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17.07.2024

Privatisierungspolitik

Durch Privatisierung gewinnen Staat und Unternehmen Handlungsfreiheiten: Der Bund setzt Reformpotenziale frei und die Unternehmen steigern ihre Effizienz, um sich im internationalen Wettbewerb zu positionieren. Dies zeigt sich in nahezu allen Bereichen, in denen aus staatlichen monopolisierten Industrien wettbewerbsorientierte Märkte und eine Vielfalt des Angebots entstanden, die den Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie Unternehmen zu Gute kommen.

Das Haushaltsrecht des Bundes verleiht der ökonomischen und politischen Grundüberzeugung Ausdruck, dass privater Initiative und Eigentümerschaft gegenüber einer Beteiligung des Bundes grundsätzlich der Vorrang zu geben ist und die Betätigung des Bundes als Unternehmer auf das Notwendige beschränkt bleibt. Dem entsprechend soll eine Beteiligung des Bundes gemäß der Bundeshaushaltsordnung nur bei Fortbestehen des sogenannten „wichtigen Bundesinteresses“ weiter gehalten werden und auch nur dann, wenn der vom Bund mit der Beteiligung angestrebte Zweck nicht besser und wirtschaftlicher durch Private erfüllt werden kann.

Ein wesentlicher Bestandteil der Privatisierungspolitik des Bundes ist die regelmäßige Überprüfung der Bundesbeteiligungen. Diese Prüfung erfolgt auch mit dem Ziel, Freiräume für privates Unternehmertum und für Wettbewerb zu eröffnen, um damit den Wirtschaftsstandort Deutschland weiter zu stärken.

So wird das wichtige fachpolitische Interesse des Bundes an seinen unmittelbaren unternehmerischen Beteiligungen regelmäßig und systematisch vom Bundesministerium der Finanzen im Zusammenwirken mit den übrigen Bundesministerien überprüft. Sofern das wichtige fachpolitische Interesse des Bundes an einer Beteiligung entfallen ist, prüft die Bundesregierung Optionen zum weiteren Umgang mit der Beteiligung. Dazu gehören die Veräußerung der Beteiligung oder von Teilbereichen des Unternehmens, die Auflösung des Unternehmens, die Ausrichtung auf andere Zwecke oder die Verschmelzung mit anderen Unternehmen.

Die Anstalt zur treuhänderischen Verwaltung des Volkseigentums (Treuhandanstalt), die in der Endphase der Regierung Modrow am 1. März 1990 gegründet wurde, hatte durch das noch von der Volkskammer der DDR beschlossene und durch Artikel 25 des Einigungsvertrages bestätigte Gesetz zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens (Treuhandgesetz) vom 17. Juni 1990 die Kernaufgabe,

  • die unternehmerische Tätigkeit des Staates durch Privatisierung so schnell wie möglich zurückzuführen,
  • die Wettbewerbsfähigkeit möglichst vieler Unternehmen herzustellen und somit Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen.

Von den anfänglich rund 8.500 Unternehmen, für die die Treuhandanstalt die Verantwortung übernahm, wurden nach Entflechtung rund 15.000 Unternehmen und Betriebs-/Unternehmensteile privatisiert (ohne sogenannte „Kleine Privatisierung“ von Ladengeschäften, Hotels, Gaststätten, Apotheken, Buchhandlungen, Kinos – insgesamt rund 25.000 Objekte).

Rund 80 Prozent der privatisierten Objekte gingen auf mittelständische Erwerber über.

Die Privatisierungen waren vielfach an soziale und wirtschaftliche Auflagen gebunden, insbesondere an Arbeitsplatzzusagen über insgesamt rund 1 Mio. Arbeitsplätze (25 Prozent der vorherigen Beschäftigung) und Investitionszusagen über rund 80 Mrd. Euro, deren Einhaltung überprüft und eingefordert wurde.

Die Privatisierungsaufgabe war im Wesentlichen Ende 1994 beendet. Restarbeiten hat danach insbesondere die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) übernommen.

Die Treuhandanstalt: Ein Forschungsprojekt des Instituts für Zeitgeschichte München – Berlin (aus dem Monatsbericht Juni 2020)