Die Zeit bis zur einheitlichen Reichsfinanzverwaltung
Vor der Errichtung der einheitlichen Reichsfinanzverwaltung 1919 war die Verwaltung der direkten Steuern Sache der einzelnen Staaten des Deutschen Reichs. Sie zeigte ein buntes Bild, denn jedes Land erließ seine Steuergesetze und regelte Behördenaufbau wie Verfahrensabläufe nach eigenem Ermessen. Auch die Rechtsverhältnisse der Steuerbeamten waren von Land zu Land unterschiedlich.
So bildeten sich in den süddeutschen Staaten (vor allem in Bayern und Württemberg) während des 19. Jahrhunderts eigenständige und effizient arbeitende Steuerverwaltungen mit fachlich gut geschultem Personal heraus. Dagegen gab es in Norddeutschland keine selbständigen Steuerbehörden oder nur Ansätze dazu. In Preußen z. B. war die Verwaltung der direkten Steuern Aufgabe der inneren Verwaltung. Die Festsetzung dieser Steuern oblag Veranlagungskommissionen, in denen gewählte oder ernannte Bürger saßen. Für die Erhebung waren die Gemeindekassen zuständig. Eine gut geschulte Steuerbeamtenschaft gab es hier nicht.
Nach einem Wort von Bismarck war das 1871 gegründete Deutsche Reich finanziell ein Kostgänger der Einzelstaaten. Dem Reich flossen zwar die Zölle und einige Verbrauch- und Verkehrsteuern zu, der Zugriff auf die direkten Steuern blieb ihm zunächst aber verwehrt. Defizite im Reichshaushalt wurden durch sogenannte Matrikularbeiträge der Einzelstaaten gedeckt.
Die Finanzen des Reiches wurden in der Anfangszeit im Reichskanzleramt verwaltet. Erst im Juli 1879 wurde mit dem zunächst von einem Unterstaatssekretär, später von einem Staatssekretär geleiteten Reichsschatzamt eine eigenständige oberste Finanzbehörde des Reiches errichtet. Das Reichsschatzamt residierte zunächst in der Wilhelmstraße 74, ab etwa 1883 im Gebäude Wilhelmstraße 61/Wilhelmplatz 1 in Berlin. Dieser Bau war zwischen 1873 und 1877 nach Plänen von Mörner und Neumann durch den Architekten Richard Wolffenstein (1846 - 1919) ausgeführt worden.
Von 1890 bis 1901 war Johannes von Miquel preußischer Finanzminister. Die umfassende Finanz- und Steuerreform 1891/93, die bis heute seinen Namen trägt, beeinflusste das preußische und deutsche Steuersystem erheblich. Wesentliche Teile der Reform waren die Einführung der modernen Einkommensteuer, die durch eine Vermögensteuer ergänzt wurde, sowie die Umwandlung der Gewerbe- und der Grundsteuer von Staats- zu Gemeindesteuern.
Das Reich konnte 1906 mit der Erbschaftsteuer und 1913 mit der Besitzsteuer und dem Wehrbeitrag auch direkte Steuern gegenüber den Einzelstaaten durchsetzen.
Finanzpolitik in der Weimarer Republik
Die ab Oktober 1919 entstehende Reichsfinanzverwaltung war dreistufig gegliedert: Die oberste Leitung lag beim aus dem Reichsschatzamt hervorgegangenen Reichsfinanzministerium in Berlin. Unter ihm standen auf der Mittelstufe die Landesfinanzämter und auf örtlicher Ebene die Finanzämter beziehungsweise Hauptzollämter.
Die nach Reichsfinanzminister Matthias Erzberger benannte Finanz- und Steuerreform von 1919/20 war das bedeutendste Ereignis der deutschen Finanzgeschichte des 20. Jahrhunderts. Die immense Verschuldung des Deutschen Reiches aus dem Ersten Weltkrieg sowie hohe innere und äußere Kriegsfolgelasten erzwangen einen völligen Umbau der Finanzverfassung und des Steuersystems.
Das Reich zog jetzt die Gesetzgebungs- und die Ertragskompetenz für die ergiebigsten Steuern (u. a. die Einkommensteuer) an sich. Für die Festsetzung und Erhebung der Besitz- und Verkehrsteuern sowie der Zölle und Verbrauchsteuern wurde eine neue, einheitliche Reichsfinanzverwaltung aufgebaut. Die neuen Reichssteuergesetze (u. a. Reichsabgabenordnung vom Dezember 1919) brachten eine reichsweite Vereinheitlichung des vorher erheblich zersplitterten Steuerrechts.
Zugleich bewirkten sie eine starke Erhöhung der Steuern. Ihr fiskalischer Erfolg wurde durch die nachfolgende Inflation (1922/23) stark beeinträchtigt. Die Erzbergersche Finanz- und Steuerreform hat die Grundstruktur des deutschen Steuersystems und Steuerrechts bis in die heutige Zeit beeinflusst. Mit ihr begann in Deutschland nicht nur die Entwicklung der modernen Steuer- und Zollverwaltung, sondern auch des steuerberatenden Berufes und der Steuerwissenschaften.
Die Weltwirtschaftskrise führte in Deutschland zu einem deutlichen Rückgang des Volkseinkommens, zu einem schnellen Anstieg der Arbeitslosigkeit und zu einem erheblichen Defizit im Reichshaushalt. Die zunächst verfolgte Deflationspolitik verstärkte die Krise. Mit dem Arbeitsbeschaffungsprogramm von 1932 wurde die Wende zu einer expansiven Finanzpolitik eingeleitet, die nach der nationalsozialistischen "Machtergreifung" 1933 fortgesetzt wurde.
Die Finanzpolitik des Dritten Reiches
Die Finanzpolitik des „Dritten Reiches“ diente zunächst vor allem der Wirtschaftsbelebung, dann der Aufrüstung. Mit der sogenannten Reinhardtschen Steuerreform von 1934 geriet das Steuerrecht zunehmend unter den Einfluss der nationalsozialistischen Ideologie. Die Steuerverwaltung wurde ausgebaut und ihre Stellung gegenüber den Steuerpflichtigen verstärkt.
Ab 1939 wurde die Finanzpolitik in den Dienst der Kriegsführung gestellt. Die steuerliche Belastung, aber auch die Verschuldung des Reichs stieg während des Zweiten Weltkriegs steil an.
Mit dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches 1945 endete auch die 1919 errichtete einheitliche Reichsfinanzverwaltung.
Trotz des Zusammenbruchs des Reiches setzten die deutschen Finanzbehörden 1945 ihre Tätigkeit fort. Die Gesetzgebung des Alliierten Kontrollrats führte 1946 zur härtesten Besteuerung, die es in Deutschland je gab. Mit der Währungsreform 1948 wurde im westlichen Teil Deutschlands der wirtschaftliche Aufschwung eingeleitet.
Das BMF hat eine Kommission eingesetzt, die die Rolle des Reichsfinanzministeriums in der Zeit des Nationalsozialismus erforschen soll.
Das Bundesministerium der Finanzen seit 1949
Das Grundgesetz von 1949 teilte die finanziellen Hoheitsrechte zwischen Bund und Ländern auf. Es entstanden getrennte Finanzverwaltungen des Bundes und der Länder. Während der achtjährigen Amtszeit des ersten Bundesministers der Finanzen Fritz Schäffer standen die Beseitigung der Folgen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und des Krieges, die Sicherung des Geldwertes durch eine strenge Haushaltspolitik und eine konsequente Steuersenkung zur Belebung der Wirtschaft im Vordergrund. Die geplante Organische Steuerreform kam nicht zustande. Wichtige Reformen wurden in einzelnen Bereichen des Steuersystems durchgeführt, u. a. durch das Umsatzsteuergesetz 1967 (Übergang zur Mehrwertsteuer).
Die deutsche Finanzverfassung wurde 1969 wesentlich weiterentwickelt: Das Finanzreformgesetz ordnete die finanziellen Beziehungen zwischen Bund und Ländern neu. Mit der Haushaltsreform wurde das teilweise veraltete Haushaltsrecht den Bedürfnissen einer modernen Finanzwirtschaft angepasst.
Das Bundesministerium für den wirtschaftlichen Besitz des Bundes wurde 1961 in Bundesschatzministerium umbenannt. 1969 wurde es aufgelöst. Seine Aufgaben wurden teils auf das Bundesfinanzministerium, teils auf das Bundeswirtschaftsministerium übertragen.
Mit der Erfassung und Verwaltung des Liegenschaftsvermögens des ehemaligen Deutschen Reiches wurden 1946 die Finanzämter beauftragt. Diese Aufgabe übernahmen 1952 die aufgrund des Finanzverwaltungsgesetzes von 1950 bei den Oberfinanzdirektionen eingerichteten Bundesvermögens- und Bauabteilungen, die seit 1971 Bundesvermögensabteilung heißen.
Das Bundesfinanzministerium teilte sich 1949 zunächst ein Gebäude mit dem Wirtschafts- und dem Vertriebenenministerium. Dieses Gebäude war ursprünglich für ein Finanzamt errichtet worden. Heute gehört es zum Bundesinnenministerium.
Seit Anfang der 50er Jahre hat das Bundesfinanzministerium seinen Sitz in Bonn, Rheindorfer (heute: Graurheindorfer) Straße 108. Der baulich markante Ministerflügel wurde 1955 fertiggestellt. Mit der teilweisen Eingliederung des Bundesschatzministeriums wurde 1969 auch dessen früheres Dienstgebäude (Haus Carstanjen in Bad Godesberg) vom Bundesfinanzministerium übernommen.
Im Mai 1971 wurden BMF und BMWi zum Bundesministerium für Wirtschaft und Finanzen zusammengelegt (unter Minister Karl Schiller). Unter dessen Nachfolger Helmut Schmidt wurden beide Häuser wieder getrennt. Das BMF erhielt dabei auch die Zuständigkeiten für das Geld-, Kredit-, und Währungswesen sowie für die Bank-, Börsen- und Versicherungspolitik. Die Bauaufgaben gingen auf das BMBau über.
Nach der deutschen Einigung 1990 wurde in Berlin (im ehemaligen Haus der Ministerien der DDR) eine Außenstelle des BMF eingerichtet (später Dienstsitz Berlin des BMF).
Mit der Auflösung des Bundesministeriums für Post und Telekommunikation übernahm das BMF zum 1. Januar 1998 einen erheblichen Teil von dessen Zuständigkeiten, insbesondere für die Beteiligungs- und Privatisierungspolitik und die Beteiligungsverwaltung für die Unternehmen Telekom, Postbank, Post und Bundesdruckerei, für die Rechts- und Fachaufsicht über die Bundesanstalt für Post und Telekommunikation sowie für Postwertzeichen.
Im Oktober 1998 wurden Zuständigkeiten aus dem BMWi in das BMF verlagert: Davon blieb ab Oktober 2002 vor allem der Bereich der Europapolitik im BMF. Im Rahmen des Regierungsumzugs wurde im August 1999 der Sitz des BMF nach Berlin verlegt. Daneben besteht der Dienstsitz Bonn des BMF.