- Die Abgabenquote – d. h. das Verhältnis der Steuern und Sozialabgaben zum Bruttoinlandsprodukt – lag im Jahr 2022 in Deutschland konstant bei 39,3 Prozent und damit international im oberen Mittelfeld.
- Im Vergleich zu den internationalen Wettbewerbern Deutschlands fiel die tarifliche Besteuerung der Gewinne von Kapitalgesellschaften mit 29,9 Prozent im Jahr 2023 hoch aus.
- Im Jahr 2023 sank der Steuer- und Abgabenanteil an den gesamten Lohnkosten von alleinstehenden Menschen mit Durchschnittseinkommen in Deutschland um 0,5 Prozentpunkte auf 47,9 Prozent. Damit liegt Deutschland allerdings weiterhin im internationalen Vergleich beim sogenannten Steuer- und Abgabenkeil in der Spitzengruppe.
- Die Rückführung der Steuer- und Abgabenbelastung erfordert eine angebotsorientierte Steuerpolitik, welche die Wettbewerbsfähigkeit, Innovationskraft und Produktivität des Standorts Deutschland stärkt.
- Die Wachstumsinitiative der Bundesregierung verbessert mit Investitionsanreizen die steuerlichen Rahmenbedingungen für Unternehmen. Außerdem werden durch weitere Entlastungen bei der Einkommensteuer und gezielte Steuer- und Beitragsfreistellungen Erwerbsanreize gestärkt.
Einleitung
Dieser Beitrag fasst die Inhalte aus der neu aufgelegten BMF-Broschüre „Die wichtigsten Steuern im internationalen Vergleich 2023“ zusammen und bietet damit einen vergleichenden Überblick zur internationalen Besteuerung.1 Die Ländervergleiche erstrecken sich auf die Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) und einige andere Mitgliedstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) (Japan, Kanada, Norwegen, Schweiz, USA und Vereinigtes Königreich). Sie geben grundsätzlich den Rechtsstand zum Ende des Jahres 2023 wieder. Eine Ausnahme bilden die von der OECD veröffentlichten und zum Stand der Erstellung der Broschüre und des Artikels bis zum Jahr 2022 verfügbaren Steuer- und Abgabenquoten. Maßnahmen, die 2024 wirksam geworden sind oder sein werden, sind noch nicht in den Übersichten und Grafiken erfasst. Zur Interpretation der Daten im internationalen Vergleich ist generell anzumerken, dass sich sinnvolle Schlussfolgerungen bei vielen Indikatoren erst aus dem Gesamtkontext ergeben. Dies gilt insbesondere für das Zusammenspiel nominaler Steuersätze und unterschiedlich ausgestalteter Bemessungsgrundlagen in den einzelnen Staaten. Außerdem sollte bei der Interpretation von Steuer- und Abgabenquoten und bei Vergleichen zur Besteuerung von Arbeit die Finanzierungsform sozialer Sicherungssysteme sowie Qualität, Umfang und Effizienz der Bereitstellung staatlicher Leistungen berücksichtigt werden.
Gesamtwirtschaftliche Steuer- und Abgabenquote
Die gesamtwirtschaftliche Steuerquote weist die in einer Volkswirtschaft gezahlten Steuern relativ zur Wirtschaftsleistung aus. Die Abgabenquote berücksichtigt neben Steuern auch Beiträge zur Sozialversicherung. Sie ist ein zentraler Indikator für den internationalen Vergleich, da die betrachteten Staaten ihre staatlichen Sozialversicherungssysteme in unterschiedlichem Ausmaß über eigenständige Sozialbeiträge finanzieren, die nicht in der Steuerquote enthalten sind, oder auf allgemeine Haushaltsmittel und damit grundsätzlich auf Steuern zurückgreifen.
Abbildung 1 zeigt die Steuer- und Abgabenquoten nach den Abgrenzungsmerkmalen der OECD aus der zugehörigen Publikation „OECD Revenue Statistics“ (Daten bis einschließlich 2022, s. o.). In den skandinavischen Staaten sowie in Belgien, Frankreich, Griechenland, Italien und Österreich ist die Abgabenquote vergleichsweise hoch (>40 Prozent). Dagegen weisen Irland, die Schweiz und die USA relativ niedrige Abgabenquoten auf (<30 Prozent). Die deutsche Abgabenquote bewegt sich im oberen Mittelfeld der betrachteten Staaten (2022: 39,3 Prozent). Die deutsche Steuerquote liegt im Jahr 2022 bei 24,7 Prozent. Die skandinavischen Staaten und Frankreich weisen hier eine vergleichsweise hohe Steuerquote von über 30 Prozent aus; nur in Irland und Tschechien liegt die Steuerquote unter 20 Prozent.
Besteuerung des Gewinns von Kapitalgesellschaften
Den nominalen Unternehmensteuersätzen wird oft eine Signalfunktion etwa bei internationalen Besteuerungsvergleichen von Unternehmen vor einer Investitionsentscheidung zugesprochen. Die tatsächliche oder auch effektive Steuerbelastung ergibt sich erst aus dem Zusammenspiel von Steuerbemessungsgrundlage und tariflichem Steuersatz. Für eine ganzheitliche Betrachtung sollte neben der Besteuerung von Gewinnen auf Ebene der Kapitalgesellschaft auch die Besteuerung beim Anteilseigner betrachtet werden. Die Indikatoren beschränken sich auf einen Vergleich der tariflichen (nominalen) Besteuerung von Kapitalgesellschaften.
Abbildung 2 vergleicht die Höhe von Unternehmensteuern auf Gewinne von Kapitalgesellschaften. Neben Körperschaftsteuern, die auf zentralstaatlicher Ebene erhoben werden, gibt es in mehreren Staaten nachgeordnete Gebietskörperschaften (Einzelstaaten, Provinzen, Regionen, Gemeinden), die zusätzliche eigene Körperschaftsteuern oder ihnen ähnliche Steuern erheben, wie z. B. in Deutschland und Luxemburg die Gewerbesteuer. Dort, wo die Steuersätze über die Gebietskörperschaften variieren, werden Durchschnitte zugrunde gelegt. Zu beachten ist, dass in manchen Staaten die von lokalen Gebietskörperschaften erhobenen Steuern von der Steuerbemessungsgrundlage der übergeordneten Gebietskörperschaften abzugsfähig sind (z. B. in Japan und den USA). Die Gesamtsteuerbelastung auf Unternehmensebene ergibt sich demzufolge aus einer abgestuften Rechnung und nicht aus einer einfachen Addition der nominalen Steuersätze der einzelnen Steuern.
Deutschland weist mit 15 Prozent einen im internationalen Vergleich relativ niedrigen nominalen Körperschaftsteuersatz aus. Betrachtet man allerdings die Gesamtbelastung des Gewinns von Kapitalgesellschaften, d. h. inklusive Gewerbesteuern und Solidaritätszuschlag, ist diese in Deutschland mit 29,93 Prozent im internationalen Vergleich hoch. Nur Japan (30,42 Prozent) und Malta (35 Prozent, allerdings werden oftmals Sondersätze beziehungsweise -regelungen angewendet) haben eine höhere tarifliche Unternehmensteuerbelastung. Die Mehrheit der betrachteten Staaten besteuert Gewinne von Kapitalgesellschaften mit einem nominalen Steuersatz von unter 25 Prozent. Größere Industrienationen wie Frankreich, Kanada, die USA oder das Vereinigte Königreich erheben nominale Unternehmensteuersätze zwischen 25 und 27 Prozent.
Gewinne von Kapitalgesellschaften werden nicht nur auf Ebene des Unternehmens, sondern auch bei der Ausschüttung an den Anteilseigner (z. B. in Form von Dividenden) besteuert. Um Doppelbelastungen ausgeschütteter Gesellschaftsgewinne durch die Körperschaftsteuer der Kapitalgesellschaft und die Einkommensteuer des Anteilseigners zu verhindern oder abzumildern, verfügen fast alle Staaten über entsprechende Systeme zur Entlastung der Dividenden beim Anteilseigner. Von den europäischen Staaten sehen Irland und die Schweiz keine Entlastung ausgeschütteter Gewinne auf der Ebene des Anteilseigners vor (klassische Systeme ohne Tarifermäßigung). Diese Staaten haben aber als Ausgleich nach wie vor vergleichsweise niedrige allgemeine Körperschaftsteuertarife. Drei EU-Staaten besteuern die Gewinne nur bei der Gesellschaft, sodass Dividenden beim Anteilseigner steuerfrei bleiben (Estland, Lettland und Zypern). Zum gleichen wirtschaftlichen Ergebnis kommt auch Malta, indem die Körperschaftsteuer auf ausgeschüttete Gewinne dem Einkommensteuersatz auf Dividenden entspricht und voll auf die Einkommensteuer angerechnet wird (sogenanntes Vollanrechnungsverfahren).
Abbildung 3 vergleicht die maximale Gesamtsteuerlast auf Unternehmensgewinne von Kapitalgesellschaften, die sowohl die Besteuerung auf Ebene des Unternehmens als auch beim Anteilseigner berücksichtigt. In Deutschland liegt die Gesamtsteuerlast auf Gewinnen nach Ausschüttung bei 48,41 Prozent, wobei der angenommene Gewinn (von 1 Mio.) einer Kapitalgesellschaft mit 29,93 Prozent auf Unternehmensebene besteuert wird. Auf den Gewinn nach Steuern fällt der geltende Steuersatz für Dividenden bei der Ausschüttung an den Anteilseigner an (Abgeltungsteuer von 25 Prozent), woraus sich eine Steuerlast von 18,48 Prozent auf Anteilseignerebene ergibt. Auch hier liegt Deutschland hinter Kanada, Dänemark, dem Vereinigten Königreich und der Schweiz im oberen Bereich bei der Gesamtsteuerbelastung.
Abgabenbelastung bei Arbeitseinkommen
Die OECD veröffentlicht jährlich eine international vergleichende Untersuchung zur effektiven Steuer- und Abgabenbelastung von Arbeitseinkommen in den OECD-Ländern („Taxing Wages“). Darin werden Arbeitnehmerhaushalte in verschiedenen Familienverhältnissen und Einkommensgruppen betrachtet. Zentraler Indikator der OECD-Studie ist der Steuer- und Abgabenkeil oder „tax wedge“. Dieser zeigt die Abgabenlast relativ zu den Kosten einer Arbeitskraft beim Arbeitgeber und bietet somit einen Indikator für die Steuer- und Abgabenbelastung des Faktors Arbeit.
Der Steuer- und Abgabenkeil oder „tax wedge“
misst das Verhältnis von arbeitgeber- und arbeitnehmerseitigen Steuern und Abgaben auf Erwerbsarbeit abzüglich erhaltener Familienleistungen relativ zu den der Gesamtarbeitskosten.
Die OECD beschreibt den Steuer- und Abgabenkeil als einen Indikator, der vergleicht, inwieweit die Abgabenbelastung auf Arbeitseinkommen Beschäftigungsanreize hemmt.
Ein weiterer wichtiger Indikator insbesondere aus der Sicht von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ist der durchschnittliche Steuer- und Abgabensatz, der erhobene Steuern und (arbeitnehmerseitige) Abgaben auf den Arbeitslohn unter Einberechnung erhaltener Familienleistungen relativ zum Bruttoarbeitslohn darstellt. So zahlt eine ledige Durchschnittsverdienerin beziehungsweise ein lediger Durchschnittsverdiener ohne Kinder in Deutschland 37,4 Prozent des Bruttolohns an Steuern und Sozialbeiträgen.
In vielen Ländern sorgen Maßnahmen im Rahmen der Familienbesteuerung für eine Förderung von Familien. Diese Förderungen sind auch deutlich erkennbar in Deutschland – insbesondere beim Blick auf die Einkommen-/Lohnsteuerbelastung unterschiedlicher Haushaltskonstellationen. Hier ergibt sich beispielsweise bei einem Alleinverdienerhaushalt mit Durchschnittseinkommen und zwei Kindern nach Anrechnung von Kindergeld rechnerisch ein Einkommensteuersatz von -0,2 Prozent (s. a. Abbildung 4). Arbeitet die Partnerin beziehungsweise der Partner auch und verdient 67 Prozent des Durchschnittslohns, so liegt der Durchschnittssteuersatz für den Haushalt in dieser Familienkonstellation bei 9,1 Prozent.
Abbildung 5 zeigt den internationalen Vergleich des gesamten Steuer- und Abgabenkeils in Prozent der Lohnkosten, der in Deutschland für eine ledige Durchschnittsverdienerin beziehungsweise einen ledigen Durchschnittsverdiener ohne Kinder bei 47,9 Prozent liegt. Nur Belgien weist einen höheren Steuer- und Abgabenkeil im internationalen Vergleich aus (52,7 Prozent). Mehr als ⅔ der Abgabenbelastung auf Arbeit entfallen in Deutschland auf Sozialabgaben, die sowohl von Arbeitnehmerin beziehungsweise Arbeitnehmer als auch vom Arbeitgeber getragen werden. Die Entlastungsmaßnahmen der Bundesregierung insbesondere bei der Einkommensteuer (Erhöhung Grundfreibetrag, Ausgleich der kalten Progression, Ermöglichung einer steuer- und sozialversicherungsfreien Inflationsausgleichsprämie) resultierten bei alleinstehenden Durchschnittsverdienerinnen und -verdienern im Jahr 2023 in einer Senkung des Steuer- und Abgabenkeils um 0,5 Prozentpunkte zum Vorjahr.
Fazit
Deutschland verfügt insgesamt über ein Steuer- und Abgabensystem, das in der Lage ist, ein hohes Niveau an öffentlichen Leistungen zu finanzieren. Gleichzeitig steht die deutsche Wirtschaft weiterhin vor großen kurzfristigen und strukturellen Herausforderungen. Die Übersichten zeigen, dass die Belastung von Kapitalgesellschaften in Bezug auf die nominalen Steuersätze im internationalen Vergleich hoch ist. Auch bei der Belastung des Faktors Arbeit durch Steuern und Sozialabgaben liegt Deutschland im internationalen Vergleich in der Spitzengruppe.
Im Rahmen einer angebotsorientierten Steuerpolitik gilt es deshalb, die Steuer- und Abgabenlast in der mittleren Frist insbesondere für Unternehmen auf ein international wettbewerbsfähiges Niveau abzusenken. Darüber hinaus müssen schnell wirksame Investitionsanreize gesetzt werden. Die Bundesregierung begegnet diesen Herausforderungen in ihrer Wachstumsinitiative, die gleichzeitig mit den Grundzügen des Haushalts 2025 verhandelt wurde. Wesentliche steuerliche Maßnahmen innerhalb der Wachstumsinitiative wie beschleunigte Abschreibungen, eine verbesserte Forschungszulage, weitere Entlastungen von Bürgerinnen und Bürgern bei der Einkommensteuer und zusätzliche anreizfreundliche Maßnahmen im Steuer- und Transfersystem leisten einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, Innovationskraft und Produktivität des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Dabei schafft die Erhöhung des Wachstumspotenzials wirtschaftliche Freiräume und fördert zugleich die langfristige Tragfähigkeit der Finanz- und Steuerpolitik.