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BMF-Monatsbericht Juli 2024

Inhalt

Wasserstoff – schleppender Hochlauf, großer Handlungsbedarf

23.07.2024

Prof. Dr. Veronika Grimm ist seit April 2020 Mitglied des Sachverständigenrats Wirtschaft. Sie ist Professorin an der Technischen Universität Nürnberg (UTN) und Leiterin des Energy Systems and Market Design Lab. Von 2008 bis 2024 war sie Professorin für Volkswirtschaftslehre und Inhaberin des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschaftstheorie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU).

Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Energiemärkte und Energiemarktmodellierung, Verhaltensökonomie, soziale Netzwerke sowie Auktionen und Marktdesign.

Prof. Dr. Veronika Grimm ist in zahlreichen Gremien und Beiräten aktiv, u. a. im Nationalen Wasserstoffrat der Bundesregierung und in der Expertenkommission zum Energiewende-Monitoring beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK).

Der Gastbeitrag von Prof. Dr. Veronika Grimm für diesen Monatsbericht ist als Blick von außen und als Beitrag zum allgemeinen Diskurs zu verstehen; er gibt nicht notwendigerweise die Meinung des BMF wieder.

Porträtfoto von Veronika Grimm BildVergroessern
Prof. Dr. Veronika Grimm Quelle:Sachverständigenrat Wirtschaft

Einleitung

Die anhaltende Wachstumsschwäche in Deutschland schürt immer wieder Besorgnis über die potenzielle Abwanderung von Industrieunternehmen. Doch nicht die aktuelle Konjunktur ist die größte Bedrohung für die industrielle Basis. Vielmehr sind es mittel- und langfristige Herausforderungen, die bislang oft unzureichend adressiert werden. Ein besonders wichtiges Handlungsfeld in diesem Zusammenhang ist der Hochlauf klimaneutraler Energieträger auf Basis von Wasserstoff. Deren Verfügbarkeit in großen Mengen ist für die Transformation der deutschen Industrie unerlässlich, bisher aber nicht absehbar. Darauf haben zuletzt sowohl der Nationale Wasserstoffrat1 als auch die Expertenkommission zum Energiewende-Monitoring2 hingewiesen. Die Bundesregierung hat eine Importstrategie für Wasserstoff und Wasserstoffderivate beschlossen, die als Bestandteil der Nationalen Wasserstoffstrategie3 wesentliche Herausforderungen hinsichtlich der notwendigen Wasserstoffimporte adressiert.4 Der vorliegende Beitrag zeigt den dringenden Handlungsbedarf auf und diskutiert einige Handlungsoptionen.

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Wasserstoffbedarfe werden oft unterschätzt

Klimaneutralität in Europa gegen Mitte des Jahrhunderts erfordert die Ablösung fossiler Energieträger durch die direkte oder indirekte Nutzung regenerativ erzeugten Stroms in den Sektoren Wärme und Mobilität sowie der Industrie. Die direkte Elektrifizierung und der indirekte Weg über Wasserstoff sind dabei komplementär. Die Elektrifizierung muss in allen Sektoren ambitioniert vorangetrieben werden. In einem integrierten Energiesystem wird die indirekte Sektorenkopplung über Wasserstoff und wasserstoffbasierte Energieträger die Elektrifizierung optimal ergänzen.

Wasserstoff und wasserstoffbasierte Energieträger werden vorwiegend dort zum Einsatz kommen, wo eine direkte Elektrifizierung technisch nicht möglich oder wirtschaftlich nicht sinnvoll ist. In der Industrie wird Wasserstoff sowohl energetisch als auch in der stofflichen Nutzung zum Einsatz kommen.5 In der Mobilität ist es bei hoher Antriebsleistung und Fahrstrecke – wie etwa im Schwerlastverkehr – vorteilhaft, wasserstoffbasierte Antriebe einzusetzen, ebenso wie im Schiffs- und Flugverkehr. In der Stromerzeugung wird der Wasserstoffbedarf ansteigen, um Gaskraftwerke mittelfristig klimaneutral betreiben zu können.6

In welchen Sektoren Wasserstoff in welchem Umfang zum Einsatz kommen wird, ist heute offen. Prognosen sehen den Wasserstoff- und Derivatebedarf für ein klimaneutrales Energiesystem in Deutschland zwischen etwa 500 TWh und 1.288 TWh pro Jahr7 8, was bei einer elektrolytischen Erzeugung in etwa einem Strombedarf von 770 TWh bis 1.980 TWh gleichkommt. Zum Vergleich: Die deutsche Stromerzeugung lag im Jahr 2022 bei weniger als 500 TWh, davon die Hälfte erneuerbar. Die aktuelle Importstrategie für Wasserstoff und Wasserstoffderivate der Bundesregierung geht im Einklang mit den mittleren Nachfrageszenarien für das Jahr 2045 von einem Wasserstoffbedarf von etwa 360 TWh bis 500 TWh sowie einem Bedarf von etwa 200 TWh für Wasserstoffderivate aus.9 Für das Jahr 2030 geht eine Abschätzung des Nationalen Wasserstoffrats von einem Wasserstoffbedarf von 94 TWh bis 125 TWh aus (inklusive der etwa 55 TWh grauen Wasserstoffs, der zurzeit in Deutschland produziert wird), was mit den in der Nationalen Wasserstoffstrategie sowie der Importstrategie für Wasserstoff und Wasserstoffderivate der Bundesregierung formulierten Zielen übereinstimmt.10

Abbildung: Stromerzeugung in Deutschland und Strombedarf (einheimisch oder international) zur Deckung des für Deutschland prognostizierten Bedarfs an grünem Wasserstoff für ein mittleres Szenario BildVergroessern
Abbildung 1 Quelle:EEM (2024)

Dabei stellt schon die Bereitstellung der mindestens notwendigen Mengen eine Herausforderung dar. Die Bundesregierung strebt derzeit die Installation von 10 Gigawatt Elektrolysekapazitäten bis zum Jahr 2030 an, womit sich bei geplanter Auslastung der Anlagen etwa 26 TWh (bei höherer Auslastung bis zu 35 TWh) Wasserstoff produzieren lassen. Das impliziert, dass ein signifikanter Teil des Wasserstoffbedarfs durch Importe gedeckt werden muss.11

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Wasserstoffimporte anstoßen und früh diversifizieren

Der Import großer Wasserstoffmengen ist per Pipeline oder auf dem Seeweg möglich. Pipelines erlauben den Transport gasförmigen Wasserstoffs vergleichsweise kostengünstig, insbesondere dort, wo auf bestehende Gas-Infrastrukturen aufgebaut werden kann. Potenzielle Korridore nach Deutschland mit sehr unterschiedlichen Realisierungswahrscheinlichkeiten und -zeiten könnten Norwegen, Italien und Nordafrika, Frankreich und Spanien sowie osteuropäische Länder anbinden.12

Der Import über den Seeweg ermöglicht Partnerschaften mit zahlreichen Ländern weltweit, die über exzellente Bedingungen für die Produktion grünen Wasserstoffs verfügen (Abbildung 2a). Auf dem Seeweg kann Wasserstoff – wie heute Liquified Natural Gas (LNG) oder Erdöl – per Schiff aus Regionen weltweit importiert werden. Allerdings muss der Wasserstoff für den Schiffstransport in einen geeigneten flüssigen Energieträger umgewandelt werden. Dafür werden mehrere Optionen diskutiert, die auf verschiedenen Zeitschienen verfügbar sein werden – etwa die Verflüssigung des Wasserstoffs zu Liquid H2 (LH2) oder auch die Nutzung von Ammoniak, Methanol oder Liquid Organic Hydrogen Carriers (LOHC) als Energieträger.13 14 Ammoniak wird schon heute weltweit gehandelt und transportiert (ein Überblick findet sich in Egerer et al., 2023), ebenso wie Methanol. LH2 und LOHC könnten mittelfristig an Bedeutung gewinnen.15 Der optimale Transportpfad hängt nicht zuletzt von der geplanten Verwendung des Wasserstoffs ab. Während einige Anwendungen reinen Wasserstoff benötigen (etwa die Stahlerzeugung), ist bei anderen Anwendungen (wie z. B. für die Düngemittelproduktion oder die Chemie) zu erwarten, dass Importe von Wasserstoffderivaten wie Ammoniak oder Methanol die heimische Produktion ablösen werden.16

Abbildung: Kooperationspotenzial und -kriterien für den Wasserstoffhandel weltweit – Importnotwendigkeit und Exportpotenzial für kostengünstigen grünen Wasserstoff BildVergroessern
Abbildung 2a
Abbildung: Kooperationspotenzial und -kriterien für den Wasserstoffhandel weltweit – Regierungseffektivität und politische Freiheit BildVergroessern
Abbildung 2b

Eine Importstrategie Deutschlands oder – besser noch – der Europäischen Union (EU) sollte einen schnellen Hochlauf der Importe anstoßen und dabei gleichzeitig für Diversifizierung der Lieferbeziehungen sorgen. Denn wenn Abhängigkeiten erst einmal bestehen, ist es erfahrungsgemäß schwieriger, sie wieder abzubauen. Geht man nur nach dem Preis, so besteht die Gefahr, dass – wie seinerzeit beim Erdgas – Energieabhängigkeiten von Autokratien entstehen. Diese Handlungsbedarfe kommen auch in der jüngst beschlossenen Importstrategie für Wasserstoff und Wasserstoffderivate zum Ausdruck.

Eine günstige Ausgangsposition als zukünftige Wasserstofflieferanten haben insbesondere Staaten, die heute fossile Energieträger exportieren und aus den Erlösen bereits umfangreich in den Aufbau einer nachhaltigen Wasserstoffproduktion investieren, etwa die Staaten der MENA-Region (Middle East and North Africa), Norwegen oder Kanada. Bei der Auswahl der Partner sollte die EU andere Demokratien in den Blick nehmen, aber etwa auch Staaten, die eine hohe Regierungseffektivität aufweisen (s. a. Abbildung 2b). In den vergangenen Jahren wurden in diesem Sinne bereits Gespräche oder Kooperationen etwa mit Australien, Island, Kanada, Chile, Norwegen, den Staaten der MENA-Region oder Namibia aufgenommen.

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Bei Energieimporten Klima-, Handels- und Sicherheitspolitik zusammen denken

Auch die Energiesicherheit muss bedacht werden. Der Pipelinetransport ist zwar oft günstiger als der Schiffstransport, Pipelineinfrastrukturen sind jedoch anfälliger für Anschläge. Insbesondere bei Pipelinetransport durch politisch instabile Regionen sollte daher sorgfältig abgewogen werden. Die Resilienz des Schiffstransports hat sich zuletzt in der Energiekrise 2022/23 gezeigt, als LNG-Importe dazu beitragen konnten, die russischen Gaslieferungen zu ersetzen.

Über die Diversifizierung der Lieferbeziehungen hinaus sollte der Wasserstoffimport mit anderen Themen zusammen gedacht werden, wie etwa der Diversifizierung von Bezugsquellen für kritische Rohstoffe, der Entwicklungspolitik oder mit der Vertiefung von Handelsbeziehungen.17 18 19 Die zunehmende Bedeutung globaler öffentlicher Güter macht es trotz der aktuellen geopolitischen Veränderungen immer wichtiger, internationale Kooperationen zu stärken. So kann der Einstieg in Wasserstoffpartnerschaften auch mit dem Ausstieg aus fossilen Energieträgern in Schwellen- und Entwicklungsländern verknüpft werden und dort Zukunftschancen eröffnen.20 Entwicklungs- und Schwellenländer könnten im Zuge von Wasserstoffkooperationen ihre eigene Versorgung mit grüner Energie oder auch Süßwasser verbessern, indem Erneuerbare-Energien-Anlagen (EE-Anlagen) oder Entsalzungsanlagen größer dimensioniert werden. Wasserstoffpartnerschaften vonseiten der EU sollten so angelegt sein, dass sie diese Chancen eröffnen. So kann verhindert werden, dass Entwicklungs- und Schwellenländer letztendlich erneuerbare Energie exportieren, aber selbst von fossilen Energieträgern abhängig bleiben.

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Schneller Wasserstoffhochlauf begrenzt Abwanderung industrieller Wertschöpfung

Kaum eine Frage wird in Deutschland so lebhaft diskutiert wie die Gefahr der Abwanderung industrieller Wertschöpfung. Meist werden in diesem Zusammenhang vor allem die Strompreise thematisiert. Für energieintensive Branchen, etwa Stahlproduzenten oder Teile der Chemieindustrie, weist allerdings die Umstellung der Produktion mithilfe von klimaneutralem Wasserstoff und seinen Derivaten meist den einzigen Weg zur Klimaneutralität.

Berechnungen für die Jahre 2035 bis 2045 zeigen, dass die klimaneutrale Produktion hochwertiger Chemikalien auf der Basis von grünem Wasserstoff in Deutschland etwa 20 Prozent teurer sein dürfte als an Standorten mit exzellenten Bedingungen für erneuerbare Energien (vergleiche Abbildung 3).21 Zentrale Wertschöpfungsketten der chemischen Industrie dürften sich daher kaum vollständig in Europa halten lassen. Eine Aufschlüsselung der Wertschöpfungsstufen ergibt allerdings, dass insbesondere die Herstellung von Wasserstoffderivaten am Anfang der Wertschöpfungsketten, wie Methanol oder Ammoniak, den Kostenunterschied verursacht – aufgrund von vergleichsweise hohen Strompreisen in Deutschland (vergleiche „Zwischenprodukt-Import“ in Abbildung 3). Bei Import großer Mengen dieser klimaneutralen Energieträger könnten komplexe und in hohem Maße integrierte Wertschöpfungsketten der chemischen Industrie möglicherweise in größerem Umfang in Europa gehalten werden.

Abbildung: Gestehungskosten von High Value Chemicals nach Standort der einzelnen Prozessschritte BildVergroessern
Abbildung 3

Die von der Industrie benötigten Mengen gehen, wie in Abschnitt 2 dargestellt, jedoch weit über die aktuell erwartbaren Mengen hinaus. Dies dürfte unmittelbar Auswirkungen auf Investitionsentscheidungen haben. Ohne Verfügbarkeit der klimaneutralen Grundstoffe, z. B. Methanol, werden die Unternehmen die in der EU geforderte Emissionsreduktion nicht leisten können. Folglich wäre zu erwarten, dass sie neue Produktionsstätten außerhalb der EU errichten, wo zugleich die Regulatorik weniger restriktiv ist. Schon heute sind Verlagerungen etwa nach China oder Saudi-Arabien zu beobachten oder werden zumindest erwogen.

Die Folge einer Industrieverlagerung: Deutschland und Europa kommen nur scheinbar ihren Klimazielen näher. Der CO₂-Fußabdruck der Produktion sinkt zwar durch die Abwanderung der energieintensiven Produktion. Der CO₂-Fußabdruck des Konsums dürfte jedoch steigen, da als Folge der Abwanderung von Produktion in größerem Umfang Güter mit hohem CO₂-Fußabdruck in die EU importiert werden würden. Die Chance, den CO₂-Fußabdruck der Importe zu kontrollieren, ist gering. Für diese Zwischen- und Endprodukte dürfte der Carbon Border Adjustment Mechanism der EU noch lange – wenn nicht für immer – wirkungslos bleiben. Neben dem Problem des Carbon Leakage würde eine schrittweise Verlagerung der gesamten Wertschöpfungsketten, inklusive der Spezialchemie, mit weiteren Herausforderungen einhergehen. So würden Kuppelprodukte der chemischen Industrie nicht mehr zur Verfügung stehen, die etwa heute in der Abwasserreinigung zum Einsatz kommen. Zudem könnte Produktion abwandern, die aus strategischen Gründen, etwa für die Produktion von Militärgütern, von Bedeutung ist.

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Handlungsoptionen

Die drohende Verlagerung der komplexen industriellen Wertschöpfungsketten könnte durch vorausschauendes Handeln verhindert werden. Zum einen sollten die Importe von klimafreundlichem Wasserstoff und Wasserstoffderivaten deutlich schneller skaliert werden, so wie es jetzt auch in der Importstrategie der Bundesregierung angelegt ist.22 Zum anderen sollte bei Anwendungen, denen keine Verlagerung ins Ausland droht, auf der Zeitschiene flexibel auf klimaneutralen Wasserstoff umgestellt werden. Dies ist insbesondere im Stromsektor möglich: Bis zum Erreichen der Klimaneutralität sollen etwa die Gaskraftwerke auf den Betrieb mit klimafreundlichem Wasserstoff umgestellt werden. Hier werden langfristig etwa 200 TWh Wasserstoff jährlich benötigt. Es gibt daher kein Risiko, den Hochlauf zu ambitioniert anzukurbeln: Schaffen wir es, große Mengen an Wasserstoff und Derivaten zu importieren, so können neben der Industrie und der Mobilität auch frühzeitig diese Kraftwerke versorgt werden, etwa durch Beimischung ins Gasnetz. Stockt der Hochlauf, so halten wir uns bei den Kraftwerken noch zurück, um ausreichende Mengen für die Industrie vorzuhalten. Ein solches Vorgehen könnte der energieintensiven Industrie mehr Sicherheit bezüglich der Verfügbarkeit von Wasserstoff bieten und Investitionen in klimaneutrale Produktionsstätten in Europa auslösen. Für die Dekarbonisierung der Stromversorgung macht es im Übergang keinen entscheidenden Unterschied, ob 20 Prozent der Gaskraftwerke mit klimaneutralem Wasserstoff betrieben werden oder ob dem Gasnetz ein entsprechender Anteil klimafreundlichen Wasserstoffs beigemischt wird.

Die jüngst beschlossene Importstrategie für Wasserstoff und Wasserstoffderivate der Bundesregierung beschreibt eindrucksvoll die notwendige Skalierung der Importe sowie die entscheidenden Handlungsfelder. Sie führt zahlreiche Instrumente auf, die in ihrem Zusammenspiel die mit dem Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft verbundenen Henne-Ei-Probleme lösen sollen. Es wird – neben dem Aufbau von Transportinfrastrukturen – insbesondere darauf ankommen, große Mengen an Wasserstoff und Derivaten global auszuschreiben, im Verbund mehrerer europäischer Staaten oder idealerweise seitens der EU. Geeignete Ausschreibungsverfahren sollten dabei für eine Diversifizierung der Importe sorgen. Wettbewerbliche Ausschreibungen homogener Güter – wie Methanol, Ammoniak oder Naphta – können zudem verhindern, dass aufgrund unterschiedlicher Interessen der potenziellen Handelspartner letztendlich eine Vielfalt an unterschiedlichen Produkten auf unterschiedlichsten Wertschöpfungsstufen importiert werden. Die europäischen Staaten und insbesondere Deutschland müssen sich darauf einstellen, dass viele Länder mit großen Exportpotenzial sich nicht damit zufriedengeben wollen, Produkte der unteren Wertschöpfungsstufen zu exportieren. Allerdings dürfte nur bei diesen Importen der CO₂-Fußabdruck verlässlich im Rahmen des Carbon Border Adjustment Mechanism (CABM) der EU kontrollierbar sein.23 Statt eine Vielfalt an Förderinstrumenten zu etablieren, sollte der Fokus daher darauf liegen, möglichst schnell den Börsenhandel homogener Energieträger zu etablieren.24 Voraussetzung für den schnellen Hochlauf der Importe und des globalen Handels ist nicht zuletzt eine einheitliche Definition der zu handelnden Produkte. Statt die Zertifizierung wie bisher an der Farbenlehre und somit am Herstellungsverfahren des Wasserstoffs zu orientieren, dürfte eine Orientierung am CO₂-Fußabdruck zielführender sein, da dies die Anschlussfähigkeit an die Systematik in anderen Regionen der Welt erhöht.25

Fußnoten

1
NWR (2024a). Nationaler Wasserstoffrat: Wasserstoffhochlauf in Gefahr – Sofortmaßnahmen dringend erforderlich. Stellungnahme. Abrufbar unter: https://www.wasserstoffrat.de/fileadmin/wasserstoffrat/media/Dokumente/2024/2024-06-21_NWR-Stellungnahme_H2-Hochlauf_in_Gefahr.pdf [PDF, 132 KB]
2
EEM (2024). Expertenkommission zum Energiewende-Monitoring, Monitoringbericht 2024. Berlin –Bochum – Freiburg –Nürnberg, Juni 2024. Abrufbar unter: https://www.utn.de/files/2024/06/20240625_Monitoringbericht_Expertenkommission_Energie_der_Zukunft.pdf [PDF, 6,2 MB]
3
Bundesregierung (2023). Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie. Abrufbar unter: https://www.bmbf.de/SharedDocs/Downloads/de/2023/230726-fortschreibung-nws.pdf
4
Bundesregierung (2024). Importstrategie für Wasserstoff und Wasserstoffderivate.
5
Egerer, J., Farhang-Damghani, C., Grimm, V. und Runge, P. (2024). The Industry Transformation from Fossil Fuels to Hydrogen will reorganize Value Chains: Big Picture and Case Studies for Germany. Applied Energy Elsevier, Vol. 358(C). Abrufbar unter: https://doi.org/10.1016/j.apenergy.2023.122485
6
Siehe Fußnote 2, EEM (2024).
7
Siehe Fußnote 2, EEM (2024).
8
NWR (2024b) Nationaler Wasserstoffrat, Update 2024: Treibhausgaseinsparungen und der damit verbundene Wasserstoffbedarf in Deutschland. Grundlagenpapier. Abrufbar unter: https://www.wasserstoffrat.de/fileadmin/wasserstoffrat/media/Dokumente/2024/2024-05-03_NWR-Grundlagenpapier_Update_2024_Wasserstoffbedarfe.pdf [PDF, 264 KB]
9
Siehe Fußnote 3, Bundesregierung (2023) und Fußnote 4, Bundesregierung (2024).
10
Siehe Fußnote 8, NWR (2024b).
11
Siehe Fußnote 2; EEM (2024), Kapitel 4.4.
12
EHB (2024). European Hydrogen Backbone – EHB publishes five potential hydrogen supply corridors to meet Europe’s accelerated 2030 hydrogen goals. Abrufbar unter: https://ehb.eu/newsitems#ehb-publishes-five-potential-hydrogen-supply-corridors-to-meet-europe-s-accelerated-2030-hydrogen-goals
13
Egerer, J., Grimm, V., Niazmand, K. und Runge, P. (2023). The economics of global green ammonia trade – “Shipping Australian wind and sunshine to Germany” Applied Energy 334 (2023), p. 120661. Abrufbar unter: https://doi.org/10.1016/j.apenergy.2023.120662
14
Runge, P., Sölch, C., Albert, J., Wasserscheid, P., Zöttl, G. und Grimm, V. (2023). „Economic comparison of electric fuels for heavy duty mobility produced at excellent global sites – a 2035 scenario.” Applied Energy 337 (121379). Abrufbar unter: https://doi.org/10.1016/j.apenergy.2023.121379
15
Siehe Fußnote 14, Runge et al. (2023); siehe Fußnote 3, Egerer et al. (2023).
16
Siehe Fußnote 5, Egerer et al. (2024).
17
SVR (2022), Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: Energiekrise solidarisch bewältigen, neue Realität gestalten, Jahresgutachten 2022/23, Wiesbaden, Kapitel 7. Abrufbar unter: https://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/fileadmin/dateiablage/gutachten/jg202223/JG202223_Kapitel_7.pdf [PDF, 1,1 MB]
18
Grimm, V. und von Rüden, C. Es ist Zeit, sich aus wirtschaftlichen Abhängigkeiten zu lösen. Perspektiven der Wirtschaftspolitik, Vol. 23, No. 4, 2022, S. 244–248. Abrufbar unter: https://doi.org/10.1515/pwp-2022-0046
19
Siehe Fußnote 4, Bundesregierung (2024).
20
NWR (2021b). Nationaler Wasserstoffrat: Nachhaltigkeitskriterien für Importprojekte von erneuerbarem Wasserstoff und PTX-Produkten. Positionspapier. Abrufbar unter: https://www.wasserstoffrat.de/fileadmin/wasserstoffrat/media/Dokumente/2021-10-29_NWR-Stellungnahme_Nachhaltigkeitskriterien.pdf [PDF, 182 KB]
21
Siehe Fußnote 5: Egerer et al. (2024). Ähnliche Ergebnisse finden sich bei Frontier Economics Ltd. und Institut der deutschen Wirtschaft (IW) (2018): Synthetische Energieträger – Perspektiven für die deutsche Wirtschaft und den internationalen Handel – Eine Untersuchung der Marktpotentiale, Investitions- und Beschäftigungseffekte. 24. September 2018.
22
Siehe Fußnote 4, Bundesregierung (2024).
23
Die schützende Wirkung des CABM auf diesen Wertschöpfungsstufen wird auch in der Importstrategie (S. 22) diskutiert. Siehe Fußnote 4, Bundesregierung (2024).
24
Bauer, F, Bollerhey, T., Egerer, J., Erdmann, M., Exenberger, M., Geyer, F., Grimm, V., Hofrichter, A., Krieger, M., Runge, P., Sterner, M, Wirth, J. und Wragge, D. (2023). The Market Ramp-Up of Renewable Hydrogen and its Derivatives – the Role of H2 Global. https://www.wirtschaftstheorie.rw.fau.de/files/2023/06/The-Market-Ramp-Up-of-Renewable-Hydrogen-and-its-Derivatives-the-Role-of-H2Global.pdf [PDF, 630 KB]
25
Siehe Fußnote 2; EEM (2024)