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BMF-Monatsbericht Oktober 2024

Inhalt

Im Interview: Dr. Florian Toncar, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen

22.10.2024
Porträtfoto von Florian Toncar BildVergroessern
Florian ToncarQuelle:  Bundesministerium der Finanzen/photothek

Das BMF und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) haben die Initiative Finanzielle Bildung ins Leben gerufen – weshalb und was umfasst die Initiative?

Die Initiative Finanzielle Bildung haben wir gemeinsam mit dem BMBF im März 2023 ins Leben gerufen, um die finanzielle Bildung in Deutschland nachhaltig zu stärken. Denn wir sehen in diesem Bereich eindeutige Nachholbedarfe. Mich persönlich treibt um, wie wenige Menschen in Deutschland im internationalen Vergleich in Aktien oder Fonds investieren – aktuell sind das nur circa 12 Millionen Menschen. Damit bleiben viele Chancen ungenutzt. Das auszugleichen, ist daher auch eine Frage der Chancengerechtigkeit. Beispielsweise sind deutlich weniger Frauen am Kapitalmarkt aktiv. Gleichzeitig ist das Risiko, von Altersarmut betroffen zu sein, bei Frauen erhöht.

Um den Zugang zur finanziellen Bildung für alle in der Bevölkerung zu erleichtern, haben wir uns Folgendes zum Ziel gesetzt:

  • eine nationale Finanzbildungsstrategie zu erarbeiten, die für die nächsten Jahre konkrete Maßnahmen und Schwerpunkte aufzeigt, um die finanzielle Bildung zu stärken,
  • eine Finanzbildungsplattform zu errichten, welche Finanzbildungsangebote bündelt und der breiten Öffentlichkeit zugänglich macht,
  • die Forschung im Bereich finanzieller Bildung zu fördern, um die Datenbasis zu verbessern und evidenzbasierte Finanzbildung auszubauen.

Zudem wollen wir insgesamt das Bewusstsein für die Bedeutung der finanziellen Bildung in der Bevölkerung schärfen. Dazu gehören u. a. Öffentlichkeitsarbeit sowie unterschiedliche Veranstaltungsformate.

Ich bin froh, dass wir wichtige Meilensteine auf dem Weg zu diesem Ziel bereits erreichen konnten. Innerhalb der vergangenen eineinhalb Monate hat sich beispielsweise einiges getan: Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat ihren Vorschlag für eine nationale Finanzbildungsstrategie für Deutschland präsentiert. BMF und BMBF haben einen Referentenentwurf vorgelegt, der die Einrichtung einer Geschäftsstelle bei der Stiftung „Finanzbildung, Geld und Währung“ regelt, welche die Umsetzung der Finanzbildungsstrategie dauerhaft begleiten wird. Am 15. Oktober 2024 haben die beiden Ministerien den größten Fachkongress Deutschlands für Finanzbildung ausgerichtet.

Was sind aus Ihrer Sicht die wesentlichen Punkte im OECD-Vorschlag für die Finanzbildungsstrategie? Wie plant die Regierung, diese umzusetzen?

Der OECD-Vorschlag wurde im Austausch mit uns und mit vielen erfahrenen, engagierten Akteurinnen und Akteuren aus dem Finanzbildungsbereich ausgearbeitet und enthält etliche wichtige Punkte. Die OECD empfiehlt, die Stärkung der finanziellen Bildung in den folgenden fünf Themenbereichen zur Priorität zu machen:

  • langfristiges Sparen und Altersvorsorge
  • Haushaltsplanung, Verhinderung von Überschuldung und verantwortungsvoller Umgang mit Krediten
  • Teilnahme am Finanz- und Kapitalmarkt
  • Stärkung der digitalen Finanzkompetenz
  • Umsetzung von Nachhaltigkeitspräferenzen (Sustainable Finance)

Auf diesen Gebieten sollte Deutschland zum einen Maßnahmen ergreifen, welche die Bevölkerung besser für eine Beschäftigung mit den eigenen Finanzen sensibilisieren soll, etwa durch verstärkte Öffentlichkeitsarbeit. Zum anderen sollte Verbraucherinnen und Verbrauchern in Deutschland ein besserer, einfacherer Zugriff auf Finanzbildungsmaterialien für alle Lebenssituationen ermöglicht werden. Die OECD hat Maßnahmen identifiziert, die für bestimmte Teile der Bevölkerung – beispielsweise junge Menschen, Unternehmensgründerinnen und -gründer sowie Frauen – besonders relevant sein könnten.

Die Bundesregierung plant nun, den OECD-Vorschlag schnell in eine Finanzbildungsstrategie des Bundes zu überführen. Die Umsetzung der Strategie soll dauerhaft von einer zentralen Stelle koordiniert werden. Diese Aufgabe soll die Stiftung „Finanzbildung, Geld und Währung“ übernehmen, eine Stiftung des öffentlichen Rechts, welche aus der bestehenden Stiftung „Geld und Währung“ hervorgeht. Die hierfür notwendigen Änderungen am Stiftungsgesetz befinden sich – wie bereits erwähnt – derzeit in der Ressortabstimmung und sollen noch in dieser Legislaturperiode vom Deutschen Bundestag beschlossen werden.

Sie haben gerade den größten Fachkongress für Finanzbildung Deutschlands organisiert. Was war das Ziel der Veranstaltung?

Am 15. Oktober 2024 haben wir zusammen mit dem BMBF ins Radialsystem in Berlin eingeladen, um Best-Practice-Beispiele, Methodenwissen, Schulungsmaterialien, Neues aus Wissenschaft und Forschung vorzustellen und Raum für Diskussionen und neue Partnerschaften zu ermöglichen. Im Rahmen von Workshops, Vorträgen, Informationsständen und Paneldiskussionen haben über 70 Organisationen ihre Finanzbildungsinhalte präsentiert. Die Themen haben Finanzgrundbildung, Sparen und Altersvorsorge, Forschung, digitale Finanzdienstleistungen, Kapitalmarkt, Kreditnutzung und Nachhaltigkeit umfasst. Damit haben wir auch genau die Themengebiete abgedeckt, die die OECD als prioritär identifiziert hat. Außerdem wurden Inhalte für unterschiedlichste Zielgruppen gezeigt. Das ist wichtig, insbesondere bei Bevölkerungsgruppen mit Defiziten, wie beispielsweise Menschen mit Lernbarrieren.

Das Ziel war es, mehr Menschen mit qualitativ hochwertigen Finanzbildungsinhalten vertraut zu machen und es ihnen zu ermöglichen, diese in ihre Arbeit zu integrieren. Das ist uns gelungen: Die über 900 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der Bildungs- und Sozialarbeit sowie die vielen weiteren Multiplikatorinnen und Multiplikatoren vor Ort und im Livestream haben uns darin bestärkt, dass es mehr solcher Formate braucht. Es war uns immer ein Anliegen, die Initiative möglichst breit aufzustellen, und das ist uns gelungen.

Was kann man zukünftig von der Initiative Finanzielle Bildung erwarten?

Ein Schwerpunkt besteht darin, die Forschung im Bereich Finanzbildung zu stärken. Hierfür hat das BMBF eine Forschungsförderrichtlinie aufgesetzt, um Projekte zu fördern, die datengestützte Aussagen zur Anwendung, Wirkung und Vermittlung von finanzieller Bildung ermöglichen. Diese Projekte haben bereits begonnen beziehungsweise beginnen demnächst. Sie laufen über einen Zeitraum von bis zu vier Jahren. Die Ergebnisse sollen dann in die konkrete Finanzbildungsarbeit einfließen.

Außerdem wird die Finanzbildungsplattform www.mitgeldundverstand.de kontinuierlich weiterentwickelt. In einer ersten Version dieser Plattform, die Ende vergangenen Jahres online gegangen ist, konnten wir bereits viele gute Finanzbildungsinhalte von öffentlichen Institutionen bündeln und für die Bevölkerung bereitstellen. Im nächsten Schritt der Weiterentwicklung werden die Angebote noch verständlicher aufbereitet und thematisch erweitert. Langfristig sollen hier auch die Ergebnisse der oben genannten Forschung eingebunden werden.