Rückblick auf die Sitzungen der Eurogruppe und des ECOFIN-Rats am 20. und 21. Januar 2025 in Brüssel
Eurogruppe
Die Eurogruppe begann mit einem intensiven Austausch über die zentralen wirtschaftspolitischen Prioritäten des Euroraums. Im Rahmen einer Tischrunde kam es zu einem breiten Meinungsaustausch. Im Zentrum standen dabei die Themen Wettbewerbsfähigkeit, Fiskalpolitik und globale Entwicklungen. Die Mitgliedstaaten waren sich einig, dass die jüngeren globalen Entwicklungen eine aktive und enge Zusammenarbeit in der Eurogruppe erfordern würden. Mehr Wirtschaftswachstum, eine höhere Widerstandsfähigkeit und ein starker Euro müssten dabei zentrale Ziele sein. Die Ministerinnen und Minister betonten in der Diskussion die Bedeutung von Fortschritten bei der Kapitalmarktunion im Bereich Verbriefungen, beim digitalen Euro, dem Krisenmanagementrahmen (Crisis Management Deposit Insurance) sowie dem Bürokratieabbau.
Im Anschluss befassten sich die Ministerinnen und Minister mit Innovationen in der Abwicklung von Großbetragszahlungen in Zentralbankgeld. Die Europäische Zentralbank (EZB) führte zunächst in die Thematik ein. Sie gab dabei einen Überblick über den aktuellen Stand der Arbeiten des Eurosystems an einer digitalen Modernisierung der Infrastruktur zur Abwicklung von Zentralbankgeld für die Finanzindustrie. Die aktuell in der Erprobung befindlichen Projekte im Eurosystem seien zumindest teilweise für eine kurzfristige Lösung und Implementierung geeignet. Längerfristige Lösungen könnten möglicherweise legislative Anpassungen erforderlich machen.
Schwerpunkt der sich anschließenden Diskussion im Kreis der Mitgliedstaaten war der Einsatz neuer Technologien für die Abwicklung von Zentralbankgeld in Zusammenarbeit mit dem Privatsektor und der Bedarf der Märkte nach technologischer Weiterentwicklung. Es bestand Einigkeit in der Eurogruppe darüber, die Vorteile neuer Technologien zu nutzen. Diese hätten das Potenzial, die Geschwindigkeit, Effizienz und Transparenz der Finanzmärkte zu verbessern, Markteintrittsbarrieren zu verringern und die Integration der europäischen Kapitalmärkte voranzutreiben.
Ein weiteres Thema in der Eurogruppe war der digitale Euro. Die EZB gab den Mitgliedstaaten einen Überblick über ihre aktuellen Arbeiten am digitalen Euro. EZB-Präsidentin Christine Lagarde betonte die Notwendigkeit eines Rechtsrahmens für den digitalen Euro. Die Europäische Kommission erklärte, dass bei einer Beschleunigung des aktuellen Legislativprozesses aus ihrer Sicht eine Einigung im Rat im Juni 2025 möglich sei. Der Präsident der Eurogruppe machte beim digitalen Euro deutlich, dass ein zu langes Warten es zunehmend schwieriger mache, technologischen Rückstand aufzuholen.
Die Eurogruppe stellte fest, dass sich das Zahlungsverhalten schnell verändere und die Verwendung von Bargeld zugunsten internationaler mobiler Zahlungslösungen weiter abnehme. Vonseiten der Bundesregierung wurde betont, dass im legislativen Rahmen eine aktive Rolle der demokratisch legitimierten Ko-Gesetzgeber sichergestellt werden müsse. Die EZB solle zudem die Infrastruktur für einen digitalen Euro stellen, nicht aber in Konkurrenz zur Privatwirtschaft treten.
ECOFIN
Am Abend des 20. Januar 2025 kamen die Ministerinnen und Minister des Rates für Wirtschaft und Finanzen (ECOFIN) im Rahmen eines informellen Abendessens vorab zusammen. Ein Thema war dabei die Integration der Energiemärkte der Europäischen Union (EU) vor dem Hintergrund der hohen Energiekosten in der EU und deren negativen Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit. Es bestand Einigkeit hinsichtlich des Ziels, dass die Preise für Energie dauerhaft niedriger ausfallen müssten. Die Bedeutung eines innereuropäischen, grenzüberschreitenden Strommarkts wurde unterstrichen. Bundesfinanzminister Dr. Jörg Kukies warb in diesem Zusammenhang für Pragmatismus bei der Bewältigung der Herausforderungen und unterstrich die Bedeutung schnellerer Planungs- und Genehmigungsverfahren.
Anlässlich der Amtseinführung des neuen US-Präsidenten Donald Trump tauschten sich die Ministerinnen und Minister beim Abendessen auch zu den transatlantischen Beziehungen aus. Die Mitgliedstaaten zeigten sich zuversichtlich, dass diese auch künftig konstruktiv und kooperativ sein werden. Die USA seien der wichtigste Verbündete und Handelspartner der EU. Ein geeintes Vorgehen der EU-Mitgliedstaaten sei zentral. Die Wettbewerbsfähigkeit Europas konsequent zu stärken, sei nun umso wichtiger.
Die polnische Ratspräsidentschaft stellte zu Beginn der regulären Sitzung die Prioritäten ihres Programms vor. Von zentraler Bedeutung für die Präsidentschaft sei das Thema Sicherheit und Verteidigung. In Fragen der Finanzierung von Forschung und Entwicklung sowie der Industrie sei im Bereich Sicherheit und Verteidigung eine engere Zusammenarbeit der Europäischen Kommission mit der Europäischen Investitionsbank zu diskutieren.
Neben dem Thema Verteidigung spiele auch die Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit Europas eine wichtige Rolle. Hier seien insbesondere der Abbau regulatorischer Anforderungen und bürokratischer Lasten sowie der Rückgang der Energiepreise wichtige Schritte. Polen erklärte zudem, dass die Unterstützung der Ukraine ungebrochen im Zentrum der Ratsarbeiten stehe. Die Arbeiten an der EU-Zollreform sollten zudem entscheidend vorangebracht werden. Die Präsidentschaft strebe hier eine allgemeine Ausrichtung im Rat an.
Die Europäische Kommission begrüßte das Programm der polnischen Ratspräsidentschaft und sicherte ihre volle Unterstützung zu. Von zentraler Bedeutung seien die Stärkung der Verteidigungsfähigkeit, die Unterstützung der Ukraine und die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. In diesem Zusammenhang verwies sie auch auf den Kompass für Wettbewerbsfähigkeit, dessen Konzept zwischenzeitlich am 29. Januar 2025 von der Europäischen Kommission veröffentlicht wurde.1
Die Ministerinnen und Minister sprachen über Möglichkeiten der Gewährleistung eines global wettbewerbsfähigen wirtschaftlichen Rahmens für Unternehmen in Europa durch die Vereinfachung, Reduzierung und Verschlankung von Verwaltungsvorschriften und Regulierungsaufwand. Die Europäische Kommission wiederholte einleitend ihr Ziel, die Berichtsanforderungen für Unternehmen generell um mindestens 25 Prozent und für kleine und mittelständische Unternehmen um 35 Prozent zu reduzieren. Hierfür wolle sie noch im Februar 2025 ein Omnibus-Entlastungspaket mit konkreten Vorschlägen vorlegen.
Im Rahmen einer fast vollständigen Tischrunde signalisierten die Mitgliedstaaten große Unterstützung für das Vorhaben der Europäischen Kommission. Der Bundesfinanzminister erläuterte in seinem Beitrag den deutschen Vorschlag zu möglichen Entlastungen in der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen. Bei der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), Taxonomie und Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) gebe es Inkonsistenzen. Er schlug ein zweijähriges Moratorium für die ab dem Geschäftsjahr 2025 nach CSRD berichtspflichtig werdenden Unternehmen vor. Die gewonnene Zeit solle für eine Verschlankung, Entflechtung und Reduzierung der Berichtsanforderungen in der CSRD genutzt werden.
Der Bundesfinanzminister sprach sich außerdem für die Erhöhung der Schwellenwerte aus, damit künftig weniger mittelständische Unternehmen in den Anwendungsbereich der umfangreichen Berichtspflichten nach den European Sustainability Reporting Standards fallen. Zudem solle die aussagelose Green Asset Ratio ersatzlos gestrichen werden. Er verwies zudem auf den sogenannten Trickle-Down-Effekt, durch den nicht direkt betroffene Unternehmen durch Abfragen unmittelbar betroffener Geschäftspartner mittelbar belastet werden. Es sei daher ein ganzheitlicher Ansatz bei diesem Vorhaben zu verfolgen.
Der Beitrag des Bundesfinanzministers stieß bei vielen Mitgliedstaaten auf Zuspruch. Als weitere Bereiche für Vereinfachungen wurden im Kreis der Mitgliedstaaten die Berichterstattung im Bereich Geldwäschebekämpfung, die öffentliche Beschaffung und der Kfz-Mindeststeuersatz für schwere Nutzfahrzeuge genannt.
Die wirtschaftlichen und finanziellen Folgen des Kriegs in der Ukraine standen als wiederkehrender Punkt auf der Tagesordnung. Die Befassung fand dieses Mal im Rahmen des traditionellen Ratsarbeitsfrühstücks am Morgen des ECOFIN-Rats statt, an dem der ukrainische Finanzminister Sergij Marchenko vor Ort teilnahm. Er gab einen kurzen Überblick über die aktuelle Lage in der Ukraine und dankte den Mitgliedstaaten für ihre Unterstützung. Die Ministerinnen und Minister brachten im Rahmen einer Tischrunde ihre Unterstützung und uneingeschränkte Solidarität zum Ausdruck.
Ein weiterer zentraler Tagesordnungspunkt des Ratstreffens war die Befassung mit der Implementierung des neuen EU-Fiskalregelwerks. Der Rat nahm dabei die in den Gremien vorbereiteten Ratsempfehlungen zu den finanzpolitisch-strukturellen Plänen (FSP) von 21 Mitgliedstaaten und Ratsempfehlungen zur Beseitigung eines übermäßigen Defizits in den sieben Mitgliedstaaten Belgien, Frankreich, Italien, Malta, Polen, Rumänien und der Slowakei an. Die Ratsempfehlungen für Ungarn zum FSP und zum Defizitverfahren werden bei der nächsten Ratssitzung im Februar behandelt.
Die Europäische Kommission begrüßte die Annahme der vorliegenden Ratsempfehlungen durch den Rat. Mit Blick auf die Ratsempfehlungen für Frankreich erklärte sie, dass der kurzfristig angepasste französische FSP angemessen sei, da er sich innerhalb der Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspakts bewege. Noch ausstehend sind die FSP von Österreich, Belgien, Bulgarien, Deutschland und Litauen. Der Bundesfinanzminister verwies in seinem Wortbeitrag auf den positiven Wachstumseffekt solider Staatsfinanzen. Es sei daher zu begrüßen, dass geordnete Defizitverfahren wieder durchgeführt werden. Mit Blick auf den noch ausstehenden deutschen FSP bat der Bundesfinanzminister um Geduld. Zunächst müsse die Bildung einer neuen Regierung im Nachgang zur Bundestagswahl abgewartet werden. Er bekräftigte, dass seitens der Bundesregierung an einer soliden Haushaltsausrichtung festgehalten werde.
Der Rat befasste sich auch mit dem Europäischen Semester. Die Europäische Kommission hatte im Dezember 2024 den zweiten Teil ihres Herbstpakets zum Europäischen Semester 2025 mit Schwerpunkt auf der wirtschaftspolitischen Koordinierung veröffentlicht. Das Herbstpaket bildet den Auftakt für den jährlichen Semesterzyklus. Zum makroökonomischen Ungleichgewichteverfahren hatte die Europäische Kommission den Warnmechanismusbericht mit dem zweiten Teil des Herbstpakets veröffentlicht.
Die Europäische Kommission erklärte zum makroökonomischen Ungleichgewichteverfahren, dass die bisherigen Beobachtungen weiter Bestand hätten. Hohe nominale Wachstumsraten hätten in der Vergangenheit zu einem Rückgang der Staatsschuldenquote in den meisten Mitgliedstaaten geführt. Allerdings liege die Quote noch nahe dem Niveau von 2020 und der Rückgang sei in einigen Mitgliedstaaten zum Erliegen gekommen. Angesichts höherer Zinsen seien die Refinanzierungskosten gestiegen. Darüber hinaus hätten die zurückliegenden Preisanstiege die Wettbewerbsfähigkeit belastet. Hohe Immobilienpreise blieben ein wichtiges Problem.
Die Europäische Kommission kündigte an, zehn EU-Mitgliedstaaten auf mögliche makroökonomische Ungleichgewichte zu untersuchen. Dazu gehört auch Deutschland. In den anderen 17 Mitgliedstaaten sieht sie keine Anzeichen für Ungleichgewichte. Eine erneute Befassung mit dem Europäischen Semester, insbesondere zur Annahme der Eurozonenempfehlungen, ist für das Ratstreffen am 18. Februar 2025 geplant.
Zum Abschluss wurden die Durchführungsbeschlüsse zur Änderung der nationalen Aufbau- und Resilienzpläne von Griechenland, Spanien und Zypern vorgelegt und von den Mitgliedstaaten beschlossen. Die Europäische Kommission gab den Mitgliedstaaten zudem einen kurzen Überblick über den aktuellen Umsetzungsstand der Aufbau- und Resilienzfazilität (Recovery and Resilience Facility, RRF). Bis Ende 2024 seien mehr als 300 Mrd. Euro, d. h. rund 47 Prozent der gesamten RRF-Mittel, ausgezahlt worden. Die Europäische Kommission rechne für 2025 mit einer substanziellen Beschleunigung hinsichtlich des Volumens der Auszahlungsanträge und der erfüllten Meilensteine und Zielwerte.
Fußnoten
- 1
- Zur englischsprachigem Kommissionsveröffentlichung: Steering the EU towards greater sustainable competitiveness