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BMF-Monatsbericht Juni 2024

Inhalt

Finanzpolitischer Höhepunkt der italienischen G7-Präsidentschaft

20.06.2024
  • Das Treffen der G7-Finanzministerinnen und -minister und -Notenbankgouverneurinnen und ‑gouverneure vom 23. bis 25. Mai 2024 in Stresa war das wichtigste Treffen der italienischen G7-Präsidentschaft im sogenannten Finance Track. Es diente auch der Vorbereitung des G7-Gipfels der Staats- und Regierungschefs, der zwischen dem 13. und 15. Juni 2024 in Apulien stattfand.
  • Die G7 hat bei dem Treffen einmal mehr ihre ungebrochene Unterstützung für die Ukraine deutlich gemacht. Die persönliche Anwesenheit des ukrainischen Finanzministers Sergii Marchenko hat diesem Bekenntnis besonderen Ausdruck verliehen.
  • Medial stand der Einfluss geopolitischer Krisen auf die Weltwirtschaft im Fokus. Zudem diskutierten die G7-Ministerinnen und -Minister und Notenbankgouverneurinnen und -gouverneure intensiv aktuelle Herausforderungen der internationalen Finanzarchitektur und der Entwicklungsfinanzierung.
  • Neben der G7 hat die italienische G7-Präsidentschaft eine Reihe von Partnerländern nach Stresa eingeladen. Das unterstreicht den inklusiven Charakter der G7 sowie das Bestreben, globale Spannungen und Krisen kollektiv zu adressieren.

Einleitung

Zwischen dem 23. und 25. Mai 2024 fand in Stresa am Lago Maggiore das Treffen der G7-Finanzministerinnen und -minister und -Notenbankgouverneurinnen und -gouverneure (FMNBG) statt. Für Deutschland nahmen Bundesfinanzminister Christian Lindner und Bundesbankpräsident Dr. Joachim Nagel teil.

Das Treffen war durch intensive Beratungen in insgesamt elf Sitzungen zu verschiedenen Themenbereichen gekennzeichnet. Dabei wurden schwerpunktmäßig die finanzielle Unterstützung der Ukraine und weitere Reaktionen auf den russischen Angriffskrieg, die Lage der Weltwirtschaft, auch vor dem Hintergrund geopolitischer Krisen und Spannungen, die volkswirtschaftlichen Auswirkungen Künstlicher Intelligenz (KI) und der Themenbereich Entwicklungs- und Klimafinanzierung mit einem Fokus auf die Zusammenarbeit mit afrikanischen Partnern diskutiert.

Wie üblich nahmen neben der G7 sowie der Europäischen Kommission und der Eurogruppe auch die Spitzen des Internationalen Währungsfonds (IWF), der Weltbankgruppe, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und des Financial Stability Board (FSB) an dem Treffen in Stresa teil und bereicherten die Diskussion durch ihre besondere Expertise. Der Teilnehmerkreis wurde zudem für globale Themen durch mehrere Partner der G7 ergänzt. Dazu gehörten in diesem Jahr Brasilien, Korea, Saudi-Arabien und Spanien sowie die Afrikanische Union (repräsentiert durch Mauretanien als aktuellen Vorsitz), welche sich seit vergangenen Jahr zu der G20 zählen kann. Zudem war der ukrainische Finanzminister Sergii Marchenko in diesem Jahr, anders als beim letztjährigen Treffen in Japan, persönlich anwesend.

Der G7 Finance Track

In der Gruppe der Sieben, kurz G7, kommen Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, die USA und das Vereinigte Königreich sowie die Europäische Union (EU) zusammen, um sich über zentrale internationale Anliegen auszutauschen. Die Staaten der G7 zählen nicht nur zu den führenden Wirtschaftsnationen, sondern bilden auch eine Wertegemeinschaft.
Die Präsidentschaft rotiert jedes Jahr. Im sogenannten Finance Track der G7 tauschen sich Finanzministerien und Zentralbanken zur internationalen Wirtschafts- und Finanzpolitik aus. Dabei werden sowohl tagesaktuelle Themen als auch längerfristige Herausforderungen besprochen. Die G7-Finanzministerinnen und -Finanzminister und ‑Notenbankgouverneurinnen und -gouverneure treffen sich während jeder Präsidentschaft mehrfach am Rande anderer internationaler Sitzungen, wie G20-Treffen oder der Tagungen von IWF und Weltbank. Einmal im Jahr findet ein längeres Haupttreffen im Land der Präsidentschaft statt.

Abbildung: Mitglieder der G7 (mehr in der Langbeschreibung) BildVergroessern
Quelle:  Bundeministerium der Finanzen

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Die Unterstützung der Ukraine bleibt Priorität

In Stresa haben die G7-FMNBG erneut unmissverständlich klargestellt, dass sie die Ukraine angesichts des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands so lange wie nötig unterstützen werden. Das hat Bundesfinanzminister Christian Lindner ebenfalls in einem bilateralen Gespräch mit seinem ukrainischen Amtskollegen Sergii Marchenko bekräftigt. Der russische Angriffskrieg bleibt ein Angriff auf die Werte, welche die G7 verbinden. Deutschland unterstützt die Ukraine finanziell derzeit vor allem im Rahmen der Hilfen der EU. In Bezug auf die Ukrainehilfen hat es zuletzt positive Nachrichten gegeben. Neben den umfassenden EU-Hilfen wurde eine großvolumige Unterstützung durch den Kongress der USA freigegeben, womit der Finanzierungsbedarf der Ukraine im laufenden Jahr voraussichtlich gedeckt ist.

Thema des Treffens war auch die Frage, inwieweit Erträge aus sanktionierten Vermögenswerten der russischen Zentralbank, die bei in G7-Staaten ansässigen Zentralverwahrern anfallen und diesen zustehen, zur Unterstützung der Ukraine genutzt werden können. Diese Fragen hatten auch medial viel Aufmerksamkeit erhalten. Hierzu wurden in Stresa wichtige vorbereitende Gespräche für den knapp drei Wochen später stattfindenden G7-Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Apulien geführt. Entscheidend für Deutschland und die gesamte G7 ist dabei, dass eine Nutzung dieser Erträge zugunsten der Ukraine im Einklang mit internationalem und dem jeweiligen nationalen Recht aller betroffenen G7-Staaten erfolgt.

Das „Familienfoto“ vom G7-Treffen BildVergroessern
Quelle:  Bundesministerium der Finanzen/photothek

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Geopolitische Krisen machten auch nicht vor Stresa Halt

Auch auf die Lage der Weltwirtschaft wirkt sich der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine weiter negativ aus. Der Krieg erhöht die ökonomische Unsicherheit, schwächt den internationalen Handel und beeinträchtigt durch die russische Zerstörung landwirtschaftlicher Anbauflächen, Betriebe und Exportinfrastruktur bei einem der weltweit wichtigsten Nahrungsmittelexporteure weiter die Ernährungssicherheit, insbesondere für die ärmsten Staaten. Er untergräbt auch weiter die Handlungsfähigkeit multilateraler Gremien und Organisationen, um in wichtigen Fragen gemeinsame Lösungen zu finden.

Zwar rechnet der IWF für die Jahre 2024 und 2025 mit einem robusten globalen Wachstum von 3,2 Prozent. Dieses befindet sich allerdings deutlich unter dem Durchschnitt der vergangenen Jahrzehnte von 3,8 Prozent und ist weiterhin erhöhten Risiken ausgesetzt, welche die G7 in Stresa erörtert haben. Neben geopolitischen Spannungen und Konflikten sind hierbei auch die weltweit vielfach erhöhten Schuldenstände sowie wachsende Kosten durch den Klimawandel zu nennen. In diesem Zusammenhang berieten die G7 in Stresa u. a. politische Leitlinien zu finanzpolitischen Aspekten der Dekarbonisierung sowie zur stärkeren Versicherungsabdeckung gegen Folgen von Naturkatastrophen, wie beispielsweise Hochwasserschäden. Die maßgeblich durch den Energiepreisschock infolge des russischen Angriffskriegs gestiegene Inflation zeigt sich nunmehr in den meisten Ländern deutlich rückläufig, wenn auch vielfach noch über den Zentralbank-Zielmarken.

Um der schwachen Wachstumstendenz entgegenzuwirken, brauche es eine globale Wachstumsagenda mit ambitionierten Strukturreformen, so die G7-FMNBG in ihrem abschließenden Kommuniqué. Darin bekennen die G7 sich nach der erfolgreichen makroökonomischen Krisenbekämpfung der vergangenen Jahre zudem zu einer stabilitäts- und investitionsorientierten Finanzpolitik. Gleichermaßen entscheidend für globales Wachstum seien darüber hinaus Fortschritte in den Bereichen Wirtschaftssicherheit, Resilienz des internationalen Handelssystems und beim grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr. Deutschland setzt sich dabei dafür ein, ein offenes und regelbasiertes internationales Handelssystem – auch in dem aktuell schwierigen Kontext – zu stärken. Bundesfinanzminister Christian Lindner betonte, dass ein Handelskrieg nur Verlierer kenne. Die Wahrung eines regelbasierten, multilateralen Systems sei nicht nur im Interesse von Exportnationen wie Deutschland, vielmehr profitiere die ganze Welt davon. Eine Verschärfung von Protektionismus würde dem globalen Wohlstand entgegenlaufen. In diesem Kontext sollten Verstöße gegen die Grundsätze regelbasierten Freihandels, etwa bei unlauteren Subventionen, gezielt und regelkonform adressiert werden. Auch hierzu wollen die G7 künftig noch enger zusammenarbeiten.

Das G7-Finance-Track-Kommuniqué

Im Kreis der G7 ist es bei wichtigen Treffen üblich, ein sogenanntes Kommuniqué (d. h. eine gemeinsame öffentliche Erklärung) zu veröffentlichen.1 Darin positionieren sich die G7-FMNBG zu den Themen, die für den G7 Finance Track von tagesaktuellem oder längerfristigem Interesse sind. Den ersten Vorschlag für ein solches Dokument macht die jeweilige G7-Präsidentschaft (aktuell Italien). In mehreren Verhandlungsrunden werden dann die Positionen der übrigen sechs Staaten, der Europäischen Kommission und der Europäischen Zentralbank eingeholt, bewertet und eingearbeitet, bis schlussendlich ein zwischen allen Parteien konsentiertes Abschlussdokument entsteht.

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Enge Zusammenarbeit mit Partnerstaaten zu globalen Herausforderungen wie KI und grenzüberschreitendem Zahlungsverkehr

Wie schon unter der deutschen und japanischen G7-Präsidentschaft erhält der afrikanische Kontinent auch im Jahr des italienischen G7-Vorsitzes viel Aufmerksamkeit. Die afrikanischen Staaten sind wichtige Partner der G7. Deutschland war ein starker Unterstützer der Aufnahme der Afrikanischen Union in die G20 im vergangenen Jahr. Mit Einführung des G20 Compact with Africa während seiner G20-Präsidentschaft 2017 hat Deutschland zudem den Anstoß für eine intensivere Zusammenarbeit der G20 mit dem afrikanischen Kontinent gegeben. Klar ist aber auch, dass die Diskussion über die Zukunft des afrikanischen Kontinents nicht nur zwischen den G7 und den afrikanischen Staaten geführt werden kann. Nach Stresa wurden daher neben Mauretanien in der Rolle des Vorsitzlandes der Afrikanischen Union auch Brasilien, Korea, Saudi-Arabien und Spanien eingeladen, um diesen Kreis zu erweitern.

Die Partnerländer haben darüber hinaus an Sitzungen zu den Themen KI und grenzüberschreitendem Zahlungsverkehr teilgenommen. Dabei wurde diskutiert, welche volkswirtschaftlichen Auswirkungen der fortschreitende Einsatz von KI haben kann, insbesondere vor dem Hintergrund einer anhaltenden Wachstumsschwäche der Weltwirtschaft. Aufgrund der Tatsache, dass der Einsatz von KI auch Einfluss auf Sicherheitspolitik, ökonomische und technologische Machtkonzentration und Geoökonomie hat, haben sich die G7 darauf verständigt, die Diskussionen zu diesem Thema weiter zu verstetigen und zu vertiefen. Anknüpfend an den transformativen Charakter technologischer Entwicklungen und dessen Fragmentierungspotenzial für die Weltwirtschaft wurden in Stresa auch die infrastrukturellen Herausforderungen für die Handelsbeziehungen im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr behandelt. Dabei hat die G7 erwogen, inwieweit der grenzüberschreitende Zahlungsverkehr unter Achtung international anerkannter Standards effizienter gestaltet werden kann. Besonders betonte sie dabei die wichtige Arbeit des FSB, das mit seiner Standardsetzung einen wichtigen Beitrag zur Regulierung von Nichtbanken und damit zur Finanzstabilität leistet.

Warum werden Partnerländer eingeladen?

Bei den Treffen der Staats- und Regierungschefinnen und -chefs ist es durchaus üblich, dass Partnerländer eingeladen werden. Dabei handelt es sich häufig um die sogenannte G20-Troika, also die Staaten der vorherigen, aktuellen und zukünftigen G20-Präsidentschaft, die jeweils vorsitzenden Staaten regionaler Organisationen oder Staaten, die aus aktuellem Anlass von den Diskussionen innerhalb der G7 betroffen sind. Dieses Vorgehen hat seit der japanischen G7-Präsidentschaft 2023 auch Einzug in die Treffen auf Ministerebene und somit in den Finance Track gehalten. Es ist Zeichen der Inklusivität der G7 und resultiert aus dem Selbstverständnis, dass die Herausforderungen unserer Zeit nur gemeinsam bewältigt werden können.

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Fazit

Die G7 bleibt auch aus finanzpolitischer Sicht ein entscheidendes Forum zur Abstimmung mit engen Wertepartnern. Im Jahr der italienischen Präsidentschaft und mehr als zwei Jahre nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine koordiniert sich die G7 weiter eng zu der damit verbundenen Auswirkung auf die Weltwirtschaft sowie der fortdauernden Unterstützung der Ukraine. In Stresa hat die G7 mit einem umfangreichen Kommuniqué ihre Geschlossenheit signalisiert und einen wichtigen Beitrag als Vorbereitung des G7-Gipfels geleistet, welcher zwischen dem 13. und 15. Juni 2024 in Apulien stattfand und Höhepunkt der italienischen G7-Präsidentschaft war. Zudem hat die G7 mit den eingeladenen Partnerländern auch ihre Offenheit gegenüber Entwicklungs- und Schwellenländern unterstrichen. Denn: Globale Herausforderungen wie der Kampf gegen den Klimawandel oder die Erreichung der Entwicklungsziele lassen sich nur als Ganzes bewältigen. Etwa ein halbes Jahr nach dem Gipfel in Apulien wird die G7-Präsidentschaft für das Jahr 2025 an Kanada übergehen.

Fußnoten

1
Stresa Kommuniqué unter: https://www.g7italy.it/en/documents/