
Im nächsten Jahr wird eine vorläufige Haushaltsführung notwendig sein, da der Deutsche Bundestag keinen Haushalt 2025 beschlossen hat. Was bedeutet „vorläufige Haushaltsführung“?
Immer wieder kommt es vor, dass aus verschiedenen Gründen eine rechtzeitige Beschlussfassung des Deutschen Bundestags für einen Haushalt des Folgejahres nicht möglich ist. Das ist regelmäßig in Haushaltsjahren nach Bundestagswahlen der Fall. Dann tritt eine Phase ein, die als vorläufige Haushaltsführung bezeichnet wird und so lange andauert, bis ein beschlossener Haushalt vorliegt. Auch ohne ein beschlossenes Haushaltsgesetz ermächtigt Art. 111 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) die Bundesregierung, erforderliche Ausgaben zu leisten. Darunter fallen beispielsweise Ausgaben, um gesetzliche und vertragliche Verpflichtungen zu erfüllen, etwa für Geldleistungen oder Gehälter von Bundesbediensteten, aber auch, um bestehende Einrichtungen zu erhalten oder begonnene Bauten und Beschaffungen fortzusetzen. Gleichzeitig darf die vorläufige Haushaltsführung dem Haushaltsgesetzgeber nicht zu sehr vorgreifen – zusätzliche Ausgaben, die für gewöhnlich im parlamentarischen Verfahren beschlossen werden, beispielsweise für neue Projekte, sind in dieser Phase grundsätzlich nicht möglich. Für Notfälle gibt es natürlich eine Sonderregelung: die Notbewilligung. So wird sichergestellt, dass der Staat handlungsfähig bleibt, die parlamentarischen Kompetenzen aber gleichzeitig respektiert werden.
Wie ist die Rolle des BMF in diesem Prozess? Muss das BMF alle Ausgaben genehmigen? Welche Zuständigkeiten haben die einzelnen Ressorts?
Das BMF muss sicherstellen, dass die Ergebnisse der vorläufigen Haushaltsführung in den Aufstellungsprozess für den Haushalt des laufenden Jahres einfließen. Aus diesem Grund erfolgt die vorläufige Haushaltsführung in den Strukturen, die später voraussichtlich überwiegend auch beschlossen werden. Ein zentraler Schritt für die vorläufige Haushaltsführung ist die Veröffentlichung des entsprechenden BMF-Rundschreibens: Hier präzisiert das BMF die Verwaltungsvorschriften zur Berechnungs- und Bewirtschaftungsgrundlage und gibt weitere Hinweise, wie die vorläufige Haushaltsführung des Bundes erfolgen soll.
Welche Ausgaben geleistet werden, entscheidet das jeweilige Ressort in eigener Verantwortung. Dazu gehört auch, dass das Ressort bewertet, ob die Voraussetzungen nach Art. 111 Abs. 1 GG vorliegen. Diese Verantwortung dürfen und müssen die Ressorts allein tragen.
Wie wirkt sich die vorläufige Haushaltsführung auf die Ausgaben des Bundes aus? Welche Bereiche im Haushalt werden besonders betroffen sein – welche nicht?
In der Gesamtheit sind die Auswirkungen überschaubar. Bereiche, die besonders betroffen sind, gibt es nicht. Was allerdings passieren kann, ist, dass es zu Verzögerungen kommt: Neue Maßnahmen, die noch nicht vom Parlament beschlossen und in den bisherigen Haushalt aufgenommen worden sind, können grundsätzlich nicht durchgeführt werden, wenn sie nicht die Voraussetzungen von Art. 111 GG erfüllen. Natürlich gibt es, wie schon erwähnt, für besondere Fälle, die keinen Aufschub dulden und die Voraussetzungen erfüllen, das Instrument der Notbewilligung.
Wie oft haben Sie in Ihrer Dienstzeit im BMF schon eine vorläufige Haushaltsführung erlebt? Haben Sie daran besondere Erinnerungen?
In Erinnerung bleiben mir die Vorstöße, die zur vermeintlichen Wahrung der Interessen einiger Ressorts unternommen wurden. Hierzu bestand und besteht jedoch kein Anlass. Aber grundsätzlich muss ich sagen: Die vorläufige Haushaltsführung tritt regelmäßig ein und ist nichts Ungewöhnliches. Allein seit dem Jahr 2000 hat es diese Art der Haushaltsführung bereits neunmal gegeben. In meiner Zeit als Unterabteilungsleiterin und dann Abteilungsleiterin ist es inzwischen die Nummer Fünf. Für meine Abteilung ist die vorläufige Haushaltsführung daher nur ein anderer Standardprozess, der sich grundsätzlich nach einer Bundestagswahl, zuletzt in den Jahren 2014, 2018 und 2022, wiederholt. Es ist auch in diesem Fall nicht besonders aufregend.
Den Bundeshaushalt aufzustellen, zu koordinieren und zu beschließen, ist jedes Jahr ein aufwendiger, weitreichender Prozess. Gibt es Bundeshaushalte der Vergangenheit oder Aspekte davon, die Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben sind?
Es ist ein umfangreicher Prozess, das stimmt. Schließlich wird der Haushaltsplan auch als „Regierungsprogramm in Zahlen“ bezeichnet – der muss gründlich abgestimmt und geprüft sein. Der Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt ist übrigens rund 2.500 Seiten stark, und in der Haushaltsabteilung, die ich hier im BMF leiten darf, arbeiten fast 300 Beschäftigte. Unser gemeinsames Ziel ist, dass ein Kabinettsbeschluss über den Regierungsentwurf zum Haushalt zustande kommt. Danach steht das parlamentarische Verfahren an, in dem wir bei der Erstellung konsistenter Beschlussempfehlungen unterstützen.
Was für mich immer besonders war: Meine Abteilung war hier bisher nie Sand im Getriebe, sondern hat aktiv dabei mitgewirkt, den Bundeshaushalt jedes Jahr möglichst zügig und reibungslos einzubringen. Dafür bin ich dankbar. Nach der Verkündung erfolgt die Haushaltsführung sowie die Rechnungslegung mit anschließender Rechnungsprüfung und Entlastung. Auch diese Aufgaben deckt meine Abteilung mit ab. Der gesamte Prozess wird IT-seitig gut und bedarfsgerecht unterstützt. Hier haben wir dennoch eine Modernisierung eingeleitet, um auch künftig die Anforderungen in gewohnt guter Qualität erfüllen zu können.