Eine Aufgabe, wie es sie noch nie gegeben hatte
Die „Anstalt zur treuhänderischen Verwaltung des Volkseigentums“ oder kurz Treuhandanstalt hatte die Aufgabe,
- die unternehmerische Tätigkeit des Staates durch Privatisierung so schnell wie möglich zurückzuführen,
- die Wettbewerbsfähigkeit möglichst vieler Unternehmen herzustellen und somit Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen.
Dafür gab es keine Anleitung. Noch nie war eine ganze Volkswirtschaft umgebaut worden. Es ging um 8.500 volkseigene Betriebe der DDR mit 45.000 Betriebsstätten und über 4 Millionen Beschäftigten.
Management mit sozialem Augenmaß
Detlev Rohwedder war früh klar: Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umwälzungen würden die Lebensverhältnisse vieler Bürgerinnen und Bürger in den neuen Bundesländern grundlegend verändern. „Die Treuhand versteht sich auch als Einrichtung, die mithelfen will, dass […] die Menschen nicht unter die Räder kommen“, sagte er in einem Interview.
Laut Statistik war die DDR unter den zehn führenden Industrienationen der Welt. Hinter den Fassaden planwirtschaftlicher Bilanzen lag die Produktivität allerdings um geschätzte 50 Prozent unter der in der Bundesrepublik. Die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion brachte im Sommer 1990 die D-Mark nach Ostdeutschland – und die Betriebe dort um den Rest ihrer Rentabilität. Rasches Handeln war geboten, um noch Schlimmeres zu verhüten, als ohnehin zu befürchten war. Bis Anfang 1991, Detlev Rohwedders Tod, wurden rund 500 Betriebe privatisiert.
Was kostet eine vereinte Wirtschaft?
Unter Detlev Rohwedders Nachfolgerin Birgit Breuel trieb die Treuhand die Reorganisation voran – mit ambivalenten Folgen. In nur knapp vier Jahren wurden sämtliche Unternehmen privatisiert oder in kommunalen Besitz überführt. Mehr als 3.700 Betriebe mussten geschlossen werden. Für die betroffenen Menschen ein schwerer Schlag. Nahezu zwei Drittel aller Arbeitsplätze gingen verloren.
War das Glas nun halb leer oder halb voll? Was kostete diese wirtschaftliche Einheit? Nun, bis vor kurzem haben alle Deutschen zusammen den Schuldenberg der Treuhand von rund 270 Milliarden D-Mark abgetragen. Nicht verschwiegen werden darf dabei, dass im Verlauf dieses ökonomischen Kraftakts auch enorme Verluste durch Wirtschaftskriminalität zu Buche schlugen. Der Treuhandsprecher Wolf Schöde formulierte es so: „Wir lernten, während wir Fehler machten.“ Warum? „Weil es so etwas wie den Umbau eines ganzen Staates noch nie gab.“ Ende 1994 wurde die Treuhand aufgelöst. In unglaublich kurzer Zeit war eine ganze Wirtschaft transformiert worden und konnte sich auch im Wettbewerb behaupten.