die Besinnung auf das Kernmandat des IWF.1 Dieser steht seit seiner Gründung vor 80 Jahren im Zentrum des globalen finanziellen Sicherheitsnetzes. Damit dies so bleibt, muss er sich im Rahmen seines Kernmandates kontinuierlich neuen makrokritischen Herausforderungen in seinen Mitgliedsländern (wie Klimawandel, Digitalisierung, demografischer Wandel) stellen. Dies hat er vor allem auch in den vergangenen Krisenjahren erfolgreich getan.

Das Kernmandat des IWF – ein Anker für die Stabilität der Weltwirtschaft

Vor 80 Jahren wurde die Gründung des IWF beschlossen – und die Ziele von damals haben an ihrer Aktualität nichts eingebüßt. Gemäß seiner Kernkompetenz soll der IWF internationalen Handel fördern und dadurch zur wirtschaftlichen Entwicklung in seinen Mitgliedsländern beitragen. Nach seinen Statuten ist er für die Überwachung der Wirtschafts-, Geld- und Wechselkurspolitik sowie der Finanzstabilität verantwortlich und erfüllt damit für seine Mitgliedsländer eine wichtige Beraterfunktion. Daneben leistet er technische Hilfe, z. B. für den Aufbau effizienter Steuerverwaltungen oder bei der Bekämpfung von Geldwäscheaktivitäten.

Eine weitere Kernaufgabe des IWF ist die Vergabe von Finanzhilfen an Länder mit gravierenden Zahlungsbilanzproblemen. Diese Kreditvergabe wird an verpflichtende Reformmaßnahmen geknüpft, damit die Länder möglichst schnell auf einen nachhaltigen Wachstumspfad, eine tragfähige Zahlungsbilanz und damit zu finanzpolitischer Eigenständigkeit zurückkehren können. Dabei leistet der IWF nur Hilfe zur Selbsthilfe – die finanzielle Unterstützung des IWF kann eine dauerhaft stabilitätsfördernde Wirtschaftspolitik nicht ersetzen.

Die im Wesentlichen von den Notenbanken bereitgestellte Finanzbasis des IWF ist stark und ausreichend, um gegenwärtige und zukünftige Bedarfe der Mitgliedsländer zu decken. Dieser Finanzierungsmechanismus verlangt allerdings eine Fokussierung auf sein Kernmandat: die Wahrung der globalen Finanzstabilität.

Die Entwicklungszusammenarbeit liegt nicht im direkten Aufgabenbereich des IWF – sie ist Sache der Weltbank und anderer multilateraler Entwicklungsbanken. Der IWF unterstützt im Rahmen seines Mandats einkommensschwache Länder, z. B. durch die Bereitstellung zwar subventionierter, aber auch konditionierter Hilfen über den Poverty Reduction and Growth Trust. Im IMFC wurde die Rolle des IWF als starker Partner für Niedrigeinkommensländer wiederholt bestätigt. Wesentlich sind dabei nicht allein die finanzielle Unterstützung, sondern insbesondere auch die begleitenden Reformprogramme, die notwendige Anpassungsmaßnahmen als Rahmen für die finanzielle Unterstützung enthalten. Außerdem sollen damit andere Finanzierungsquellen, etwa von Gebern oder auch vom Privatsektor, generiert und die Eigenanstrengungen der Länder befördert werden (sogenannte katalytische Rolle des IWF).

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Im Fokus: Finanzstabilität in Ländern mit mittlerem und niedrigem Einkommen

Wie üblich trafen sich am Rande der Frühjahrstagung außerdem die G20-FMNBG. Die Schwerpunkte des Treffens waren Fragen der Klimafinanzierung, die Reform und Stärkung der multilateralen Entwicklungsbanken und die nachhaltige Stabilisierung von Kapitalströmen in Entwicklungs- und Schwellenländer.

Die Weiterentwicklung der multilateralen Entwicklungsbanken (MDBs) unterstützt Deutschland ausdrücklich. Ziel ist die Stärkung des MDB-Systems, damit die Banken, einzeln oder als Gruppe, besser auf globale Herausforderungen reagieren können. Dies soll insbesondere zum Schutz und zur Bereitstellung globaler öffentlicher Güter wie Schutz von Klima und Biodiversität, Pandemieprävention, Frieden und Sicherheit dienen. Bei der Frühjahrstagung wurden entscheidende Reformfortschritte bei der Weltbank angenommen. So wurde eine neue Plattform geschaffen, die es Ländern mittleren Einkommens ermöglichen soll, Kredite zu besseren Bedingungen für globale, grenzüberschreitende Herausforderungen aufzunehmen. Gespeist wird diese Plattform aus drei neuen, bereits bei der Jahrestagung 2023 verabschiedeten Finanzierungsmechanismen: Hybridkapital, Portfoliogarantien und ein konzessionärer Fonds (Livable Planet Fund; mehr Informationen hierzu finden sich in den BMF-Monatsberichten von Oktober und November 2023). Deutschland hatte bereits im vergangenen Jahr als erster Geber Hybridkapital von bis zu 305 Mio. Euro zugesagt, das es der Weltbank ermöglicht, rund 2,4 Mrd. Euro zusätzlich für die ärmsten Länder zu mobilisieren. Seitdem sind weitere elf Länder gefolgt, sodass insgesamt ein zusätzliches Finanzierungsvolumen von über 70 Mrd. US-Dollar für die nächsten 10 Jahre mobilisiert werden kann. Dies ist in Ergänzung zu den bereits erreichten Änderungen im Bereich der Kapitaladäquanz, die bereits die Finanzierungskapazitäten der Weltbank um 50 Mrd. US-Dollar für die nächsten zehn Jahre erweitert haben. Weitere Reformschritte werden sich nun mit der stärkeren Mobilisierung des Privatsektors und effektiveren und effizienteren Strukturen innerhalb der Weltbank befassen.

Deutschland unterstützt zudem eine erfolgreiche Wiederauffüllung des Weltbankfonds für die ärmsten Länder (International Development Association, IDA). Neben einer finanziell robusten Wiederauffüllung wird es auch bei IDA darum gehen, in den nationalen Entwicklungspfaden der Empfängerländer globale Herausforderungen stärker in den Blick zu nehmen. Deutschland legt dabei einen Fokus auf Klima/Biodiversität und die Reduzierung von Ungleichheiten. Grundsätzlich gilt, dass bei der Finanzierung der nachhaltigen Entwicklungsziele öffentliche Gebermittel Impulse setzen können. Es bedarf aber auch hier neben

  • einer breiteren internationalen Geberbasis auch
  • einer umfassenden Mobilisierung des Privatsektors sowie
  • einer deutlichen Verbesserung der Eigeneinnahmen in Entwicklungs- und Schwellenländern.

In diesem Zusammenhang wurde die Initiative von Weltbank und IWF zur Mobilisierung inländischer Ressourcen begrüßt. Diese Initiative soll die Resilienz öffentlicher Finanzen fördern, hauptsächlich, indem die Länder durch Kapazitätsaufbau dabei unterstützt werden, mehr heimische Mittel für Entwicklungsfinanzierung zu mobilisieren und bei sich damit auch strukturell das Risiko zu begrenzen, in eine Situation der Überschuldung zu geraten.

Während die Risiken für die weltweite Finanzstabilität inzwischen weniger ausgeprägt sind, sind insbesondere viele Niedrigeinkommensländer aufgrund hoher Schuldenstände und steigender Zinskosten von steigenden Refinanzierungsrisiken betroffen. Auch wenn noch keine systemische Schuldenkrise vorliegt, bleibt die Verschuldungssituation in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern zukünftig weiterhin angespannt. Hier arbeitet die G20 weiter an der Verbesserung der internationalen Schuldenarchitektur und der Implementierung des gemeinsamen Rahmenwerks der G20 für Schuldenbehandlungen. Fortschritte wie die Unterzeichnung des Memorandum of Understanding für Sambia durch alle bilateralen staatlichen Gläubiger sowie die Einigung mit den privaten Anleihegläubigern auf eine Schuldenbehandlung sind hierfür wichtige Meilensteine.

Zur Klimafinanzierung tagte außerdem die Coalition of Finance Ministers for Climate Action mit inzwischen über 90 Mitgliedern aus Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern. Unter niederländischem und indischem Vorsitz tauschten sich die Finanzministerinnen und -minister über ihre Rolle beim Design, der Finanzierung und der Implementierung der nationalen Klimaziele aus, die jedes Mitgliedsland bis zur Weltklimakonferenz COP 30 in Brasilien im Jahr 2025 festlegen soll. Deutschland wies in den Diskussionen insbesondere auf die Bedeutung der CO₂-Bepreisung und des Emissionshandels hin.

CO₂-Bepreisung – zentrale Maßnahme gegen den Klimawandel

Die CO₂-Bepreisung über den europäischen Emissionshandel ist das Herzstück der europäischen Maßnahmen gegen den Klimawandel. Der Emissionshandel besteht seit 2005 und betrifft die Energiewirtschaft, energieintensive Industrien, den innereuropäischen Luftverkehr und den Seeverkehr (bei Letzterem schrittweise Umsetzung bis 2026). Teilnehmende Unternehmen müssen für die von ihnen verursachten Emissionen entsprechende Zertifikate einreichen und können diese untereinander handeln. Dabei nimmt die Gesamtzahl der neu zur Verfügung gestellten Zertifikate entsprechend den internationalen Klimaschutzverpflichtungen der Europäischen Union Jahr für Jahr ab.

Der Emissionshandel stellt also ein marktwirtschaftliches Instrument dar, das Treibhausgasen einen expliziten, marktbasierten Preis gibt. Im Ergebnis führt der Emissionshandel dazu, dass Emissionsreduktionen ökonomisch effizient dort durchgeführt werden, wo es am kostengünstigsten ist. Gleichzeitig werden Anreize für Investitionen in emissionsarme Technologien gesetzt: Wenn ein Unternehmen seine Treibhausgasemissionen reduziert, muss es in der Folge entsprechend weniger Emissionsrechte kaufen.

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Ein Zeichen gegen Finanzkriminalität

Alle zwei Jahre treffen sich die Finanzministerinnen und -minister der 40 Mitgliedsländer der Financial Action Task Force (FATF) am Rande der Frühjahrstagung, um ihre strategischen Prioritäten für die nächsten zwei Jahre (2024 bis 2026) festzulegen. Ziel des diesjährigen Treffens war es, die effektive Durchsetzung der internationalen Standards im Bereich der Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismus- und Proliferationsfinanzierung und der entsprechenden nationalen Regelwerke weltweit voranzutreiben und zu verbessern. Das betrifft insbesondere die Bereiche

  1. Transparenz von wirtschaftlich Berechtigten (Beneficial Ownership), wobei unter deutscher FATF-Präsidentschaft in den Jahren 2020 bis 2022 große Fortschritte erreicht wurden, und
  2. die Vermögensabschöpfung illegaler Gewinne aus Geldwäsche und ihren Vortaten (Asset Recovery).