BMF-Monatsbericht Februar 2025

Inhalt

Geplante Grundgesetzänderung zur kommunalen Altschuldenhilfe des Bundes

25.02.2025
  • Die Regierungsparteien der 20. Legislaturperiode hatten sich in ihrem Koalitionsvertrag das Ziel gesetzt, dass der Bund einmalig gemeinsam mit den Ländern hochverschuldete Kommunen vollständig von ihren übermäßigen Altschulden befreit.
  • Die Bundesregierung hat am 24. Januar 2025 den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 143h) beschlossen und damit einen wichtigen Schritt zur Lösung der Altschuldenproblematik gemacht.
  • Der Gesetzentwurf schafft mit einem neuen Artikel die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für eine einmalige hälftige Beteiligung des Bundes an den kommunalen Entschuldungsmaßnahmen der Länder. Diese sollen die hochverschuldeten Kommunen vollständig von ihren zum 31. Dezember 2023 bestehenden übermäßigen Liquiditätskrediten befreien. Bereits durchgeführte Entschuldungsprogramme und die besondere Verschuldungssituation von Stadtstaaten sollen hierbei berücksichtigt werden.
  • Im Gegenzug sollen die Länder, welche die Altschuldenhilfe des Bundes in Anspruch nehmen, dazu verpflichtet werden, geeignete haushalts- und aufsichtsrechtliche Maßnahmen zu ergreifen, damit zukünftig ein Wiederanstieg der kommunalen Verschuldung vermieden wird.
  • Mit dem Gesetzentwurf soll die verfassungsrechtliche Grundlage für eine etwaige einfachgesetzliche Ausgestaltung der Altschuldenlösung in der nächsten Legislaturperiode geschaffen werden.

Einleitung

Zahlreiche Kommunen in Deutschland haben über viele Jahre einen hohen Bestand kommunaler Liquiditätskredite aufgebaut. Ende 2023 beliefen sich die zur Liquiditätssicherung aufgenommenen kommunalen Schulden auf circa 31 Mrd. Euro. Die Tilgungs- und Zinsbelastungen dieser Liquiditätskredite beeinträchtigen die betroffenen Kommunen darin, ihre Aufgaben zu erfüllen und wichtige Investitionen zu tätigen. Ohne Hilfe werden die betroffenen hochverschuldeten Kommunen absehbar nicht hinreichend in der Lage sein, sich von diesen Schulden zu befreien.

Vor diesem Hintergrund haben die Regierungsparteien in der 20. Legislaturperiode im Koalitionsvertrag vereinbart, in einer gemeinsamen Kraftanstrengung mit den betroffenen Ländern hochverschuldete Kommunen von ihren Altschulden zu entlasten. Für eine gezielte Beteiligung des Bundes an den Altschuldenlösungen der Länder bedarf es jedoch aufgrund der verfassungsrechtlichen Regelungen zur eigenständigen Finanzierungsverantwortung und zur Haushaltsautonomie einer Grundgesetzänderung mit Zweidrittelmehrheiten im Deutschen Bundestag und Bundesrat.

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Das Altschuldenvorhaben des Bundes

Zur Lösung der Altschuldenproblematik hatte das BMF bereits zu Beginn der 20. Legislaturperiode Eckpunkte für eine Altschuldenhilfe unter Beteiligung des Bundes vorgelegt. Auf dieser Basis wurden Gespräche mit den Ländern und den für eine verfassungsändernde Mehrheit maßgeblichen Fraktionen im Deutschen Bundestag geführt. Im Ergebnis dieser Gespräche blieb jedoch die Erreichbarkeit der verfassungsändernden Mehrheiten ungewiss.

Eckpunkte des BMF für eine Altschuldenregelung


1. Bundesbeteiligung an Entschuldungsprogrammen der Länder

Die Entlastung der Kommunen von Altschulden erfolgt in einer gemeinsamen, einmaligen Kraftanstrengung des Bundes und der betroffenen Länder. Hierzu beteiligt sich der Bund an einer umfassenden Entschuldung der Kommunen durch die jeweiligen Länder (s. a. 5.). Alle Länder mit betroffenen Kommunen haben die Möglichkeit zur Teilnahme („opt-in“). Es erfolgt keine Mitfinanzierung durch nicht teilnehmende Länder.

2. Höhe der Bundesbeteiligung
Die Höhe der Bundesbeteiligung beläuft sich auf 50 Prozent der vom Land bereits übernommenen beziehungsweise bis spätestens zum […] zu übernehmenden übermäßigen Liquiditätskredite, deren Zins- und Tilgungslast nachweislich komplett vom Land getragen wird.
Die bereits erfolgten Liquiditätskreditentschuldungen durch die Länder Niedersachsen (Zukunftsvertrag), Hessen (Hessenkasse), Saarland (Saarlandpakt) und Brandenburg (Teilentschuldung kreisfreie Städte) werden ebenso wie die Stadtstaaten bei der kommunalen Altschuldenhilfe entsprechend berücksichtigt.

3. Definition übermäßige Liquiditätskredite
Als übermäßig gelten diejenigen Liquiditätskredite einer Kommune, die für eigene Zwecke und nicht zur Finanzierung von Investitionen oder anderem Kommunalvermögen verwendet wurden und einen Sockelbetrag von 100 Euro je Einwohner überschreiten. Zur Vermeidung von negativen Anreizeffekten beläuft sich die Bundesbeteiligung auf maximal 50 Prozent der zum Stichtag […] bestehenden übermäßigen Liquiditätskredite.

4. Art und Zeitpunkt der Bundesbeteiligung
Die Beteiligung des Bundes an der Altschuldenhilfe der Länder erfolgt durch Übernahme von Landesschulden (Schuldeintritt). Die Übernahme von Landesschulden erfolgt nach umfassender Entschuldung der Kommunen durch das jeweilige Land.

5. Umfang der Entschuldung/Eigenbeteiligung der Kommunen
Der Bund beteiligt sich ausschließlich an Landesprogrammen, die ihre Kommunen komplett von übermäßigen Liquiditätskrediten befreien. Die Länder tragen dafür Sorge, dass die Kommunen eigene Beiträge zur Entschuldung leisten.

6. Vermeidung erneuter Schuldenaufbau
Voraussetzung für eine Beteiligung des Bundes an Entschuldungsprogrammen der Länder ist, dass sich diese Länder verpflichten, einen erneuten Aufbau kommunaler Liquiditätskredite zu verhindern. Der Rahmen für die hierzu notwendigen Elemente im Haushalts- und Aufsichtsrecht der Länder wird bundesrechtlich festgelegt. Das Monitoring über die Umsetzung in den Ländern erfolgt in Form eines Berichts der Länder an den Bund.

7. Erforderliche Grundgesetzänderung
Für die Beteiligung des Bundes an Entschuldungsprogrammen der Länder bedarf es mit Blick auf Art. 104a Abs. 1 und Art. 109 Abs. 1 Grundgesetz der Schaffung einer verfassungsrechtlichen Grundlage für die einmalige Übernahme von Landesschulden sowie der hierauf bezogenen inhaltlich beschränkten Ermächtigung des Bundes für haushaltsrechtliche Anforderungen an die Länder, die den erneuten Aufbau übermäßiger Liquiditätskredite verhindern soll.

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Der Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes

Angesichts des vorzeitigen Endes der laufenden Legislaturperiode und der Dringlichkeit der Lösung der Altschuldenproblematik hat sich die Bundesregierung entschieden, einen weiteren Schritt zur Umsetzung des Altschuldenvorhabens zu machen. Das Bundeskabinett hat am 24. Januar 2025 einen Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes (GG) beschlossen, der die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für eine einmalige Beteiligung des Bundes an den kommunalen Entschuldungsmaßnahmen der Länder schafft. Diese Grundgesetzänderung ist Grundlage für eine spätere einfachgesetzliche Ausgestaltung des Altschuldenvorhabens.

Notwendigkeit der Grundgesetzänderung

Die Aufnahme von Schulden und die Schuldenverwaltung sind Teil der grundgesetzlich geschützten selbständigen und unabhängigen Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern inklusive ihrer Kommunen (Art. 109 Abs. 1 GG). Bund und Länder tragen – soweit das GG nichts anderes bestimmt – gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben (Art. 104a Abs. 1 GG), d. h. auch die Zins- und Tilgungsausgaben für ihre jeweiligen Schulden. Mit der Beteiligung des Bundes an der kommunalen Altschuldenhilfe der Länder würde der Bund in die grundgesetzlich geschützte Haushaltswirtschaft der Länder und ihrer Kommunen eingreifen und die grundgesetzliche Lastenteilung durchbrechen.

Mit Blick auf Art. 109 Abs. 1 GG bedarf es auch für die Formulierung haushaltsrechtlicher Anforderungen durch den Bund, die den erneuten Aufbau übermäßiger kommunaler Liquiditätskredite in den teilnehmenden Ländern verhindern soll, einer expliziten verfassungsrechtlichen Ermächtigung, die durch eine Grundgesetzänderung erst geschaffen werden muss.

Inhalte der Grundgesetzänderung

Mit dem von der Bundesregierung beschlossenen Gesetzentwurf soll mit einem neuen Art. 143h GG eine einmalige Ausnahmeregelung von der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung geschaffen werden.

Kern der Regelung ist Art. 143h Abs. 1 GG, der den Bund einmalig zur Übernahme von Schulden des jeweiligen Landes in Höhe von bis zu 50 Prozent des Entschuldungsvolumens ermächtigt, wenn das Land seine Kommunen vollständig von seinen zum 31. Dezember 2023 bestehenden übermäßigen Liquiditätskrediten entschuldet hat. Hierbei können auch zum 31. Dezember 2023 bei den Kommunen nicht mehr bestehende übermäßige Liquiditätskredite berücksichtigt werden, die Gegenstand eines Entschuldungsprogramms der Länder waren. Die Beteiligung des Bundes bezieht sich nur auf den Anteil des Entschuldungsvolumens, dessen Lasten vom jeweiligen Land getragen werden.

Damit der Bund die wirtschaftlichste Option der Beteiligung wählen kann, sieht der Gesetzentwurf in diesem einmaligen Fall vor, dass Art. 109 Abs. 3 und Art. 115 Abs. 2 GG, in denen die „Schuldenbremse“ geregelt ist, keine Anwendung auf die anteilige Schuldübernahme des Bundes finden – unabhängig von der konkreten technischen Ausgestaltung der Schuldübernahme durch den Bund. Für den Fall eines unmittelbaren Eintritts des Bundes in bestehende Schulden der Länder (Schuldnerwechsel) hätte diese Regelung rein deklaratorischen Charakter.

Um den erneuten Aufbau von Liquiditätskrediten wirksam zu verhindern, werden die Länder in Art. 143h Abs. 2 GG verpflichtet, im Einvernehmen mit dem Bund geeignete haushaltsrechtliche und kommunalrechtliche Maßnahmen zu ergreifen.

Art. 143h Abs. 3 GG ermöglicht dem Bund die einmalige Übernahme von Schulden der drei Stadtstaaten, die durch das Zusammenfallen von Landes- und kommunaler Ebene gekennzeichnet sind. Die Schuldübernahme durch den Bund berücksichtigt, dass ein Teil der Schulden der Stadtstaaten durch die Wahrnehmung solcher Aufgaben bedingt ist, die in den Flächenländern von den Kommunen wahrgenommen werden. In den Haushalten der Länder Berlin, Bremen und Hamburg gibt es jedoch keine direkte Entsprechung des kommunalen Liquiditätskredits. In ihrem Fall würde sich der Bund jeweils hälftig an „fiktiven“ übermäßigen Liquiditätskrediten beteiligen, die über eine Betrachtung der Verschuldungssituation vergleichbarer Großstädte in den Flächenländern ermittelt werden.

Art. 143h Abs. 4 GG ermächtigt schließlich den Bundesgesetzgeber, die näheren Einzelheiten mit Zustimmung des Bundesrats zu regeln. Das betrifft u. a. die Einzelheiten der Schuldübernahme durch den Bund, die Bestimmung der übermäßigen Liquiditätskredite, die Berücksichtigung der bereits erfolgten Entschuldungsmaßnahmen, die Höhe der Hilfen für die Länder Berlin, Bremen und Hamburg sowie die Konkretisierung der von den Ländern zu ergreifenden Maßnahmen zur Verhinderung eines erneuten Aufwuchses übermäßiger Liquiditätskredite und zu den Konsequenzen bei unvollständiger Umsetzung durch die Länder.

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Ausblick

Mit der Vorlage des Gesetzentwurfes zur Änderung des Grundgesetzes hat die Bundesregierung – entsprechend dem Koalitionsvertrag – eine wichtige Regelung zur Lösung der Altschuldenproblematik auf den Weg gebracht. Der Gesetzentwurf befindet sich nun im Gesetzgebungsverfahren. Es ist zunächst Sache der Länder, sich im Bundesrat zum Vorhaben der Bundesregierung zu positionieren. Er kann bis zum 11. April 2025 zum Gesetzentwurf Stellung nehmen.