Rückblick auf die Sitzung der Eurogruppe und die Tagung des ECOFIN-Rats am 7. und 8. Oktober 2024 in Luxemburg
Eurogruppe
Die Eurogruppe begann mit einer Bestandsaufnahme zum digitalen Euro. Christine Lagarde, die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), hielt eine Präsentation zum Stand der Arbeiten und betonte die Wichtigkeit, Klarheit für alle Marktteilnehmer zu schaffen. Der Vorsitzende des Wirtschafts- und Finanzausschusses (WFA) Tuomas Saarenheimo berichtete aus den Arbeiten des WFA. Es sei deutlich geworden, dass bei den Arbeiten am digitalen Euro „quality over speed“ gelten müsse. Die Ministerinnen und Minister tauschten sich zu dem Thema aus. Deutschland begrüßte die Diskussion zum Stand des Projekts und betonte die Bedeutung eines höchsten Privatsphäreschutzes, einer ausbalancierten Aufgabenteilung zwischen EZB und Privatwirtschaft sowie einer aktiven Rolle des demokratisch legitimierten europäischen Gesetzgebers. Der Eurogruppen-Präsident Paschal Donohoe hob hervor, dass am Ende das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den digitalen Euro entscheidend sei.
Die europäische Wettbewerbsfähigkeit war erneut Thema bei der Eurogruppe. Im Mittelpunkt der Diskussion stand eine geplante gemeinsame Erklärung, die bis kommenden November finalisiert werden soll. Diese Erklärung soll die Arbeiten der Eurogruppe zu verschiedenen Facetten der Wettbewerbsfähigkeit in den vergangenen Monaten zusammenfassen. Die wortnehmenden Ministerinnen und Minister waren sich einig, dass die Erklärung ambitioniert sein solle. Erwartungsgemäß wurden unterschiedliche Schwerpunkte von den Mitgliedstaaten gesetzt. Der damalige Bundesfinanzminister Christian Lindner betonte die Bedeutung passender struktureller Rahmenbedingungen, insbesondere, um weitere Anreize für private Investitionen zu setzen. Er hob hervor, dass Strukturreformen primär Aufgabe der Mitgliedstaaten seien. Eurogruppen-Präsident Paschal Donohoe kündigte an, die verschiedenen Vorschläge der Mitgliedstaaten in der Erklärung aufzugreifen.
Beim Tagesordnungspunkt zur Kapitalmarktunion fand ein Austausch mit der Präsidentin der Europäischen Investitionsbank (EIB) Nadia Calviño zum Beitrag der Bank zur Kapitalmarktunion statt. Im Mittelpunkt stand die Frage, wie der Kapitalmarkt weiterentwickelt werden könne, um insbesondere Finanzierungsmöglichkeiten für mittelständische Unternehmen zu verbessern. Nadia Calviño benannte drei Schwerpunktbereiche für etwaige Beiträge der EIB: grüne und digitale Anleihen, Schließung der Finanzierungslücke über den Wachstumszyklus eines Unternehmens hinweg und Mobilisierung öffentlicher und privater Großinvestitionen zur Erreichung wichtiger europäischer Politikziele.
Der damalige Finanzminister Christian Lindner betonte, dass die EIB bei der Vertiefung der Kapitalmarktunion bereits heute eine wichtige Rolle spiele. Er verwies auf erfolgreiche Programme der EIB und des Europäischen Investitionsfonds (EIF) wie die European Tech Champions Initiative. Sie mobilisiere Kapital für innovative Unternehmen und setze Anreize für erfolgreiche Unternehmen, in Europa zu bleiben. Auf derartige Initiativen solle aufgebaut werden. Der ehemalige Bundesfinanzminister Lindner verwies auf einen Bericht einer Praktiker-Arbeitsgruppe (initiiert u. a. von dem Bankenverband unter Beteiligung von Bundesbank und EIF) mit konkreten Vorschlägen für eine risikoadäquate Optimierung der regulatorischen Rahmenbedingungen und weiterer Maßnahmen zur Förderung des EU-Verbriefungsmarkts. Dieser könne den Diskurs bereichern.
Des Weiteren bereitete die Eurogruppe den kommenden Eurogipfel am Rande des Europäischen Rats am 17. und 18. Oktober 2024 vor. Eurogruppen-Präsident Paschal Donohoe berichtete wie üblich über seinen Brief an den Präsidenten des Europäischen Rats Charles Michel, in dem er zu den vergangenen Arbeiten der Eurogruppe berichtet habe (diesmal u. a. zu den Themen Wettbewerbsfähigkeit, digitaler Euro, Kapitalmarktunion, fiskalische Koordinierung, Unterstützung der Ukraine und weiteren internationalen Themen).
Die Vorbereitungen zu den Ende Oktober in Washington, D.C. stattgefundenen Jahrestagungen von IWF und Weltbank sowie den Treffen der Finanzministerinnen und ‑minister und Notenbankgouverneurinnen und ‑gouverneure (FMNBG) der G20 und G7 am Rande der Jahrestagungen standen sowohl in der Eurogruppe als auch im Rat für Wirtschaft und Finanzen (ECOFIN) auf der Tagesordnung. Italien als G7-Präsidentschaft gab einen Ausblick auf die laufenden Arbeiten. Auch gab es einen kurzen Austausch zur Entwicklung der Wechselkurse. Der Euro wertete zwischen März und August 2024 gegenüber den meisten Währungen auf.
Außerdem stellte der neue französische Finanzminister Antoine Armand kurz die Prioritäten der neuen französischen Regierung vor. Ebenfalls wurde der neue estnische Finanzminister Jürgen Ligi in der Eurogruppe begrüßt.
ECOFIN-Rat
Im öffentlichen Teil der Sitzung des Rats berichtete die ungarische Ratspräsidentschaft zu den laufenden Verhandlungen zu Legislativvorschlägen im Bereich der Finanzdienstleistungen. Ziel sei es weiterhin, bei vier Legislativpaketen die Trilogverhandlungen aufzunehmen, sobald das Europäische Parlament dazu bereit sei. Die Arbeiten an Dossiers, bei denen noch keine Verhandlungsmandate des Rats erzielt werden konnten, würden in den Ratsarbeitsgruppen fortgeführt werden. Kommissarin Mairead McGuinness begrüßte die Ambitionen der ungarischen Ratspräsidentschaft. Eine baldige Einigung in den Trilogverhandlungen bei den weniger komplexen Dossiers sei eventuell noch dieses Jahr erreichbar.
Im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung berichtete die Europäische Kommission über den Stand der nationalen Umsetzung der in den Bereich der Finanzmarktregulierung fallenden Gesetzgebungsvorhaben. Auch wenn insgesamt gute Fortschritte erzielt worden seien, werde die Kommission ihrem Mandat bezüglich der Durchsetzung der Umsetzung weiterhin nachkommen, sofern dies erforderlich sei. Die ungarische Ratspräsidentschaft schlug vor, den Stand der Umsetzungsarbeiten im nächsten Semester im ECOFIN erneut zu behandeln.
Bei dem Tagesordnungspunkt zur wirtschaftlichen Erholung stand die Umsetzung der Aufbau- und Resilienzfazilität (Recovery and Resilience Facility, RRF) im Mittelpunkt. Kommissar Paolo Gentiloni berichtete, dass aktuell 267 Mrd. Euro aus der RRF ausgezahlt worden seien. Dies entspreche 41 Prozent des Gesamtvolumens. Bis Ende des Jahres erwarte man, dass der Auszahlungsbetrag auf 300 Mrd. Euro beziehungsweise knapp 50 Prozent der gesamten RRF-Mittel ansteigen werde. Derzeit lägen 16 Auszahlungsanträge seitens der Mitgliedstaaten vor. Von den REPowerEU-Kapiteln seien bereits 26 angenommen worden, nur das von Bulgarien stehe noch aus. Die Kommission werde bald ihren Jahresbericht zur RRF vorlegen.
Mit Blick auf die Ratsdurchführungsbeschlüsse für die Anpassungen der nationalen Aufbau- und Resilienzpläne von Portugal und Litauen erläuterte Kommissar Paolo Gentiloni, dass es sich um zielgerichtete Anpassungen aus objektiven Gründen handle; er befürwortete die Annahme durch den Rat. Der ECOFIN-Rat verabschiedete im Anschluss die Durchführungsbeschlüsse zu den Planrevisionen von Portugal und Litauen.
Das zentrale Thema des ECOFIN-Rats war die Befassung mit den finanziellen Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. Kommissar Paolo Gentiloni stellte die wesentlichen Elemente des am 20. September 2024 vorgelegten Legislativpakets für die Umsetzung der sogenannten G7-ERA-Kredite auf europäischer Seite vor. Er verwies auf die enge Zeitschiene zur Annahme der Legislativtexte, um die Ukraine mit dem geplanten Kreditpaket unterstützen zu können. Die Kommission arbeite mit dem Rat und dem Europäischen Parlament an einer schnellen Annahme der Legislativtexte. Im Europäischen Parlament hätten fast alle Parteien ihre Unterstützung signalisiert. Im Ausschuss der Ständigen Vertreter am 9. Oktober 2024 sei die Annahme der Legislativtexte geplant (ohne Sanktionsanpassung). Für die Anpassung des Sanktionsregimes sei Einstimmigkeit im Rat erforderlich.
WFA-Vorsitz Tuomas Saarenheimo berichtete aus den Sitzungen, dass die Mitgliedstaaten die Arbeiten schnell voranbringen wollten. Unter 26 Mitgliedstaaten bestünde Einigkeit, das Sanktionsregime anzupassen.
Der Vorschlag der Europäischen Kommission stand nicht als legislativer Punkt auf der Agenda, d. h., es wurden hierzu keine Beschlüsse gefasst. Allerdings nutzten fast alle Ministerinnen und Minister die Möglichkeit, um ihre Unterstützung für die Ukraine zu unterstreichen und zu bekräftigen, dass die Arbeiten zügig abgeschlossen werden sollten. Eine Mehrheit der Mitgliedstaaten unterstützte eine schnelle Annahme aller Legislativtexte.
Der ehemalige Finanzminister Christian Lindner rief mit Blick auf die derzeitige Ablehnung Ungarns zu Geschlossenheit auf. Man dürfe sich von Russland nicht spalten lassen. Ungarn müsse seiner Rolle als „ehrlicher Makler“ gerecht werden. Die Unterstützung der Ukraine müsse so lange wie nötig erfolgen. Die Ausführungen des damaligen Bundesfinanzministers Lindner wurden von vielen Mitgliedstaaten unterstützt.
Der ungarische Vorsitz ging nicht auf die Kritik der Mitgliedstaaten ein, sondern schlussfolgerte lediglich, dass die Rechtstexte, bei denen Einigkeit bestünde, noch in diesem Monat abgeschlossen werden könnten. Mit den Sanktionsanpassungen werde man sich erst wieder im November befassen.
EIB-Präsidentin Nadia Calviño ging auf das Engagement der EIB zur Unterstützung der Ukraine ein. Das Board der EIB habe einen Plan zum Schutz und Wiederaufbau der Energieinfrastruktur in der Ukraine verabschiedet. Dieser unterstütze u. a. den Wiederaufbau von Heizkraftwerken und Elektrizitätswerken sowie Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz, um die Nachfrage nach Strom beziehungsweise Wärme zu senken. Diesbezüglich seien Projekte in Höhe von 400 Mio. Euro bis 600 Mio. Euro identifiziert worden. Darüber hinaus arbeite die EIB mit den Behörden der Ukraine (u. a. Schaffung eines Investitionsrahmenwerks) und der Europäischen Bank für Wiederaufbau (für eine technische Hilfsplattform) zusammen.
Außerdem stand das Thema Lehren aus dem Europäischen Semester 2024 auf der Agenda. Die ungarische Ratspräsidentschaft erläuterte einführend, dass der Ablauf des Europäischen Semesters im Jahr 2024 aufgrund der Wahlen zum Europäischen Parlament und der Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts (SWP) anders verlaufen sei als üblich. Durch die erst im Juni erfolgte Vorlage des Frühjahrspakets der Kommission habe sich der Zeitplan nach hinten verschoben und verkürzt. Im Jahr 2025 sollte das Verfahren wieder mehr Raum für eine gründliche Prüfung seitens der Mitgliedstaaten geben.
Auch Kommissar Paolo Gentiloni wies zunächst auf die oben genannten Gründe für das besondere Verfahren im Jahr 2024 hin. Auch betonte er, dass die neue Kommission einen besonderen Fokus auf die Wettbewerbsfähigkeit legen werde. Das Europäische Parlament spiele eine wichtige Rolle bei der Verknüpfung von Reformen und Investitionen auf nationaler und europäischer Ebene. Die länderspezifischen Empfehlungen (LSE) würden weiterhin jährlich vorgelegt werden, im Jahr 2025 werde die Kommission zu umfassenderen LSE zurückkehren. Die Überwachung von Risiken für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen erfolge im Wesentlichen durch den reformierten SWP, weitere Risiken würden im makroökonomischen Ungleichgewichteverfahren (MIP) überwacht werden.
WFA-Vorsitz Tuomas Saarenheimo führte aus, dass die Mitgliedstaaten überwiegend zufrieden mit dem Europäischen Semesterprozess im Jahr 2024 gewesen seien und insbesondere den Fokus der LSE auf Wettbewerbsfähigkeit begrüßt hätten. Wegen der engen Fristen sei allerdings nicht ausreichend Zeit für eine multilaterale Überwachung gewesen. Bezüglich der Berücksichtigung der öffentlichen Verschuldung im MIP habe es unterschiedliche Ansichten der Mitgliedstaaten gegeben. Die Diskussion über den künftigen Umfang des Europäischen Semesters werde man in den nächsten Monaten weiterführen.
Beim sich anschließenden Tagesordnungspunkt zur Vor- und Nachbereitung der internationalen Treffen von G20 und IWF unterrichtete die ungarische Ratspräsidentschaft die Mitgliedstaaten über die Ergebnisse des G20-Treffens FMNBG vom 25. bis 26. Juli 2024 in Rio de Janeiro. Kommissar Paolo Gentiloni verwies auf die Einigung auf ein Kommuniqué, daneben habe es eine Erklärung des Vorsitzes zur geopolitischen Lage gegeben. Wesentliches Thema bei dem Treffen sei die internationale Besteuerung gewesen. Außerdem hob er die Notwendigkeit einer schnellen Finalisierung von Säule 1 der sogenannten Zwei-Säulen-Lösung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zur internationalen Steuerreform hervor. Darüber hinaus sei eine robuste und nachhaltige Finanzierung bei Klima- und Entwicklungsmaßnahmen notwendig.
Die ungarische Ratspräsidentschaft fasste in Vorbereitung des Treffens der G20-FMNBG am Rande der Jahrestagung von IWF und Weltbank in Washington, D.C. vom 23. bis 24. Oktober 2024 die erarbeitete gemeinsame Sprachregelung (EU Terms of Reference) sowie die Erklärung für das International Monetary and Financial Committee (IMFC) zusammen. Beide Dokumente wurden vom Rat gebilligt.
Bei der Herbsttagung seien laut ungarischer Ratspräsidentschaft drei Themenblöcke relevant: externe Finanzierungsmöglichkeiten, insbesondere der Poverty Reduction and Growth Trust Fund (PRGT), länderspezifische Maßnahmen zur Schuldenreduzierung und nationale Reformanstrengungen.
Kommissar Paolo Gentiloni erläuterte, dass die G20- und IMFC-Gespräche von der aktuellen geopolitischen Lage (Nahost, US-Wahlen, russischer Angriffskrieg auf die Ukraine) dominiert würden. Er ergänzte, dass die brasilianische Präsidentschaft das Thema Vermögenssteuer weiterverfolge. Außerdem bedürfe es Fortschritte beim PRGT. Die EZB berichtete, dass sie aktuell die Vorschläge des IWF zum PRGT prüfe. Eine abschließende Bewertung werde bis zum 15. Oktober 2024 erwartet.
Abschließend nahm der ECOFIN-Rat die Ratsschlussfolgerungen zur internationalen Klimafinanzierung an. Diese stellen – wie in den Vorjahren – gemeinsam mit den Ratsschlussfolgerungen des Umweltrats die Positionierung der Europäischen Union (EU) für die UN-Klimakonferenz (COP29) vom 11. bis 22. November 2024 in Baku dar. In den Schlussfolgerungen betonen die Mitgliedstaaten, dass Klimafinanzierung wichtig bleibe und es einen neuen Ansatz benötige, bei dem sich alle Finanzquellen gegenseitig ergänzen. Ein mehrschichtiger Ansatz sei auch mit Blick auf eine aussagekräftige Nachfolgevereinbarung für das Klimafinanzierungsziel im Pariser Abkommen, dem New Collective Quantified Goal, von Bedeutung. Die Zahlen für die Beiträge für 2023 würden Mitte Oktober den Mitgliedstaaten vorgelegt werden. Ziel sei es, die Ratsschlussfolgerungen auf dem ECOFIN im November im Vorfeld der COP29 zu finalisieren.