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BMF-Monatsbericht August 2024

Inhalt

Jahreskonferenz 2024 des Netzwerks empirische Steuerforschung (NeSt)

22.08.2024
  • Am 17. und 18. Juli 2024 fand die Jahreskonferenz des Netzwerks empirische Steuerforschung (NeSt) im BMF mit Bundesfinanzminister Christian Lindner, Staatssekretärin Prof. Luise Hölscher sowie 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Wissenschaft, amtlicher Statistik, Finanzverwaltung und Wirtschaft statt.
  • Seit der Auftaktkonferenz im vergangenen Jahr hat sich einiges getan: Bei der Dateninfrastruktur für die empirische Steuerforschung wurden an vielen Stellen Fortschritte erzielt, welche die erstmalige Analyse steuerpolitisch wichtiger Fragen möglich machen, gerade auch in angelaufenen NeSt-Projekten aus der Wissenschaft.
  • Darüber hinaus gab es viele spannende Einblicke in das Datenangebot, erste Projekte, Evaluierungen aus Verwaltungssicht sowie anregende Diskussionen etwa zu dem in Arbeit befindlichen Forschungsdatengesetz, Ansätzen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sowie der Bedeutung von Datennutzung im Bereich der internationalen Steuertransparenz.

Jahreskonferenz 2024

Zu der Jahreskonferenz des Netzwerks empirische Steuerforschung (NeSt) 2024 am 17. und 18. Juli begrüßte das BMF mehr als 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Neben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zahlreicher Universitäten und Forschungsinstitute wirkten u. a. auch Behörden wie das Statistische Bundesamt, das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt), die Generalzolldirektion (GZD) und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BMF sowie Vertreterinnen und Vertreter aus der Wirtschaft mit.

Ziel der Jahreskonferenz war ein offener Austausch verschiedener Stakeholder auf dem Gebiet der Steuerlehre, der Steuerdaten, des Steuerrechts und der Besteuerungsverfahren, um die Dateninfrastruktur für die empirische Steuerforschung in Deutschland zu verbessern: Welche Daten existieren bereits, wofür und wie werden und könnten sie genutzt werden und wie lässt sich ihre Nutzbarkeit erhöhen? Bundesfinanzminister Christian Lindner, Staatssekretärin Prof. Luise Hölscher und die Mitglieder des NeSt-Lenkungsgremiums führten durch das vielseitige Programm der Veranstaltung.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhielten am ersten Tag der Konferenz zunächst Einblicke in angelaufene NeSt-Projekte, die Evaluierung von Steuergesetzen, geplante rechtliche Änderungen am Steuerstatistikgesetz für neue Daten und Zusammenführungen von Angaben sowie die neuen Datenprodukte „Business-Tax-Panel“ und „Taxpayer Panel 2.0“. Im Laufe des ersten Tages wurde der Austausch zu Ansatzpunkten für die Verbesserung der Forschungsdatenlandschaft, neuen Möglichkeiten für Evaluationen bei steuerlichen Förderungen und Interoperabilität in der Datenlandschaft fortgesetzt. In einem interaktiven Austauschformat entstanden zahlreiche Ideen und Vorschläge für weitere Projekte und Aktivitäten im NeSt. Am zweiten Tag der Jahreskonferenz gab es viele anregende und aufschlussreiche Präsentationen und Podiumsdiskussionen wie etwa zum aktuellen Stand des Forschungsdatengesetzes und zu daraus resultierenden Perspektiven für das NeSt sowie zu Fragen der zunehmenden internationalen Steuertransparenz.

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Konferenzbericht im Einzelnen

Staatssekretärin Prof. Luise Hölscher BildVergroessern
Quelle:  Bundesministerium der Finanzen/Phototek

Staatssekretärin Prof. Luise Hölscher eröffnete am 17. Juli 2024 die Jahreskonferenz. Sie warb für ein Anknüpfen an die Auftaktkonferenz im Jahr 2023 und die dort gewonnenen Erkenntnisse: Es gebe bereits eine große Gemeinschaft, der die Ziele des NeSt ein Anliegen seien, und es seien bereits viel Wissen, diverse Kompetenzen und Ideen vorhanden, die es zu vernetzen gelte, um diese Ziele erreichen zu können. Der offene Austausch und die anregenden Diskussionen, die sich bereits bei der NeSt-Auftaktkonferenz im vergangenen Jahr eingestellt hatten, wurden in diesem Jahr insbesondere durch ein neues Format, die Breakout-Sessions, erweitert. Staatssekretärin Prof. Luise Hölscher stellte zudem die Mitglieder des im zurückliegenden Jahr einberufenen Lenkungsgremiums vor. In Kurzstatements brachten Prof. Caren Sureth-Sloane, Prof. Thiess Büttner, Prof. Frank Hechtner und Dr. Stefan Greil ihr Interesse und Engagement für das NeSt zum Ausdruck.

Bundesfinanzminister Christian Lindner begrüßte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer und unterstrich vor allem, dass das NeSt einen wertvollen Beitrag leisten könne, um den Untersuchungen von Steuerauswirkungen eine höhere Relevanz zukommen zu lassen und somit – im Ergebnis – die Steuergesetzgebung noch besser zu fundieren und politisch wirksame Prioritäten zu setzen. Die immense Bedeutung zeige sich am Beispiel aktueller steuerpolitischer Initiativen, mit denen die wirtschaftliche Dynamik in Deutschland gefördert werden soll. Das NeSt könne die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen, indem es die bestehenden Wissens- und Datensilos aufbreche und unterschiedliche Professionen und Perspektiven zusammenbringe. Er dankte den Teilnehmerinnen und Teilnehmern für ihr Engagement und ermutigte sie, an diesem wichtigen Auftrag weiterzuarbeiten, sich einzubringen und zu gestalten.

Update zum NeSt

Seit der Auftaktveranstaltung im vergangenen Jahr hat sich im NeSt einiges getan. Dr. Elke Baumann, Leiterin der Unterabteilung für Grundsatzfragen des Steuersystems im BMF, in der das NeSt angesiedelt ist, betonte, dass das Netzwerk von den nun über 200 Mitgliedern lebe, und gab den Teilnehmerinnen und Teilnehmern einen Überblick über Neuerungen im NeSt. So wurden im vergangenen Jahr u. a. eine Geschäftsstelle innerhalb des BMF eingerichtet, ein Lenkungsgremium berufen sowie eine Geschäftsordnung verabschiedet. Dr. Elke Baumann warb zudem für die Einreichung von Projektanträgen, deren Umsetzung sich beispielsweise aufgrund mangelnder Datenverfügbarkeit als schwierig erweist und die im Rahmen des NeSt adressiert werden könnten. Das NeSt setzt sich dafür ein, die vorhandenen Daten(schätze) für die Wissenschaft besser zugänglich und nutzbar zu machen. Dies wird u. a. durch eine Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen sowie durch ein Vorantreiben der Datenbereitstellung u. a. über das Forschungsdatenzentrum (FDZ) des Statistischen Bundesamts erreicht.

Einblicke in NeSt-Projekte

Im weiteren Verlauf gaben verschiedene Teilnehmerinnen und Teilnehmer Einblicke in einzelne angelaufene NeSt-Projekte. Zunächst berichtete Prof. Sabine Zinn, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung und Kommissarische Direktorin des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP), über ein Projekt zur Verknüpfung der SOEP-Befragungsdaten mit den Taxpayer-Panel-Daten. Ein so verknüpfter Datensatz habe „riesiges Potenzial“ für Erkenntnisgewinne und könne Grundlage für die Beantwortung vielfältiger Forschungsfragen sein. Die Verlinkung der Datenbestände sei rechtlich überprüft worden und grundsätzlich möglich. Allerdings müssen noch datenschutzrechtliche Fragen geklärt sowie Einwilligungserklärungen seitens der Betroffenen zur Vernetzung ihrer Daten eingeholt werden.

Johannes Gaul, Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung und Universität Mannheim, legte Entwicklungspotenziale der Dateninfrastruktur zur Analyse steuerlicher Maßnahmen am Beispiel von DAC7, der Meldepflichten digitaler Plattformbetreiber, dar. Er hob hervor, dass das NeSt die richtigen Stakeholder zusammenbringe und eine geeignete Plattform biete, um Empfehlungen und Erkenntnisse an Politik und Verwaltung zu kommunizieren.

Alina Pfrang, ebenfalls Universität Mannheim, stellte ein im Rahmen des NeSt aufgesetztes Forschungsprojekt zu Auswirkungen der vereinfachten Registrierung für die Umsatzsteuer im grenzüberschreitenden Handel auf das Compliance-Verhalten von Unternehmen vor. Sie berichtete den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, dass das NeSt die Forscherinnen und Forscher bezüglich der dem Projekt zugrunde liegenden Daten erfolgreich an die GZD vermittelt habe.

Prof. Sarah Necker, Leiterin des Ludwig Erhard ifo Zentrums für Soziale Marktwirtschaft und Institutionenökonomik, stellte eine Forschungsidee für ein Feldexperiment zur Steuerehrlichkeit vor, für das die notwendigen Daten bislang nicht zur Verfügung gestellt werden konnten. Dies solle unterstreichen, welche ungenutzten Möglichkeiten es in der empirischen Steuerforschung gebe. Sie hob hervor, dass im NeSt „Wille dahinterstehe“, Verbesserungen anzugehen. Feldexperimente seien in anderen europäischen Staaten, wie Dänemark oder Belgien, bereits gängige Praxis. Daher sprach sie sich dafür aus, die rechtlichen Rahmenbedingungen für das Durchführen von Feldexperimenten anzupassen, damit diese in Zukunft auch in Deutschland zu Erkenntnisgewinnen bei der Steuerehrlichkeit führen können.

Verwaltungssicht auf die Evaluierung von Steuergesetzen

Des Weiteren wurde ein Blick auf die Evaluierung von Steuergesetzen aus Verwaltungssicht geworfen. Prof. Thiess Büttner, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, betonte einleitend den hohen Stellenwert der Evaluierung von Steuergesetzen für die Forschung, die allerdings nur angegangen werde, sofern entsprechende Daten verfügbar seien. Dagegen erfolge bei der Evaluierung durch die Verwaltung eine Beauftragung häufig völlig losgelöst von der Verfügbarkeit von Datengrundlagen, da hier ein gesetzlicher Auftrag dahinterstehe.

Dr. Katrin Gerrard, Referentin im Koordinierungsreferat für Steuergesetzgebungsvorhaben im BMF, führte in ihrem Vortrag aus, dass gute Evaluierungen Teil einer besseren Rechtssetzung seien, da überprüft werde, ob steuerliche Regelungen ihr Ziel erreicht hätten, akzeptiert würden und praktikabel seien. Voraussetzung für eine zielgerichtete Evaluierung sei nicht nur ein umfassendes Methodenwissen, sondern auch ein breiter Erfahrungsschatz. Daher werde in ihrem Referat etwaiges Wissen im Zeitablauf koordiniert und strukturiert gesammelt. Hierbei könnte auch das NeSt eine Anlaufstelle werden.

Vera Ruge, Referatsleiterin im BZSt, legte das Aufgabenspektrum ihres Fachbereichs bei der retrospektiven Gesetzesfolgenabschätzung im Steuerrecht dar. Demnach werde das BZSt insbesondere bei der Erstellung von Evaluierungskonzepten, der Datensammlung, -strukturierung und -auswertung sowie der Beratung für das BMF unterstützend tätig. Jedoch sei der Fachbereich Gesetzesfolgenabschätzung im BZSt keine „klassische“ Ressortforschungseinrichtung und habe damit auch keinen Kommunikationsauftrag, sondern die Ergebnisse der Evaluierungen würden ausschließlich dem BMF zur Verfügung gestellt werden. Ein generelles Anliegen bei Evaluierungsverfahren sei, ein ganzheitliches Bild zu erlangen und hierzu ein möglichst komplettes Datenangebot verfügbar zu haben.

Staatssekretärin Prof. Luise Hölscher auf der Bühne während der NeSt-Jahreskonferenz BildVergroessern
Quelle:  Bundesministerium der Finanzen/Phototek

Rechtliche Rahmenbedingungen und Datenangebot

Schließlich wurden die rechtlichen Rahmenbedingungen sowie das Datenangebot beleuchtet. Prof. Frank Hechtner, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, betonte zunächst die Bedeutung des Mitwirkens des Statistischen Bundesamts. Seit dem vergangenen Jahr hätten zahlreiche Gespräche zwischen NeSt, Wissenschaft und Statistischem Bundesamt stattgefunden, um das Datenangebot gemeinsam zu verbessern. Es sei ein großer Erfolg, dass die verschiedenen Stakeholder näher zusammengerückt seien und somit vorhandene Ressourcen effizienter verwendet werden würden.

Jasmin Egloff, Referentin im Referat Quantitative Fragen der Steuerpolitik im BMF, gab einen Überblick über die geplanten Änderungen am Steuerstatistikgesetz (StStatG) im Regierungsentwurf eines Jahressteuergesetzes 2024. Durch die geplanten Änderungen in § 2 StStatG soll die Statistik zu den länderbezogenen Berichten (Absatz 8), die Statistik zur Forschungszulage (Absatz 9) sowie die Statistik über die Mindeststeuer (Absatz 10 neu) ergänzt beziehungsweise neu eingeführt werden. Auch sollen durch das Zusammenführen von Einzelangaben über eine Anpassung des § 7a StStatG künftig u. a. umfassendere Analysen der Steuerbelastung von Einzelunternehmen und Personengesellschaften möglich sein sowie eine belastbarere Datengrundlage zu den Zusammenhängen von Einkommen, Grundbesitz und Erbschaften beziehungsweise Schenkungen entstehen.

Annette Kristiansen, Referentin im Bereich Unternehmensteuern im Statistischen Bundesamt, wies auf das Business-Tax-Panel hin, das seit Mai 2024 im FDZ für Forscherinnen und Forscher zugänglich ist. Das Business-Tax-Panel führt erstmals verschiedene Datengrundlagen wie die Ertragsteuerstatistiken (Gewerbesteuerstatistik, Körperschaftsteuerstatistik), Umsatzsteuerstatistik, Statistik über die Personengesellschaften und Gemeinschaften, die Einnahmenüberschussrechnung sowie das statistische Unternehmensregister zusammen und ist derzeit für einen Zeitraum von sieben Jahren (2013 bis 2019) verfügbar. Bei den verwendeten Steuerstatistiken handelt es sich um eine Vollerhebung, sodass das Panel circa 9,5 Mio. Beobachtungen von Unternehmen pro Veranlagungsjahr beinhaltet. Künftig sei eine zeitliche sowie sachliche Erweiterung des Business-Tax-Panels geplant, beispielsweise um E-Bilanzdaten sowie Beteiligungsinformationen an Personengesellschaften.

Sebastian Koufen, Referatsleiter im Bereich Lohn- und Einkommensteuer im Statistischen Bundesamt, informierte zunächst zum neuen Taxpayer-Panel 2.0, das erstmals ab Herbst 2024 für einen Zeitraum von 2012 bis 2020 verfügbar sein soll. Das bisherige Taxpayer-Panel sei relativ alt, was sich insbesondere daran zeige, dass es konzipiert wurde, als noch keine Steuer-ID existierte. Dadurch sei eine Verknüpfung in vielen Fällen nicht möglich. Das neue Taxpayer-Panel 2.0 nutze hingegen die Steuer-ID als eindeutiges Verknüpfungsmerkmal und folge der Grundidee, dass alle Steuerpflichtigen, auch wenn sie nur in einem Jahr des Datensatzes enthalten seien, aufgenommen werden sollten. Auch berichtete Sebastian Koufen zu dem Vorhaben der Aktualitätssteigerung der Lohn- und Einkommensteuerstatistik durch Schätzungen mittels Künstlicher Intelligenz (KI). Die Bereitstellung aktueller Steuerdaten sei bisweilen sehr schwierig, da sehr lange Abgabefristen bezüglich der Steuererklärungen bestehen. Aktuell können Statistiken in der Regel erst nach etwa 3,5 Jahren veröffentlicht werden. Daher seien verschiedene Schätzungen mit dem Ziel einer früheren Zurverfügungstellung der Statistik durchgeführt worden. Jedoch zeigte sich, dass früh vorliegende Festsetzungen nicht einfach hochgerechnet werden können, da beispielsweise höhere Einkommen durch die Inanspruchnahme von Beratungsleistungen und der miteinhergehenden Fristverlängerung für die Abgabe der Steuererklärung tendenziell erst später festgesetzt werden und damit eine Hochrechnung nur auf niedrigeren Einkommen basieren würde.

NeSt-SessionsPoster und Breakout

Als letzten Programmpunkt des ersten Tages gab es verschiedene Formate für einen aktiven Austausch der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. In der Poster-Session wurde auch in diesem Jahr eine Vielzahl an Beiträgen des Statistischen Bundesamts, der Forschungsdatenzentren sowie der Datennutzerinnen und -nutzer aus der Wissenschaft, der GZD, des BZSt sowie des BMF vorgestellt. Im Rahmen sogenannter Breakout-Sessions wurden folgende Themen in Kleingruppen intensiv diskutiert:

  • Forschungsfrage trifft Datenangebot: Wege zur Verbesserung der Forschungsdatenlandschaft
  • Forschungszulagengesetz und Sonderabschreibung für Mietwohnungsneubau: Neue Möglichkeiten für Evaluation bei steuerlichen Förderungen
  • Interoperabilität in der Datenlandschaft und Synergien zwischen Wissenschaft und Finanzverwaltung

Zu Beginn des zweiten Konferenztags fassten die einzelnen Moderatorinnen und Moderatoren die durch lebhafte Diskussion gewonnenen Erkenntnisse aus den einzelnen Breakout-Sessions für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zusammen und leiteten erste Vorschläge für weitere Arbeiten ab.

Forschungsdatengesetz – Stand und Perspektiven für das NeSt

Prof. Caren Sureth-Sloane, Universität Paderborn, moderierte die erste Podiumsdiskussion und betonte zu Beginn, dass auf den Referentenentwurf eines Forschungsdatengesetzes (FDG) seitens der Wissenschaft bereits gewartet werde, denn man erhoffe sich einen „großen Wurf“, der die Datengrundlagen für Forschung in Deutschland deutlich nach vorne bringen könne. Nach aufschlussreichen Einführungsvorträgen der Podiumsgäste bot die anschließende Diskussion Gelegenheit, tiefer zu erörtern, wie das FDG die Datenbasis für evidenzbasierte Politikberatung in Deutschland nachhaltig verbessern kann, insbesondere auch im Steuerbereich.

Dr. Christopher Karmann, Leiter des Referats Grundsatzfragen der Digitalpolitik im Bundesministerium für Bildung und Forschung, skizzierte zunächst die Ausgangslage und den Zeitplan des Gesetzgebungsvorhabens. Das Ziel des FDG bestehe aus drei Bausteinen: für Forscherinnen und Forscher den Zugang zu Daten der öffentlichen Hand zu öffnen, vereinfachen und erweitern (Zugangsanspruch), die Auffindbarkeit von Daten zu erleichtern und Verbesserungen im Datenschutzrecht vorzunehmen. Für einen verbesserten Zugang sei konkret die Gründung einer zentralen, vernetzten Datentreuhänderstelle als Zugangs- und Verknüpfungsstelle für die Forschung geplant.

Prof. Louisa Specht-Riemenschneider, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und designierte Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, hob hervor, dass das Datenschutzrecht Forschung grundsätzlich privilegiere und nicht verhindere, denn die Sekundärnutzung von Daten für Forschungszwecke sei bereits heute viel eher möglich als andere Sekundärnutzungen. An bestimmten Stellen gebe es dabei aber ein Rechtsunsicherheitsproblem sowie notwendige Restriktionen, wie das Steuergeheimnis in § 30 Abgabenordnung. Sie rief dazu auf, im gemeinsamen Dialog Forschungsanliegen und Datenschutz noch besser miteinander zu verbinden.

Prof. Kerstin Schneider, Bergische Universität Wuppertal und stellvertretende Vorsitzende des Rats für Sozial- und Wirtschaftsdaten, bekräftigte die Notwendigkeit eines FDG für eine exzellente und evidenzbasierte Forschung in Deutschland. In vielen Nachbarländern gebe es beispielsweise zentrale Treuhandstellen zur Verknüpfung von Daten. Daher wünsche sie sich im FDG u. a. auch Regelungen zur Zusammenführung von Daten über eine Datentreuhand.

IAB als Vorbild für die Weiterentwicklung der steuerlichen Dateninfrastruktur?

Anschließend wurden die Ansätze des IAB dargelegt. Prof. Bernd Fitzenberger, Direktor des IAB, unterstrich, dass das IAB als eine besondere Dienststelle der Bundesagentur für Arbeit bereits viele Möglichkeiten zur Datennutzung für eine evidenzbasierte Politikberatung ausschöpfe. Das IAB verknüpft seit langem individuelle administrative Daten, wie beispielsweise die Beschäftigungsstatistik, mit anderen administrativen Daten oder Umfragedaten zu Forschungszwecken. Eine Zusammenführung von administrativen Daten aus unterschiedlichen Quellen wie dem IAB, der Deutschen Rentenversicherung oder der Deutschen Bundesbank sei derzeit ohne Einwilligung noch sehr schwierig oder gar unmöglich. An dieser Stelle wünsche er sich Verbesserungen, da verknüpfte Datensätze großes Potenzial für die empirische Forschung entfalteten und dadurch massive Forschungs- und Wissenslücken geschlossen werden könnten. Trotz der benannten Limitationen sehe er das IAB dennoch in vieler Hinsicht als Vorbild, da bereits viele verknüpfte Datensätze für externe Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verfügbar seien.

Internationale Steuertransparenz – Fluch oder Segen?

Dr. Wendelin Staats, Leiter des Referats Internationale Unternehmensbesteuerung und Außensteuerrecht im BMF, gab zunächst in seinem Impulsvortrag einen Überblick darüber, was unter dem Country-by-Country Reporting (CbCR) zu verstehen sei und welche Informationen zwischenstaatlich ausgetauscht werden. Das CbCR sei aus Verwaltungssicht einerseits mit positiven Effekten verbunden. Andererseits entstehe aber auch ein hoher Erfüllungsaufwand für alle Beteiligten und die Aussagekraft sei eingeschränkt. Jedoch merkte er an, dass CbCR-Daten zunehmend im Rahmen von Betriebsprüfungen genutzt werden würden. Für die empirische Steuerforschung wirkten die gesetzlichen Vorgaben der Vertraulichkeit und Verwendungszweckbeschränkung derzeit noch einschränkend. Zuletzt gab er einen Ausblick auf die großen Informationspotenziale von Mindeststeuer-Berichten.

Mit der Podiumsdiskussion wurden verschiedene Perspektiven auf die internationale Steuertransparenz beleuchtet und zugleich unterschiedliche Bedürfnisse und Sorgen verdeutlicht.

Dr. Friedrich Zimmermann, Leiter Steuern REWE Group, berichtete zunächst über die immer umfangreicher werdenden Berichtspflichten und die damit verbundenen hohen Befolgungskosten für Unternehmen. Auch verwies er auf die hohe Dynamik in diesem Bereich und unterstrich, dass dies eine große Last für alle Unternehmen darstelle. Ein wichtiges Ergebnis des Austauschs mit anderen Vertreterinnen und Vertretern der Wirtschaft sei, dass viele Daten, die im Rahmen der Berichtspflichten erhoben werden, derzeit nur wenig durch die Verwaltung genutzt zu werden schienen.

Brigitte Vossebürger, Präsidentin des BZSt, legte dar, dass der Verzicht auf einen Datenaustausch in einer globalisierten Welt nicht mehr vorstellbar sei. Auch hob sie hervor, dass CbCR-Daten bei Bundesbetriebsprüfungen mit den Ländern durchaus genutzt werden würden. Darüber hinaus berichtete sie, dass derzeit die Landesprüfer zur Nutzung von CbCR geschult werden würden und künftig auch KI eingesetzt werde. Dadurch werde insbesondere der Vollzug wesentlich schlanker, da einzelne Prüffelder zielgerichtet und risikoorientiert priorisiert werden könnten.

Dr. Ruth Brand, Präsidentin des Statistischen Bundesamts, verwies auf die Potenziale der Datenverarbeitung und stellte heraus, dass die gesammelten Daten der Wissenschaft als „neutrale Informationsbereitstellung“ dienen könnten. Gleichzeitig verwies sie aber auch auf die massive Arbeit mit Blick auf die Datenaufbereitung und -bereitstellung. Sie hob zudem hervor, dass eine hohe Qualität der im Rahmen der Berichtspflichten erhobenen Daten für wissenschaftliche Analysen unerlässlich sei.

Prof. Roland Ismer, Universität Potsdam, bewertete als Rechtswissenschaftler die internationale Steuertransparenz und die damit verbundene Datensammlung aus einer „gewissen Vogelperspektive“. Er wies insbesondere darauf hin, dass die Datenerhebung bei der Gesetzgebung stets mitbedacht werden müsse, da eine Offenlegung von steuersensiblen Daten mit Risiken verbunden sei. Auch hob er hervor, dass bei möglichen Datenanforderungen durch die Verwaltung stets das Prinzip der Verhältnismäßigkeit zu beachten sei.

Bundesfinanzminister Chritian Lindner auf der Bühne während der NeSt-Jahreskonferenz BildVergroessern
Quelle:  Bundesministerium der Finanzen/Phototek

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Ausblick: Was hat das NeSt vor?

Staatssekretärin Prof. Luise Hölscher rundete die Veranstaltung ab, indem sie den Teilnehmerinnen und Teilnehmern einen Ausblick auf die nächsten Schritte im NeSt gab. Für das kommende Jahr seien unterschiedliche Formate geplant, die einen Raum zum weiteren Vernetzen und zur vertieften Diskussion von Einzelthemen schaffen. So seien Vorträge und Workshops zu verschiedenen Spezialthemen im Bereich der empirischen Steuerforschung und mit unterschiedlichen Akteurinnen und Akteuren angedacht, die darauf einzahlen sollten, die Rahmenbedingungen für Evidenzbasierung im Steuerrecht zu verbessern. Dabei solle u. a. weiter eruiert werden, welche Daten konkret zusammengeführt werden könnten und welche Grundlagenarbeit es hierzu sowie zu weiteren Fragen in Verwaltung, amtlicher Statistik und Wissenschaft voranzutreiben gelte. Staatssekretärin Prof. Luise Hölscher dankte den Vortragenden und den Teilnehmerinnen und Teilnehmern und kündigte an, dass das NeSt im Jahr 2025 zu seiner nächsten Jahreskonferenz einladen werde.

Kontakt

Per E-Mail: NeSt@bmf.bund.de

Weitere Informationen zum NeSt finden Sie auf der Website des BMF. Möchten Sie gemeinsam mit uns die Dateninfrastruktur verbessern und gute Bedingungen für empirische Steuerforschung und evidenzbasierte Politik schaffen? Dann werden Sie Mitglied im NeSt. Die Mitgliedschaft ist kostenfrei.