Aktuelle Herausforderungen beim Austausch von Einkommensdaten
Wir haben uns gefragt, warum Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen ihre Daten und Nachweise bei der Beantragung von Verwaltungsleistungen immer wieder angeben müssen, wenn diese den Behörden schon aus früheren Verwaltungskontakten vorliegen. Auf den ersten Blick wäre es zu erwarten, dass zwei Behörden, die Einkommensdaten verwenden, die Daten untereinander problemlos austauschen.
In Deutschland gibt es insgesamt mehr als 200 Verwaltungsleistungen, für die Daten zum „Einkommen“ relevant sind. Diese Verwaltungsleistungen haben mitunter erheblichen Einfluss auf das Leben vieler Bürgerinnen und Bürger. Wichtige Verwaltungsleistungen sind beispielsweise die Einkommensteuer, das Wohngeld, das Bürgergeld, BAföG oder die Hinterbliebenenrente. Damit Daten in den Registern der unterschiedlichen Verwaltungsleistungen miteinander verknüpft werden können, müssen sie interoperabel, d. h. unter dem Gleichen das Gleiche und unter dem Ungleichen unterschiedliches verstehen.
So greifen Verwaltungsleistungen derzeit auf verschiedene unstandardisierte Einkommenselemente zurück.
In der Realität benötigt der Austausch von Einkommensdaten zwischen Verwaltungen Lösungen auf sechs Handlungsfeldern:
Hinzu kommen unterschiedliche Arten der technischen Umsetzung und Datenspeicherung. Beispielsweise gibt es Unterschiede
- bei der Datenstruktur,
- beim Daten- und Übertragungsformat
- oder bei der Aktualität der Datenlieferung.
Für Mitarbeitende von Behörden ist es schwierig zu erfahren, was in anderen Institutionen passiert. Zum Beispiel:
- Wer erhebt als Primärdatenhalter der öffentlichen Verwaltung erstmalig die Daten bei den Bürgerinnen und Bürgern, die anschließend viele Behörden nachnutzen?
- Wer verantwortet die Richtigkeit der Daten?
- Wie sieht der Prozess aus, wenn sich die Daten bei der primärdatenhaltenden Behörde ändern?
Digitale Prozesse brauchen ein Recht, das die Ausschöpfung der digitalen Möglichkeiten erlaubt. Dafür gibt es auch eine Reihe von Fragen, die beantwortet werden müssen. Zum Beispiel:
- Braucht es noch einen (Online-) Antrag? Wenn ja, für was?
- Welcher Grad an automatisierter Fallprüfung wird zugelassen?
- Ist das für die Verwaltungsleistung wichtig oder kann das weg?
Die ressortübergreifende Kollaboration wird durch Unterschiede zwischen den Behörden erschwert. Beispielsweise gibt es Unterschiede
- bei den internen Prozessen,
- bei dem Kenntnisstand über agile Arbeitsmethoden,
- bei dem Grad bestehender Vernetzung,
- oder bei den Themenschwerpunkten und Zielen.
Unsere Rechercheergebnisse
In zehn Verwaltungsleistungen haben wir mehr als 200 „Einkommenselemente“ identifiziert. Für jede Verwaltungsleistung bezieht sich der Rechtsbegriff „Einkommen“ auf verschiedene Elemente, sogenannte „Bausteine“. Diese sind in verschiedenen Gesetzen normiert. Einzelne Bausteine benötigen viele Verwaltungsleistungen und bergen Potenzial für eine digitale Datenweiterverwendung.
Die Grafik zeigt die Relevanz einzelner Einkommensbausteine in den zehn Verwaltungsleistungen. Die Größe der Kreise spiegelt die Häufigkeit der Einkommensbausteine wider. Von 200 Einkommensbausteinen der zehn Verwaltungsleistungen werden:
- 157 Einkommensbausteine mehrfach und
- 29 Einkommensbausteine bei mehr als fünf Verwaltungsleistungen abgefragt.
Zur Optimierung von Verwaltungsleistungen sollte man bei den Bausteinen ansetzen, die mehrfach benutzt werden und für die es Datenaustauschverfahren gibt. Darüber hinaus gilt es zu prüfen, ob einmalig genutzte Bausteine durch andere ersetzt werden könnten, die wiederum häufiger vorkommen.
Auch wenn für die Beantragung von Verwaltungsleistungen immer noch viele Bescheinigungen eingereicht werden müssen, tauschen einige Behörden schon seit Jahren Daten digital aus. Das Projektteam hat 140 Beziehungen zwischen Institutionen identifiziert, die Einkommensdaten bereits austauschen. An diesen Datenaustauschverfahren nehmen 33 bereitstellende Institutionen und 22 empfangenen Institutionen teil.
Durch eine Analyse der existierenden Verfahren zum Austausch von Daten zum Einkommen konnten weitere Möglichkeiten für das Once-Only-Prinzip aufgezeigt werden. Die folgende Grafik zeigt einen Zwischenstand.
Weitere Informationen zu unserer Recherche und erste Ergebnisse finden Sie in der Ausgabe Juni 2023 des BMF-Monatsberichts.
Weiterentwicklung von Once-Only beim Austausch von Einkommensdaten
Die flächendeckende und zügige Umsetzung des Once-Only-Prinzips gelingt nur gemeinsam. In der interdisziplinären Zusammenarbeit werden mit agilem Projektmanagement Vorbilder geschaffen. Für einen Anwendungsfall entwerfen wir nach dem Prinzip „Think big, start small and scale fast“ erste Prototypen. Anhand der praktischen Erfahrungen mit dieser ersten Lösung wird der Anwendungsfall schrittweise weiterentwickelt, und zwar so lange, bis alles funktioniert und praktikabel ist. Maßstab ist stets die Nutzungsrate und die Zufriedenheit der Nutzerinnen und Nutzer.
Praxisbeispiel: einfache KiTa-Beitragsmessung
Einfache KiTa-Beitragsmessung durch digitalen Datenaustausch: Die Idee entstand in einem Design Sprint des Bundesministeriums der Finanzen und der Freien Hansestadt Bremen. Das Video zeigt, wie Beteiligte im Antragsprozess Daten zum Einkommen digital austauschen können und wie sich der Begriff Einkommen vereinfachen lässt.