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BMF-Monatsbericht Dezember 2024

Inhalt

Europäische Wirtschafts- und Finanzpolitik

20.12.2024

Die Eurogruppe und der ECOFIN-Rat tagten am 4. und 5. November 2024 sowie am 9. und 10. Dezember 2024 in Brüssel

Rückblick auf die Sitzungen der Eurogruppe und des ECOFIN-Rats am 4. und 5. November 2024

Eurogruppe

Die Eurogruppe begann mit einem Austausch zu den makroökonomischen Entwicklungen und der Nachbereitung der vorangegangenen internationalen Treffen. Die Europäische Kommission gab den Mitgliedstaaten einen kurzen Überblick über die wirtschaftliche Lage im Euroraum und die Entwicklung der Inflation. Die Mitgliedstaaten der Eurogruppe würdigten die Fortschritte bei der Bekämpfung der Inflation und kamen darin überein, dass die Verschuldung reduziert und die Haushaltspolitik normalisiert werden müsse, ohne dabei zukunftsweisende Investitionen aus den Augen zu verlieren.

Darüber hinaus berichtete die Europäische Kommission von den internationalen Treffen im Kreis der G7 und G20 am Rande der Jahrestagungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank, die vom 22. bis 25. Oktober 2024 in Washington, D.C. stattgefunden hatten. Die Eurogruppe dankte bei dieser Gelegenheit dem italienischen Finanzminister Giancarlo Giorgetti für seine ausgezeichnete Arbeit als G7-Präsidentschaft im Zusammenhang mit der Einigung der G7 auf die sogenannten Extraordinary Acceleration Loans (ERA-Darlehen) für die Ukraine.

Die Eurogruppe im Bankenunionsformat befasste sich im Anschluss mit den operativen Aspekten der Bankenunion. Dabei wurde sowohl die Vorsitzende des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism, SSM) Claudia Buch als auch der Vorsitzende des Einheitlichen Abwicklungsausschusses (Single Resolution Board, SRB) Dominique Laboureix angehört.

Anlässlich des zehnjährigen Bestehens des SSM würdigte Claudia Buch die einheitliche europäische Bankenaufsicht als eine große institutionelle Errungenschaft. In diesem Zusammenhang ging sie auf die Fortschritte im Bankenbereich ein, die seit Bestehen des SSM am 4. November 2014 erzielt worden seien. Es sei gelungen, die Widerstandsfähigkeit der Banken signifikant zu stärken. Dies würde sich beispielsweise im Anstieg der Kernkapitalquoten von 12,7 Prozent Mitte 2015 auf 15,8 Prozent Mitte 2024 sowie im Rückgang des Anteils notleidender Kredite (Non-Performing Loans, NPLs) von über 7 Prozent im Jahr 2015 auf weniger als 2 Prozent im Jahr 2023 widerspiegeln.

Die ersten zehn Jahre haben laut Claudia Buch deutlich werden lassen, dass die Stabilität der einzelnen Institute sehr relevant für die Finanzmarktstabilität im Ganzen sei. Zudem seien gut kapitalisierte Banken die erste Verteidigungslinie gegen negative Schocks und gleichzeitig besser für die Finanzierung der Realwirtschaft gerüstet. Claudia Buch erklärte in diesem Zusammenhang, dass Aufsicht und Regulierungsrahmen in Europa nicht zu konservativ seien und auch nicht die Kreditvergabe der Banken belasten. Trotzdem gebe es Spielraum für Vereinfachungen, solange dadurch nicht die Finanzmarktstabilität gefährdet werde.

Darüber hinaus gab Claudia Buch einen Überblick über die Prioritäten der europäischen Bankenaufsicht bis 2026. Dabei nannte sie u. a. die Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Banken gegen makrofinanzielle und geopolitische Risiken sowie die Sicherstellung einer besseren Steuerung und Erfassung von Klima- und Umweltrisiken in den Banken. Eine weitere Priorität seien die gestiegenen Cyberrisiken. Der diesjährige Cyber-Resilience-Stresstest habe u. a. Verbesserungsbedarfe bei der Bewertung der Abhängigkeit von Drittanbietern und bei der Abschätzung potenzieller Verluste durch Cyberangriffe identifiziert.

Dominique Laboureix berichtete für den SRB, dass die Großbanken beträchtliche Fortschritte bei der Gewährleistung ihrer Abwicklungsfähigkeit erzielt hätten. Dadurch habe sich auch die Widerstandsfähigkeit des gesamten Bankensektors erhöht. Der SRB-Vorsitzende erläuterte zudem seinen Strategiebericht „SRM Vision 2028 Strategy“. Im Bericht werden langfristige Ziele des SRM definiert wie z. B. die Vereinfachung und Operationalisierung von Abwicklungsplänen, der stärkere Einsatz tiefgehender Verfahren zur Bewertung der Abwicklungsfähigkeit sowie der Einrichtung einer Abteilung für Daten und digitale Transformation.

Sowohl Claudia Buch als auch Dominique Laboureix hoben in ihrer Berichterstattung die Notwendigkeit der Vertiefung der Kapitalmarktunion und der Vollendung der Bankenunion, einschließlich des Rahmens für Krisenmanagement und Einlagensicherung (Crisis Management and Deposit Insurance, CMDI) sowie eines europäischen Einlagensicherungssystems (European Deposit Insurance Scheme, EDIS) hervor. Darüber hinaus forderten sie die Ratifizierung der Änderung des Vertrags über den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Dominique Laboureix regte zudem zusätzliche öffentliche Mittel für Liquiditätshilfen im Abwicklungsfall an, die über den ESM Common Backstop hinausgehen würden.

In der anschließenden Diskussion würdigten die Mitgliedstaaten der Eurogruppe die einheitliche Bankenaufsicht als einen nennenswerten Erfolg. Der Forderung des SRB-Vorsitzenden nach zusätzlichen öffentlichen Mitteln für Liquiditätshilfen im Abwicklungsfall erteilte der deutsche Sitzungsvertreter eine klare Absage. Mit Blick auf die neue SRB-Strategie und die Bestrebungen nach mehr Flexibilität bei der Operationalisierung der Abwicklungsinstrumente verwies er zudem auf die Notwendigkeit ausreichender Anforderungen an bail-in-fähiges Kapital (Minimum Requirements for Own Funds and Eligible Liabilities, MREL).

Im Anschluss trafen sich die Mitglieder der Eurogruppe im inklusiven Format und verabschiedeten eine gemeinsame Erklärung zum Thema Wettbewerbsfähigkeit. Sie bildet den Abschluss der Sitzungsreihe der Eurogruppe zum Thema, die im November 2023 begonnen hatte. Im Mittelpunkt der Erklärung stehen die Steigerung von Produktivität und Wachstum, eine bessere und resilientere Energieversorgung in der Europäischen Union (EU), die Stärkung der wirtschaftlichen Widerstandsfähigkeit angesichts eines stärker fragmentierten Welthandels und die Weiterentwicklung des Binnenmarkts. Die Erklärung nennt u. a. die Notwendigkeit nationaler Strukturreformen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität, den Vorrang privater Investitionen zur Deckung der Investitionsbedarfe und die Vertiefung der Kapitalmarktunion. Der deutsche Sitzungsvertreter würdigte die Erklärung als einen guten Kompromiss nach intensiven Diskussionen.

Im Anschluss kam es zu einem Austausch zum Stand der Arbeiten an der Kapitalmarktunion. Die Mitgliedstaaten einigten sich auf ein gemeinsames Verständnis, wie die Fortschritte bei den Arbeiten zur Vertiefung der Kapitalmarktunion künftig überwacht werden sollen (sogenanntes Stocktaking). Zudem fand ein Austausch über nationale Maßnahmen und mögliche Best Practices im Bereich der Kapitalmarktunion statt, aufbauend auf Vorarbeiten des Financial Services Committee. Die Vorarbeiten des Financial Services Committee in Form eines Berichts über nationale Praktiken in relevanten Bereichen der Kapitalmarktunion umfassen insbesondere die Themen Sustainable Finance, Berichterstattungspflichten für kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU), Eigenkapitalfinanzierung, Verbriefungen sowie Altersvorsorge und finanzielle Bildung.

Die Europäische Kommission stellte fest, dass aus der Arbeit des Financial Services Committee viel gelernt werden könne. Sie kündigte in diesem Zusammenhang an, Vorschläge im Bereich Verbriefungen vorlegen zu wollen. Der deutsche Sitzungsvertreter begrüßte diese Ankündigung der Europäischen Kommission. Andere Mitgliedstaaten schlossen sich an. Der deutsche Sitzungsvertreter wies zudem darauf hin, dass die geplante regelmäßige Bestandsaufnahme der Fortschritte im Bereich der Kapitalmarktunion nicht zu neuer unnötiger Bürokratie führen dürfe.

ECOFIN-Rat

Am 5. November 2024 kamen die Mitgliedstaaten vor dem offiziellen Beginn der ECOFIN-Ratstagung zu einem informellen Arbeitsfrühstück zusammen. Im Mittelpunkt stand der Austausch über die steuerlichen Aspekte des Draghi-Berichts. Der Bericht nennt u. a. die Vereinfachung des Steuerrechts und den Abbau von Bürokratie als Faktoren zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit. Die Europäische Kommission erklärte, dass es im Steuerbereich geeignete Instrumente gebe, um Anreize für mehr Investitionen zu schaffen. Sie nannte in diesem Zusammenhang u. a. die Richtlinie für die neuen Vorschriften für Quellensteuerverfahren (Faster and Safer Tax Relief of Excess Withholding Taxes, FASTER), die durch sicherere und schnellere Verfahren zur Entlastung von einer Doppelbesteuerung dazu beitrage, grenzüberschreitende Investitionen zu fördern und Steuermissbrauch zu bekämpfen. Darüber hinaus erklärte die Europäische Kommission in Übereinstimmung mit dem Draghi-Bericht, dass das Einstimmigkeitsprinzip im Rat in Steuerfragen ein Hindernis für schnelles und effektives Handeln darstelle und geändert werden sollte.

In der anschließenden Diskussion waren sich die wortnehmenden Mitgliedstaaten über die Notwendigkeit weniger komplexer Steuerregelungen einig und sprachen sich für eine Überarbeitung der Energiesteuerrichtlinie aus. Der deutsche Sitzungsvertreter wies darauf hin, dass die Einführung der Mindestbesteuerung bei Fragen der Vereinfachung zu berücksichtigen sei. Eine größere Gruppe von Mitgliedstaaten sprach sich zudem ausdrücklich gegen eine Debatte über die Einführung qualifizierter Mehrheitsentscheidungen im Rat in Steuerfragen aus.

Zu Beginn des Treffens des Rats für Wirtschaft und Finanzen (ECOFIN) informierte die ungarische Ratspräsidentschaft zunächst im öffentlich gehaltenen Teil über die aktuellen Gesetzgebungsvorschläge im Finanzdienstleistungsbereich. Im Anschluss einigten sich die Mitgliedstaaten auf das Gesetzespaket zur „Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter“ (VAT in the Digital Age, ViDA). Schwerpunkte des Pakets sind die elektronische Rechnungsstellung sowie harmonisierte Regelungen für Umsatzmeldesysteme, die Novellierung der Besteuerung von Vermittlungsplattformen im Beherbergungs- beziehungsweise Personentransportsektor sowie der Abbau bürokratischer Lasten insbesondere für grenzüberschreitend tätige Unternehmen. Die Bundesregierung begrüßt die Einigung. Wichtigster Komplex sind aus Sicht der Bundesregierung die Regelungen zu den elektronischen Rechnungen sowie den Meldesystemen. Die Regelungen sind ein Schritt in Richtung einer weiteren Digitalisierung mehrwertsteuerlicher Verfahren.

Der Kompromiss trägt sowohl einer längeren Umsetzungsfrist für die Plattformregelung als auch einer möglichst frühen Anwendung Rechnung. Die Mitgliedstaaten können die Regelungen frühestens ab dem 1. Juli 2028 anwenden, müssen sie aber spätestens bis zum 1. Januar 2030 umsetzen. In einer Protokollerklärung betonte die Kommission die Notwendigkeit einer Überarbeitung des derzeitigen europäischen Standards für elektronische Rechnungen und verwies auf die insoweit laufenden Arbeiten. Die ungarische Ratspräsidentschaft kündigte an, das Europäische Parlament erneut zum Richtlinienentwurf anzuhören.

Anschließend befassten sich die Mitgliedstaaten mit den Aufbau- und Resilienzplänen (ARP). Die Europäische Kommission berichtete zunächst über den aktuellen Stand der Umsetzung der Aufbau- und Resilienzfazilität (Recovery and Resilience Facility, RRF) und stellte den Mitgliedstaaten ihren dritten RRF-Jahresbericht vor. Zum 5. November 2024 waren rund 41 Prozent der zur Verfügung stehenden RRF-Mittel ausgezahlt worden. Die Europäische Kommission erklärte in diesem Zusammenhang, dass sie bis Ende 2024 mit einer Auszahlungssumme von über 300 Mrd. Euro rechne. Das wären mehr als 50 Prozent der Gesamt-RRF-Mittel. Bis zum Ende der Laufzeit im Dezember 2026 sei noch viel zu tun.

Mit Blick auf den Prüfbericht des Europäischen Rechnungshofs (ERH) zur Mittelverwendung im Rahmen der RRF erklärte die Europäische Kommission, dass sie den Schlussfolgerungen des ERH in einigen Punkten nicht folgen könne. Alle von der Europäischen Kommission bestätigten Ziele und Zwischenziele seien tatsächlich erreicht worden. Im Anschluss nahm der Rat die Durchführungsbeschlüsse zu den Änderungen der nationalen ARP Tschechiens und der Niederlande an.

Danach fand eine Aussprache zu den ökonomischen und finanziellen Folgen des Kriegs in der Ukraine statt. Die Europäische Kommission und der italienische Finanzminister Giancarlo Giorgetti berichteten zunächst über die Einigung der G7 bezüglich der ERA-Darlehen an die Ukraine unter Verwendung der „Windfall Profits“ aus immobilisierten Vermögenswerten der russischen Zentralbank in Höhe von rund 50 Mrd. US-Dollar. Beide begrüßten die Beteiligung der USA mit einem Beitrag von 20 Mrd. US-Dollar.

Die Europäische Kommission lobte auch die schnelle Einigung bezüglich der Verordnung zur Schaffung eines Ukraine Loan Cooperation Mechanism (ULCM) und der Bereitstellung einer Makrofinanzhilfe (MFH) zugunsten der Ukraine. Der deutsche Sitzungsvertreter und die weiteren wortnehmenden Mitgliedstaaten würdigten die Einigung zur Umsetzung der ERA-Darlehen als ein Zeichen der Geschlossenheit und der Handlungsfähigkeit der EU und der G7. Darüber hinaus lobten sie die Einigungen auf die MFH und den ULCM.

Als nächster Tagesordnungspunkt (TOP) wurde der Jahresbericht des Europäischen Fiskalausschusses (EFB) behandelt. Der EFB-Vorsitzende Nils Thygesen stellte den Mitgliedstaaten die Kernaussagen des Berichts vor. Im Mittelpunkt standen die Analyse der haushaltspolitischen Überwachung durch die Europäische Kommission im Jahr 2023, Fragen der praktischen Anwendung der reformierten Fiskalregeln und die aggregierte fiskalpolitische Ausrichtung der Mitgliedstaaten. Der EFB-Vorsitzende kritisierte die Entscheidung der Europäischen Kommission, die Ausnahmeklausel des Stabilitäts- und Wachstumspakts auch im Jahr 2023 angewendet zu haben, obwohl dies durch die wirtschaftliche Entwicklung nicht gerechtfertigt gewesen sei. Die Lage der öffentlichen Haushalte habe sich im Jahr 2023 kaum verbessert, obwohl viele staatliche Maßnahmen im Zusammenhang mit der Corona-Krise und zur Abfederung des Anstiegs der Energiekosten ausgelaufen seien. Da dies die letzte Sitzung mit den ausscheidenden Mitgliedern des EFB war, dankte der Rat dem EFB-Präsidenten und den anderen Ausschussmitgliedern, deren Amtszeit nach acht Jahren zu Ende geht.

Im Anschluss einigten sich die Mitgliedstaaten auf Schlussfolgerungen zu den EU-Statistiken. Eurostat bereitet jedes Jahr ein „Herbst-Statistik-Paket“ vor. Das Paket enthält Dokumente zu politisch relevanten Themen wie z. B. den Herausforderungen, dem Bedarf an Daten und den Fortschritten der amtlichen Statistik bei der Entwicklung und Bereitstellung qualitativ hochwertiger Statistiken, die zu den Prioritäten der EU beitragen. Diese Dokumente sind üblicherweise keine Rechtsakte. Das Paket dient als Maßgabe für die weitere Arbeit des Europäischen Statistischen Systems unter Berücksichtigung aktueller Entwicklungen.

Zum Abschluss des ECOFIN-Rats stand die Nachbereitung des letzten Treffens der G20-Ministerinnen und Minister unter brasilianischer G20-Präsidentschaft auf der Tagesordnung. Das Treffen hatte am 23. und 24. Oktober 2024 am Rande der Jahrestagungen von IWF und Weltbank in Washington, D.C. stattgefunden. Die ungarische Ratspräsidentschaft informierte die Mitgliedstaaten über die wichtigsten Punkte des Treffens. Die Verabschiedung einer Roadmap für bessere, größere und effizientere multilaterale Entwicklungsbanken sei ein wichtiges Ergebnis gewesen. Darüber hinaus informierte die Ratspräsidentschaft über die Einigung auf ein gemeinsames Kommuniqué sowie über ein Chair Statement zur geopolitischen Lage. Der erzielte Konsens über eine G20-Note zu den Lehren aus dem Common Framework sei zu begrüßen. Das Treffen in Washington, D.C. sei mit einer Übergabe an die kommende südafrikanische G20-Präsidentschaft zu Ende gegangen, die zum 1. Dezember 2024 offiziell die G20-Präsidentschaft übernommen habe.

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Rückblick auf die Sitzungen der Eurogruppe und des ECOFIN-Rats am 9. und 10. Dezember 2024

Eurogruppe

Die Eurogruppe begann im inklusiven Format. Die britische Finanzministerin Rachel Reeves war zu einem wirtschaftspolitischen Dialog mit dem Vereinigten Königreich zu Gast. Dies war der erste Besuch einer britischen Finanzministerin beziehungsweise eines britischen Finanzministers seit dem Vollzug des Brexit. Eurogruppen-Präsident Paschal Donohoe betonte die vielen gemeinsamen Herausforderungen. Es sei ein guter Zeitpunkt, um mit der neuen britischen Regierung die Zusammenarbeit zu intensivieren.

Rachel Reeves hob hervor, dass die neue britische Regierung an einem „Reset“ arbeite. Als konkrete gemeinsame Herausforderung nannte sie die Frage, wie mehr Wachstum und höhere Lebensstandards geschaffen werden könnten. Eine Antwort darauf sei eine stärkere Zusammenarbeit zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU. Dazu gehöre – neben der gemeinsamen Unterstützung der Ukraine und der Zusammenarbeit in der Verteidigungspolitik – eine Intensivierung der Handelsbeziehungen und die Zusammenarbeit in anderen Bereichen, wie Forschung und Entwicklung oder im Finanzdienstleistungsbereich.

Kommissar Valdis Dombrovskis betonte, dass die EU und das Vereinigte Königreich enger zusammenarbeiten sollten. Auch die G7 müsse weiter gestärkt werden.

Die wortnehmenden Mitgliedstaaten begrüßten eine engere Kooperation mit dem Vereinigten Königreich. Dies betonte auch der neue Bundesfinanzminister Dr. Jörg Kukies. Man müsse auf den jeweiligen Stärken aufbauen. Seit dem Brexit habe der Handel mit dem Vereinigten Königreich deutlich abgenommen. Hier wäre eine Umkehr des Trends zu begrüßen. Der Finanzminister würdigte auch die bereits bestehende erfolgreiche Zusammenarbeit, etwa bei den sogenannten ERA-Darlehen der G7 für die Ukraine.

Das erste Thema auf der Agenda der sich anschließenden Eurogruppe im regulären Format war die makroökonomische Entwicklung und politische Koordinierung im Euroraum, inklusive der Artikel-IV-Mission des Internationalen Währungsfonds (IWF) zum Euroraum. Alfred Kammer, der Leiter der Europaabteilung im IWF, stellte die Zwischenergebnisse des Stabsbesuchs vor. Der IWF habe bereits Ende Oktober im Rahmen seines Regional Economic Outlook für Europa diagnostiziert, dass die Wirtschaft sich zwar erhole, die Erholung aber hinter ihren Möglichkeiten zurückbleibe, u. a. infolge von hoher Unsicherheit angesichts weiterhin erhöhter Kerninflation, politischen Unsicherheiten und geopolitischen Konflikten. Zugleich gebe es strukturelle Herausforderungen, die das Produktivitätswachstum dämpfen würden. Neben begrenzter Firmengröße und Unternehmensdynamik gegenüber anderen Wirtschaftsregionen nannte der IWF einen zunehmenden Gegenwind infolge von Fragmentierung und Klimawandel. Die von der Europäischen Kommission am 15. November 2024 vorgelegte Herbstprognose zeichnete ein Bild der „allmählichen Erholung unter widrigen Bedingungen“. Die Kommission attestierte, dass die Wirtschaft trotz eines extrem herausfordernden Umfelds eine „sanfte Landung“ erzielt habe und die Bedingungen für eine weitere Belebung des Konsums gegeben seien.

Darauf folgte der Tagesordnungspunkt (TOP) zur Bewertung der Haushaltsplanungen der Mitgliedstaaten des Euroraums sowie zur haushaltspolitischen Lage und zu den Aussichten im Euroraum. Die Eurogruppe verabschiedete dazu eine gemeinsame Erklärung. Darin wird die Einreichung der finanzpolitisch-strukturellen Pläne (FSP) und der Draft Budgetary Plans (DBP) als erster Schritt zur effektiven Umsetzung der reformierten Fiskalregeln begrüßt. Die DBP seien ein wichtiges Element zur Koordinierung der Finanzpolitik im Euroraum und für die jährliche Bewertung des erwarteten Ausgabenwachstums. Die Eurogruppe begrüßte die DBP, die gemäß der Einschätzung der Europäischen Kommission den fiskalischen Empfehlungen entsprechen. Mitgliedstaaten, deren DBP das Risiko aufweisen, nicht im Einklang mit den Empfehlungen zu stehen, werden aufgefordert, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Die Eurogruppe bewertete zudem die von der Europäischen Kommission erwartete leicht restriktive fiskalische Ausrichtung für den Euroraum als Ganzes für das Jahr 2025 als angemessen.

Bundesfinanzminister Kukies unterstützte die Erklärung und unterstrich, dass die Bundesregierung die Umsetzung der reformierten Fiskalregeln auch nach der erfolgten Umbildung eng begleiten werde.

Unter „Verschiedenes“ ging es um die Zusammenarbeit der Eurogruppe mit dem Europäischen Parlament. Im Rahmen der reformierten Fiskalregeln ist der Präsident der Eurogruppe verpflichtet, das Europäische Parlament jährlich über Elemente der multilateralen Überwachung im Euroraum zu informieren. Eurogruppen-Präsident Paschal Donohoe erläuterte seinen Plan, dieser neuen Verpflichtung im Rahmen eines kurzen Briefs nachzukommen. Dem Ausschuss für Wirtschaft und Währung (ECON) des Europäischen Parlaments bleibt es unabhängig davon vorbehalten, den Eurogruppen-Präsident auch in den Ausschuss einzuladen. Vorbild des Briefs sei der Brief des Eurogruppen-Präsidenten an den Präsidenten des Europäischen Rats in Vorbereitung der Eurogipfel – allerdings mit deutlich engerem Fokus: Thematisch sollen nur Arbeiten im Bereich der fiskalischen Überwachung erwähnt werden. Die Vorsitzende des ECON-Ausschusses des Europäischen Parlaments Aurore Lalucq (S&D) war zu dem TOP eingeladen.

ECOFIN-Rat

Am 10. Dezember 2024 kamen die Mitgliedstaaten vor dem offiziellen Beginn der ECOFIN-Ratstagung zu einem informellen Arbeitsfrühstück zusammen. Erneut ging es um die wirtschaftliche Entwicklung. Kommissar Wopke Hoekstra berichtete zudem über die Ergebnisse der UN-Weltklimakonferenz COP29 in Baku, Aserbaidschan, im November 2024.

Darauf folgte der ECOFIN. Im öffentlichen Teil der Sitzung stellte die ungarische Ratspräsidentschaft ihren Fortschrittsbericht zum Reformpaket für die Zollunion vor und verwies auf die gemeinsame Anstrengung des Ratspräsidententrios, die Verhandlungen zu intensivieren. Das Reformvorhaben sei komplex. Im Mittelpunkt der technischen Beratungen hätten die neue EU-Zollbehörde (EU Customs Authority, EUCA), der Aufbau der Zolldatenplattform (EU Customs Data Hub) und der E-Commerce gestanden. Man sei sich sicher, dass man eine gute Basis für die weiteren Arbeiten unter polnischer Ratspräsidentschaft erzielt habe. Der polnische Finanzminister bestätigte, dass man das Dossier unter polnischer Ratspräsidentschaft im 1. Halbjahr 2025 voranbringen werde.

Kommissar Maroš Šefčovič hob die Wichtigkeit des Reformvorhabens hervor, insbesondere vor dem Hintergrund der neuen geopolitischen Realitäten und den Spannungen im Welthandel. Beim E-Commerce steige der Handlungsdruck, da der Sendungsstrom konstant zunehme. Die Zollbehörden müssten besser für diese Herausforderungen ausgestattet werden.

Knapp die Hälfte der Mitgliedstaaten meldete sich zu Wort, betonte die Wichtigkeit der Zollreform und wies auf einzelne Herausforderungen, insbesondere beim E-Commerce und den Kontrollen, hin.

Bundesfinanzminister Kukies begrüßte die fortschreitenden Verhandlungen im Rat. Gemeinsames Ziel sei es, die EU-Zollunion effizienter, resilienter und zukunftsfester zu machen, auch mit Blick auf die geopolitischen Herausforderungen. Faire Wettbewerbsbedingungen seien essenziell, insbesondere für KMU. Inhaltliche Schwerpunkte seien daher aus deutscher Sicht die Bürokratieentlastung, der E-Commerce sowie eine starke Rolle der Mitgliedstaaten bei der neuen EU-Zollbehörde EUCA.

Kommissar Šefčovič sah sich durch die Interventionen der Mitgliedstaaten bestärkt, die Verhandlungen zügig fortzusetzen.

Der Fortschrittsbericht der ungarischen Ratspräsidentschaft wurde zur Kenntnis genommen.

Ebenfalls im öffentlichen Teil der Sitzung fand eine Aussprache zum Vorschlag der Kommission zur Neufassung der Energiesteuerrichtlinie statt. Der Vorschlag ist Teil des Fit-for-55-Pakets und wird seit dem Jahr 2021 verhandelt. Die Notwendigkeit einer Neufassung wird grundsätzlich von allen Mitgliedstaaten geteilt, die erforderliche Einstimmigkeit stellt jedoch eine Herausforderung dar. Im Zentrum stand die von der Kommission vorgeschlagene Besteuerung der gewerblichen Luft- und Schifffahrt. Hier lagen die Interessen in den Verhandlungen bisher zu weit auseinander. Die ungarische Ratspräsidentschaft schlug daher vor, diese Bereiche von der Richtlinie auszunehmen, um eine Einigung zu ermöglichen.

Kommissar Hoekstra betonte die Wichtigkeit der Reform und zeigte sich enttäuscht darüber, dass der Vorschlag in Bezug auf die Klimaambitionen deutlich abgeschwächt worden sei. Hier gehe es auch um ein ausgewogenes Maß: Würden einige Sektoren ausgenommen werden, müssten andere Sektoren stärkere Einsparungen erzielen. Kommissar Hoekstra verwies auf die Klimakrise und die Bedeutung des Klimaschutzes als Wirtschaftsstrategie und schloss mit der Feststellung, dass weitere Arbeiten an dem Dossier notwendig seien.

Es folgte eine fast vollständige Tischrunde. Die Mitgliedstaaten betonten, dass Klimapolitik, Wettbewerbsfähigkeit und die spezifische Situation der einzelnen Mitgliedstaaten evaluiert und berücksichtigt werden müssten. Erwartungsgemäß wurden hier unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt. Einige Mitgliedstaaten sahen noch grundlegenden Bedarf zur Überarbeitung und mahnten insbesondere die fehlende Ambition des Kompromisstextes an, die gesetzten Klimaschutzziele zu erreichen. Insgesamt stimmte jedoch eine Mehrheit der Mitgliedstaaten dem Vorgehen der ungarischen Ratspräsidentschaft im Grundsatz zu und begrüßte den Kompromisstext als einen Schritt in die richtige Richtung.

Auch Bundesfinanzminister Kukies unterstützte im Interesse eines zügigen Abschlusses der Richtlinie das Vorgehen, da die bisherige Richtlinie nicht den aktuellen und künftigen Anforderungen gerecht werde und daher dringend überarbeitet werden müsse. Die Entscheidung, die bisherigen Regelungen im Bereich Luft- und Schifffahrt beizubehalten, könne mitgetragen werden, wenn dadurch eine zeitnahe Einigung des Gesamtdossiers erreicht werde. In Deutschland gebe es bereits eine Luftverkehrsteuer. Vor diesem Hintergrund spreche sich Deutschland weiterhin für die Einführung einer harmonisierten Luftverkehrsteuer auf EU-Ebene aus.

Die ungarische Ratspräsidentschaft gab außerdem im öffentlichen Teil der Sitzung einen Überblick zum aktuellen Stand der laufenden Gesetzgebungsverfahren im Bereich Finanzdienstleistungen. Ziel sei es, die Trilogverhandlungen bei den zwei Legislativpaketen zum Datenaustausch zwischen Aufsichtsbehörden sowie zur Überprüfung der Benchmark-Verordnung noch erfolgreich unter ihrer Ratspräsidentschaft abzuschließen.

Kommissarin Maria Luís Albuquerque würdigte die Fortschritte bei den für die Kapitalmarktunion wichtigen Dossiers. Zudem betonte sie die Bedeutung des Rahmenwerks für das Krisenmanagement bei Banken und der Einlagensicherung für die Stärkung der Bankenunion.

Im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung folgten eine Präsentation und ein Austausch zum Jahresbericht zum Haushaltsjahr 2023 des ERH. ERH-Präsident Tony Murphy präsentierte die Ergebnisse des Berichts. Er wies darauf hin, dass der ERH-Jahresbericht die Grundlage für das Entlastungsverfahren der Europäischen Kommission darstelle. Zur Zuverlässigkeit der Rechnungsführung der EU sowie in Bezug auf die Einnahmen könne der ERH ein uneingeschränktes Prüfungsurteil abgeben. In Bezug auf die Ausgabenseite habe der ERH das Prüfungsurteil für den traditionellen Haushalt aufgrund der hohen Fehlerquote (mit geschätzten 5,6 Prozent für das Jahr 2023) versagt und für die RRF nur ein eingeschränktes Prüfungsurteil abgeben können.

Der Jahresbericht richtet sich mit seinen Empfehlungen in erster Linie an die Europäische Kommission. Kommissar Piotr Serafin hob das uneingeschränkte Prüfungsurteil für die EU-Rechnungsführung hervor, mit dem auch die Rechtmäßigkeit der Einnahmen in allen Bereichen attestiert werde. Das Urteil zur Ausgabenseite (sowohl für die traditionellen Ausgaben als auch für die Ausgaben im Rahmen der RRF) bewerte die Kommission teilweise anders als der ERH. Hinsichtlich der Fehlerquote auf der Ausgabenseite hob Kommissar Serafin hervor, dass diese nicht auf erhöhte Betrugsvorgänge, sondern auf Verwaltungsfehler zurückzuführen sei. Man werde im nächsten Jahr zu den Themen einen Austausch mit dem ERH suchen.

Die wortnehmenden Mitgliedstaaten bedauerten ausdrücklich die hohe Fehlerquote und sprachen sich im Rahmen des Entlastungsverfahrens für eine sorgfältige Bewertung der ERH-Feststellungen aus. Der Rat ist nun aufgefordert, in den kommenden Monaten seine Empfehlung an das Europäische Parlament zu erarbeiten.

Als nächster TOP stellte Kommissar Dombrovskis zur Umsetzung des Rahmens für die wirtschaftspolitische Steuerung den ersten Teil des am 26. November vorgelegten Herbstpakets der Kommission vor. Konkret gehe es – ähnlich zur Eurogruppe am Vortag – um die Umsetzung des reformierten Fiskalrahmens und die Vorschläge für Ratsempfehlungen zu den mittelfristigen FSP der Mitgliedstaaten und zu den Defizitverfahren. Kommissar Dombrovskis empfahl dem Rat für 20 Mitgliedstaaten die Annahme der Nettoausgabenpfade aus den FSP. Für die acht vom Defizitverfahren betroffenen Mitgliedstaaten empfahl die Kommission mehrjährige Nettoausgabenpfade zur Korrektur des übermäßigen Defizits. Damit könne die Kommission ein positives erstes Zwischenfazit zur Anwendung der neuen Fiskalregeln ziehen.

Bundesfinanzminister Kukies unterstrich die Wichtigkeit einer konsequenten und transparenten Umsetzung der neuen Fiskalregeln. Ähnlich äußerten sich eine Reihe von Mitgliedstaaten und die Europäische Zentralbank. Finanzminister Kukies erläuterte, dass man mit der Kommission vereinbart habe, den deutschen FSP nach der Bildung der neuen Regierung vorzulegen.

Abschließend kündigte die ungarische Ratspräsidentschaft an, dass die nachfolgende polnische Präsidentschaft die Annahme der Ratsempfehlungen zu den Nettoausgabenpfaden und zu den Abbaupfaden im Rahmen der laufenden Defizitverfahren durch den ECOFIN-Rat am 21. Januar 2025 plane.

Beim TOP zur wirtschaftlichen Erholung in Europa berichtete die Europäische Kommission zum Umsetzungsstand bei der RRF. Kommissar Raffaele Fitto fasste zusammen, dass man bei der Implementierung ein gutes Tempo erreicht habe. Mittlerweile seien rund 42 Prozent der Gesamtmittel ausgezahlt worden. Das entspreche 269 Mrd. Euro an 26 Mitgliedstaaten. Bis Ende des Jahres würden voraussichtlich weitere rund 35 Mrd. Euro ausgezahlt werden, sodass der Gesamtbetrag auf über 300 Mrd. Euro ansteige.

Außerdem wurden die Durchführungsbeschlüsse zur Änderung der nationalen ARP nach Art. 21 RRF-Verordnung von vier Mitgliedstaaten (Schweden, Slowenien, Dänemark und Belgien) angenommen.

Im Anschluss fand eine Aussprache zu den wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine statt. Kommissar Dombrovskis berichtete über die jüngsten wirtschaftlichen Entwicklungen in der Ukraine. Die Sanktionen gegen Russland zeigten Wirkung, allerdings unternehme Russland große Anstrengungen, diese zu umgehen.

Zum aktuellen Stand bei der Umsetzung der ERA-Darlehen der G7 berichtete Kommissar Dombrovskis, dass die Umsetzung nach Plan verlaufe.

In der anschließenden Aussprache betonten die wortnehmenden Mitgliedstaaten, die EU müsse die Ukraine weiter in vollem Umfang unterstützen. Wichtig seien die konsequente Durchsetzung der Sanktionen, ihre Weiterentwicklung und die Bekämpfung von Sanktionsumgehungen.

Bundesfinanzminister Kukies würdigte die Einigung auf die ERA-Darlehen, die Schaffung der Makrofinanzhilfe und des sogenannten Ukraine Loan Cooperation Mechanism durch die EU als großen Erfolg.